Stechmücken — Plagegeister der Nacht
DIE Schatten werden allmählich länger, und schließlich senkt sich die Dunkelheit herab. Du gehst früh zu Bett, in der Hoffnung, ungestört schlafen zu können. Aber plötzlich wird die Stille der lauen Sommernacht von einem vertrauten Surren unterbrochen. Ein ungebetener Gast macht dein Schlafzimmer unsicher. Gespannt, beunruhigt und das Schlimmste befürchtend, wartest du. Da du nichts spürst, glaubst du, die Gefahr sei vorüber. Zu spät merkst du, daß du doch das arme Opfer geworden bist. Unaufhörliches Jucken verrät, daß dich eine Mücke, einer dieser „Plagegeister der Nacht“, gestochen hat.
Du nimmst dir vor, während des Sommers Gazefenster einzusetzen. Vielleicht streichst du auch Arme und Beine mit einem Öl ein oder besprühst sie, um diese Plagegeister abzuwehren. Natürlich bist du nicht der erste, der sich gegen sie zur Wehr setzt. Die Ägypter sollen das schon vor 3 000 Jahren mit Hilfe von schwelenden Feuern und Moskitonetzen versucht haben.
Doch der beste Schutz wird wohl darin bestehen, diesen Gegner gut zu kennen. Was weiß man z. B. über den Körperbau und das Wachstum der Stechmücken? Warum stechen sie die Menschen? Dienen diese Insekten einem nützlichen Zweck?
Vom Ei zum fertig entwickelten Geschlechtstier
Die Stechmücken gehören zu der Insektenordnung der Zweiflügler. Es gibt davon über 2 500 Arten, und sie sind über die ganze Welt verbreitet. Einige brüten in stehenden Gewässern der Tropen, andere in Gewässern des hohen Nordens.
Die Stechmücken machen vier Entwicklungsphasen durch: Ei, Larve, Puppe und fertiges Insekt. Das Mückenweibchen legt mit Hilfe der Legeröhre im Hinterleib 100 bis 300 Eier auf einmal. Bei bestimmten Arten bilden die Eier sozusagen ein Floß, denn sie werden von einem klebrigen Stoff, den das Weibchen absondert, zusammengehalten. Manche legen ihre Eier in brackigen Tümpeln ab, andere in einem kleinen Wasserloch eines Grabens oder im ausgefaulten Loch eines großen Baumes. Nach zwei oder drei Tagen schlüpfen die Larven aus. Doch gibt es auch Arten, die ihre Eier in einem ausgetrockneten Teich ablegen. Ihre Larven schlüpfen erst, wenn die Eier dreimal mit Wasser bedeckt gewesen sind. Wäre dem nicht so, so würden die Larven vielleicht schlüpfen, nachdem es einmal kurz geregnet hätte, gingen dann aber ein, wenn der Teich wieder austrocknen würde. Eine andere Stechmückenart legt ihre Eier in den Schlamm, der von einer Überschwemmung herrührt. Und bei dieser Art schlüpfen die Larven erst, wenn der Boden wieder überschwemmt wird, was Jahre danach sein kann.
Die Mückenlarven sehen aus wie kleine Würmchen. Rings um die Mundöffnung stehen winzige Härchen, die der Mundöffnung Nahrung zuführen — winzige Pflanzen, einzellige Tiere, Protozoen genannt, aber auch andere Larven. Gewisse Arten von Stechmückenlarven verfügen über ein kleines Atemrohr, mit dem sie an der Wasseroberfläche hängen. Bei einer Art, die in Sumpfgebieten lebt, ist die Atemröhre zugespitzt, und die Larve stößt sie in einen Schachtelhalm- oder Riedgrasstengel oder in den Stengel einer anderen Pflanze, um zu Sauerstoff zu kommen. Viele Stechmückenlarven häuten sich in 4 bis 10 Tagen viermal.
Noch innerhalb der letzten Larvenhaut erfolgt die Verpuppung. Die Puppe atmet mit Hilfe zweier Luftröhren, der „Atemhörner“, mit denen ihr Kopfbruststück an der Wasseroberfläche aufgehängt ist. Bei gewissen Arten dienen diese Röhren dazu, Sauerstoff von Wasserpflanzen aufzunehmen. Die Puppen fressen nichts und machen in wenigen Tagen große Veränderungen durch.
Aus der Puppenhülle arbeitet sich schließlich eine erwachsene Mücke heraus. Sobald ihre Flügel trocken geworden sind, fliegt sie davon. Das Mückenmännchen lebt nur 10 bis 20 Tage, das Mückenweibchen dagegen einen Monat oder länger. Natürlich ist die Lebenserwartung je nach Art verschieden. Ein Teil der Mückenweibchen überwintert an Orten wie Garagen oder Scheunen.
Auf Freiersfüßen
Das Mückenmännchen würdigt in den ersten beiden Tagen, nachdem es aus der Puppe geschlüpft ist, die Weibchen keines Blickes. So lange dauert es, bis die winzigen Härchen an seinen Fühlern trocken sind und ihm das Hören ermöglichen. Aber dann braucht eine „junge Dame“ nur vorbeizufliegen! Das Surren ihrer Flügel wird von seinen Fühlern aufgenommen, und entsprechende Signale werden an das Gehirn weitergeleitet. In der Mückensprache muß das heißen: „Das ist ein weibliches Wesen!“ Flink packt das Mückenmännchen das Weibchen und begattet es.
Eine auf Neuseeland heimische Stechmücke (Opifex) kann die Paarung kaum erwarten. Die Männchen fliegen unaufhörlich über die Brutplätze und warten darauf, daß eine Puppe an die Wasseroberfläche kommt. Das Männchen paart sich dann mit dem Weibchen, noch bevor es diesem gelungen ist, sich ganz aus der aufgeplatzten Puppenhülle herauszuarbeiten.
Körperbau
Der Körper der Stechmücke setzt sich aus den drei Hauptabschnitten zusammen: Kopf, Brust und Hinterleib. Der Kopf trägt zwei Facettenaugen, die sich aus Tausenden von voll funktionierenden Einzelaugen zusammensetzen. Zwischen den Augen sind zwei Fühler, mit deren Hilfe das Insekt hört und riecht.
Das Gefährliche an der Stechmücke ist der röhrenförmige Mund. Am Kopf ist er weit, verengt sich dann aber zu einem röhrenförmigen Rüssel. Übrigens können die Stechmückenmännchen nicht stechen. Dem männlichen Geschlecht dieser Familie fehlt das für solche Quälereien nötige Werkzeug. Doch mehr darüber später.
Kopf und Brust sind durch einen kurzen Hals miteinander verbunden. An der Brust des Insekts sitzen drei Beinpaare sowie ein Paar Flügel, auf deren Flächen man deutlich die kräftigen, röhrenförmigen Adern sieht. Die Flügelränder und die Flügelteile auf den Adern sind mit feinen, manchmal schön gefärbten Schuppen besetzt. Das „Singen“, das man vernimmt, wenn sich eine Mücke nähert, wird durch die Schwingungen der Flügel hervorgebracht. Ein Paar kurze, kolbenförmige Gebilde, Schwingkölbchen (Halteren) genannt, dienen als Organe zur Erhaltung des Gleichgewichts. Während des Fluges schwingen sie mit derselben Geschwindigkeit wie die Flügel. Auch kann die Stechmücke durch das Erzeugen harmonischer Schwingungen in der Luft und in der Brust „mehr Flügelschläge ausführen als durch die alleinige Tätigkeit ihrer Nerven oder Muskeln“.
Im langen, röhrenförmigen Hinterleib der Mücke liegen Magen und Eingeweide. Das Insekt atmet durch Röhren, Tracheen genannt. Die Öffnungen dieser Röhren, 8 Paar am Hinterleib und 2 Paar an der Brust, heißen Stigmen.
Der Leib der Stechmücke ist von einer elastischen Hülle umgeben. Diese Plagegeister können verschieden gefärbt sein. Meistens sind sie jedoch schwarz, braun, gelb oder grau; manche sind auch grün oder blau. Auf dem Rücken, den Flügeln oder den Beinen sind viele Arten mit dunkleren oder helleren Flecken geschmückt. Wahrscheinlich wirst du jedoch kein Auge dafür haben, wenn dich einer dieser Plagegeister sticht.
Sind alle Stechmücken Krankheitsüberträger?
Da die meisten Leute wissen, daß diese Insekten verschiedene Krankheiten übertragen, ist diese Frage berechtigt. Als einmal in New Orleans (Louisiana, USA) eine Gelbfieberepidemie ausbrach, entdeckte man schließlich, daß der „Schuldige“ eine Stechmückenart war, die ihre Eier in Blumenvasen ablegte. Diese Insekten benutzten sogar die Blumenvasen, die man auf die Gräber der Gelbfieberopfer gestellt hatte, zur Eiablage.
Im Jahre 1878 entdeckte man, daß die Stechmücke Culex quinquefasciatus die als Filariose bekannte Krankheit überträgt. Bei dieser Krankheit entstehen Lymphstauungen und Verdickungen der Glieder; manchmal kommt es auch zu der Krankheit, Elefantiasis genannt. Nach weiteren neun Jahren fand man heraus, daß bestimmte Anopheles-Arten Malariaüberträger sind. Um das Jahr 1900 wußte man, daß das Gelbfieber von der Aedes aegypti übertragen wird.
Bestimmte Stechmücken übertragen über ein Dutzend Krankheiten des Menschen. Dennoch ist die Zahl der Arten, die Krankheiten übertragen, eigentlich sehr gering. Man braucht sich also nicht unbedingt Sorgen zu machen, wenn man von einem solchen Insekt gestochen wird. Doch mag man sich fragen, warum diese Tiere den Menschen überhaupt stechen, ja man mag sich fragen:
Warum bin gerade ich so attraktiv?
Forscher sind zu der Überzeugung gekommen, daß die Stechmücken unter anderem von der Körperwärme und der Hautfeuchtigkeit angelockt werden. Vielleicht werden sie auch von der Milchsäure im Schweiß und Atem einer Person sowie von dem Kohlendioxyd, das Mensch und Tier ausatmen, angezogen, ja möglicherweise sogar von Aminosäuren und Hormonen in den menschlichen Körperflüssigkeiten. Dagegen kann man natürlich nichts unternehmen, es sei denn, man hört auf zu atmen.
Die Frauen können sich damit trösten, daß Stechmückenweibchen die Männer meist attraktiver finden als die Frauen. Sie suchen sich gewöhnlich aus einer Gruppe die Person aus, die ihnen am „anziehendsten“ erscheint. Du magst daher nicht gestochen werden, während dein Begleiter von diesen Tieren fast „gefressen“ wird. Ob jemand für die Mücken anziehend ist oder nicht, hängt natürlich weder mit Schönheit noch mit einer guten Erscheinung zusammen. Übrigens, wer wäre denn enttäuscht, weil er bei Stechmücken keinen Anklang findet?
Wie „Madame“ Mücke sticht
Da du sicherlich schon von einer Mücke gestochen worden bist, hast du auch ein Recht darauf, zu erfahren, wie das vor sich geht. Das Mückenweibchen vollbringt dieses Werk mit Hilfe seines Stechrüssels. Dieser besteht aus Stechborsten, spitzen Stiletten, die aneinandergelegt ein Rohr formen. Wenn die Stechborsten nicht gebraucht werden, liegt die Unterlippe darauf, die jedoch prompt weicht, wenn die Mücke sich auf dir, ihrem Opfer, niederläßt. Sie stößt dir die stilettartigen Stechborsten in die Haut, ohne daß du etwas von der Wunde merkst — es sei denn, „Madame“ habe eine besonders empfindliche Stelle getroffen —, denn sie verabreicht dir gleichzeitig eine schnellwirkende Betäubungsspritze.
Nachdem sie die Stechborsten in deine Haut getrieben hat, preßt sie Speichel in die Wunde. Dieser verdünnt dein Blut und verhindert, daß es gerinnt. So kann sie durch eine Rille in der Oberlippe Blut aufsaugen, wie der Mensch Fruchtsaft mit Hilfe eines Strohhalms schlürft. Nachdem „Madame“ genug getrunken hat, zieht sie die „Nadel“ heraus und fliegt zufrieden weg. Sie hat sich so mit Blut vollgepumpt, daß sie jetzt drei- bis viermal so schwer ist wie vorher. Und du hast unabsichtlich zur Vermehrung des Mückenvolkes beigetragen, denn damit sich die Eier im Leib des Mückenweibchens völlig entwickeln können, benötigt es dein Blut.
Da nur die Mückenweibchen Menschen und Tiere stechen, bist du den Männchen vielleicht besser gesinnt. Das Mückenmännchen ernährt sich von Pflanzensäften. Eigentlich sind Pflanzensäfte auch die Hauptnahrung der Mückenweibchen, aber du fragst dich vielleicht, nachdem du gestochen worden bist und jetzt eine juckende Quaddel auf der Haut hast, ob dem auch wirklich so sei.
Die Bekämpfung
Um die Plagegeister der Nacht abzuwehren, schlafen die Leute in den Tropen vielfach unter einem Moskitonetz. Man ergreift auch verschiedene andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheiten, die von Mücken übertragen werden. Die Gelbfieberschutzimpfung dient als Vorbeugungsmaßnahme gegen das Gelbfieber. Die Malaria wird unter anderem mit Insektiziden bekämpft, durch Trockenlegung von Sümpfen und indem die Wasseroberfläche der Brutplätze mit insektiziden Schwimmpulvern oder öligen Substanzen beschichtet wird. Wegen der dünnen Ölschicht auf dem Wasser können die mit der Atemröhre an der Wasseroberfläche hängenden Mückenlarven nicht mehr atmen.
Die Filarienkrankheiten werden hauptsächlich mit insektenvertreibenden Mitteln (Repellents) und Insektiziden bekämpft. Im Kampf gegen die gefährlichen Stechmücken sind große Sumpfgebiete trockengelegt und über Feld und Wald Insektizide verstäubt worden. Ferner versprühen die Leute bei sich zu Hause insektentötende Mittel in der Hoffnung, nicht mehr von diesen „Plagegeistern“ belästigt zu werden.
Wie funktionieren die insektenvertreibenden Mittel oder Repellents? Die feuchte, warme und mit Kohlendioxyd gesättigte Luft um einen Menschen lockt „Madame“ Mücke an. Die Sinneshaare ihrer Fühler nehmen den Luftstrom wahr, und schließlich ortet sie seinen Quell. Aber insektenvertreibende Mittel vereiteln im allgemeinen die Absicht des Mückenweibchens, weil sie offenbar verhindern, daß seine Sinneshaare normal funktionieren. Irgendwie glaubt es, sein Ziel verfehlt zu haben, und fliegt anderswohin.
Versuche, die Dr. W. A. Brown an der Universität von Western Ontario durchgeführt hat, lassen erkennen, daß man für das Mückenweibchen je nach der Kleidung, die man trägt, mehr oder weniger „anziehend“ ist. Allen Rankin schreibt: „Dr. Brown stellte fest, daß auf weißer Kleidung nur ein Zehntel der Mücken landete, die sich auf dunkle Kleidung setzten. Je heller die Farbe, desto weniger Mücken wurden angelockt. Satin Lumineux mieden die Mücken am meisten“ (Marvels & Mysteries of Our Animal World).
Sind sie irgendwie nützlich?
Das ist eine treffende Frage, und wahrscheinlich würden viele antworten: „Nein, Stechmücken sind in keiner Weise nützlich!“ Aber einige Forscher vermuten, daß die Stechmückenmännchen, die sich von Pflanzensäften ernähren, an der Bestäubung bestimmter wildwachsender blühender Pflanzen beteiligt sind. Außerdem sind die Mücken eine wichtige Nahrungsquelle für manche Landtiere, Vögel, andere Insekten und sogar für Fische.
Nicht alle Stechmücken sind gefährliche Bösewichter. Allerdings mögen sie uns lästig werden; dennoch erfüllen sie einen nützlichen Zweck. Jedenfalls braucht man sich nicht vor jeder Stechmücke zu fürchten, auch wenn man diese Insekten als Plagegeister der Nacht ansieht.