Sexualerziehung in den Schulen — gut oder schlecht?
IN Nordamerika tobt ein heißer Kampf zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Sexualerziehung in den Schulen.
Wer ist an diesem Streit beteiligt, der selbst kleine Dörfer und einige Kirchen in zwei gegensätzliche Lager spaltet? Worum geht es dabei? Und da sich die Bevölkerung dieses Kontinents zum „Christentum“ bekennt, entsteht die Frage: Welchen Standpunkt sollte der wahre Christ in dieser Sache einnehmen? Ist die Sexualerziehung in den Schulen gut oder schlecht?
Die Beteiligten
Nachdem sich der Staub, der während der ersten Scharmützel aufgewirbelt wurde, gesetzt hatte, konnte man die Kampflinien klar erkennen. Es sind sehr viele, die die Sexualerziehung in den Schulen befürworten, so zum Beispiel der amerikanische Rat für Sexualaufklärung und -erziehung (SIECUS), der amerikanische Ärzteverband, der amerikanische Lehrerverband und der Nationale Rat der Kirchen.
Auf der gegnerischen Seite stehen verschiedene soziale Organisationen, religiöse Gruppen und viele lokale und nationale Elternvereinigungen sowie Bürgerkomitees. Unter den Gegnern befinden sich auch einige, die diese Erziehung früher befürwortet hatten, doch als sie sahen, welche Folgen sie hat, stellten sie sich auf die Seite der Gegner. Und es sieht so aus, als würde ihre Zahl stets größer.
Das kanadische Institut für Meinungsforschung berichtet, daß 73 Prozent der Kanadier für eine Sexualerziehung in den Volksschulen sind. Nach einer Meinungsumfrage des Gallup-Instituts wünschen 71 Prozent der erwachsenen Amerikaner diese Erziehung für ihre Kinder (etwa 60 Prozent der amerikanischen Schulen haben eine Form von Sexualkunde). Doch jetzt ist die Gegnerschaft gegen diesen Unterricht so gewachsen, daß mindestens zwanzig Staaten der USA Gesetzesvorlagen gutgeheißen oder eingebracht haben in der Absicht, diesen Unterricht in den Schulen einzuschränken oder zu verbieten.
Warum der Kampf
Im allgemeinen sind sich die beiden Parteien einig, daß für die heutige Jugend eine gewisse Sexualerziehung unerläßlich ist. Die Meinungsverschiedenheiten betreffen Fragen wie, wann man damit beginnen sollte, wie umfassend die Aufklärung für bestimmte Altersstufen sein sollte, wer diesen Unterricht erteilen sollte und welche Lehrmittel dabei verwandt werden sollten.
Der Widerstand gegen die Sexualerziehung in den Schulen wurde hauptsächlich durch die Bekanntgabe ausgelöst, daß sie nun auch ein Fach in der Grund- oder Volksschule werden soll. Manche Eltern waren entsetzt, mit welchen Wörtern kleine Kinder um sich warfen und über den Versuch einiger Kinder, an ihren kleineren Geschwistern auszuprobieren, was sie in der Schule gelernt hatten. Diese Eltern sind der Meinung, es sei „zu viel und zu früh“, was den Kindern gelehrt werde.
Einige dieser Eltern haben nichts dagegen, daß in den oberen Klassen ein geeigneter Sexualunterricht erteilt wird, aber selbst der Unterricht in diesen Klassen bereitet ihnen Unbehagen, denn sie fragen sich, wer den Unterricht erteilt und ob die Unterrichtende die nötigen Voraussetzungen dafür besitzen. Sie behaupten, einige Lehrer würden zu weit gehen, zum Beispiel jener Lehrer, der die Schüler aufforderte, obszöne Wörter abzuschreiben, die sie an den Wänden der Bedürfnisanstalten sehen würden, und sie dann in der Schule zu definieren. Ein anderer Lehrer forderte die Schüler auf, zu erzählen, welche Erfahrungen sie mit Selbstbefriedigung, Homosexualität und sexuellen Experimenten mit Tieren gemacht hätten. Die Eltern fürchten den Einfluß von Lehrern, die selbst Probleme auf sexuellem Gebiet haben.
Die Gegner der Sexualerziehung in den Schulen vertreten die Auffassung, daß man durch diese Erziehung auf die elterlichen Rechte übergreife. Sie stehen auf dem Standpunkt, dieses Thema sollte vorwiegend der elterlichen und religiösen Erziehung vorbehalten bleiben, wenigstens was die Intim-Details betreffe. Sie sind in vielen Fällen auch gegen die Koedukation — die gemeinschaftliche Erziehung von Knaben und Mädchen.
Doch zu den heftigsten Auseinandersetzungen haben die Einwände geführt, daß die Sexualkunde überhaupt keine sittliche Erziehung einschließe und daß das im Zusammenhang mit den Zielen linksradikaler Gruppen stehe, die die Sexualerziehung fördern würden, um die moralische Kraft des Volkes zu schwächen, so daß es eine leichte Beute des Kommunismus werde.
Ist sie notwendig?
Befürworter der Sexualerziehung in den Schulen werfen den Gegnern vor, sie würden durch rechtsradikale Gruppen sowie durch fundamentalistische Sekten, die an einem veralteten Sittenkodex festhalten würden, aufgehetzt. Sie behaupten, die Eltern würden ihre Pflicht, die Kinder aufzuklären, nicht erfüllen und das habe dazu geführt, daß die Promiskuität unter den Jugendlichen heute so verbreitet und die Zahl der unehelichen Geburten und der Geschlechtskranken unter ihnen so gestiegen sei. Auch sei die Jugend wenig geschützt vor der Reizüberflutung durch die Werbung, durch Zeitschriften und Filme sowie durch das schlechte Beispiel gewisser Erwachsener. Alles das, so wird von den Befürwortern der Sexualerziehung behauptet, habe veranlaßt, daß Bestrebungen zur Einführung dieser Erziehung in den Schulen in Gang gekommen seien.
In Ontario ist die Zahl der unehelich geborenen Kinder jetzt doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Es wird geschätzt, daß etwa 50 Prozent der jugendlichen Bräute an ihrem Hochzeitstag schwanger sind. In einer Zeitung wurde behauptet, daß wöchentlich zehn Mädchen aus Toronto nach Quebec gehen würden, um eine unerwünschte Schwangerschaft loszuwerden. In den Vereinigten Staaten sollen im vergangenen Jahr 6 000 Mädchen unter fünfzehn Jahren Mutter geworden sein. Ein Arzt findet es beklagenswert, daß Zwölfjährige zu ihm kommen und nicht wissen, wie sie schwanger geworden sind. Ein anderer Arzt schreibt, es sei bedauerlich, wie völlig unwissend Patienten seien, die mit sexuellen Problemen zu ihm kämen. Die Statistiken zeigen auch, daß in vielen Ländern die Geschlechtskrankheiten unter den Jugendlichen in beängstigendem Maße grassieren.
Ganz ohne Zweifel wirkt sich auch die Flut von hocherotisierten Filmen, Fernsehstücken, Büchern, Reklamen und Zeitschriften schädlich auf die Jugend aus. Sogar in modernen Liedtexten wird die neue Moral so dargestellt, als wäre sie „die Sache“. Ein Arzt wies darauf hin, wie sich das alles auf Kinder auswirkt, indem er sagte: „Mein Neunjähriger weiß schon aus Filmreklamen, was eine Lesbierin ist.“
Daher fordern die Verfechter der Sexualerziehung in den Schulen, daß man schon im Kindergarten mit der Aufklärung der Kinder beginne.
Vorschläge für die Lösung des Problems
Man kann den Wunsch der Erzieher verstehen, den Kindern eine Sexualerziehung zukommen zu lassen, weil unweise Eltern vor dieser Aufgabe zurückschrecken. Bei ihren eifrigen Bestrebungen in dieser Hinsicht sollten sie jedoch darauf achten, daß sie sich nicht rücksichtslos zwischen Eltern und Kind drängen, zwischen denen unverkennbar eine natürliche Beziehung besteht. Wenn die Erzieher der Meinung sind, die Eltern seien nicht in der Lage, ihre eigenen Kinder aufzuklären, oder sie würden vor dieser Pflicht zurückschrecken, warum dann nicht der Ursache anstatt der Wirkung zu Leibe rücken?
Warum nicht die Eltern lehren, wie sie ihre Kinder aufklären sollten? Viele Eltern würden das begrüßen. Dadurch würde die wichtige Eltern-Kind-Beziehung erhalten bleiben, und es würde verhindert, daß etwas Störendes in den Familienkreis eindringt. Es würde auch ermöglichen, diese Unterweisung den Bedürfnissen des Kindes anzupassen, die die Eltern besser kennen als jemand anders, der nicht mit dem Kind lebt. Der geeignetste Ort, um die Kinder aufzuklären, ist das Elternhaus.
Wenn das Kind zu Hause aufgeklärt wird, ist die Gefahr von vornherein gebannt, daß sich das Kind vor anderen geniert und daß jemand mit schlechten Beweggründen — Lehrer oder Mitschüler — irgendwelchen Schaden stiften kann. Die Aufklärung wird dann als eine „Familienangelegenheit“ empfunden, was sie auch ist. Sogar Befürworter der Sexualerziehung in den Schulen bezeichnen diese Erziehung gerne als Unterricht im „Familienleben“.
Personen, die behaupten, die Eltern hätten nicht den Mut, solche Fragen mit ihren Kindern zu behandeln, kann man entgegnen, daß die Eltern den Mut dazu schon hätten, würden sie unterwiesen, wie man die Kinder aufklären sollte. Doch einige behaupten: „Die Eltern sind keine Lehrer, sie besitzen die Voraussetzungen, diese Situation zu meistern, nicht, sie sind nicht fähig, sachlich und offen über solche Fragen mit den Kindern zu sprechen.“ Dr. David Reuben sagte jedoch treffend: „Die Lehrer sind noch weniger geeignet, die Kinder aufzuklären, als die Eltern. ... Erforderlich ist eine ganz neue Methode: die Geschlechtserziehung für Erwachsene.“
Aber selbst Lehrkurse für Eltern, in denen diese lernen würden, wie man Kinder aufklärt, würden gewisse Gefahren in sich bergen. Es ist nicht anzunehmen, daß in solchen Kursen mehr auf sittliche Fragen eingegangen würde als in der geschlechtlichen Erziehung in den Schulen. Es ist auch nicht anzunehmen, daß in solchen Kursen die Gesetze Gottes, wie sie in Gottes Wort, der Bibel, niedergelegt sind, hervorgehoben würden, um das, was in diesen Kursen gelehrt wird, durch diese notwendige sittliche Belehrung zu ergänzen. Warum nicht? Weil viele Erzieher wenig Achtung vor der Bibel haben. Und die meisten Kirchen haben es versäumt, ihre Glieder zu Menschen zu erziehen, die ein sittliches Verantwortungsbewußtsein haben. Viele Geistliche setzen nicht nur die Bibel herab, sondern bekennen sich zur „neuen Moral“.
Es gibt somit viele verschiedene Auffassungen über die Sexualerziehung in den Schulen. Angesichts dieser sich widersprechenden Meinungen fragen sich die Eltern, was sie tun sollten.
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Im Sexualkundeunterricht wird meist kein Nachdruck auf gute sittliche Grundsätze gelegt.