Joseph von Arimathia
ES IST im Frühjahr des Jahres 33 n. Chr. (14. Nisan nach dem jüdischen Kalender), während wir einen Blick werfen in das Haus des Hohenpriesters Kaiaphas in Jerusalem. Welche Versammlung vornehmer Männer erblicken wir da! Etwa siebzig, bestehend aus den älteren, einflussreichen Männern der Nation, den Oberpriestern und Schriftgelehrten, sind dort, manche von ihnen der Sekte der Pharisäer angehörend. Und wie erregt sie sind! Warum denn? Weil sie einen Gefangenen vor sich haben, der niemand anders ist als der wunderwirkende Jesus von Nazareth.
Während wir den Verlauf der Dinge beobachten, wird etwas ganz offensichtlich: Die erhabenen Grundsätze dieses Sanhedrin-Gerichts, wonach jedermann als unschuldig betrachtet wird, solange seine Schuld nicht bewiesen ist, und dazu sein Zweck, „Leben zu retten und nicht Leben zu vernichten“, ist ignoriert worden. Es scheint, als ob die ganze Körperschaft (mit einer oder zwei Ausnahmen) sich von Bosheit leiten lasse, und der Vorsitzende scheint entschlossen zu sein, den Angeklagten als schuldig und als des Todes würdig zu sprechen. Offenbar ist eine Verschwörung im Gange, denn viele falsche Zeugen haben Zeugnis abgelegt.
Der Hohepriester verliert die Selbstbeherrschung, denn das Verhör geht nicht ganz so vonstatten, wie er es gewünscht hätte. Den Gefangenen daher ansprechend, ruft er aus: „Ich gebiete dir, bei deinem Eide, beim lebendigen Gott, uns zu sagen, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes.“ Jesus, der Angeklagte, antwortet: „Dies stimmt. Ja, ich sage dir, bald wirst du den Sohn des Menschen zur Rechten des Allmächtigen sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen!“ Sich den Schein des äussersten gerechten Zornes gebend, zerreisst der Hohepriester seine Kleider und ruft aus: „Er hat gelästert! Was brauchen wir da noch Zeugen? Ihr habt seine Lästerung gehört! Was ist eure Entscheidung?“ Mit pompöser Scheinheiligkeit erwidert der Rat, um seine Bosheit zuzudecken: „Er verdient den Tod.“ — Matth. 26:63-66, AT.
Das Urteil war jedoch nicht durchaus einstimmig. Nein, einige wenige, doch sehr wenige, gaben weder ihre Zustimmung, noch billigten sie die Massnahmen. Unter ihnen war ein reicher Mann, Joseph von Arimathia. In der Tat war er ein Jünger Jesu, des Angeklagten. Ein Jünger Jesu? Jawohl, gemäss den drei Evangeliumsschreibern Matthäus, Markus und Lukas war er ein Jünger Jesu, ein reicher Mann, ein hochgeachtetes Mitglied des Rats, der selbst in Erwartung der Herrschaft Gottes lebte. — Matth. 27:57, 58; Mark. 15:43; Luk. 23:50, 51.
Wieso war Joseph von Arimathia, ein Jünger Jesu, mit dieser grossen religiösen Körperschaft, dem Sanhedrin, das sich Christus Jesus so heftig widersetzte, verbunden? Der Apostel Johannes gibt uns die Antwort. Er sagt, Joseph von Arimathia sei „ein Jünger Jesu, jedoch aus Furcht vor den Juden ein heimlicher.“ — Joh. 19:38, ZB.
Bei der Schuldigerklärung und Hinrichtung Jesu aber gewann Joseph von Arimathia Mut. Kühn ging er zu Pilatus hin und bat um den Leib Jesu. „Demgemäss kaufte er feine Leinwand und nahm ihn herab, wickelte ihn in die feine Leinwand und legte ihn in eine Gruft, die aus einer Felsmasse gehauen war.“ — Mark. 15:43-46, NW.
Ob Joseph von Arimathia durchhielt und ein furchtloser Fussstapfennachfolger Christi Jesu wurde, offenbart die Schrift nicht. Doch aus dem, was über ihn aufgezeichnet ist, wird uns verständlich, weshalb die Schrift sagt: „Wie schwierig wird es für die sein, welche Geld haben, ihren Weg in das Königreich Gottes zu finden!“ — Luk. 18:24, NW.