Der Griff zur Pille
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Großbritannien
„ENTFETTUNGSPILLEN TÖTEN KLEINKINDER“
„MUTTER VON VIER KINDERN STIRBT AN DEN FOLGEN DER ANTI-BABY-PILLE“
HIER in England lesen wir von Zeit zu Zeit in unseren Zeitungen solche Schlagzeilen. Derartige Tragödien zeigen uns, die wir in einem Land leben, in dem es einen staatlichen Gesundheitsdienst mit freier Heilbehandlung für alle Bewohner gibt und in dem viele Leute ständig zu Pillen greifen, eindrucksvoll, welche Gefahren mit Medikamenten verbunden sind.
Die vor kurzem von der bekannten Automobilzeitschrift Drive durchgeführte statistische Erhebung zeigt, daß in England jeder siebte Autofahrer unter der Einwirkung von Arzneimitteln ist. Aus einer Aufstellung, die der Verband der britischen pharmazeutischen Industrie herausgab, ging hervor, daß die praktischen Ärzte in England und Wales im Jahre 1967 insgesamt 271 Millionen Rezepte für Medikamente ausgeschrieben haben. Außerdem kann sozusagen jedermann Arzneimittel wie Aspirin ohne weiteres kaufen.
Berichte lassen auch erkennen, daß nicht nur die Bevölkerung Großbritanniens, sondern auch der Länder auf dem europäischen Kontinent sowie die Bevölkerung der Vereinigten Staaten und anderer Gebiete der Welt immer mehr zum Gebrauch von Arzneimitteln Zuflucht nimmt. Die Leute haben es sich angewöhnt, tagein und tagaus zu Arzneimitteln zu greifen. Über den Medikamentenmißbrauch in Amerika sagte Dr. M. M. Wintrobe, Professor der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Utah: „Manche Glieder unserer heutigen Gesellschaft benehmen sich so, als wäre das Leben ein Daseinsprozeß, der ohne die ständige Einnahme von Wundermitteln kaum in Gang gehalten oder ausgehalten werden könne.“
Warum der gesteigerte Pillenverbrauch?
Es wird zugegeben, daß einige Ärzte in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien zu häufig Medikamente verschreiben. Sir Derrick Dunlop sprach in einem Referat über „Gebrauch und Mißbrauch von Medikamenten“ von drei Ursachen für ein zu häufiges Verschreiben von Medikamenten: „Eine Ursache sind die beharrlichen Forderungen der Patienten ... Die zweite Ursache ist, daß für die wachsende Bevölkerung zu wenig Ärzte zur Verfügung stehen: Es ist zeitraubend, die Krankengeschichte sorgfältig aufzunehmen, den Patienten gründlich zu untersuchen und vernünftige Ratschläge zu geben, aber um ein Rezept für ein Mittel gegen die Symptome der Beschwerden auszuschreiben, ist nur ein Augenblick notwendig, und das stellt den Patienten in der Regel zufrieden ... Die dritte Ursache ist die groß aufgezogene und geschickte Werbung für Medikamente, die die pharmazeutischen Werke betreiben, eine Werbung, von der manchmal mit Recht gesagt wird, sie vergewaltige die Wahrheit und verletze den guten Geschmack“ (Kursivschrift von uns).
Ganz ähnlich ist es mit Personen, die sich selbst behandeln. Einige entwickeln eine Sucht nach Pillen. Sie finden, es sei einfacher, gehe schneller und sei billiger, in die Apotheke zu laufen, als die Ursachen ihrer Beschwerden zu ermitteln und diese dann zu behandeln. Andere lassen sich ohne Zweifel durch die Reklame in Rundfunk, Fernsehen und Presse, in der Mittel gegen jedes Leiden angepriesen werden, beeinflussen.
Der Hauptgrund für die heutige Tablettensucht ist vielleicht die große Zahl von Arzneimitteln, die jetzt zur Verfügung stehen. Einige dieser Mittel sind mit Erfolg verwendet worden. Aber die vielen Arzneimittel, die es heute gibt — man spricht von einer „Arzneimittelexplosion“ —, bringen auch Gefahren mit sich.
Die Gefahren der modernen Arzneimittel
Noch nie war sich die Ärzteschaft so im klaren über die Gefahren, die mit der Einnahme der modernen Arzneimittel verbunden sind, wie heute. Die Ursache dafür ist hauptsächlich das Unglück, das ein anscheinend harmloses Schlafmittel, das Thalidomid enthielt, in den frühen 1960er Jahren anrichtete, als Tausende von mißgebildeten Kindern zur Welt kamen, von denen viele tot geboren wurden oder kurz nach der Geburt starben.
Die modernen Arzneimittel, die von den Ärzten verschrieben werden, können aber nicht nur teratogen sein (das heißt Mißbildungen beim Fetus bewirken), sondern sie können auch direkt oder indirekt viele schädliche Reaktionen hervorrufen und Krankheiten erzeugen, so zum Beispiel Akne, Blutaustritt in die Haut, Magen- oder Darmblutungen, Gehirnblutungen, verschiedene Infektionen, endokrine Störungen wie Diabetes, Hyper- und Hypothyreose, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Erkrankungen der Leber, der Nieren, der Knochen und des Knochenmarks, Tablettensucht, Nervenleiden und sogar Geistesgestörtheit. Wahrlich eine furchtbare Liste!
Auf einer Konferenz sagte Dr. Louis Lasagna von der Medizinischen Fakultät der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore: „Es ist offenbar, daß nicht nur ein Problem besteht, sondern daß die bekanntgewordenen Fälle nur die Spitze des Eisberges darstellen, der weitaus größere Teil des Problems liegt unter der Oberfläche unserer Erkenntnis verborgen, obschon ziemlich häufig Fälle gemeldet werden, in denen Arzneimittel sich schädlich ausgewirkt haben.“
Sir Derrick Dunlop vermittelte einen Begriff von dem Ausmaß des Problems in Großbritannien, als er in Verbindung mit seinen Ausführungen über die toxische Wirkung der Medikamente unter anderem sagte: „Schätzungsweise sollen 10 bis 15 Prozent der Patienten in unseren allgemeinen Krankenhäusern in einem größeren oder geringeren Maße zufolge unserer Bemühungen, sie zu behandeln, krank sein — sie leiden an sogenannten iatrogenen Krankheiten [das heißt an Krankheiten, die durch den Arzt verursacht worden sind] oder, optimistischer ausgedrückt, an Krankheiten, die eine Folge des medizinischen Fortschritts sind.“
Da die Behandlung mit modernen Arzneimitteln solche Gefahren in sich birgt, ist es verständlich, daß viele Länder eine staatliche Stelle eingerichtet haben, die die Einführung und Verwendung von Arzneimitteln überwacht, Warnungen veröffentlicht und wenn notwendig empfiehlt, ein bestimmtes Arzneimittel aus dem Verkehr zu ziehen.
Aber wie steht es mit den Pillen, die die Leute täglich schlucken, ohne daß sie ihnen offensichtlich schaden, Pillen, die gewisse Ärzte allzu häufig zu verschreiben pflegen oder die man ohne Rezept in der Apotheke oder Drogerie kaufen kann? Soll man diese in die gleiche Kategorie einstufen wie die Medikamente, die Krankheiten verursachen? Wie soll man gegenüber dem Gebrauch solcher Pillen eingestellt sein? Wir wollen uns einmal mit einigen davon näher befassen.
Aufputsch- und Schlankheitsmittel
Der Grundstoff, der meist für die Herstellung von Aufputsch- und Schlankheitsmitteln gebraucht wird, gehört zu den Amphetaminen; es gibt viele Mittel, die diesen Stoff enthalten und die unter den verschiedensten Handelsbezeichnungen im Verkehr sind. Dieser Stoff wirkt in solcher Weise auf das Gehirn, daß das Gefühl der Müdigkeit verschwindet. Der Mensch, der solche Mittel nimmt, wird dann geistig und körperlich aktiver, fröhlicher und selbstsicherer, wobei allerdings seine beruflichen Leistungen abnehmen mögen. Sie zügeln auch den Appetit. Die Wirkung auf das Herz ist ähnlich wie die Wirkung von Adrenalin, das während eines Zornausbruchs in das Blut abgegeben wird, das heißt, das Herz beginnt schneller und stärker zu schlagen, und die Blutgefäße verengen sich.
Ist es ungefährlich, Herz und Gehirn auf diese Weise „aufzupeitschen“? Ist es vernünftig, den Körper auf diese Weise zu überbeanspruchen, ihm nicht die notwendige Ruhe zu gönnen? Kaum, und ganz bestimmt nicht, wenn man gleichzeitig Gefahr läuft, schwere Wesensveränderungen zu entwickeln, Schlaflosigkeit und sogar Süchtigkeit. Personen, die längere Zeit Mittel einnehmen, die Amphetamin enthalten, geraten in einen Zustand der „Überbelebung“ und Überanstrengung; bei einigen hat es auch zu Bluthochdruck und Herzschlag geführt, bei anderen zu einer Geistesgestörtheit, die eine Ähnlichkeit mit Schizophrenie hat. Fachleute auf dem Gebiet der Medizin sind der Meinung, daß Medikamente, die solche Gefahren in sich bergen, nicht gebraucht werden sollten, um Fettpolster abzubauen.
Schlaftabletten; Sedativa; Tranquilizer
Die Ärzte verschreiben häufig Mittel gegen Schlaflosigkeit (Schlafmittel), Mittel, um einen Patienten zu beruhigen, der großen Kummer hat (Sedativa), oder Mittel gegen Angst oder Spannungszustände (Tranquilizer), daher besteht die Gefahr, daß diese Medikamente mißbraucht werden. Sie lindern aber nur vorübergehend die Symptome und heilen nicht das eigentliche Übel.
Es gibt bestimmt Umstände, unter denen die Einnahme solcher Medikamente während einer kürzeren Zeit wirksam und nützlich ist eine längere Einnahme dagegen ist in der Regel nicht wünschenswert.
Solche Medikamente wirken hemmend auf das Zentralnervensystem. Eine Person, die sonst gesund ist, mag leicht von diesen Mitteln physisch und psychologisch abhängig und dann schließlich süchtig werden. Auch für den Autofahrer kann es sehr gefährlich sein, wenn er unter der Einwirkung solcher Medikamente fährt. In Verbindung mit Alkohol können gewisse Schlafmittel und Tranquilizer eine tödliche Wirkung haben.
Schmerzstillende Mittel
Schmerzstillende Mittel kann man fast in allen Ländern ohne Rezept bekommen. Die Schmerztabletten gehören wahrscheinlich zu den Medikamenten, zu denen heute am meisten gegriffen wird. Schmerzstillende Mittel werden auch „Analgetika“ genannt, was buchstäblich bedeutet „Abwesenheit des Schmerzgefühls“; das erinnert daran, daß der Schmerz keine Krankheit ist, sondern eine Empfindung. Schmerztabletten enthalten Acetylsalicylsäure sowie andere schmerzstillende Stoffe wie Phenacetin (oder Acetylphenetidin) und Paracetamol, manchmal in Verbindung mit anderen Mitteln.
Diese Mittel modifizieren die Beschaffenheit des Schmerzes, indem sie auf den Teil des Gehirns wirken, den man Thalamus nennt. Da sie auch Fieber mildernd sind, verwendet man sie außerdem als Fiebermittel; das ist der Grund, warum in der Reklame für diese Mittel gesagt wird, sie würden bei Halsschmerzen, bei Schnupfen und bei Grippe helfen. Besonders Salicylsäurepräparate (Aspirin) werden von einigen als Allheilmittel betrachtet: gegen Verdauungsstörungen, zur Beruhigung der Nerven, gegen Schlaflosigkeit usw. Sind diese Medikamente aber völlig ungefährlich?
In den vergangenen paar Jahren hat man festgestellt, daß Salicylsäurepräparate häufig Magenblutungen verursachen. Wie häufig? Es wird berichtet, daß bei 50 bis 70 Prozent der Personen, die Aspirin nehmen, täglich etwa ein Teelöffel voll Blut austritt. Bei gewissen Personen ist der Blutverlust größer und kann zu Eisenmangel-Anämie führen; in einigen wenigen Fällen kommt es sogar zu so starken Blutungen, daß es für den Patienten lebensgefährlich wird. Man nimmt an, daß Aspirin irgendwie auf den Schleim der schützenden Magenschleimhaut wirkt. Die Magensäfte oder das Aspirin greifen die Magenschleimhaut an, so daß kleine Ätzstellen oder Geschwüre entstehen, die bluten.
Es ist gut bekannt, daß Phenacetin, das in vielen Schmerzmitteln enthalten ist, wegen seiner Wirkung auf die Nieren gefährlich sein kann, wenn man es längere Zeit gebraucht. In Schweden ist Phenacetin rezeptpflichtig, in Großbritannien werden Diabetiker und Nierenpatienten vor dem Gebrauch von Phenacetin enthaltenden Mitteln gewarnt.
Paracetamol, das aus Phenacetin gewonnen wird, hat weder Verdauungsstörungen noch Magenblutungen zur Folge und ist in dieser Beziehung den Salicylsäurepräparaten überlegen. Doch weiß man bisher noch nicht genau, ob es sich wirklich auf die Nieren auswirkt oder nicht.
Schmerzstillende Mittel sind somit nicht ganz ungefährlich. Es ist daher vernünftig, wenn immer möglich, die Ursache des Schmerzes zu behandeln, anstatt die Warnsignale zu unterdrücken durch schmerzstillende Mittel, die auf das Gehirn einwirken.
Die vernünftige Ansicht
Moderne Medikamente können zwar gefährlich sein, aber wenn sie aus einem guten Grund und unter der Aufsicht des Arztes genommen werden, können sie von Nutzen sein für die Gesundheit. So gibt es Personen, die nur einigermaßen gesund sind, wenn sie regelmäßig bestimmte Medikamente einnehmen. Solche Mittel können zum Beispiel für Epileptiker, für Personen, die an rheumatischer Arthritis leiden, sowie für Herz-, Zucker- oder Nierenkranke wertvoll sein. Moderne Medikamente dienen auch dem Zweck, vor Krankheit zu schützen; zum Beispiel in Ländern, in denen die Malaria immer noch verbreitet ist, können solche Mittel vor der Malaria schützen. Für andere Patienten mag der Griff zur Pille noch wichtiger sein, sie mögen ständig Medikamente einnehmen müssen — wie Vitamin B12, Schilddrüsenhormon, Cortison oder Insulin —, weil ihr Organismus in irgendeiner Weise durch eine Krankheit geschädigt ist.
Viele, die heute zu Pillen greifen, tun das nicht, weil es für sie zur Erhaltung der Gesundheit unbedingt notwendig ist, sondern lediglich aus Gewohnheit. Die Mehrzahl dieser Mittel beeinflußt das Gehirn und hat schädigende Nebenwirkungen. Ist es vernünftig, an solch wichtigen Körperorganen herumzupfuschen? Ist es vernünftig und nötig, Risiken einzugehen?
Wir müssen ebenso vernünftig denken wie der praktische Arzt, der gewissenhaft abwägt, ehe er eines dieser modernen Medikamente verschreibt, ob sein Nutzen die Gefahren überwiegt. Wenn wir eine solche Einstellung haben, werden wir solche Medikamente nur einnehmen, wenn wir sie wirklich brauchen.
Es ist viel klüger, uns die Gesundheit zu erhalten, indem wir gesund essen, genügend ruhen und schlafen, als uns anzugewöhnen, ständig zu Medikamenten zu greifen! Wichtig ist auch, daß wir unserem Geist regelmäßig gesundheitsfördernde Nahrung aus dem Worte Gottes zuführen. Das wird uns geistige Gesundheit und den Segen Gottes eintragen.