Der Weg zu echter Freundschaft
WARUM FREUNDSCHAFT SCHLIESSEN, UND MIT WEM? WIE KÖNNEN WIR VERMEIDEN, FREUNDSCHAFTEN ZU SCHLIESSEN, DIE UNS SCHADEN?
DIE Technik und die Wissenschaft haben in den vergangenen Jahren große Veränderungen gebracht, dennoch benötigen die Menschen einander immer noch. Bekanntschaften können dieses Bedürfnis meist nicht stillen, sondern nur ein Freund, dem man seine innersten Gedanken anvertrauen kann. Der Mensch braucht einen Vertrauten, auf den er sich verlassen kann und der ihm in der Not zur Seite steht.
Der Idealfall ist die christliche Familie, deren Glieder ihre emotionellen Bedürfnisse größtenteils innerhalb des Familienkreises befriedigen können. Kinder, die zärtliche Eltern haben sowie Brüder und Schwestern, die sie lieben, haben allen Grund, zufrieden zu sein. Ein Kind, das, umgeben von solcher Nestwärme, aufwächst, gedeiht, ist glücklich und ausgeglichen; ein solches Kind wird nicht anderswo hingetrieben, um seine emotionellen Bedürfnisse zu befriedigen.
Aber selbst wenn im Elternhaus ein Verhältnis gegenseitiger Zuneigung herrscht, mögen die Kinder den Wunsch haben, neue Freundschaften zu schließen. Eine Freundschaft mit ungefähr gleichaltrigen Kindern mag anspornend wirken. Andererseits kann ein Jugendlicher, wenn innerhalb der Familie kein Verhältnis gegenseitiger Zuneigung besteht und er auch außerhalb der Familie keine Freunde hat, vereinsamen. Heute gibt es viele Jugendliche, die einsam sind.
Eltern, die das wissen, sind bemüht, das wachsende Bedürfnis ihrer Kinder nach Freundschaft zu stillen. Das können sie tun, indem sie ihr Verhältnis zu ihnen noch enger und vertrauter gestalten. Besonders Jugendliche empfinden es als wohltuend, wenn ihre Eltern ihnen Gelegenheit geben, sich auszusprechen, und ihnen helfen, ihre Zweifel zu zerstreuen und ihre Unsicherheit zu überwinden. In offenen und ehrlichen Aussprachen können die Kinder durch entsprechende Ermunterung und Ratschläge gestärkt werden.
Manchmal kann auch ein Jugendlicher einen anderen Jugendlichen, mit dem er befreundet ist, ermuntern. So schrieb ein Mann in mittleren Jahren über seine Jugendzeit: „Als Jugendlicher war ich oft wechselnden Stimmungen unterworfen, warum, weiß ich heute nicht mehr. Einmal, als ich eben wieder einen Tiefpunkt erreicht hatte, als ich mir häßlich, mißverstanden und ungeliebt vorkam, klingelte das Telephon. Ein Schulkamerad ... war am Apparat. ,Was ist los mit dir?‘ fragte er teilnehmend, als er meine Stimme hörte. ,Du sprichst so, als hättest du keinen einzigen Freund auf der Welt — ich bin doch noch nicht tot!‘ Das waren vielleicht etwas zungenfertige Worte, aber ich habe sie heute — fünfundzwanzig Jahre danach — noch in Erinnerung. Sie machten mich zuversichtlicher, riefen bei mir ein Lächeln hervor, und an jenem Abend hatte ich wieder das Gefühl zu leben.“
Wie man sich jemand zum Freund macht
Es gibt Menschen, die offenbar eine besondere Begabung dafür haben, Freunde zu gewinnen. Andere müssen diese Kunst erlernen, und es gelingt ihnen auch. Dann gibt es aber auch Personen, die weder das Talent besitzen, Freundschaften zu schließen, noch imstande sind, diese Kunst schnell zu erlernen. Sie benötigen Hilfe. Möchte man sich jemanden zum Freund machen, dann muß man am Leben der Menschen Anteil nehmen. Man muß sich dafür interessieren, was sie denken, wie sie fühlen und warum sie leiden. Man muß sich aufrichtig für das interessieren, was die Menschen tun. Man muß ihre guten und ihre weniger guten Seiten akzeptieren. Man muß bereit sein, Opfer zu bringen und anderen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen.
Der amerikanische Dichter und Essayist Ralph W. Emerson sagte einmal: „Nur der findet einen Freund, der bereit ist, selbst einer zu sein.“ Möchtest du einen Freund besitzen, dann suche dir jemand, dem du helfen kannst. Einen solchen zu finden sollte nicht schwer sein, denn heute gibt es so viele Menschen, die der Hilfe bedürfen. Wenn du siehst, daß es Arbeit zu tun gibt, dann biete dich an mitzuhelfen. Eine Arbeit gemeinsam tun bringt die Menschen einander näher.
Lade andere zum Essen ein oder zu einer Tasse Tee oder Kaffee, um dich mit ihnen zu unterhalten. Sag einfach: „Wie wäre es, wenn ihr uns am Samstagabend besuchen würdet?“ Selbst wenn es ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht paßt, wissen sie nun doch, daß du sie gerne näher kennenlernen möchtest.
Vielleicht mag schon die Bereitschaft, jemand zu grüßen, den Anfang einer Freundschaft bilden. Du mußt zeigen, daß du die Menschen liebst. Du magst überrascht sein, welche Reaktion du hervorrufst, wenn du den Menschen lächelnd einen freundlichen Gruß entbietest.
Wie man eine Freundschaft pflegt
Man kann die Freundschaft mit einer Pflanze vergleichen. Nur wenn man sie begießt und gut pflegt, bringt sie schmackhafte und bekömmliche Früchte hervor.
Eine Freundschaft bleibt nicht automatisch erhalten. Man muß bewußt dazu beitragen. In unser wöchentliches Tätigkeitsprogramm könnten wir Dinge aufnehmen, die die Freundschaft fördern. Wir könnten zum Beispiel die Namen derer notieren, die wir in dieser Woche besuchen oder die wir anrufen oder denen wir schreiben oder ein Geschenk schicken möchten. Wie leicht vernachlässigt man Freunde, weil sie bereits Freunde sind. Viele, die sich darauf verstehen, eine Freundschaft zu pflegen, laden ihre Freunde jede Woche oder jeden Monat einmal zum Essen ein.
Auch eine gemeinsame Tätigkeit trägt dazu bei, daß die Freundschaft erhalten bleibt. Eine Frau brachte ihrer Freundin das Kochen bei. Danach unterhielten sich die beiden gerne miteinander über das Kochen, und diese Kunst bereicherte auch ihr Leben. Andere haben ihre Freunde dazu angeregt, mit ihnen Ausflüge zu machen: ein Museum zu besuchen oder eine Fahrt ins Grüne zu unternehmen, verbunden mit einer Mahlzeit im Freien. Manchmal wohnen Freunde weit auseinander und sehen sich selten, doch durch einen herzlichen Brief kann man die Verbindung aufrechterhalten. Ein Telephonanruf läßt sie wissen, daß sie einem etwas bedeuten. Vielleicht kann man auch seinen Urlaub mit einem alten Freund verbringen und so die Freundschaft erneuern. Ein Zusammensein mit alten Freunden kann ein beglückendes Erlebnis sein.
Probleme lösen
Manchmal kommt bei Freunden eine gewisse Eifersucht auf. Es gibt Personen, die ihre Freunde nur für sich haben möchten. Aber Freundschaft bedeutet auch, daß man einen Freund mit anderen Personen teilt. Das erfordert Demut. Echte Freundschaft verlangt, daß man sich beherrscht und nicht durch Empfindlichkeit den Geist der Freundschaft vergiftet. Ein guter Freund sucht seinen Freund weder zu beherrschen, noch legt er sich ihm zu Füßen, sondern er geht in dieser Hinsicht einen goldenen Mittelweg.
Freundschaft setzt auch voraus, daß man Selbstzucht übt, denn es besteht die Gefahr, daß man anfängt, sich in die Angelegenheiten anderer Leute „einzumischen“, wie der Apostel Petrus schreibt; dadurch würde man eine Freundschaft jedoch schnell zerstören. Es ist daher nützlich, sich zu prüfen, worüber man spricht. — 1. Petr. 4:15.
Auch hat heutzutage jeder viel zu tun, und wir dürfen nicht erwarten, daß andere uns ständig besuchen oder einladen. Einer der inspirierten Sprüche (25:17) lautet: „Mache deinen Fuß selten im Hause deines Nächsten, damit er deiner nicht satt werde und dich hasse.“
Und wenn du von Freunden eingeladen wirst, einen Abend mit ihnen zu verbringen, solltest du vernünftig sein und nicht bis spät in die Nacht hinein bei ihnen bleiben. Nachdem die Gäste weg sind, gibt es meist noch viel zu tun, und wenn es schon spät ist, mag diese Arbeit eine starke Belastung für den Gastgeber sein. Es gibt Personen, die selten eingeladen werden, weil sie jeweils so spät nach Hause gehen. Viele Leute, die nicht lange aufbleiben können, weil sie schon älter oder weil sie kränklich sind oder weil sie früh aufstehen müssen, sind nicht so gastfreundlich, wie sie es gerne wären, weil die Gäste oft bis tief in die Nacht hinein bleiben.
Was für Freunde man sich suchen sollte
Wen wir uns als Freunde wählen, gibt wahrscheinlich den Ausschlag dafür, ob eine Freundschaft dauerhaft ist oder nicht. Viele Leute machen den Fehler, sich Personen als Freunde zu wählen, die ihnen von Nutzen sind. Bei der Wahl ihrer Freunde legen sie mehr Wert darauf, was die betreffenden Personen haben oder worin sie ihnen nützen können, als auf ihre geistig-sittliche Persönlichkeit. In der Regel bewähren sich solche Freundschaften nicht.
Andere Personen sind lediglich bestrebt, auf der gesellschaftlichen Stufenleiter höher zu steigen und ihr Prestige zu verbessern. Ihre Freundschaft hat einen Anstrich von Selbstsucht. Sie sagen: „Man muß mit Personen Freundschaft pflegen, die etwas gelten, sonst kommt man auf keinen grünen Zweig.“ Das hat nichts mit christlicher Handlungsweise zu tun. (Jak. 2:1) Freundschaften, die auf Selbstsucht beruhen, sind hohl und leer, sie bereichern nicht. — Luk. 14:12-14.
Wenn du dir Freunde suchst, dann sei wählerisch und ahme die göttliche Verfahrensweise nach. Auch Gott anerkennt nicht jeden als seinen Freund. Gott nannte Abraham seinen Freund, weil Abraham großen Glauben bekundete. (Jak. 2:23) Und der 15. Psalm zeigt, daß alle, die ‘in seinem [in Gottes] Zelt weilen’ dürfen, hohe Anforderungen erfüllen müssen — nicht jeder ist willkommen. Auch alle Personen, die Jesus Christus als seine Freunde bezeichnet, müssen bestimmten Anforderungen genügen. Jesus sagte zu seinen Nachfolgern: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.“ — Joh. 15:14.
Wie handelst du? Bist du beim Schließen von Freundschaften wählerisch? Hast du bestimmte zuverlässige Richtlinien dafür? Wir sollten darin wählerisch sein, weil wir bis zu einem gewissen Grad von unseren Freunden, mit denen wir Umgang pflegen, beeinflußt werden.
Wenn wir uns Personen zu Freunden machen, die auch Gott und Christus als Freunde bezeichnen, machen wir gewiß keinen Fehler. Von solchen Personen ist zu erwarten, daß sie sich durch Liebe, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit und Selbstbeherrschung auszeichnen. (Gal. 5:22, 23) Personen, die solche gottgefälligen Eigenschaften besitzen, erweisen sich als vorzügliche Freunde. Und nichts schließt Freunde enger zusammen, als die gemeinsame Liebe zu Gott. Wie wir in der Bibel lesen, sagte auch Ruth zu Noomi: „Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“ — Ruth 1:16, 17.
Ein Gott hingegebener Christ muß bei der Betrachtung des Themas Freundschaft an eine ganze Anzahl biblischer Grundsätze denken, die als Schutz dienen. Ein solcher Grundsatz lautet zum Beispiel: „Schlechte Gesellschaft verdirbt nützliche Gewohnheiten.“ Und ein anderer Grundsatz lautet: „Wer immer daher ein Freund der Welt sein will, stellt sich als ein Feind Gottes dar.“ (1. Kor. 15:33; Jak. 4:4) Das zeigt, daß es sich nicht nur auf unsere täglichen Gewohnheiten, sondern auch auf unser Verhältnis zu Gott auswirkt, wenn wir uns die richtigen Freunde wählen.
Möchten wir unser gutes Verhältnis zu Gott bewahren, so ist es weise, den Rat, den wir in seinem Worte finden, zu beachten und uns von einer bestimmten Art Menschen ‘wegzuwenden’. Von was für Menschen? Der Apostel Paulus erwähnt Personen, die „geldliebend“ sind — also Personen, die nur an materielle Güter denken. Außerdem erwähnt er Personen, die „den Eltern ungehorsam“ sind, Personen, die ‘stolz’ sind und ohne Selbstbeherrschung“, und Personen, die „die Vergnügungen [mehr] lieben als Gott“. (2. Tim. 3:2-5) Mit solchen Personen sollte man keine Freundschaft schließen. Es dient einem zum Schutz, wenn man diesen Rat der Bibel befolgt.
Da ein wahrer Freund ein Vertrauter ist, auf den man sich verlassen kann, sollten wir uns auch vergewissern, daß unser Freund kein Mensch ist, der uns schadet, indem er über uns schwatzt. Über solche Freunde sagt die Bibel: „Wer Liebe sucht, deckt die Übertretung zu; wer aber eine Sache immer wieder anregt, entzweit Vertraute. Der Freund liebt zu aller Zeit.“ „Gar manche Freunde gereichen zum Verderben; doch mancher Freund ist anhänglicher als ein Bruder.“ — Spr. 17:9, 17; 18:24, Menge.
Es ist auch wichtig, daß Freunde die gleichen Interessen und Ziele verfolgen. Wählst du dir einen Freund, der ganz andere Interessen hat als du, magst du das Ziel, das du dir gesteckt hast, nicht erreichen. Das gilt besonders für alle, die sich als treue Diener Gottes erweisen möchten.
Aus Gottes Wort, der Bibel, erfahren wir somit, was wahre Freundschaft ist; es zeigt, daß ein echter Freund christliche Liebe bekundet, daß man einem solchen Freund sein Inneres offenbaren kann und daß er einem in der Not hilfreich beisteht. Echte Freundschaft bereichert das Leben und macht es beglückender. Übe daher Freundschaft! Sei ein Freund!
[Bild auf Seite 6]
Andere zum Essen einladen ist eine gute Möglichkeit, Freundschaft zu schließen.