Die Sperrballons der Tabakverfechter — alles heiße Luft!
IN DEN 40er Jahren geriet die Stadt London unter schweren Beschuß. Deutsche Kampfflugzeuge und V-Waffen versetzten die Stadt in Schrecken und richteten verheerende Schäden an. Wäre die Situation nicht so entsetzlich gewesen, hätten sich die Londoner vielleicht über ein bizarres Bild, das sich ihnen bot, amüsiert.
Über ihren Köpfen schwebten, an langen Seilen befestigt, Tausende von großen Ballons. Sie sollten die Angriffe der Tiefflieger abwehren und möglichst einige V-Waffen im Flug abfangen. Die Ballonsperre war zwar genial, hatte jedoch nur geringen Erfolg.
Heute ist die Zigarettenindustrie ebenfalls unter Beschuß geraten. Das weit ausgebaute Tabakimperium, einst uneinnehmbare Bastion politischer und wirtschaftlicher Macht, wird von allen Seiten angegriffen.
Mediziner präsentieren seitenweise Belastungsmaterial, das sie in Studien erarbeitet haben. Beamte der Gesundheitsbehörden ziehen gegen die Tabakindustrie zu Felde und verschaffen sich dabei persönliche Vorteile. Erboste Eltern legen der Tabakindustrie zur Last, ihre Kinder zu ruinieren. Gesetzgeber haben den Zigarettenrauch entschlossen aus Bürogebäuden, Restaurants, militärischen Einrichtungen und Flugzeugen verbannt. Viele Länder haben ein Werbeverbot für Tabak in Rundfunk und Fernsehen verhängt. Ganze Staaten der USA verklagen die Tabakindustrie auf Millionen von Dollar Schadenersatz für Gesundheitsausgaben. Selbst Rechtsanwälte schließen sich dem Kampf an.
In dem Bemühen, die Angreifer abzuwehren, hat die Tabakindustrie deshalb ihre eigene „Ballonsperre“ aufgebaut. Der Stoff, mit dem sie ihre Ballons füllt, scheint jedoch nichts als heiße Luft zu sein.
Im vergangenen Jahr konnte das amerikanische Volk aus nächster Nähe miterleben, wie aufgebrachte Gesetzgeber und Beamte der Gesundheitsministerien eine heftige Offensive gegen die Tabakindustrie durchführten. Im April 1994 wurden in Anhörungen vor einem Gremium des US-Kongresses Geschäftsführer von sieben großen amerikanischen Tabakfirmen mit belastenden Statistiken konfrontiert: Jährlich sterben über 400 000 Amerikaner; Millionen werden krank, süchtig oder stehen mit einem Bein im Grab.
Was hatten die Tabakfirmen zu ihrer Verteidigung zu sagen? Die kampfentschlossenen Geschäftsführer rechtfertigten sich mit einigen sehr interessanten Erklärungen: „Daß Rauchen ... eine ursächliche Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielt, muß erst bewiesen werden“, behauptete ein Sprecher des Tobacco Institute. Zudem wurde das Rauchen so hingestellt, als sei es genauso harmlos und angenehm wie das Essen von Süßigkeiten oder das Trinken von Kaffee oder irgendeine andere angenehme Betätigung. „Das Nikotin macht Zigaretten nicht automatisch zu einer Droge und Rauchen nicht automatisch zu einer Sucht“, sagte der Hauptgeschäftsführer einer Tabakfirma. „Die Prämisse, daß Nikotin in Zigaretten, in welcher Konzentration auch immer, süchtig macht, stimmt nicht“, meinte ein wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Tabakfirma.
Wenn Zigaretten nicht süchtig machten, so hielt der Ausschuß entgegen, warum habe dann die Tabakindustrie versucht, den Nikotingehalt ihrer Produkte zu manipulieren? „Aus Geschmacksgründen“, erklärte der Geschäftsführer einer anderen Tabakfirma. Kann man sich etwas Schlimmeres denken als eine geschmacklose Zigarette? Selbst nachdem man ihn auf die zahllosen Forschungsergebnisse seiner eigenen Firma hingewiesen hatte, die den Schluß nahelegten, daß Nikotin ein Suchtmittel ist, hielt er an seiner Version fest.
Offensichtlich werden er und andere auf dieser Meinung beharren, ganz gleich, wie sehr sich die Gräber auf den Friedhöfen mit Tabakleichen füllen. Anfang 1993 machte Dr. Lonnie Bristow, Vorsitzender des Kuratoriums der American Medical Association, einen interessanten Vorschlag. Das Journal of the American Medical Association schrieb: „Er lud die Geschäftsführer größerer US-Tabakfirmen ein, mit ihm durch die Stationen eines Krankenhauses zu gehen, um sich bei mehreren Patienten eine Folgeerscheinung des Rauchens anzusehen — Lungenkrebs und Lungenkrankheiten im allgemeinen. Keiner nahm die Einladung an.“
Die Tabakindustrie brüstet sich damit, in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit weltweit überhandnimmt, sichere Arbeitsplätze zu bieten. In Argentinien stellt diese Industrie beispielsweise eine Million Arbeitsplätze, an denen weitere vier Millionen Arbeitsplätze hängen. Auf Grund der enorm hohen Steuereinnahmen sind die Tabakfirmen bei vielen Regierungen gut angeschrieben.
Ein Tabakkonzern hat vor allem Minderheiten mit großzügigen Spenden bedacht — scheinbar ein Ausdruck des sozialen Verantwortungsgefühls. Firmeninterne Papiere verraten jedoch, was wirklich hinter diesem sogenannten Wahlhilfebudget steckt, nämlich der Versuch, sich bei potentiellen Wählern lieb Kind zu machen.
Derselbe Tabakkonzern hat sich auch in der Welt der Kunst Freunde gemacht durch große Spenden für Museen, Schulen, Tanzschulen und Musikschulen. Vertreter der Kunstszene haben sich mit dem Gedanken arrangiert, das so dringend benötigte Geld von Tabakfirmen anzunehmen. Die Künstlerschaft von New York geriet unlängst in ein ziemliches Dilemma, als ebendieser Tabakkonzern sie aufforderte, sich dafür einzusetzen, daß etwas gegen Antirauchergesetze unternommen wird.
Und natürlich schrecken die reichen Tabakgiganten nicht davor zurück, Politikern Geld zukommen zu lassen, die im Fall irgendwelcher gegen die Interessen der Tabakindustrie gerichteter Pläne ihren Einfluß geltend machen könnten. Hohe Regierungsbeamte haben sich für die Interessen der Tabakindustrie stark gemacht. Manche haben gute wirtschaftliche Beziehungen zur Industrie oder fühlen sich verpflichtet, sich für die großzügige Wahlhilfe der Tabakfirmen erkenntlich zu zeigen.
Ein US-Kongreßabgeordneter soll Berichten zufolge von Zigarettenfirmen über 21 000 Dollar Spendengelder erhalten haben und daraufhin gegen die Durchsetzung verschiedener Antitabakverordnungen gestimmt haben.
Ein ehemaliger gutbezahlter Tabaklobbyist, der früher einmal Senator war und stark rauchte, erfuhr vor kurzem, daß er Rachen-, Lungen- und Leberkrebs hat. Heute bereut er alles zutiefst; bedauernd erklärt er, daß einem, wenn man so daliegt und weiß, daß man selbst daran schuld ist, klar wird, wie dumm man war.
Die Tabakgiganten wehren sich mit aller Kraft gegen ihre Gegner und machen sich dabei die Macht der Werbung zunutze, in die sie Unsummen stecken. In einem Werbeslogan wird die Fahne der Freiheit erhoben und eindringlich gewarnt: „Heute sind es Zigaretten. Und morgen?“ Damit will man sagen, daß die angeblich so fanatischen Verfechter des Rauchverbots als nächstes wohl auch Koffein, Alkohol und Hamburger verbieten werden.
Durch Zeitungsreklame versuchte man, eine vielfach angeführte Studie der amerikanischen Umweltschutzbehörde, die Passivrauchen als krebserzeugend einstufte, unglaubwürdig zu machen. Die Tabakindustrie kündigte an, vor Gericht zu gehen. In einer Fernsehsendung wurde eine Firma beschuldigt, den Nikotingehalt zu manipulieren, um die Abhängigkeit zu fördern. Der Sender, der die Sendung ausstrahlte, wurde prompt auf 10 Milliarden Dollar verklagt.
Die Tabakfirmen kämpfen zwar wie ein Löwe, doch auf Grund der zunehmenden Anschuldigungen herrscht um sie herum dicke Luft. In den letzten vier Jahrzehnten sind rund 50 000 Studien durchgeführt worden, die das Beweismaterial über die Risiken des Tabakkonsums immer erdrückender werden ließen.
Wie haben die Zigarettenfirmen versucht, sich gegen die massiven Anklagen zur Wehr zu setzen? Sie beharren stur auf einer vermeintlichen Tatsache: Raucher können das Rauchen aufgeben. Somit, so behaupten sie, sei Nikotin kein Suchtmittel. Die Statistiken zeigen jedoch etwas anderes. Es stimmt schon, daß 40 Millionen Amerikaner das Rauchen aufgegeben haben. Aber 50 Millionen rauchen nach wie vor, und 70 Prozent von ihnen sagen, sie möchten das Rauchen einstellen. Von den jährlich 17 Millionen Menschen, die sich das Rauchen abgewöhnen wollen, resignieren 90 Prozent noch innerhalb eines Jahres.
In den USA fangen knapp 50 Prozent der Raucher, die eine Lungenkrebsoperation hinter sich haben, erneut an zu rauchen. Von den Rauchern, die einen Herzanfall erlitten haben, zünden sich 38 Prozent noch vor Verlassen des Krankenhauses wieder eine Zigarette an. 40 Prozent der Raucher, denen man den Kehlkopf entfernt hat, weil er von Krebs befallen war, lassen sich deswegen vom Rauchen nicht abbringen.
Von den Millionen jugendlichen Rauchern in den USA sagen 75 Prozent, sie hätten mindestens einmal ernsthaft versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, es aber nicht geschafft. Statistiken lassen ebenfalls erkennen, daß das Rauchen für viele Jugendliche das Sprungbrett zu härteren Drogen ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß jugendliche Raucher Kokain nehmen, ist im Vergleich zu jugendlichen Nichtrauchern über fünfzigmal höher. Eine 13jährige Raucherin pflichtete dem bei. „Ich zweifle nicht im geringsten daran, daß die Zigarette eine Einstiegsdroge ist“, schrieb sie. „Bis auf drei haben alle meine Bekannten, bevor sie Drogen genommen haben, geraucht.“
Was läßt sich über Zigaretten mit geringerem Teergehalt sagen? Wie Studien belegen, können sie sogar noch gefährlicher sein, und zwar aus zwei Gründen: Erstens zieht der Raucher den Zigarettenrauch oft tiefer ein, um das Nikotin zu erhalten, das sein Körper so dringend verlangt, wodurch mehr Lungengewebe den giftigen Auswirkungen des Rauchs ausgesetzt ist; zweitens könnte ihn die falsche Vorstellung, daß er eine „gesündere“ Zigarette raucht, davon abhalten, ganz auf das Rauchen zu verzichten.
Allein über Nikotin gibt es mehr als 2 000 Studien. Sie belegen, daß Nikotin eine der suchterzeugendsten und schädlichsten Substanzen ist, die der Mensch kennt. Nikotin erhöht die Herzfrequenz und verengt die Blutgefäße. Es wird in sieben Sekunden vom Blutkreislauf aufgenommen — schneller als jede Injektion, die direkt in eine Vene gespritzt wird. Es löst im Gehirn das Verlangen nach mehr Nikotin aus, und manche sagen, es mache doppelt so süchtig wie Heroin.
Sind sich die Tabakfirmen trotz gegenteiliger Behauptungen der süchtigmachenden Wirkung des Nikotins bewußt? Anzeichen deuten darauf hin, daß sie seit langem Bescheid wissen. Wie es in einem Bericht aus dem Jahr 1983 beispielsweise heißt, stellte ein Forscher einer Tabakfirma fest, daß die für Versuche verwendeten Ratten ein klassisches Suchtverhalten verrieten, indem sie sich regelmäßig durch Betätigen eines Hebels eine Dosis Nikotin verschafften. Berichten zufolge soll die Studie von der Industrie sofort eingestellt worden sein; die Ergebnisse kamen erst vor kurzem ans Licht.
Die Tabakgiganten sehen nicht untätig zu, wie man sie von allen Seiten unter Feuer nimmt. Der Tabakforschungsrat in New York führt gemäß den Worten des Wall Street Journal „die längste Fehlinformationskampagne in der Wirtschaftsgeschichte der USA“ durch.
Unter dem Vorwand, unabhängige Forschungen zu betreiben, hat der Forschungsrat Millionen von Dollar in den Kampf gegen die Angreifer investiert. Angefangen hatte das Ganze im Jahr 1953, als Dr. Ernst Wynder vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center entdeckte, daß sich bei Mäusen, auf deren Rücken man Tabakteer aufgetragen hatte, Tumoren bildeten. Um den eindeutigen Beweisen gegen ihr Produkt etwas entgegensetzen und mit eigenen wissenschaftlichen Beweisen zurückschlagen zu können, gründete die Tabakindustrie den Forschungsrat.
Wie konnten die Ergebnisse der Wissenschaftler des Forschungsrates jedoch derartig von den Ergebnissen aller übrigen Wissenschaftler der Forschungsgemeinschaft abweichen? Jüngst veröffentlichte Dokumente deuten auf ein Netz von feingesponnenen Intrigen hin. Viele Forscher des Forschungsrates, die an Verträge gebunden waren und von einer ganzen Meute von Rechtsanwälten mit Argusaugen beobachtet wurden, stellten fest, daß die zunehmenden gesundheitlichen Bedenken durchaus begründet waren. Wurden die Fakten dann jedoch dem Rat vorgelegt, „ließ dieser seine eigenen Studien, die belegten, daß Rauchen der Gesundheit abträglich ist, bisweilen unberücksichtigt oder stellte sie sogar ein“, hieß es im Wall Street Journal.
Hinter den Kulissen forschte man jahrelang weiter nach einer ungefährlicheren Zigarette. Hätte man die Forschungen öffentlich betrieben, wäre das dem Eingeständnis gleichgekommen, daß Rauchen wirklich gesundheitsgefährdend ist. Ende der 70er Jahre empfahl ein hochgestellter Rechtsanwalt einer Tabakfirma, die Bemühungen, eine „sichere“ Zigarette herzustellen, als gescheitert zu betrachten und alle damit zusammenhängenden Papiere sicher zu verwahren.
Zwei Dinge machte die jahrelange Forschung jedenfalls deutlich: Nikotin ist tatsächlich ein Suchtmittel, und das Rauchen von Zigaretten führt wirklich zum Tod. Auch wenn die Tabakfirmen diese Tatsachen in der Öffentlichkeit hartnäckig leugnen, zeigen sie durch ihr Handeln, daß sie die Fakten nur allzugut kennen.
David Kessler, Beauftragter der amerikanischen Nahrungs- und Arzneimittelbehörde (FDA), erhob den Vorwurf absichtlicher Manipulation und sagte: „Einige der heutigen Zigaretten könnte man als hochtechnisierte Nikotinlieferanten bezeichnen, die das Nikotin in genau berechneten Mengen abgeben ..., genug, um eine Sucht zu erzeugen und aufrechtzuerhalten.“
Wie David Kessler offen erklärte, verfügen Tabakfirmen über eine Anzahl Patente, die ihre wahren Absichten verraten. Ein Patent ist auf eine genetisch veränderte Tabaksorte mit dem höchsten bisher bekannten Nikotinwert angemeldet. Bei einem Verfahren werden Filter und Papier mit Nikotin behandelt, um einen zusätzlichen Nikotinschub zu erzeugen. Durch ein anderes Verfahren wird bewirkt, daß der Raucher mit den ersten Zügen mehr Nikotin aufnimmt als mit den letzten. Außerdem ist aus Industrieunterlagen ersichtlich, daß den Zigaretten Ammoniakverbindungen zugesetzt werden, damit der Tabak mehr Nikotin abgibt. „In den Blutstrom des Rauchers gelangte fast das Doppelte der gewöhnlichen Menge“, konnte man in einem Bericht der New York Times lesen. Die FDA hat Nikotin zu einem Suchtmittel erklärt und möchte die Zigarettenherstellung in Zukunft strenger kontrollieren.
Die Regierungen sind ebenfalls von Zigaretten abhängig, wenn auch auf ganz andere Art. In den Vereinigten Staaten beispielsweise nehmen der Bund und die einzelnen Staaten jedes Jahr 12 Milliarden Dollar Tabaksteuer ein. Andererseits hat das Bundesamt für Technologiebewertung errechnet, daß sich auf Grund von Gesundheitskosten und Produktionsausfällen jährlich 68 Milliarden Dollar Kosten ergeben.
Die Tabakindustrie hat zu ihrer Verteidigung wirklich ein paar sonderbar anmutende Ballons steigen lassen — sie hat Gesundheitsrisiken heftig dementiert und behauptet, die Wirtschaft anzukurbeln, jede Menge Arbeitsplätze zu schaffen und die Kunst finanziell zu fördern. Ob diese Ballonsperre wirkungsvoller ist als die Ballonsperre über London, bleibt abzuwarten.
Fest steht jedoch, daß die Tabakgiganten ihr wahres Wesen nicht länger verbergen können. Für ein Millionengeschäft bringen sie Millionen ins Grab, aber der entsetzliche Verlust an Menschenleben scheint sie nicht weiter zu berühren.
[Herausgestellter Text auf Seite 8]
Anscheinend nichts als heiße Luft!
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Eine Studie der Regierung stufte Passivrauchen als krebserzeugend ein
[Herausgestellter Text auf Seite 10]
Nikotin ist eine der suchterzeugendsten Substanzen, die man kennt
[Herausgestellter Text auf Seite 11]
Für ein Millionengeschäft bringen sie Millionen ins Grab
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50 000 Studien — Was haben sie ergeben?
Hier ein kleiner Überblick über die gesundheitlichen Bedenken, die Forscher in Verbindung mit dem Tabakkonsum angemeldet haben:
LUNGENKREBS: 87 Prozent derer, die an Lungenkrebs sterben, sind Raucher.
HERZERKRANKUNGEN: Bei Rauchern ist das Risiko, herzkrank zu werden, um 70 Prozent erhöht.
BRUSTKREBS: Bei Frauen, die täglich 40 oder mehr Zigaretten rauchen, steigt das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um 74 Prozent.
HÖRSTÖRUNGEN: Kinder von Raucherinnen haben größere Schwierigkeiten, Geräusche einzuordnen oder umzusetzen.
FOLGEERSCHEINUNGEN BEI DIABETES: Diabetiker, die Tabak rauchen oder kauen, stehen eher in Gefahr, Nierenschäden zu bekommen oder an einer schnell fortschreitenden Retinopathie (Netzhauterkrankung) zu leiden.
DICKDARMKREBS: Zwei Studien mit über 150 000 Probanden belegen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Rauchen und Dickdarmkrebs.
ASTHMA: Passivrauch kann Asthmabeschwerden bei Kindern verschlimmern.
NEIGUNG ZUM RAUCHEN: Bei Töchtern von Frauen, die während der Schwangerschaft geraucht haben, ist die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls zu rauchen, viermal so hoch.
LEUKÄMIE: Rauchen verursacht anscheinend myeloische Leukämie.
SPORTVERLETZUNGEN: Laut einer Studie der US-Armee sind Raucher beim Sport eher verletzungsgefährdet.
GEDÄCHTNIS: Hohe Nikotindosen können jemandes geistige Beweglichkeit beim Erledigen schwieriger Aufgaben beeinträchtigen.
DEPRESSIONEN: Psychiater untersuchen Anzeichen für den Zusammenhang zwischen Rauchen und schweren Depressionen und Schizophrenie.
SELBSTMORD: Wie eine Studie mit Krankenschwestern ergab, sind Krankenschwestern, die rauchen, doppelt so selbstmordgefährdet.
Risikofaktoren, die man der Liste hinzufügen kann: Mundhöhlen-, Kehlkopf-, Rachen-, Speiseröhren-, Bauchspeicheldrüsen-, Magen-, Dünndarm-, Harnblasen-, Nieren- und Gebärmutterhalskrebs, Schlaganfall, Herzschlag, chronische Lungenerkrankungen, Kreislauferkrankungen, Magengeschwüre, Diabetes, Unfruchtbarkeit, Untergewicht bei Neugeborenen, Osteoporose und Ohrentzündungen. Hinzuzählen könnte man noch die Brandgefahr, denn Rauchen ist die Hauptursache für Brände in Wohnungen, Hotels und Krankenhäusern.
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Rauchloser Tabak — ein gefährlicher Ersatz
Ein Spitzenunternehmen in der Schnupftabakindustrie, die einen Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar erzielt, zieht sich mit aromatischen „Ködern“ geschickt neue Kunden an Land. Es produziert beliebte aromatisierte Tabaksorten. Der „kleine Nikotinstoß“, den man dadurch bekommt, hält jedoch nicht lange vor. Der ehemalige Vizepräsident dieses Tabakunternehmens sagte: „Viele Leute fangen zwar mit den aromatisierten Produkten an, aber irgendwann greifen sie doch zu ... [der stärksten Sorte].“ In der Reklame für diese Marke heißt es: „Ein starkes Kaugefühl für starke Männer“ und: „Es macht zufrieden“.
Das Wall Street Journal berichtete über die Taktik dieses Unternehmens und über dessen Leugnung, „am Nikotingehalt zu drehen“. Wie man in dem Journal außerdem lesen konnte, äußerten sich zwei ehemalige Chemiker des Tabakunternehmens erstmals zu diesem Thema und erklärten, daß „die Firma zwar nicht den Nikotingehalt des Tabaks manipuliert, jedoch sehr wohl die Nikotinmenge, die der Kunde aufnimmt“. Nach ihren Worten mischt die Firma dem Schnupf- und dem Mundtabak Chemikalien bei, um ihn alkalischer zu machen. Je alkalischer der Tabak ist, „um so mehr Nikotin wird abgegeben“. Dann erklärte das Journal noch den Unterschied zwischen Mund- und Kautabak: „Mundtabak, der mitunter mit Kautabak verwechselt wird, besteht aus pulverisiertem Tabak, den die Verbraucher nicht kauen, sondern aussaugen. Man nimmt eine Prise oder zwei Fingerspitzen Tabak, steckt ihn in die Backentasche und schiebt ihn mit der Zunge unter gelegentlichem Ausspucken hin und her.“
Bei den aromatisierten Sorten, die für Anfänger gedacht sind, werden nur zwischen 7 und 22 Prozent des Nikotins in den Blutkreislauf abgegeben. Die stärkste Sorte kann Anfänger zum Würgen bringen. Dieser fein pulverisierte Tabak ist für „echte“ Männer. 79 Prozent seines Nikotingehalts werden direkt vom Blutkreislauf aufgenommen. In den Vereinigten Staaten beginnt man durchschnittlich im Alter von neun Jahren damit, Tabak zu schnupfen oder zu saugen. Und welcher Neunjährige wird nicht bald auf stärkere Sorten umsteigen wollen, um zu den „echten“ Männern zu gehören?
Der Nikotinstoß, den man beim Schnupfen oder beim Saugen erhält, ist sogar stärker als beim Rauchen einer Zigarette. Die Konsumenten sind laut Berichten viermal mehr mundhöhlenkrebsgefährdet und fünfzigmal mehr kehlkopfkrebsgefährdet.
In den Vereinigten Staaten brach vorübergehend ein allgemeiner Sturm der Entrüstung los, als eine Tabakfirma von einer Mutter verklagt wurde, deren Sohn — der beste Leichtathlet an seiner Schule — an Mundhöhlenkrebs gestorben war. Er hatte im Alter von 12 Jahren bei einem Rodeo eine Gratisdose Tabak bekommen und verbrauchte von da an wöchentlich vier Dosen. Nach vielen schmerzhaften Operationen an Zunge, Kiefer und Hals gaben ihn die Ärzte auf. Der junge Mann starb im Alter von 19 Jahren.
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Wie man das Rauchen aufgeben kann
Millionen von Menschen konnten ihre Nikotinsucht erfolgreich überwinden. Auch wenn jemand ein langjähriger Raucher ist, kann er mit dieser schädlichen Gewohnheit brechen. Hier ein paar hilfreiche Tips:
• Man muß sich im voraus auf das einstellen, was einen erwartet. Es können Entzugserscheinungen auftreten wie Angstzustände, Reizbarkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Magenbeschwerden, ein Hungergefühl, ein heftiges Nikotinverlangen, Konzentrationsschwierigkeiten und Zittern. Sicherlich keine erfreulichen Aussichten, aber die heftigsten Symptome dauern nur ein paar Tage an und lassen mit sinkendem Nikotinspiegel allmählich nach.
• Als nächstes gilt es, mental gegen die Sucht anzugehen. Nicht nur der Körper verlangt nach Nikotin, sondern auch der Sinn ist an Verhaltensweisen gewöhnt, die mit dem Rauchen zusammenhängen. Man sollte seine Gewohnheiten überprüfen und herausfinden, wann man automatisch nach einer Zigarette gegriffen hat, und dementsprechend etwas ändern. Wenn jemand zum Beispiel immer unmittelbar nach dem Essen geraucht hat, sollte er sich vornehmen, gleich nach dem Essen aufzustehen und spazierenzugehen oder den Abwasch zu machen.
• Falls einen vielleicht auf Grund einer momentanen Streßsituation ein starkes Verlangen überkommt, sollte man daran denken, daß der Impuls gewöhnlich innerhalb von fünf Minuten nachläßt. Man sollte deshalb seinen Sinn mit etwas anderem beschäftigen; zum Beispiel könnte man einen Brief schreiben, etwas Sport treiben oder einen gesunden Imbiß zu sich nehmen. Das Gebet ist eine große Hilfe, Selbstbeherrschung zu üben.
• Bei Rückschlägen sollte man den Kopf nicht hängen lassen. Wichtig ist, daß man es weiter versucht.
• Falls einen die Aussicht, ein paar Pfunde zuzunehmen, erschreckt, sollte man daran denken, daß die Vorteile des Nichtrauchens die Risiken, die mit ein paar zusätzlichen Pfunden verbunden sind, bei weitem überwiegen. Hilfreich wäre vielleicht, etwas Obst oder Gemüse griffbereit zu haben. Außerdem sollte man viel Wasser trinken.
• Mit dem Rauchen aufzuhören ist eine Sache; den Tabak nicht mehr anzurühren eine andere. Es wäre gut, sich immer wieder ein Ziel zu setzen, wie lange man ohne Zigaretten auskommen möchte — einen Tag, eine Woche, drei Monate, für immer.
Jesus sagte: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Markus 12:31). Wer seinen Nächsten und sich selbst wirklich liebt, gibt das Rauchen auf. (Siehe auch den Artikel „Die christliche Ansicht über das Rauchen“ in der Erwachet!-Ausgabe vom 8. Juli 1989, Seite 13—15.)