Warum sie auseinandergehen
WENN man die unerhört hohen Scheidungsziffern liest, taucht natürlich die Frage auf: Warum ist die Scheidungsfreudigkeit heute so groß?
Zum Teil liegt es daran, daß neue Gesetze die Scheidung erleichtern. In Kalifornien trat zum Beispiel 1970 ein neues Scheidungsrecht in Kraft, dem das Zerrüttungsprinzip zugrunde liegt. Ehen können somit aufgelöst werden, ohne daß der eine oder andere schuldig gesprochen wird. In den Vereinigten Staaten gilt das Zerrüttungsprinzip bereits in fünfzig Staaten und Territorien.
In England können sich seit Dezember 1973 kinderlose Ehepaare scheiden lassen, indem sie ein Formular ausfüllen, diesem eine notariell beglaubigte Bestätigung beifügen, daß die Ehe zerrüttet ist, und dann beides an die zuständigen Behörden schicken. Auch in der Bundesrepublik gilt seit dem 1. Juli 1977 ein neues Scheidungsrecht. Dieses neue Gesetz brachte eine Abkehr vom Verschuldensprinzip und stellt nur noch auf „Zerrüttung“ der Ehe ab. Auch in anderen Ländern ist die Ehescheidung erleichtert worden.
Aber es gibt noch einen wichtigeren Grund, warum die Zahl der Ehescheidungen so erschreckend gestiegen ist.
Es ist die Einstellung der Menschen — ihre Wertvorstellungen, ihre Ansicht über die Ehe und ihre Ansprüche, die sie an das Leben stellen. Darin hat sich plötzlich ein radikaler Wandel vollzogen.
Die Menschen haben erfahren, daß man mehr erwarten und sich mehr wünschen sollte. Viele stimmen mit dem Spruch überein: „Genießt den Reiz des Lebens! Man lebt ja nur einmal.“ Wenn die Ehe die Erwartungen, die den Menschen suggeriert werden, nicht erfüllt, suchen sie sich daraus zu befreien — sie reichen die Scheidung ein. Jetzt werden auch vielerorts Versuche mit dieser oder jener Form von Partnerschaft durchgeführt, die sogar als „Ehe“ bezeichnet werden. So konnte man in der in Seattle erscheinenden Zeitung Post-Intelligencer lesen:
„Im Gebiet von Seattle probieren Bankiers und Ingenieure die Gruppenehe aus. Die freie Liebe ist ein Thema der sonntäglichen Predigt. ... Die wilde Ehe ist bald populärer als die amtlich bescheinigte Ehe. Die Älteren setzen sich unauffällig über die konventionelle Ehe hinweg, und die Kinder der Revolution kennen nur noch diese neue Sexualethik.“
Folgendes diene als Veranschaulichung für die Plötzlichkeit des Wandels: Im Frühjahr 1968 — also vor etwa zehn Jahren — gab es in New York einen Skandal, als eine unverheiratete Studentin zugab, außerhalb des Campus mit einem Mann zusammen gelebt zu haben. Die New York Times brachte damals auf der Titelseite einen Bericht darüber, und das Mädchen flog beinahe vom College. Heute gibt es viele große Colleges mit Studentenheimen für beide Geschlechter, und das Zusammenleben von Paaren ist so verbreitet, daß kaum jemand ein Wort darüber verliert.
Trotz des radikalen Wandels in der Einstellung sind amtlich bescheinigte Einehen immer noch populär. Aber man sieht in der Ehe nicht mehr eine Bindung für das Leben, sondern die Ehescheidung gilt jetzt als selbstverständlicher Ausweg, „wenn es nicht klappt“. Eine vor kurzem in der Bundesrepublik durchgeführte Umfrage ergab, daß 26 Prozent aller Bräute schon vor der Heirat an die Ehescheidung denken. Diese Einstellung trägt zur Scheidungswilligkeit bei.
Die modernen Frauenbefreiungsbewegungen haben die Frauen ermuntert, einer außerhäuslichen Berufsarbeit nachzugehen oder irgend etwas anderes zu tun, was ihnen „Selbsterfüllung“ bringt. Das hat zur Folge, daß heute mehr Nachdruck auf die Erfüllung der eigenen Wünsche als auf die Verpflichtungen gegenüber dem Ehegefährten gelegt wird. Man denkt zuerst an die eigene Befriedigung und an das eigene Vergnügen, man will JETZT alles aus dem Leben herausholen, was herauszuholen ist. Diese Einstellung ist offensichtlich der Grund, warum es heute so viele Ehescheidungen gibt.
Wie aus einem Bericht der Zeitschrift Good Housekeeping (Juni 1977) hervorgeht, geben bekannte Persönlichkeiten auch nicht gerade ein gutes Beispiel:
„Während die Scheidungsquote in den USA anstieg, führten bekannte Politiker den Run zum Scheidungsrichter an. Kabinettsmitglieder, Kongreßabgeordnete, Botschafter und hohe Beamte im Weißen Haus erwiesen sich als so scheidungsfreudig wie die übrige Bevölkerung oder noch scheidungsfreudiger, ohne daß dadurch ihre öffentliche Laufbahn oder ihr öffentliches Ansehen beeinträchtigt worden wäre.“
Solche Beispiele haben die Scheidungskonjunktur noch mehr angeheizt, und das hat sich auf die traditionelle Form der Familie sowie auf die gesamte Gesellschaft nachteilig ausgewirkt. Gibt es für dieses Problem eine Lösung? Könnt ihr, du und deine Familie, wirklich glücklich werden?