Wenn man an Netzhautablösung leidet
DIE Beschwerde kann in Form eines plötzlich erscheinenden Lichtblitzes oder eines verschwommenen oder welligen Schleiers auftreten, der durch das Sehfeld schwebt. Die wahrgenommenen Gegenstände scheinen unscharf zu sein. Die Sehkraft wird möglicherweise durch eine Menge von Flecken beeinträchtigt.
Man kann nicht sagen, daß all diese Anzeichen an sich ernsthafte Augenbeschwerden andeuten. Sollte allerdings eines davon bestehenbleiben, wird man wahrscheinlich gut daran tun, den Augenarzt aufzusuchen. Unter Umständen hat sich die Netzhaut abgelöst. Was bedeutet das?
Der wunderbare Bau des Auges
Den wunderbaren Bau des Auges zu betrachten mag sehr aufschlußreich sein. Der Augapfel ist rund, abgesehen von der Vorderseite, an der sich eine Ausbuchtung befindet. „Diese Ausbuchtung“, so steht in dem Buch Living with Your Eye Operation, „enthält die Vorrichtung des Auges, die das Licht sammelt. Die ,Haut‘ des gesamten Augapfels ist lichtundurchlässig, nur nicht an dieser Ausbuchtung, an der sie normalerweise ein schön klares und rundes Fenster bildet, das Hornhaut [Cornea] heißt.“
Hinter der Hornhaut befindet sich die farbige Iris mit einer Öffnung in der Mitte, der Pupille. Die Iris vergrößert oder verkleinert automatisch den Durchmesser der Pupille, um die Menge des ins Auge einfallenden Lichts zu regulieren.
Direkt hinter der Iris ist die Linse. Sie arbeitet mit der Hornhaut zusammen, damit das Licht gebündelt auf die Rückwand des Augapfels auftrifft, an der es in elektrische Impulse umgesetzt wird, die an das Sehzentrum des Gehirns weitergeleitet werden. In Wirklichkeit „sieht“ das Gehirn, nicht das Auge.
In dem Raum hinter der Linse ist der Augapfel mit dem Glaskörper (Corpus vitreum) gefüllt. Es handelt sich dabei um eine durchsichtige gallertartige Masse, die sich größtenteils aus Wasser und zu einem geringen Prozentsatz aus festen Bestandteilen zusammensetzt.
Die einzigartige „Haut“ des Augapfels
Die „Haut“ des Augapfels besteht aus drei Schichten. Die äußerste nennt man Lederhaut (Sklera). Sie ist zäh, faserreich und an fast allen Stellen des Auges undurchsichtig, damit kein Licht eindringt. An der Vorderseite freilich geht sie in die durchsichtige Hornhaut über.
Die mittlere Schicht dieser „Haut“ ist hoch kompliziert. Vorn am Augapfel verzweigt sie sich in andere Gebilde, zu denen die Iris gehört. Sie bedeckt jedoch mehr als vier Fünftel des Auges in Form einer durchgehenden Schicht, die man als Aderhaut (Chorioidea) bezeichnet.
Unsere besondere Aufmerksamkeit verdient die dritte oder innerste Schicht der dreifachen Haut des Augapfels: die Netzhaut (Retina). In der Zeitschrift MD vom Juli 1970 wird die Netzhaut als eine „hauchdünne Haut“ bezeichnet, „die den Lichteindrücken, die ins Auge gelangen, die Form, die Farbe und die Beschaffenheit gibt, die das Gehirn empfängt“. Die Netzhaut, obwohl „hauchdünn“, besteht aus vielen unterschiedlichen Schichten. Gemäß dem Werk The World Book Encyclopedia „besteht sie aus drei hauptsächlichen Zellschichten: 1. Nervenzellen, die dem Augeninnern zugewandt sind, 2. lichtempfindliche Zellen in der Mitte und 3. pigmenthaltige Zellen, die der Außenseite zugewandt sind und an der Aderhaut anliegen“.
Die Zahl der lichtempfindlichen Zellen in der Netzhaut geht in die Millionen. In dem Artikel der Zeitschrift MD wird folgendes ausgeführt: „Jedes Auge verfügt über annähernd 130 Millionen Stäbchen, die auf das Dämmerlicht ansprechen und lediglich Helligkeitsunterschiede im Schwarz-Weiß-Bereich übertragen; die 7 Millionen Zapfen, die am dichtesten in der Fovea centralis, dem Zentrum der Netzhaut, liegen, reagieren auf helles Licht und sind für das Farbensehen verantwortlich.“ Die Fovea centralis ist, nebenbei bemerkt, lediglich einen Quadratmillimeter groß, das entspricht ungefähr dieser Fläche: ○.
In allen Teilen des Auges gehen von den Stäbchen und Zapfen winzige Nervenfasern aus. Im rückwärtigen Teil des Augapfels sind sie zum Sehnerv gebündelt, der die Verbindung mit dem Gehirn herstellt. Santiago Ramón y Cajal, ein Augenspezialist, der den Nobelpreis erhielt, machte in seinem Buch Recollections of My Life über die Netzhaut folgende Bemerkungen:
„Die Netzhaut faszinierte mich immer, weil ich glaubte, daß das Leben niemals einen Mechanismus zustande gebracht hat, der so fein ersonnen und seinem Zweck so vollkommen angepaßt ist. ... Als ich diese Haut erforschte, war mein Glaube an Darwins Hypothese der natürlichen Auswahl zum erstenmal geschwächt, denn ich war erstaunt und verwirrt aufgrund der überragenden schöpferischen Erfindungsgabe, die sich nicht nur in der Netzhaut und dem lichtbrechenden Apparat der Wirbeltiere, sondern sogar im primitivsten Insektenauge offenbarte.“
Gutes Sehvermögen bedroht
Gutes Sehvermögen erfordert eine gesunde Netzhaut. Häufig wird dieser gesunde Zustand jedoch etwas bedroht. Inwiefern? Die Netzhaut löst sich von der Aderhaut ab, die sich dahinter befindet und sie ernährt. Das führt zur Degeneration der Netzhaut und wahrscheinlich zur Erblindung.
Zehntausende von Personen leiden an dieser Krankheit. Gemäß der Zeitschrift Medical Tribune vom 25. April 1973 „schätzt man, daß es jährlich ungefähr 15 000 bis 20 000 Fälle von Netzhautablösung gibt und von diesen lediglich 15 bis 16 Prozent auf eine Verletzung zurückzuführen sind. Die übrigen treten plötzlich auf.“
Die Netzhautablösung kommt bei Leuten über fünfzig häufiger vor. Bei jedem vierten, der daran leidet, sind beide Augen betroffen. Bei Diabetikern ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie aufgrund von Netzhautablösung erblinden, zwanzigmal größer als bei Nichtdiabetikern.
Wie sich die Netzhaut ablöst
Wodurch wird bewirkt, daß sich die Netzhaut von der dahinter befindlichen Aderhaut, die sie ernährt, ablöst? Obwohl die Blutgefäße in der Aderhaut die Netzhaut ernähren, sind sie nicht mit ihr verbunden. Zwischen den beiden Schichten besteht eine sehr geringe Haftung. In dem Buch Living with Your Eye Operation wird erklärt: „In Wirklichkeit liegt die Netzhaut an der Aderhaut wie ein seidiger Wandbehang an, der nicht am Putz klebt, sondern vom Wind gegen die Wand gedrückt wird.“ Im gesunden Auge preßt der Glaskörper die Netzhaut dicht an die Aderhaut. Gelingt allerdings Blut oder irgendein anderer Stoff hinter die Netzhaut, das heißt zwischen die Netzhaut und die Aderhaut, so wird dadurch bewirkt, daß sich die Netzhaut von ihrer Unterlage und ihrem Nährboden ablöst.
Das Problem beginnt gewöhnlich mit einem Riß, einem Bruch, einem Loch oder einem anderen Schaden der Netzhaut. Dadurch kann Flüssigkeit hinter die Netzhaut dringen und sie von der Aderhaut wegschwemmen. Die Gründe für den anfänglichen Netzhautschaden können „traumatischer Natur“ sein, zum Beispiel, wenn man sich den Kopf anstößt. Aber offensichtlich muß vorher eine Schwäche bestehen, die es begünstigt, daß die Netzhaut reißt, wenn sie verletzt wird.
Warum leiden ältere Leute häufiger an einer Netzhautablösung? „In einem Alter von über 40 Jahren“, so die Zeitschrift Medical Tribune, „schwindet der Glaskörper, ein leimartiges Gel, und zieht sich von der inneren Oberfläche der Netzhaut zurück; bei einigen Leuten kann der ständige Sog, den das Gel auf die Netzhaut ausübt, diese schließlich einreißen, und ungebundenes Wasser dringt hinter die Netzhaut und schwemmt sie von der Aderhaut weg.“
Warum sind Diabetiker viel anfälliger für Netzhautablösung? Weil die Diabetes oft eine Netzhautblutung verursacht. Wie erwähnt, kann Blut oder irgendeine andere Flüssigkeit, die hinter die Netzhaut dringt, ihre Ablösung bewirken.
Versuche, deine Sehkraft zu erhalten
Erfreust du dich momentan eines guten Augenlichts? Es ist sinnvoll, alles zu tun, was du kannst, um es dir zu erhalten. Es gilt zu vermeiden, daß die Augen grellem Licht ausgesetzt werden, wie es oft beim Sonnenbad am Meeresstrand geschieht. Tierversuche haben ergeben, daß die Augen dauernden Schaden nehmen, wenn sie anhaltend grellem Licht ausgesetzt sind. Das kann tatsächlich für die Netzhaut genauso schädlich sein wie die Beobachtung einer Sonnenfinsternis.
In der Veröffentlichung Optical Developments (Februar/März 1957) wird ein Faktor erwähnt, der für die Erhaltung des guten Augenlichts wesentlich ist: „Die richtige Ernährung ist von bedeutender Wichtigkeit für den Sehvorgang. Offensichtlich muß hervorgehoben werden, daß das volle Maß an Vitaminen, Mineralien und Aminosäuren wesentlich dazu beiträgt, bei allen Altersstufen Sehfehler zu vermeiden und Funktionsstörungen zu beheben, sofern sie noch nicht unheilbar sind.“
Zum Beispiel haben Wissenschaftler bewiesen, daß die Netzhaut große Mengen Vitamin A enthält. Der „Sehpurpur“, der sich als Pigment in den lichtempfindlichen Stäbchen befindet und den Augen dazu verhilft, sich an dunkles oder dämmeriges Licht zu gewöhnen, besteht aus Eiweiß und aus einem Stoff, der mit Vitamin A chemisch verwandt ist. Die Vitamine der Gruppe B, C und D sind für die Gesundheit der Augen ebenfalls wichtig. Gewöhnlich werden diese wesentlichen Bestandteile durch eine abwechslungsreiche, nahrhafte Kost vermittelt.
Wenn du über vierzig bist, kann dir noch etwas anderes eine Hilfe sein. Da in dieser Altersgruppe Augenbeschwerden häufiger auftreten, ist es empfehlenswert, den Augenarzt aufzusuchen, zumindest alle zwei Jahre. Die Kenntnisse und Fähigkeiten deines Arztes können sogar eine Netzhautablösung verhindern. Inwiefern?
Der Arzt kann mittels eines Augenspiegels (Ophthalmoskop) und anderer Instrumente den Augenhintergrund untersuchen. Er leuchtet buchstäblich das Innere des Augapfels aus und sieht durch die Pupille und Linse hindurch. Mit diesen Instrumenten kann man sowohl Netzhautablösung als auch Risse oder Brüche in der Netzhaut, die einer Ablösung vorausgehen können, feststellen. Eine sofortige Behandlung kann schwierige Komplikationen verhindern. Was sollte man dagegen tun, wenn die Netzhaut sich bereits abgelöst hat? Welche Behandlungsmethode wählt der Arzt, um dieses Problem zu beseitigen? Wie groß ist die Aussicht, das normale Augenlicht wiederzuerlangen?
Sehr erfolgreiche Behandlungsmethoden
Wenn sich die Netzhaut von der Aderhaut gelöst hat, dann besteht das Ziel darin, sie wieder anzulegen. Wie kann das erreicht werden? Bernard Seeman erklärt in dem Buch Your Sight—Folklore, Fact and Common Sense: „Im Jahre 1919 schlug Jules Gonin, ein Schweizer Arzt, vor, man könne die Netzhautablösung behandeln, indem man den Riß in der Netzhaut erhitze, wodurch eine Narbe entstehe, die eine erneute Haftung zwischen Netzhaut und Aderhaut bewirke. ... Heute wird Gonins grundlegende Theorie immer noch angewandt, jedoch hat die Technik beträchtliche Fortschritte gemacht.“
Heute werden solche Narben, die eine Haftung bewirken, oft durch operative Diathermie herbeigeführt. Dabei wird eine Nadel verwendet, die einen hochfrequenten elektrischen Strom leitet. Wird die Lederhaut damit berührt, so entstehen winzige Reizstellen, die die Bildung von Narben bewirken. Das Narbengewebe erfaßt die Netzhaut von hinten und hält sie an der Aderhaut fest.
Vor kurzem wurde diese Wirkung mit Hilfe von Licht erzielt. In den 1950er Jahren wurde ein Verfahren entwickelt, das das „Punktschweißen“ abgelöster Netzhäute ermöglicht, und zwar mit Hilfe eines starken Lichtstrahls von einem Xenon-Lichtbogen. Im darauffolgenden Jahrzehnt ging man einen Schritt weiter, indem man Laserstrahlen verwendete.
Bei einer anderen Operationsmethode setzt man eine Kältesonde ein. Dabei handelt es sich um eine winzige Sonde, die mit einer Kältemaschine verbunden ist. In diesem Fall bewirkt die Kälte, nicht Hitze oder Licht, die Entstehung einer „Haftnarbe“. „Die Kältechirurgie, eine der neuesten Entwicklungen für die Behandlung von Netzhautablösung“, so Bernard Seeman, „hat gegenüber anderen Operationsmethoden mehrere Vorteile, insbesondere weil die Wahrscheinlichkeit, daß Schäden am Glaskörper entstehen, geringer ist als bei der elektrischen Diathermie oder bei dem sehr starken, als Laserstrahl bekannten Licht.“
Bei langen Rissen klappen manchmal die Ränder, der Netzhaut um, und diese Läppchen kleben dahinter an. Was kann man dagegen tun? Man verwendet Operationstische, mit denen man den Patienten „auf den Kopf drehen“ kann, damit das Läppchen durch die Schwerkraft wieder zurückklappt. In hartnäckigen Fällen wird in das Auge eine Nadel eingeführt, an deren Spitze sich eine winzige Luftblase befindet. Sie wird in die Falte eingeführt und aufgeblasen und löst dadurch schonungsvoll Verklebungen, die möglicherweise entstanden sind. Danach bedient sich der Arzt der üblichen Methoden, um die Netzhaut wieder anzulegen.
In den letzten Jahren hat eine neulich eingeführte Operationsmethode weite Verbreitung erlangt. Sie ist als Lederhauteindellung bekannt. Dabei wird an der Stelle, an der sich die Netzhaut abgelöst hat, eine kleine Furche geschnitten. Dann befestigt der Arzt in der Furche ein kleines Band aus Silikongummi. Durch die dabei entstehende Wölbung wird die Lederhaut und somit die Aderhaut gegen die Netzhaut gedrückt. Über diese Operationsmethode hieß es in der Zeitschrift Medical Tribune:
„Durch die Lederhauteindellung wird der Sog des Glaskörpergewebes an der Netzhaut vermindert, da die Lederhaut eingedrückt oder eingedellt wird und somit die Abmessungen des Augeninnenraumes verkleinert werden. Daraufhin bedient man sich der Diathermie, der Kältechirurgie oder der Photokoagulation, um eine Narbe zu erzeugen, die die Netzhautbrüche schließt und damit gestattet, die Netzhaut wieder anzulegen.“
Dr. Charles L. Schepens, Präsident der Retina Foundation of Boston, sagte folgendes über die Wirksamkeit der Behandlungsmethoden bei Netzhautablösung: „Ungefähr 85 Prozent der aufgrund einer Netzhautablösung vorgenommenen Operationen sind erfolgreich, aber 10 bis 20 Prozent dieser Patienten müssen sich mehr als einer Operation unterziehen.“ Dr. Schepens machte daraufhin noch folgende nüchterne Bemerkung: „Ist die Netzhaut bereits seit zwei Jahren oder länger vollständig abgelöst, sind die Chancen für einen angemessenen Erfolg gleich Null.“
Leidest du an Netzhautablösung? Es wäre sinnvoll, das herauszufinden; am besten bemüht man sich so schnell wie möglich um Abhilfe.
[Diagramm auf Seite 17]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Auge mit normaler Netzhaut
IRIS
HORNHAUT
LINSE
GLASKÖRPER
LEDERHAUT
ADERHAUT
NETZHAUT
SEHNERV
[Diagramm auf Seite 18]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
EINE ABGELÖSTE NETZHAUT
IRIS
HORNHAUT
LINSE
LEDERHAUT
ADERHAUT
NETZHAUT (hat sich von der Aderhaut abgelöst)