Die Religion verliert im „Bibelgürtel“ an Boden
ÜBER zwei Jahrhunderte lang ist der Süden der Vereinigten Staaten ein Bollwerk des religiösen Denkens der konservativen Protestanten gewesen. Baptisten, Methodisten und andere „fundamentalistische“ Religionsgemeinschaften waren in diesem Gebiet so vorherrschend, daß man es als den „Bibelgürtel“ bezeichnet hat.
Nun aber zerbröckelt die früher so feste Front, die die Kirchen der Südstaaten bildeten. Im Jahre 1971 hatten von diesen größeren Religionsgemeinschaften im Süden nur die Baptisten einen Zuwachs zu verzeichnen. Dabei handelte es sich um einen nominellen Zuwachs von 1,2 Prozent, nur ein zehntel Prozent mehr als die Wachstumsrate der Bevölkerung. Die Zunahme im Jahre 1972 war etwas beachtlicher.
Jedoch haben die Kirchen im Süden der USA nicht nur mit Problemen hinsichtlich der Zahl der Mitglieder zu kämpfen. Ein früherer Präsident der Southern Baptist Convention sagte vor einer Evangelistenkonferenz: „Eine Flut des Heidentums, des Hedonismus und des Atheismus bedroht ... die Kirche.“ Nach der in Austin (Texas) erscheinenden Zeitung Statesman sagte er: „Zu einer Zeit, in der die Kirche vor ihrer größten Erprobung steht, ist sie am kraftlosesten und am kränklichsten. ... Wir sehen, wie die Kirche [der Baptisten] vor unseren Augen stirbt.“
Beobachter anderer Konfessionen äußern sich ähnlich. Einige glauben, es sei wahrscheinlich unmöglich, die „sterbende“ Kirche wiederzubeleben. Geistliche sind bedrückt wegen des schwindenden Einflusses der Religion im Süden des Landes. Ken Forshee, Pastor der Highland Hills Christian Church in Oklahoma City, kam, nachdem er Unterredungen mit Geistlichen von fünfundzwanzig Kirchen jener Gegend gehabt hatte, zu folgendem Schluß:
„Auf jeden Mann, von dem ich sagen kann, daß er in seinem Dienst Befriedigung empfindet, kommen drei andere, die aus dem geistlichen Amt ausscheiden würden, wenn sie irgendeine Vorstellung hätten, was sie tun könnten. Dies ist eines der kritischsten Probleme der heutigen Kirche.“
Rex Vaughan, ein Amtskollege von Forshee, spricht von „einer sehr großen Verzweiflung unter den Geistlichen und auch unter den Laien — einem Mangel an konkreten Vorstellungen und Mitteln“.
Doch warum dieser Mangel an „konkreten Vorstellungen“, dieses Fehlen der „Befriedigung“ und dieses Gefühl der „Verzweiflung“ in einem Gebiet, das als das Kernland der fundamentalistischen Religion in den USA betrachtet wurde? Weil es einige kritische Streitfragen gibt, mit denen sich besonders die Kirchen im Süden der USA, im „Bibelgürtel“, auseinandersetzen müssen. Zum Beispiel gibt es die Veränderungen in Verbindung mit der Aufhebung der Rassenschranken. Um die Auswirkung dieser Maßnahme verstehen zu können, muß man kurz eine Rückschau auf die Geschichte des Südens der USA halten.