Australiens Tierwelt — Meisterwerke des Schöpfers
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Australien
STELL dir vor, du wärest im australischen Busch. Du blickst dich um und siehst auf dem Boden einen Eindruck, der aussieht wie eine Elf. Was hast du da vor dir? Eines der vielen Merkmale der australischen Tierwelt, durch die sie sich von der Tierwelt anderer Länder unterscheidet. Du hast die Fährte eines Tieres vor dir, das nicht rennt, sondern hüpft — des Känguruhs.
Wir wollen die Spur etwas verfolgen. Hier und da sieht man hinter oder zwischen den beiden Eindrücken einen dritten. An diesen Stellen hat das Tier ausgeruht; beim Sitzen hat es sich auf den dicken Schwanz gestützt und vielleicht damit auf den Boden geschlagen, um die übrigen Glieder der Herde zu alarmieren.
Verhalte dich ganz still, und schau in diese Richtung. Siehst du die zwei „Blattspitzen“ hinter jedem Strauch? Es hat uns auch gesehen. Schau, mit welch eleganten Sprüngen das Tier auf seiner Flucht Hindernisse überwindet!
Seine Methode der Fortbewegung ist nur eine von vielen Eigentümlichkeiten des Känguruhs. Auch die Art seiner Fortpflanzung ist eigentümlich.
Das Känguruh gehört zu den Beuteltieren, auch „Marsupialier“ genannt. Der Beutel dient zum Tragen des Jungen, hat aber noch einen weiteren wichtigen Zweck.
Die erstaunliche Geburt eines jungen Känguruhs
Tiere, die keinen Beutel haben (oder, wie wir später sehen werden, nicht zu den Kloakentieren zählen), nennt man „Plazentatiere“, was bedeutet, daß das Weibchen einen Uterus hat, in dem der Embryo durch die „Plazenta“ ernährt wird. Das Känguruhweibchen hat keine Gebärmutter. Das Junge beginnt sich kurz nach der Paarung in einem Dottersack zu entwickeln; in diesem Sack wird der Embryo ernährt, bis der Sack acht bis vierzig Tage später, je nach der Känguruhart, aufplatzt und das Junge geboren wird.
Wir sagen „geboren“, doch „hervorgebracht“ ist vielleicht besser ausgedrückt. Wenn das Junge aus dem Uterus ausgestoßen wird, ist es nämlich erst halb entwickelt; es hat noch keine Augen und Ohren, doch der Geruchssinn ist bereits vorhanden. Es sieht aus wie ein durchscheinendes Stück Gummi. Mach dich nun auf etwas ganz Erstaunliches gefaßt. Dieses winzige halbentwickelte Jungtier, etwa so groß wie eine Bohne, arbeitet sich nun durch das Fell der Mutter — wie man annimmt, nur vom Geruchssinn geleitet — auf den Brutbeutel zu. Diese Strecke legt es in etwa drei Minuten zurück. Hat es den Beutel erreicht, so kriecht es in diesen hinein und bleibt mehrere Monate oder bis zum Abschluß seiner Entwicklung darin.
Aber was geschieht, wenn es den Brutbeutel verfehlt? Dann ereignet sich ein Unglück! Es schadet ihm nicht, wenn es für den Weg von der Geburtsöffnung bis in den Beutel eine halbe Stunde braucht, findet es ihn aber nach dieser Zeit nicht, kommt es um. Und wie verhält sich die Mutter? Sie tut gar nichts. Sie macht sich überhaupt keine Sorgen. Während das junge Känguruh im Geburtskanal war, paarte sich die Mutter sehr wahrscheinlich erneut. Aber der neue Embryo entwickelt sich nur so weit, bis er hundert Zellen umfaßt. Dann tritt eine Entwicklungspause ein, die so lange dauert, wie das vorhergehende Kleine im Beutel der Mutter saugt. Erst wenn die Bruttasche unbesetzt ist, entwickelt er sich weiter.
Aber unser kleines Känguruh findet die Bruttasche, und zwar ohne fremde Hilfe. Die Mutter hat ganz geringe Vorbereitungen getroffen: Sie hat lediglich den Beutel saubergeleckt, sich auf die Hinterbeine gesetzt mit dem Schwanz nach vorn und sich gegen einen Baum gelehnt, damit sie das Gleichgewicht besser halten kann. Sobald das Junge im Beutel ist, ergreift es mit der Schnauze eine der Zitzen; diese schwillt sofort an und hält es fest, worauf die Mutter mit Hilfe besonderer Muskeln Milch in den kleinen Mund des Jungen hineinpreßt. Nun kann man das Junge nicht mehr entfernen, es sei denn, daß man ihm dabei die Schnauze verletzt.
Der ganze Vorgang ist so unglaublich, daß die Forschungsreisenden und Naturforscher früherer Jahrhunderte glaubten, das Junge werde im Beutel geboren „wie Äpfel an einem Zweig“, wie einer schrieb. Erst viele Jahre danach beobachtete man dann im Londoner Zoo zum erstenmal die Geburt des Embryos und selbst damals glaubte man, die Mutter nehme das Junge zwischen die Lippen und stecke es in den Beutel. Erst seit 1932 weiß man, daß es ohne Hilfe der Mutter in den Beutel kriecht.
Die Zeit, in der das Junge sich im Beutel entwickelt, können wir überspringen; zu erwähnen wäre nur, daß es sich in dieser Zeit von einem winzigen Tierchen von der Größe einer Bohne zu einem mehrpfündigen Jungtier entwickelt. Erst wenn das Kleine acht Monate alt ist und ohne die Milch der Mutter auskommt, löst es sich von der Zitze und beginnt für kurze Zeit den Beutel zu verlassen. Aber immer noch frühstückt es gerne im Bett. Das gelingt ihm leicht, indem es, während die Mutter äst, an den Gräsern knabbert, die es erreichen kann.
Während es mit sechs bis fünfzig anderen Känguruhs herumtollt (hüpft), entwickelt es sich langsam zu einem erwachsenen Känguruh. Gehört es zu den Roten Riesenkänguruhs, dann wird es 1,50 bis 1,80 Meter hoch und etwa 200 Pfund schwer, macht bis zu 3 Meter hohe und 6 Meter lange Sprünge und legt fast 50 Kilometer in der Stunde zurück.
Das Känguruh ist ein sanftes, ja scheues Tier, es sei denn, es wird in die Enge getrieben und muß um sein Leben kämpfen. Dann schlägt es, mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt und auf dem Schwanz sitzend, mit Vorder- und Hinterfüßen, die mit einem scharfen Sporn versehen sind, heftig zu. So wird es mit mehreren Hunden fertig. Und wenn es hoffnungslos in die Enge getrieben ist, springt es in ein flaches Wasser. Es watet bis zur Hüfte hinein und greift einen Hund nach dem andern, der an das Känguruh heranschwimmt, und hält ihn so lange unter Wasser, bis er ertrunken ist. Soviel über das Känguruh.
Der Koala
Außer dem Känguruh gibt es noch andere Beuteltiere. Überrascht dich das? Für den einen oder anderen mag das neu sein, aber wer hat nicht schon ein Bild von einem Koalabärchen gesehen? Auch der Koala gehört zu den Beuteltieren. Sein Name bedeutet in der Sprache der Australier „Ich trinke nicht“. Und das tut er auch tatsächlich nicht. Aber was er frißt! Täglich bis zu drei Pfund Eukalyptusblätter. Das erklärt, warum man den Koala außerhalb Australiens nicht sieht. Die australische Regierung hat die Ausfuhr des Koalabären verboten. In keinem anderen Land könnte er ernährt werden. Er ist ein wählerischer Esser. Es gibt über hundert Arten von Eukalyptusbäumen, aber er frißt nur die Blätter von sechs Arten; und da es von diesen Bäumen außerhalb Australiens nicht viele gibt, würde der Koala in anderen Ländern verhungern.
Die Blätter des Eukalyptusbaumes (wegen der wachsüberzogenen Blätter in Australien auch Gummibaum genannt) sollen eine betäubende Wirkung haben, das erklärt vielleicht das sanfte Wesen des Koalas und warum er so schläfrig ist. Aber sieh dich vor! Laß dich von dem possierlichen und sanften Wesen dieses Bären nicht täuschen. Ein amerikanischer Soldat machte diesen Fehler. In einem zoologischen Garten hatte er einen dieser Kletterbären gekrault. Als er dann im Busch auf ein solches Tier stieß, wollte er es seiner Freundin zeigen, die im Auto auf ihn wartete. Doch der Koala wollte offenbar nicht. Der Preis, den der Soldat für seine Unwissenheit bezahlen mußte, war eine neue Uniform und ein sechswöchiger Aufenthalt im Krankenhaus.
Andere Beuteltiere
Unter den übrigen Beuteltieren gibt es viele, die den entsprechenden Plazentatieren im Aussehen und in der Lebensweise so ähnlich sind, daß man sie ohne weiteres miteinander verwechseln könnte. Beutelmäuse, Beutelratten, Beutelmarder, Beutelmulle, Ameisenigel und Beutelwölfe sind in gewisser Hinsicht ganz ähnlich wie die entsprechenden Plazentatiere, in anderer Hinsicht aber wieder ganz anders.
Es gibt zum Beispiel eine Maus, die fast zwei Meter hoch springt und fliegende Insekten mit Hilfe von Echolotung fängt; einen Marder, der zwanzig Junge wirft, aber nur sechs Zitzen hat, und einen Wolf der die Kiefer bis 180 Grad auseinanderreißen kann.
Es gibt einen Beuteldachs, auch Bandikut genannt, der schneller graben kann als ein Mensch mit der Schaufel und bei dem die Beutelöffnung nach hinten zeigt; durch diese weise Vorkehrung wird verhindert, daß der Beutel sich beim Graben mit Erde füllt. Ein Känguruh mit Greifschwanz lebt auf den Bäumen und ist ein bemerkenswerter Turnkünstler. Zu erwähnen wäre auch der Numbat (Ameisenbeutler), der keinen Brutbeutel hat, ferner eine kleine Beutelmaus, die in den Rissen des ausgetrockneten Schlammbodens lebt und einen Schädel hat, der von der Krone bis zum Hals nur drei Millimeter mißt.
In Australien und auf Neuguinea gibt es noch 175 Beuteltierarten, davon sind 104 Pflanzenfresser und 71 Fleischfresser. Zu den ausgestorbenen Beuteltieren zählen das Diprotodon, das so groß wie ein Nashorn war, und das 3 Meter hohe Känguruh, Procoptodon genannt.
Wunderst du dich da noch, daß die ersten Forschungsreisenden, die nach Australien kamen, und die ersten Siedler über die Tierwelt staunten, die sie hier vorfanden, weil sie so ganz anders war als die Tierwelt, die sie kannten? Beuteltiere gibt es, abgesehen von zwei Formen, die in Amerika heimisch sind, sonst nirgendswo auf der Erde.
Die Kloakentiere
Es gibt Tausende von Plazentatierarten und, wie bereits erwähnt, allein in der australischen Region 175 Beuteltierarten, aber von den Kloakentieren, auch Monotremen genannt, kennt man bloß zwei Formen, und beide sind nur in Australien heimisch.
Das Wort „Monotremen“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Einlöcher“. Das deutet auf die Tatsache hin, daß die Monotremen nur eine Ausmündungsöffnung haben, „Kloake“ genannt. Sie ist der Ausführgang für die Ausscheidungen von Niere und Darm sowie für die Geschlechtsprodukte, beim Weibchen die Eier. Ja, EIER! Die beiden Kloakentiere sind die einzigen bekannten Säugetiere, die Eier legen.
Vom Schnabeltier haben die meisten Leute schon manches gehört. Es ist schon merkwürdig genug, daß dieses Säugetier Eier legt, doch kommen bei ihm noch weitere Absonderlichkeiten hinzu, und zwar so viele, daß man beim Betrachten eines Schnabeltieres glaubt, ein Ausstopfer habe sich einen Witz erlaubt. So erschien es auch den Naturkundlern, als sie ein solches Tier zum erstenmal sahen. Als eine Beschreibung davon nach England gesandt wurde, wollten die Gelehrten dem Bericht einfach nicht glauben. Sogar als ein Schnabeltierbalg nach London gesandt wurde, vermuteten die Gelehrten, es sei ein Schwindel. Warum war man so argwöhnisch? Wir wollen sehen.
Das Schnabeltier legt nicht nur Eier, sondern weist noch folgende Merkwürdigkeiten auf: Es hat einen Haarpelz, Milchdrüsen, einen entenartigen Schnabel, Schwimmfüße, einen kräftigen Schwanz, ähnlich dem eines Bibers, einen Giftsporn an den Füßen und Backentaschen wie ein Affe. Kannst du dir vorstellen, welchen Eindruck das Schnabeltier auf die Naturforscher des vergangenen Jahrhunderts machte?
Doch gerade diese Vielfalt an Gaben verrät die Weisheit des Schöpfers dieses Tieres, denn durch sie ist es in bewunderungswürdiger Weise seiner Umwelt angepaßt, so daß es prächtig gedieh, bis der Mensch mit seinen Waffen auftauchte. Das Schnabeltier, das Krallen zum Graben und einen Pelz hat, der es warm hält, ist auf dem Lande zu Hause, aber sein eigentliches Element ist das Wasser. Das Bewunderungswürdigste an ihm ist jedoch sein Schnabel.
Der Schnabel ist im Gegensatz zu dem harten, verhornten Schnabel eines Vogels ein feinnerviges Organ. Wenn das Schnabeltier ins Wasser gleitet, die Schwimmhäute entfaltet und mit seinem kräftigen Schwanz rudert, werden Augen und Ohren durch eine Hautfalte verschlossen, und der Schnabel übernimmt deren Aufgaben. Mit diesem durchpflügt das Tier den Flußschlamm nach Würmern, kleinen Krebsen und Insektenlarven. Sein Schnabel unterscheidet nun zwischen Fleisch und Schlamm, das Fleisch packt es in seine Backentaschen, bis es auftaucht und dann das, was es erbeutet hat, verzehrt. Es ist ein fleißiger Nahrungssucher, muß das aber auch sein, denn es frißt täglich die Hälfte seines Gewichts an Würmern u. a. Das erklärt, warum das Schnabeltier einen Zoo mehr kostet als ein Elefant.
Der Schnabel ersetzt beim Schwimmen aber nicht nur Augen, Ohren und Nase, sondern dient auch beim Graben als eine Art Radargerät. In Life — Wunder der Natur, Australien wird folgendes gesagt: „Der Schnabel des Schnabeltieres enthält eine große Anzahl von Nerven, die Berührungsreize leiten ... Man sagt, daß das Schnabeltier beim Graben ein undefinierbares Gefühl für unterirdische Höhlungen besitze, wodurch es in der Lage sei, zu vermeiden, daß es zufällig in angrenzende Kaninchengänge, Rattenlöcher oder andere Schnabeltiertunnel einbricht.“ Es spürt auch Baumwurzeln und Steine, die vor ihm liegen, und weicht ihnen aus, bevor es darauf stößt. Bist du nicht auch der Meinung, das Schnabeltier sei vorzüglich seiner Umgebung angepaßt?
Das gleiche trifft auf das andere Mitglied der Familie der Kloakentiere zu, auf den Ameisenigel. Da er das einzige andere eierlegende Säugetier ist, erwartet man vielleicht, er gleiche dem Schnabeltier. Aber abgesehen vom Eierlegen gleicht er ihm nur in zweierlei Hinsicht: Beide säugen ihre Jungen, und beide haben nur eine Ausmündungsöffnung, Kloake genannt.
Der Name Ameisenigel — er heißt auch noch Schnabeligel — verrät einiges über sein Aussehen. In Wirklichkeit gleicht er einem Stachelschwein, nur sind die Stacheln kürzer, dicker und außerordentlich spitz. Seine kurzen kräftigen Beine sind bewunderungswürdig zweckmäßig gebaut, um Termitenhügel, die so hart sind wie Beton, aufzureißen — die Lieblingsspeise des Ameisenigels sind Termiten.
Beim Ameisenigelweibchen bildet sich zeitweilig ein Beutel, zusammengehalten durch Muskelkontraktionen. Darin wird das Junge nachdem es aus dem Ei geschlüpft ist, herumgetragen und ernährt. Es leckt innerhalb des Brutbeutels die Milch von den Haaren des Brustdrüsenfeldes. Es bleibt im Brutbeutel, bis die Stacheln so lang geworden sind, daß sie der Mutter lästig werden. Dann wirft sie das Kleine aus seiner „Wiege“ hinaus!
Außerdem weist der Ameisenigel noch weitere ungewöhnliche Merkmale auf. Zum Beispiel besitzt er ungeheure Muskelkraft, obschon er nur 50 Zentimeter lang ist und nur zwei bis drei Pfund wiegt. Ein Zoologe sperrte einmal einen Ameisenigel aus Sicherheitsgründen über Nacht in die Wohnstube ein. Der Ameisenigel, der verzweifelt einen Ausgang suchte, hatte dabei jedes schwere Möbelstück von der Wand gerückt! Nur einen eisernen Ofen konnte er nicht verrücken — er war an der Wand festgemacht!
Eine weitere interessante Besonderheit ist die Fähigkeit des Ameisenigels, sich senkrecht einzugraben — und zwar blitzschnell! Mit dem Schnabel und allen vier Füßen gräbt er flink den harten Kiesboden unter sich weg; nach etwa einer Minute ist er so tief im Boden versunken, daß für eine feindliche Nase oder Klaue nur noch ein Stachelhügel vorhanden ist. Außerdem besitzt er noch die Fähigkeit, sich so flach zu machen, daß er durch eine Öffnung kriechen kann, die nur zweieinhalb Zentimeter hoch ist.
Was meinst du? Kannst du in all dieser erstaunlichen Vielfalt die Hand eines weisen Schöpfers sehen? Ja, wir können dankbar sein, daß wir durch unsere Betrachtung einen Einblick haben durften in die australische Tierwelt — Meisterwerke des Schöpfers.
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Erst nach acht Monaten verläßt das junge Känguruh von Zeit zu Zeit den Beutel seiner Mutter.
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Der Koala ernährt sich von den Blättern gewisser Eukalyptusbäume.
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Das Schnabeltier ist ein eierlegendes Säugetier mit einem Schnabel, der dem einer Ente gleicht.