Was es heißt, Krankenschwester zu sein
Ein Bericht, wie er einem Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Awake!“ erzählt wurde
ICH BIN auf Jamaika (Westindische Inseln) geboren und habe meine Laufbahn als Krankenschwester Ende der 1940er Jahre begonnen, als ich noch ein Teenager war. Schon seit vierundzwanzig Jahren bin ich also als Krankenschwester tätig und habe auf Jamaika und auch in den Vereinigten Staaten gearbeitet.
Ich habe Tausende von Patienten gepflegt, die praktisch jedes Leiden und jede Krankheit hatten, die man sich nur vorstellen kann. Ich habe im Operationssaal gearbeitet, habe zerfetzte und verstümmelte Unfallopfer gepflegt, Sterbende getröstet und viele weitere Aufgaben einer Krankenschwester verrichtet. Oft habe ich die traurigen Seiten und die Enttäuschung erlebt, aber auch die schönen Augenblicke und die Freuden, die mit dem Beruf einer Krankenschwester verbunden sind.
Ich bin schon oft gefragt worden: „Warum hast du diesen Beruf erwählt? Ich könnte nie Krankenschwester sein.“ Oder man kann hören, daß gesagt wird: „Man muß zur Krankenschwester geboren sein.“ Aber ist das wirklich so?
Ein schwerer Beruf
Wie bei anderen Berufen sind eine gute Ausbildung und viel Übung erforderlich, um eine gute Krankenschwester sein zu können. Man muß auch Mut haben und den wirklichen Wunsch, seinen Mitmenschen zu helfen. Es ist wichtig, daß man sich seine Gesundheit bewahrt, denn man wird ansteckenden Krankheiten ausgesetzt. Aber eine gute Krankenschwester wird mit ihren Patienten in erster Linie Mitgefühl haben, und sie wird ihr Herz hineinlegen, wenn sie für deren Bedürfnisse sorgt.
Das ist jedoch viel leichter gesagt als getan. Denn eine Krankenschwester muß sich Tag für Tag, Woche für Woche, um leidende oder sogar um sterbende Personen kümmern. Das kann sie gefühllos machen und bewirken, daß sie gegenüber den Bedürfnissen der Patienten gleichgültig wird. Aber das muß nicht geschehen. Es gibt Krankenschwestern, die von der Not ihrer Patienten tief bewegt sind.
Ich kann mich zum Beispiel an eine noch junge Patientin erinnern, die ich vor ein paar Jahren im Carson-Peck-Memorial-Krankenhaus in Brooklyn (New York) betreut habe. Sie war ein reizender Mensch, erst sechsunddreißig Jahre alt. Ungefähr drei Jahre zuvor hatte man ihr eine von Krebs befallene Brust entfernt, und nun hatte sie eine weitere Krebsoperation. Wenn man sie ansah, hätte man nie gedacht, daß sie krank sei. Aber ihr Körper war von Krebs durchsetzt.
Ich hatte wirklich Mitgefühl mit ihr, denn sie hatte einen so starken Willen zu leben. Ich glaube, sie hat nie die Tatsache anerkannt, daß sie im Sterben lag. Jedoch hat sie ihre zweite Operation nur fünf Wochen überlebt. Es war ergreifend, wenn ihr Mann und ihre Mutter zu Besuch kamen, denn sie wußten um ihren Zustand. Es schmerzt mich wirklich tief, wenn ich beobachte, wie ein Patient langsam stirbt, und wenn ich den tiefen Kummer der Verwandten sehe.
Besonders traurig ist es, wenn Patienten das Empfinden haben, daß sie am Leben bleiben, und wenn sie irgendwelche Pläne für die Zukunft machen, aber man selbst weiß, daß alles darauf hindeutet, daß sie sterben werden. Man versucht, seine Gefühle zu verbergen — manchmal muß man das. Ab und zu muß ich dann einfach aus dem Zimmer gehen.
Solche Fälle sind nicht nur traurig, sondern einige sind auch entmutigend. Ich erinnere mich an einen etwa fünfzig Jahre alten Patienten im St.-John’s-Episcopal-Krankenhaus in Brooklyn. Zwei Wochen zuvor hatte er einen schweren Herzanfall erlitten. Aber jetzt machte er wirklich gute Fortschritte. Er war ein großartiger Mensch; er beklagte sich nie, er war immer zur Zusammenarbeit bereit. Jeder auf dem Flur konnte ihn gut leiden.
An diesem besonderen Morgen rasierte und badete ich ihn, und nun saß er in seinem Bett und aß. Er sah wirklich gut aus. Der Arzt kam herein, untersuchte ihn und sagte ihm, er erhole sich gut. Doch dann rief der Patient ganz plötzlich nach mir. Ich ging sogleich zu ihm und fragte ihn: „Was fehlt Ihnen denn?“ Er konnte nur noch flüstern: „Fräulein B.“ Dann fiel er bewußtlos zurück.
All das geschah ohne ein Warnzeichen. In Sekundenschnelle war das Notsauerstoffgerät angeschlossen, um ihn wieder zu beleben. Aber es war erfolglos; er war tot. Ich hatte mich so bemüht, ihn zu pflegen, und ich war sicher, daß er sich erholen würde. Sein Tod ging mir wirklich nahe. Kurz darauf kam seine Frau herein, und ich mußte versuchen, sie zu trösten. Auch das heißt es, Krankenschwester zu sein; manches ist nicht leicht zu ertragen.
Befriedigung und Freuden
Aber auf der anderen Seite kann einen die Krankenpflege wirklich mit Befriedigung erfüllen; sie gibt einem die Möglichkeit, Menschen zu helfen und ihnen ein wenig Trost zuzusprechen: Aus welchem Grund ergreift man diesen Beruf? Der Beweggrund sollte sein, daß man Menschen helfen und erreichen möchte, daß sie sich bei ihrer Krankheit oder wenn sie im Sterben liegen, ein bißchen wohler fühlen. Das ist jedenfalls immer meine Einstellung gewesen.
Krankenpflege bringt auch Augenblicke wirklicher Begeisterung und Freude mit sich, besonders wenn ein Patient vor dem fast sicheren Tode gerettet wird. Ich kann mich an einen Fall erinnern, als ich auf Jamaika gerade begonnen hatte, als Krankenschwester zu arbeiten. Ich arbeitete im Krankenhaus in Montego Bay, und eines Tages wurde ein Schneider aus der Stadt schwer verletzt. Anscheinend war eine Tür zugeschlagen und hatte eine lange Nähnadel, die er in sein Oberhemd gesteckt hatte, tief in seine Brust getrieben.
Als er ins Krankenhaus gebracht wurde, rang er bereits nach Luft. Schnell wurden Röntgenaufnahmen gemacht. Sie zeigten, daß die Nadelspitze tatsächlich sein Herz berührte, aber sie ging nicht hindurch. Sofort wurde mit der Operation begonnen. Über dem Herzen wurde ein Einschnitt gemacht, und ich konnte tatsächlich das bloßgelegte Herz sehen. Die Nadel wurde herausgenommen, und der Mann lebte! Es war für mich wirklich begeisternd, zu dem Operationsteam zu gehören, das ihm das Leben rettete! Seither konnte ich schon mehrmals diese Freude erleben.
Bei einer anderen Gelegenheit arbeitete ich im Operationssaal des gleichen Krankenhauses. Zwei Jungen, beide ungefähr zehn Jahre alt, waren gerade auf dem Schulweg, als sie von einem Lastwagen angefahren wurden, der sie gegen einen Erdwall preßte. Einem der Jungen war die Brusthöhle aufgerissen worden, und sein Herz und seine Lunge lagen frei; dem anderen Kind war das Bein schwer beschädigt worden.
Ich wartete schon im Operationssaal, als sie mit dem Krankenwagen eingeliefert wurden. Sobald sie eintrafen, begann ich, ihnen die Kleider von den Wunden zu schneiden. Es war schrecklich, das bloßgelegte Herz des einen Jungen schlagen zu sehen! Ich konnte gar nicht begreifen, wie er noch leben konnte. Aber die Ärzte fingen schnell mit der Operation an, die sich über viele Stunden erstreckte. Sie säuberten die Brusthöhle, vernähten die inneren Risse, füllten die ganze Brusthöhle mit Antibiotika und verschlossen die riesige Wunde. Ich habe diesen Jungen monatelang gepflegt. Und er hat sich tatsächlich vollständig erholt!
Dankbarkeit der Patienten
Es ist bestimmt eine Ermutigung, wenn Patienten, die man gesund gepflegt hat, zu einem sagen: „Sie haben mir das Leben gerettet. Ich möchte Ihnen ganz herzlich danken!“ Im Laufe der Jahre haben das viele zu mir gesagt. Und das macht die Krankenpflege trotz all der damit verbundenen Schwierigkeiten lohnenswert.
Viele frühere Patienten stehen immer noch mit mir in Verbindung. Eine jüdische Dame zum Beispiel versäumt es nie, mir zu schreiben, wenn sie in Urlaub fährt. Sie war wirklich ein schwieriger Patient. Innerhalb von zwei Wochen hatte sie achtzehn verschiedene Krankenschwestern! Niemand außer mir blieb bei ihr. Ich finde, daß man im Umgang mit Patienten bestimmt, aber freundlich sein sollte, und gewöhnlich gehen sie darauf ein.
Ich habe wirklich Mitgefühl mit meinen Patienten. Deshalb pflege ich auch so gern Kranke; ich kann sie dann fühlen lassen, daß das Leben wirklich lebenswert ist. Natürlich bringt nicht jeder Dankbarkeit zum Ausdruck. Aber ich weiß, daß Menschen Rücksichtnahme und Freundlichkeit schätzen, besonders wenn sie krank sind.
Meine Mutter erzählte mir einmal, daß sie während einer Busfahrt auf Jamaika zufällig hörte, wie sich zwei Frauen über eine Krankenschwester unterhielten. Sie sprachen davon, wie nett sie zu ihnen gewesen sei, als sie im Krankenhaus gelegen hätten, und was sie alles für sie getan hätte. Und dann erwähnte eine von ihnen den Namen der Krankenschwester — meinen Namen. Meine Mutter war so überrascht, daß sie sich umdrehte und sagte: „Das ist meine Tochter!“
Mein Entschluß, Krankenschwester zu werden
Ich bekam auf ganz ungewöhnliche Weise Interesse an der Krankenpflege. Als ich einmal meinen Urlaub in Montego Bay verbrachte, ging ich mit einer Freundin in das Krankenhaus, um ein Mädchen zu besuchen, das sich gerade von einer Blinddarmoperation erholte. Das Krankenhaus lag in einer wunderschönen Umgebung, und man konnte von dort aus die ganze Bucht überschauen. Ich sagte dem Mädchen, wenn ich jemals operiert werden sollte, dann würde ich gern in dieses Krankenhaus kommen und das gleiche Bett haben wollen wie sie.
Nun, das war an einem Sonntag. Am darauffolgenden Sonnabend war ich dort ein dringender Fall. Und ich bekam das gleiche Bett in dem gleichen Raum, und der gleiche Chirurg hat mich wegen der gleichen Sache operiert — mein Wurmfortsatz mußte entfernt werden.
Während ich dort lag und mich erholte, kam mir zum erstenmal der Gedanke, daß es ein interessanter Beruf wäre, Krankenschwester zu sein. Ich dachte mir: „Ich weiß über die Anatomie meines Körpers so gut wie gar nichts.“ Ich wollte gern mehr darüber erfahren, wie der Körper funktioniert, und so entschloß ich mich, Krankenschwester zu werden.
Die Ausbildung einer Krankenschwester
Gleich nachdem ich die Abschlußprüfung an einer höheren Schule bestanden hatte, bewarb ich mich darum, als Krankenschwester ausgebildet zu werden. Wir konnten uns aussuchen, wo wir ausgebildet werden wollten, und so wählte ich das schöne Krankenhaus in Montego Bay; dort wurde ich auch angenommen.
Unsere Ausbildung bestand hauptsächlich in der praktischen Übung. Wir fingen schon in der ersten Woche nach unserer Ankunft an, im Krankenhaus zu arbeiten. Wir wurden Lernschwestern genannt. Um uns von den regulären Krankenschwestern zu unterscheiden, die ganz in Weiß gekleidet waren, trugen wir eine blaue Tracht, eine weiße Schürze und schwarze Strümpfe.
Die Arbeit im Krankenhaus begann morgens um 6 Uhr, und wir arbeiteten bis 18 Uhr abends. Während des Tages hatten wir etwas Freizeit. Abends studierten wir Krankenpflege. Aber mit Ausnahme von zwei oder drei Stunden Unterricht war der ganze Tag der eigentlichen Krankenpflege gewidmet.
Erfahrene Krankenschwestern lehrten uns, Patienten zu baden, ihnen Klistiere und Spritzen zu geben, die Kleider zu wechseln, den Blutdruck zu messen usw.; und unter ihren wachsamen Augen taten wir das dann alles selbst Wir lernten sogar Dinge zu tun, die in den Vereinigten Staaten nur Ärzte tun dürfen. Wenn zum Beispiel jemand Schnittwunden am Arm oder am Bein hatte, riefen wir nicht einen Arzt, damit er sich darum kümmere, sondern gewöhnlich vernähten wir die Wunde selbst. Nur wenn es sich dabei um eine Kopfwunde handelte oder wenn es eine sehr große Wunde war, war ein Arzt nötig.
Heute jedoch lernen Mädchen, die sich als Krankenschwester ausbilden lassen, die Krankenpflege hauptsächlich aus Büchern; sie lernen die Theorie, haben aber oft sehr wenig Praxis. Ich habe einige ausgebildete Krankenschwestern kennengelernt, die nicht einmal wußten, wie sie eine Spritze geben mußten. Eine an einem College ausgebildete Krankenschwester war zwar in der Lage, alle Einzelheiten über acht verschiedene Klistiere aufzusagen, gab aber zu, daß sie tatsächlich noch nicht ein einziges Klistier gegeben hatte!
Erprobungen und schwierige Situationen
Es ist ein großer Unterschied, ob man in einem Buch etwas über Krankenpflege liest oder ob man sie wirklich ausübt. Ich werde nie vergessen, wie mir eine Krankenschwester in der zweiten Woche meiner Ausbildung sagte, ich sollte einer Frau, die gerade gestorben war, das Gebiß wieder einsetzen. Ich dachte, ich würde sterben. Ich fing an zu weinen. Aber die Krankenschwester ließ es mich tun.
Es war auch gräßlich, als wir zum erstenmal einer Leichenöffnung zusahen. In dieser Nacht waren wir alle krank. Ich konnte nichts essen und nicht schlafen. Das Bild der inneren Organe, die der Arzt hochgehalten hatte, damit wir sie identifizierten, war in unserem Sinn noch zu lebendig! Aber es war mein Wunsch gewesen, etwas über die Anatomie zu lernen, und ich muß sagen, das habe ich auch.
In meinem zweiten Lehrjahr wurde ich an das Städtische Krankenhaus in Kingston, der Hauptstadt, versetzt. Ich arbeitete dort auf einer Station für Patienten mit tropischen Krankheiten und versorgte hauptsächlich Patienten, die Typhus hatten. Das dritte und letzte Jahr unserer Ausbildung ging schnell vorbei. Unsere Anerkennung als berufsmäßige Krankenschwestern hing davon ab, ob wir das Schlußexamen bestehen würden. Bei einer Prüfung mußten wir vor einer Kommission von Ärzten sitzen und irgendwelche Fragen beantworten, die sie uns stellen würden. In der praktischen Prüfung mußte ich Urin nach seinem Zuckergehalt untersuchen, und die Ärzte sahen mir dabei zu. Ich war schrecklich nervös, und meine Hände zitterten, aber ich habe bestanden. Ich war nun eine anerkannte Krankenschwester.
Ausbildung als Geburtshelferin
Bevor ich jedoch meine Arbeit als anerkannte Krankenschwester begann, nahm ich an einem sechsmonatigen Kursus über Geburtshilfe im Victoria-Jubilee-Krankenhaus in Kingston teil. Wir mußten bei mindestens vierzig Entbindungen Hilfe leisten und ein strenges Examen bestehen, bevor wir als Geburtshelferinnen anerkannt wurden.
Ich werde die erste Entbindung nie vergessen. Es war schrecklich! Ich dachte, ich würde lebendigen Zwillingen helfen, das Licht der Welt zu erblicken, aber sie waren mazeriert (in Auflösung begriffen). Sie kamen tot in meine Hände. Ich war zu Tode erschrocken!
In unserer Ausbildung brachte man uns bei, mit allen Arten von anomalen Geburten fertig zu werden. Statt mit dem Kopf zuerst geboren zu werden, wie es normal ist, kommt ein Baby manchmal mit den Füßen zuerst, mit der Hand zuerst oder in irgendeiner anderen Lage. Wir lernten, wie man diese Babys zur Welt bringt, und ich habe seitdem viele Frauen erfolgreich und ohne Komplikationen entbunden. Manchmal wickelt sich auch die Nabelschnur um den Hals des Babys, und man brachte uns bei, was in einem solchen Fall zu tun ist.
Insbesondere lernten wir jedoch, wie man das Kind bei der Geburt so manövriert, daß die Mutter nicht aufreißt. Viele Ärzte haben es sich zur Gewohnheit gemacht, einen Einschnitt in den Körper der Mutter zu machen, um das Kind zur Welt zu bringen, und danach den Einschnitt wieder zuzunähen. Sie führen diese Operation, Episiotomie oder Scheidendammschnitt genannt, durch, weil das leichter ist. Aber eine geübte Geburtshelferin kann in fast allen Fällen ein Baby zur Welt bringen, ohne diesen Einschnitt zur Erweiterung der Öffnung der Mutter vorzunehmen. Ich habe Hunderten von Kindern geholfen, das Licht der Welt zu erblicken, und ich kann an einer Hand abzählen, wie viele Episiotomien ich vornehmen mußte.
Einige Jahre lang arbeitete ich auf Jamaika und diente dabei als Geburtshelferin, bildete Schwesternschülerinnen aus und verrichtete andere Arbeiten im Krankenhaus. Im Jahre 1958 kam ich dann nach New York.
Mangel an Vorsicht und Sorgfalt
Bis vor drei Jahren, als ich anfing, klinische Arbeiten zu verrichten, war ich in Brooklyner Krankenhäusern direkt am Krankenbett tätig. Es ist wahr, jeder kann einmal einen Fehler machen, aber manchmal war ich entsetzt über den Mangel an Vorsicht und Sorgfalt bei Ärzten und auch bei Krankenschwestern. Ich kenne eine Anzahl Fälle, bei denen man Patienten, die operiert worden waren, Instrumente oder Tücher im Leib gelassen hatte.
Da war zum Beispiel eine Patientin in Brooklyn, die ich vor fünf oder sechs Jahren betreute. Als sie nach einer Unterleibsoperation aus dem Krankenhaus nach Hause zurückgekehrt war, beklagte sie sich über heftige Schmerzen. Ihr Ehemann wurde ärgerlich über sie und sagte ihr, es sei alles in Ordnung, doch sie hörte nicht auf zu klagen. So wurde sie in das Krankenhaus zurückgebracht und geröntgt. In ihr steckte noch die Pinzette des Arztes!
Ich habe den Eindruck, daß manche Ärzte wirklich leichtsinnig oder unachtsam sind. Zum Beispiel wird von ihnen erwartet, daß sie an einem Patienten vor einer Operation eine Anzahl Tests durchführen, dazu gehören ein EKG, um das Herz zu testen, Röntgenaufnahmen usw. Aber ich kenne Fälle, in denen man dies unterlassen hat, was schwerwiegende Konsequenzen nach sich zog.
Eine Patientin, die ich in einem Krankenhaus in Brooklyn betreute, war gestürzt und hatte sich den Ellbogen gebrochen. Das war alles. Man brachte sie in den Operationssaal, um ihn wieder einzurichten. Nachdem sie eine Narkose erhalten hatte, erlitt sie einen Herzstillstand, und sie mußte auf der Stelle am offenen Herzen operiert werden. Einige Tage darauf starb sie, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Aber wenn man die Tests vorgenommen hätte, hätte man den Zustand ihres Herzens gekannt und hätte Vorsichtsmaßnahmen ergreifen können.
So etwas geschieht öfter, als man denken mag. Ich weiß es, weil ich es erlebt habe, und auch Bekannte von mir haben es erlebt, die hier in New York in Krankenhäusern arbeiten. Es ist traurig zu sagen, aber viele Krankenschwestern und Ärzte scheinen heutzutage einfach nicht am Wohl des Patienten interessiert zu sein. Sie sind vielmehr hauptsächlich an dem Geld interessiert, das sie verdienen können — an ihrem Gehalt.
Oft ist es vorgekommen, daß ich Krankenschwestern, die ich ablöste, darauf aufmerksam machen mußte, in welchem Zustand sie einen Patienten zurückgelassen hatten. Der Patient lag nicht bequem, die Schwester hatte die Bettwäsche nicht gewechselt, hatte ihn nicht aufstehen lassen, damit er ein wenig Gymnastik mache, hatte ihn nicht gebadet usw. Sie hatte nur sein Gesicht mit einem feuchten Tuch abgewischt — das war alles. Und das ist bestimmt nicht die richtige Art, einen Kranken zu pflegen.
In den letzten Jahren hat es mir im Herzen weh getan, wenn ich die Nachlässigkeit einiger Krankenschwestern gesehen habe, die nach meiner Überzeugung zum Tod von Patienten beigetragen hat, die sonst vielleicht noch leben würden. Ich habe Patienten beobachtet, die immer wieder ihre Klingel betätigten, weil es ihnen nicht gutging. Aber die Schwestern saßen nur an ihrem Tisch und reagierten nicht darauf. Sie alle schienen nur am Rauchen und an ihrem eigenen Wohl interessiert zu sein.
Ich weiß natürlich, daß dies nicht auf alle Krankenhäuser zutrifft. Auch verhalten sich nicht alle Krankenschwestern oder Ärzte so. Ja, ich glaube sogar, daß die meisten von ihnen nicht so sind. Aber es ist ganz deutlich der Trend zu beobachten, daß sie mehr an sich selbst als am Patienten interessiert sind, und ich habe gehört, wie auch andere Ärzte und Krankenschwestern ihr Mißfallen darüber äußerten.
Abtreibung und Bluttransfusionen
Ich glaube, daß das Massentöten ungeborener Kinder in den Krankenhäusern von New York nur ein weiteres Beispiel für den Verfall ist, der heute vor sich geht. Was dort geschieht, ist so abscheulich, daß einige städtische Krankenhäuser Schwierigkeiten haben, Krankenschwestern zu bekommen, die in ihren Abtreibungskliniken arbeiten.
Das neue Abtreibungsgesetz des Staates New York gestattet eine Abtreibung bis vierundzwanzig Wochen nach der Empfängnis, und zu dieser Zeit ist der Fetus schon deutlich als menschliches Wesen mit unterscheidbaren Merkmalen zu erkennen. Einige abgetriebene Fetusse sind sogar am Leben geblieben! Aber man hat den Krankenschwestern beigebracht, andere sterben zu lassen. Eine anerkannte Krankenschwester schrieb in dieser Hinsicht etwas sehr Interessantes in einer Zeitschrift für Krankenschwestern. Sie sagte:
„Von moralischen Erwägungen abgesehen, wird gegenwärtig ein ungeborenes Kind vom Gesetz als Person betrachtet: Es hat das Recht auf Erbschaft, auf ein Gerichtsverfahren für Schäden, die es vor der Geburt erleidet, ... deshalb hat eine Frau nicht mehr Recht, ihr ungeborenes Kind zu töten, als es nach der Geburt brutal zu schlagen, zu mißhandeln oder zu töten“ (American Journal of Nursing, Dezember 1970).
In die Klinik, in der ich arbeite, kommen jede Woche Dutzende von Mädchen, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Einige ließen sogar innerhalb weniger Monate zwei Abtreibungen vornehmen. Ich glaube, hier trifft die Ärzte die Hauptschuld, denn sie könnten diese Mädchen abweisen. Aber es ist ein blühendes Geschäft, und ich glaube, daß diese Ärzte hauptsächlich am Geld interessiert sind. Ich persönlich will nichts mit Abtreibungen zu tun haben, nicht einmal mit den schriftlichen Arbeiten, die damit zusammenhängen. Mein Gewissen erlaubt mir das nicht.
Einen ähnlichen Standpunkt vertrete ich in Verbindung mit Bluttransfusionen. Ich habe Patienten gesehen, die durch das empfangene Blut an Hepatitis erkrankt sind. Einige erholen sich nie davon. Manche Patienten sterben auch an einer Überdosis Blut in ihrem Kreislauf und an den Abwehrreaktionen des Körpers gegen die Transfusion. Daher weiß ich, daß Bluttransfusionen zum Tode führen können, statt Menschenleben zu retten. Ich kenne einige Ärzte, die anfangen, Blut immer weniger zu verwenden. Ich glaube wirklich, daß es zur geistigen und buchstäblichen Gesundheit beiträgt, wenn man dem Gebot Gottes gehorcht, sich ‘des Blutes zu enthalten’. — Apg. 15:28, 29.
Was ich durch die Krankenpflege schätzenlernte
Ich habe durch die Krankenpflege viel gelernt. Sie hat mir geholfen, schätzenzulernen, wie wunderbar der Körper gestaltet ist. Er ist wirklich das Meisterwerk eines großartigen Schöpfers. Bald nachdem ich meine Laufbahn als Krankenschwester begonnen hatte, geschah etwas, was mich tatsächlich veranlaßte, darüber nachzudenken.
Eines Nachts arbeitete ich auf Jamaika im Operationssaal, als ein kleines Mädchen von seinen erschrockenen Eltern eilig dorthin gebracht wurde. Es hatte ein englisches Halbpennystück verschluckt, das in seinem Kehlkopf steckengeblieben war. Röntgenaufnahmen zeigten, daß sich um die Münze Schleim bildete, und da sie nicht durch den Mund herausgeholt werden konnte, war eine sofortige Operation notwendig. Aber als wir gerade anfangen wollten, fiel der Strom aus. So hielt ich eine Taschenlampe, und der Arzt begann mit dieser sehr schwierigen Operation.
Während ich zusah, mußte ich einfach staunen. Ich kann mich erinnern, wie ich damals dachte: „Sieh dir einmal diese Finger an. Wie geschickt sie sind! Sollten wir nicht wirklich gottesfürchtig sein?“ Mit Hilfe der geschickten Finger des Arztes, die er von Gott erhalten hatte, wurde dieses kleine Mädchen gerettet.
Aber häufig können weder Ärzte noch Krankenschwestern verhindern, daß ein Patient stirbt. Ich habe oft dieses Gefühl der Hilflosigkeit erlebt, wenn der Tod ein weiteres Opfer forderte. Oft habe ich mich gefragt: „Warum müssen die Menschen leiden und sterben? Ist es wirklich Gottes Wille, daß Menschen auf diese Weise sterben?“
Ich bin wirklich glücklich, daß ich bewogen wurde, nach der Antwort zu forschen, und daß mir geholfen wurde, Gottes großartiges Vorhaben kennenzulernen, das darin besteht, ein neues System der Dinge aufzurichten, wo der „Tod ... nicht mehr sein, noch ... Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein“ wird. (Offb. 21:3, 4) Als Krankenschwester sehne ich mich besonders nach der Erfüllung dieser Verheißung.