Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • g70 8. 11. S. 24-26
  • Komm bitte heute nachmittag auf den Friedhof zum Tee

Kein Video für diese Auswahl verfügbar.

Beim Laden des Videos ist ein Fehler aufgetreten.

  • Komm bitte heute nachmittag auf den Friedhof zum Tee
  • Erwachet! 1970
  • Zwischentitel
  • Ähnliches Material
  • Der Blumenmarkt
  • Der Friedhof
  • Die Mauergräber
  • Zeit zum Teetrinken
  • „Nicht für allen Tee Chinas!“
    Erwachet! 1989
  • Teetrinken auf chinesische Art
    Erwachet! 2005
  • Gedächtnisgruft
    Einsichten über die Heilige Schrift, Band 1
  • Ein außergewöhnlicher Friedhof
    Erwachet! 2000
Hier mehr
Erwachet! 1970
g70 8. 11. S. 24-26

Komm bitte heute nachmittag auf den Friedhof zum Tee

JEMAND klopfte zaghaft an die Tür; ich ging hin und öffnete sie und erwartete, daß wie gewöhnlich irgendein barfüßiger Junge in abgerissener Kleidung um leere Flaschen oder irgend etwas anderes bitten würde. Statt dessen stand dort ein sauberes, ordentliches Kind mit lächelndem Gesicht. Ich erkannte die Kleine, sagte „Pase“ (Komm herein) und beobachtete sie, wie sie sich auf den niedrigen Stuhl setzte, den ich ihr angeboten hatte, und dann ihr Kleid glattstrich. Sie hatte bereits, obwohl erst sechs Jahre alt, gelernt, ihr bestes Kleid sorgfältig zu behandeln.

„Mama möchte eine Antwort“, sagte sie und reichte mir einen Umschlag, den sie fest in der kleinen Hand hielt. Die Mitteilung lautete: „Kannst Du heute nachmittag auf den Friedhof zum Tee kommen?“

Ein Friedhof kann ein trauriger oder auch ein angenehmer Ort sein; das kommt ganz darauf an, wie er instand gehalten wird und wieviel man über den Zustand und die Hoffnung der Toten weiß. Der Nordfriedhof in Montevideo (Uruguay) wird sehr gut gepflegt, und im Oktober, wenn es hier Frühling ist, ist es ein schöner Ort. Blumen und Gräser wachsen hier das ganze Jahr über; aber in dieser Jahreszeit blüht und grünt alles besonders gut. Die Menschen fühlen sich verpflichtet, ihre Liebe und Achtung vor ihren Toten zu zeigen, indem sie regelmäßig Blumen bringen. Blumen sind hier ständig gefragt, ob es sich um ein Grab oder um eine Urne handelt. Am Friedhofseingang gibt es, günstig gelegen, einen großen Blumenmarkt. Hier traf ich meine Gastgeberin.

Der Blumenmarkt

Die schönen Blumen waren sauber in Reihen aufgestellt. Jeder dieser Verkaufsstände gehört einem Privateigentümer, wie mir meine Freundin erzählte, während wir dort vorübergingen. Die Eigentümer versuchten, sich gegenseitig mit ihrer Blumenpracht zu übertreffen. Ein Standinhaber erklärte uns, Millionen von Pesos würden hier jährlich auf dem Markt ausgegeben, obwohl dies nur einer von mehreren Friedhöfen in Montevideo ist. Er bot uns einen Strauß an, aber wir lehnten ab und erklärten, daß wir hier nur auf Besuch seien.

Wir nahmen die Gelegenheit wahr und erklärten ihm, welche Hoffnung wir für die Toten hätten und daß wir erwarteten, daß diejenigen, die im Tode schliefen, eines Tages auferweckt würden, wie es in Johannes 5:28, 29 heißt: „Wundert euch nicht darüber, denn die Stunde kommt, in der alle, die in den Gedächtnisgrüften sind, seine [des Sohnes des Menschen] Stimme hören und herauskommen werden.“ Wir erwähnten auch, daß die Toten ohne Bewußtsein sind und daß ihnen die Blumen daher nichts nützen, obwohl die zarte Schönheit der bunten Blüten zweifellos den traurigen Ausblick der Hinterbliebenen etwas erhellt.

Der Friedhof

„Zuerst werden wir uns den Friedhof ansehen“, sagte meine Gastgeberin, „und dann werden wir unseren Tee trinken. Ich möchte dir die Anlagen zeigen und dir die verschiedenen Begräbnisarten erklären.“ Das Land gehört anscheinend der Stadt; Wächter machen in den Anlagen die Runde. Friedhofsarbeiter entfernen verwelkte Blumen. Die Angehörigen müssen jedoch für die Gräber ihrer Verstorbenen selbst sorgen.

Meine Begleiterin wies auf die Grüfte der Reichen, das sind hauptsächlich Bauten, die Gesellschaften gehören, an die die Auftraggeber monatlich einen bestimmten Betrag entrichten. Diese Gesellschaften kümmern sich dafür um alle Begräbnisangelegenheiten. Dahinter liegen die ältesten Anlagen, dort hat man früher die Toten in der Erde bestattet und dort ständig gelassen. Diese Gräber mußten gemäß dem Gesetz 1,5 Meter tief sein. Wegen Raummangels entfernt man jetzt jedoch diese Überreste und setzt sie in Gemeinschaftsgräbern bei.

Platzmangel hat dazu geführt, daß man sich noch einer anderen Methode bedient. Nach zwei bis zehn Jahren werden die Toten aus dem Grab entfernt (nach zehn Jahren, wenn der Tod durch eine ansteckende Krankheit eingetreten ist, und nach zwei Jahren, wenn der Betreffende aus irgendeinem anderen Grund gestorben ist). Sie werden verbrannt, so daß nur Knochen oder Asche übrigbleibt, die dann in Urnen gefüllt wird. Diese Urnen bewahrt man in Nischen auf, die man für diesen Zweck errichtet hat. Das zweite Begräbnis wird einzeln vorgenommen, wie das gewöhnlich hier im östlichen Südamerika der Fall ist, oder die Toten werden in Gemeinschaftsgräbern beigesetzt wie in den vorchristlichen Grabhügeln in Europa, wo oft alle Angehörigen eines Stammes beigesetzt wurden.

Hier stehen viele Grabsteine aus Marmor, Granit und anderen Ziersteinen. Manchmal sieht man Einzelgräber; oft aber sind es Familiengrüfte. Bei einigen Familiengrüften in Montevideo führen Treppen zu einem Raum unter dem Grabmal, wo ein Platz für jedes Familienglied vorbereitet ist. Wer diese Grabstätten besuchen möchte, muß sich vorher anmelden; der Verwalter läßt sie dann öffnen.

Familiengrüfte gibt es nicht erst seit neuerer Zeit. Sie wurden bereits im alten Rom verwandt; Ruinen davon kann man heute noch entlang der Via Appia sehen. Die Einwohner Palästinas hatten zur Zeit der Patriarchen ebenfalls Familiengrüfte; sie verwandten Naturhöhlen oder hauten Höhlen in die Felswände.

Die Mauergräber

Dann gibt es noch die Mauergräber. Einige davon, mitten auf dem Friedhof errichtet, mögen zwei bis zehn Schichten hoch sein. Es ist etwas seltsam, wenn man aufblickt und bedenkt, daß dort oben so viele Tote in Betongräbern bestattet sind. Durch diese Art des Begräbnisses spart man aber viel Platz ein. Die Zierpflanzen am Fuße der Mauer beleben etwas die Eintönigkeit des Betons.

Eine andere Art der Mauergräber sind die nach ihrer Bauweise so genannten tubulares oder Röhren. Man legt entlang dem Friedhofsweg Betonrohre mit der Öffnung zum Weg, eine Schicht über die andere. Sie sind mit Erde eingefaßt und miteinander durch Löcher verbunden; durch ein Rohr am Ende jeder Reihe kann das Gas entweichen. Wenn der Leichnam in der Röhre beigesetzt worden ist, wird die Röhre sofort geschlossen, indem man eine einfache Verkleidung auf ihre Öffnung zementiert. Die Familie mag später eine Gedenktafel darauf anbringen lassen.

Die Bestattungsgesellschaften helfen, Raum auf dem Friedhof zu sparen. In ihren Gebäuden reichen die Gräber in den Wänden an der Außenseite bis zum Dach und innen bis zur Decke. Wir besuchten eines, die Casa Galicia, ein schönes modernes Gebäude. Auf zwei Seiten sind Begräbnismauern aus weißem Marmor, und vorn ist ein offener Patio mit einem Teich sowie Pflanzen, die dort wachsen. Mit Fahrstühlen gelangt man viele Stockwerke unter die Erdoberfläche, wo angeblich für eine halbe Million Tote Platz sein soll, einschließlich derer in der Urnenabteilung.

Doch jetzt ist es Zeit zum Teetrinken; während ich meiner Gastgeberin folge, bemerke ich an einem Gebäude eine ermunternde Inschrift. Sie lautet: „DESPERTAD Y CANTAD LOS QUE YACEN EN EL POLVO PORQUE RÕCIO DE LUZ ES SU ROCIO Y LA TIERRA DEVOLVERA LOS MUERTOS“. Buchstäblich ins Deutsche übersetzt, heißt das: „Wachet auf und singet, die ihr im Staube ruht, denn Tau des Lichtes ist dein Tau, und die Erde wird die Toten herausgeben“. — Siehe Jesaja 26:19.

Zeit zum Teetrinken

Meine Gastgeberin hatte einen kleinen Hügel erstiegen und stellte den Teekorb unter einen alten Ombubaum. Tee bedeutete für sie maté, heiß serviert; man trinkt ihn mit einer bombilla, einem Metallrohr, das an einem Ende mit einem Sieb versehen ist, aus einer Kürbistasse. Dieses Getränk ist erfrischend und ist preiswert. Als sie das Tuch zwischen uns auf dem Boden ausbreitete und kleine Kuchen und andere Sachen auswickelte, bemerkte ich, daß sie nur einen maté und eine bombilla dabeihatte. Erwartete sie etwa von mir, mit dem gleichen Rohr zu trinken, wie das hier Sitte ist?

Da holte sie eine Tasse und eine Untertasse aus dem Korb hervor, als wenn sie meine Gedanken erraten hätte. Vielleicht erkannte sie an meinem Gesichtsausdruck, daß ich darüber froh war. Sie lachte nämlich und sagte: „Ich wußte, daß du lieber Tee trinkst; deshalb habe ich das für dich mitgebracht.“ Ich war ihr von Herzen dankbar, nicht nur wegen des Tees, sondern weil es so kennzeichnend war für die uruguayische Gastfreundschaft. Selbst in den kleinsten Dingen sind sie so aufmerksam. Ich dankte ihr für die köstliche Tasse Tee.

Als sie meine Tasse erneut gefüllt hatte und wir den letzten kleinen Kuchen gegessen hatten, fragte ich: „Stimmt es, daß die Toten des deutschen Schlachtschiffes ‚Graf Spee‘ hier auf dem Nordfriedhof begraben sind?“ Ich erinnerte mich an die Aufregung, die damals im Jahre 1939 geherrscht hatte, als der berühmte „Westentaschenkreuzer“ in diesem Gebiet von drei britischen Kriegsschiffen gestellt worden war. Die Deutschen dachten, die Briten hätten Verstärkung bekommen; deshalb versenkten sie ihr eigenes Schiff, statt es aufbringen zu lassen.

„Ja, das stimmt“, erwiderte meine Freundin und erklärte es mir dann. Die Toten der Graf Spee sind auf einem Stück Land begraben, das von immergrünen Pflanzen umgeben ist. Jedes Grab ist von einem Erdhügel bedeckt, und am Kopfende steht eine einfache Gedenktafel. Die ortsansässigen Deutschen pflegen diese Gräber. Blumen sind nicht erlaubt; aber jedes Grab ist mit immergrünen Rankenpflanzen bewachsen.

Doch jetzt müssen wir gehen. Die Gräber der Toten der Graf Spee werden wir ein anderes Mal besuchen und auch das Krematorium, wo die Toten manchmal erst eine Zeitlang liegen, bis sie an der Reihe sind, so wie die Lebenden draußen auf vieles warten müssen, bis die Reihe an sie kommt.

Die Feuerbestattung ist in Uruguay allgemein üblich. In Montevideo ist sie kostenlos und hat keine besondere Bedeutung. Gewöhnlich wird vor dem Tode eine schriftliche Erklärung verlangt, doch sie ist nicht unerläßlich. Wir haben gesehen, daß die Feuerbestattung einen Sinn hat, denn dadurch entfernt man die Leichname auf praktische Weise und spart außerdem Platz.

Als wir wieder gingen, dachten wir an Jehovas Verheißung, daß er die Toten auferwecken wird, die Toten, die in seinen Augen für diese barmherzige Vorkehrung in Frage kommen. Hunderttausende von Toten, die allein auf diesem Friedhof ruhen, werden auferstehen und so lange leben, wie sie dem, der sie wieder zum Leben bringt, gehorchen! Sie würden bestimmt ebenso gern auf dem Friedhof Tee trinken wie wir. Wie wunderbar ist es doch, am Leben zu sein!

    Deutsche Publikationen (1950-2025)
    Abmelden
    Anmelden
    • Deutsch
    • Teilen
    • Einstellungen
    • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
    • Nutzungsbedingungen
    • Datenschutzerklärung
    • Datenschutzeinstellungen
    • JW.ORG
    • Anmelden
    Teilen