Kräuter — eine „wiederentdeckte“ Köstlichkeit
Vom „Awake!“-Korrespondenten auf Neuseeland
DIE Gastgeberin ging von ihrer Küchenecke zum Fenster. Während die Gäste zuschauten, brach sie an einer Pflanze, die auf dem Fensterbrett stand, mehrere Blätter ab. Damit wolle sie die Spaghettisauce würzen, die sie den Gästen im Laufe des Abends noch vorsetzen werde, sagte sie. Nun betrachteten die Gäste die Zimmerpflanze etwas genauer. Es war Basilienkraut.
In vielen Ländern interessieren sich die Leute wieder für Kräuter, obgleich nur wenige sie selbst ziehen. Wieso kann gesagt werden, man habe sie „wiederentdeckt“? Dienen nicht seit Jahrhunderten gewisse Pflanzen als Heilmittel oder zum Würzen?
Das stimmt. Die Chinesen und manche andere Völker haben stets Kräuter verwendet. Wahrscheinlich hat die heutige große Nachfrage in den Ländern, in denen das nicht der Fall war, zwei Ursachen:
Erstens wird die Feinschmeckerküche immer populärer, und zum Rezept schmackhafter Gerichte gehören gewöhnlich auch Kräuter. Zweitens ist das Interesse an der Volksheilkunde und an „Hausmitteln“ neu entfacht worden. Dabei spielen Heilpflanzen eine wichtige Rolle. Es wird behauptet, daß sie ungefährlicher seien als die starken Mittel der modernen Medizin, weil sie langsamer wirkten und der Heilvorgang deshalb „natürlicher“ sei.
Manche „Hausmittel“ sind zum Teil jahrhundertealt und manchmal mit Aberglauben verquickt; aber sehr viele Pflanzen enthalten heilkräftige Wirkstoffe. Zum Beispiel ist in der Weidenrinde eine Säure, die auch in dem schmerzlindernden Präparat „Aspirin“ enthalten ist, und aus den Blättern des Fingerhuts gewinnt man „Digitalis“, ein Mittel zur Behandlung von Herzleiden. Über die Wirksamkeit vieler Kräutertees, Kräuterauflagen oder -packungen wird viel hin und her diskutiert, und viele Ärzte sind diesbezüglich sehr skeptisch.
Allgemein anerkannt dagegen wird der Wert vieler Küchenkräuter. Die herrliche Fülle verschiedener Würzkräuter vermag den natürlichen Geschmack der Speisen zu bereichern. Es gibt zwei Möglichkeiten, zu Gewürzkräutern zu kommen: Entweder man zieht sie selbst, oder man kauft sie. Wie zieht man Küchenkräuter?
Wie man Gewürzkräuter selbst zieht
Für viele wäre es gefährlich, Wiesen und Felder nach Gewürzkräutern absuchen, weil sie sich zu wenig auskennen. Wie auch aus einer in der Bibel berichteten Begebenheit hervorgeht, sind gewisse Pflanzen selbst in gekochtem Zustand für den Menschen gefährlich (2. Kö. 4:38-41). Es ist daher besser, man erkundigt sich in einer Gärtnerei oder in einer Samenhandlung, welche Gewürzkräuter da, wo man wohnt, gedeihen. Der Boden und die Sonnenscheindauer werden ausschlaggebend dafür sein, welche Gewürze man selbst ziehen kann. In Ländern mit gemäßigtem Klima kann man sehr wahrscheinlich die auf der nebenstehenden Tabelle aufgeführten Gewürzkräuter sehr gut ziehen.
Die meisten Gewürzkräuter lieben einen sonnigen Standort. Je nach dem Klima müssen sie im Herbst in einem Fensterkasten oder Blumentopf vorgezogen und dann im späten Frühjahr ins Freie gepflanzt werden.
Zum Vorziehen eignen sich aber auch irgendwelche Plastikbehälter, die man sonst in den Müllkasten wirft. In den Boden eines solchen Behälters bohrt man ein paar kleine Löcher, füllt ihn mit guter, leichter Erde und streut ein wenig Kalk darüber. Dann feuchtet man die Erde an und streut den Samen (nicht zu dicht) darauf aus. Nun verteilt man etwas trockene Erde darüber und drückt diese vorsichtig fest. Den Behälter deckt man mit einer durchsichtigen Plastikfolie oder einer Glasplatte ab und läßt ihn stehen, bis der Samen keimt.
Mitunter muß man ziemlich lange warten, bis die Saat aufgeht. Petersilie zum Beispiel keimt erst nach sechs bis acht Wochen. Wenn an jedem Sämling etwa vier Blättchen zu sehen sind, kann man die Behälter für zwei Wochen ins Freie stellen, so daß sich die Pflanzen an die neuen Lebensbedingungen gewöhnen. Dann darf man sie in den Garten verpflanzen.
Wo es nicht möglich ist, Samen zu kaufen, kann man vielleicht von einem befreundeten Hobbygärtner einen Ableger bekommen, oder man kann fertige Pflanzen beim Gärtner kaufen. Das erspart einem unter Umständen viel Zeit und Mühe. Wer keinen eigenen Garten besitzt, sollte nicht denken, er müsse nun darauf verzichten, Gewürzkräuter selbst zu ziehen, denn sie sind auch in Balkonkästen, in Fensterkästen oder in Blumentöpfen ziehbar.
„Sammeln“ und Konservieren von Kräutern
Am günstigsten für das Sammeln der meisten Kräuter ist die Zeit, kurz bevor sie Blüten ansetzen. Blätter und Stengel müssen sorgfältig behandelt werden. Sie dürfen nicht gequetscht werden, sonst geht das kostbare Aroma verloren.
Frisch sind die Kräuter am wertvollsten. Aber man kann sie auch für den Gebrauch in der Zeit der Vegetationsruhe konservieren, indem man sie einfriert, unzerkleinert in Tüten luftdicht verpackt oder indem man sie trocknet (dörrt).
Das Trocknen der Kräuter ist die häufigste Konservierungsmethode. Kräuter dürfen nicht an der Sonne getrocknet werden. Man hängt sie mit dem „Kopf“ nach unten an einem luftigen Ort auf, wo sie vor Dampf oder Feuchtigkeit geschützt sind. Der eine oder andere möchte vielleicht auch die Methode ausprobieren, die eine Expertin wie folgt beschreibt: „Ich fülle jedes Küchenkraut in eine separate Papiertüte (Salbeiblätter in eine Tüte, in eine andere Tüte Pfefferminzblätter und in eine dritte Tüte Rosmarin usw.), binde die Tüten oben mit einer Schnur locker zusammen und mache eine Schlinge zum Aufhängen. Mit einem scharfen Messer oder mit der Schere schneide ich an zwei oder drei Stellen kleine Luftlöcher in die Tüten und hänge diese dann in einem warmen Zimmer auf ... Fast jeden Tag schüttle ich sie, damit die Kräuter gleichmäßig trocknen.“
Sobald die Kräuter „dürr“ sind, kann man sie in Gläser füllen, die man dann gut verschließt. Zeigen sich Wassertröpfchen am Glas, muß man die Kräuter nochmals herausnehmen und besser trocknen lassen. Stehen einem nur durchsichtige Gläser zur Verfügung, sollte man sie mit Farbe anstreichen, so daß die Kräuter vor Licht geschützt sind. Getrocknete Kräuter bewahrt man am vorteilhaftesten in einem dunklen Schrank auf.
Aber wie verwendet man die Kräuter beim Kochen?
Das Geheimnis des Würzens
Im Interesse deiner künftigen Gäste möchten wir eine Warnung vorausschicken: Manche Kräuter können sehr würzkräftig sein. Geht man zu „großzügig“ damit um, kann es sich katastrophal auf die Speisen auswirken. Anfangs sollte man stets sparsam würzen — nach einer bewährten Faustregel nur „hier und da eine Prise“.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Speisen mit Würzkräutern zu bereichern. Man kann damit Platten garnieren oder Speisen wie Suppen, Saucen, Salate oder Gemüse und Getränke wie Kaffee, Cocktails, Punsch und Wein würzen. Außerdem kann man Kräutertee, Kräuteröl, Kräuterzucker, Kräuterbutter, Kräutersenf und Kräuteressig zubereiten.
Kräuterbutter stellt man beispielsweise her, indem man 100 Gramm Butter schaumig rührt und etwa einen Eßlöffel feingehackten Schnittlauch und/oder andere Kräuter sowie einen Eßlöffel Zitronensaft daruntermischt. Besonders gut schmeckt diese Butter zu Fisch, Koteletts, Steaks und auf Brötchen.
Natürlich ist es allgemein üblich, aus Kräutern Tee zu kochen. Abgesehen davon, daß sich aus Kräutern viele verschiedene Getränke zubereiten lassen, sind diese Tees auch noch gesundheitsfördernd. Viele trinken Kamillentee, um besser schlafen zu können, oder Salbeitee zur Regelung des Blutdrucks.
Diese Tees werden zubereitet, indem man das Kraut mit kochendem Wasser überbrüht und einige Minuten ziehen läßt. Manch einer trinkt den Kräutertee mit Zitrone oder etwas Honig.
Vielleicht weniger bekannt sind die Kräuteröle. Diese werden hergestellt, indem man ein Glas bis zu zwei Dritteln mit sehr gutem Öl, zum Beispiel mit Distelöl oder Mandelöl (kein Erdnuß- und kein Olivenöl), füllt. Dann „zerstampft“ man eine Handvoll seiner Lieblingskräuter und gibt einen Eßlöffel Weißweinessig dazu. Diese Mischung schüttet man in das Öl.
Nun verschließt man das Glas gut und schüttelt es kräftig. Dann läßt man es etwa einen Monat an einem sonnigen oder warmen Ort stehen. Man sollte es an einen Ort stellen, wo es leicht zu erreichen ist, damit man es von Zeit zu Zeit schütteln kann. Das Öl eignet sich vorzüglich zur Zubereitung von Salatsaucen oder zum Braten.
Kräuterzucker und Kräutersalz werden gewöhnlich hergestellt, indem man Kristallzucker bzw. Tafelsalz in Gläser, die gut zu verschließen sind, einfüllt und etwas von seinem Lieblingsgewürz dazugibt. Je länger man diesen Zucker oder dieses Salz stehenläßt, desto stärker wird das Aroma sein. Den Zucker kann man zur Zubereitung von Kuchen, Pfannkuchen oder Kompott verwenden und das Salz zum Kochen oder zur Mahlzeit am Tisch.
Es gibt viele gute Kochbücher mit Rezepten, bei denen Gewürzkräuter Verwendung finden. Wenn ein Rezept ein Bouquet garni verlangt, bedeutet das gewöhnlich ein Sträußchen aus Petersilie, Thymian, etwas Lorbeer, Estragon und manchmal auch Majoran. Dieses Sträußchen wird mitgekocht, aber nicht mit serviert. Verlangt das Rezept Fines herbes, so bedeutet das Kerbel, Schnittlauch, Petersilie und Estragon; alles ganz fein geschnitten und unter das Gericht gemischt. Man vergesse jedoch nicht, daß getrocknete Kräuter stärker würzen als frische. Verlangt das Rezept eine bestimmte Menge frischer Kräuter, dann darf man nur zwei Drittel oder nur die Hälfte der vorgeschriebenen Menge nehmen, falls man getrocknete Kräuter verwendet.
Mit der Zeit möchtest du vielleicht auch einen Versuch mit weniger bekannten Gewürzkräutern machen. Da es in der ganzen Welt rund 2 500 Arten davon gibt, bleibt für dich noch viel zu lernen. Sobald du dich mit Gewürzen gut auskennst, wirst du wahrscheinlich Pflanzen als Gewürze verwenden, die du vorher nie als Gewürzpflanzen angesehen hättest, Pflanzen wie Klee, Löwenzahn, Rosen usw. Vielleicht möchtest du Kräuter auch für andere Zwecke verwenden, zum Beispiel für ein gelegentliches Kräuterbad.
Die meisten Leute, die in der Kräuterkunde etwas bewandert sind, sehen das „Unkraut“ am Straßenrand mit anderen Augen an. Viele von ihnen haben über die Worte, die Gott vor langer Zeit sprach, nochmals nachgedacht: „Hier habe ich euch alle samentragenden Pflanzen gegeben, die es auf der Oberfläche der ganzen Erde gibt“ (1. Mose 1:29). Es ist so, wie der Dichter Ralph Waldo Emerson sagte: „Ein Unkraut ist eine Pflanze, deren Nützlichkeit wir noch nicht entdeckt haben.“
[Übersicht auf Seite 10]
KÜCHENKRÄUTER
NAME VERWENDUNG
PETERSILIE Garnierung, Suppen, Saucen, Eiergerichte
THYMIAN Hackfleisch, Fleischfüllung, Saucen, Essiggemüse, Gemüseeintopf
KERBEL Suppen, Salate
SCHNITTLAUCH Weißkäse, Salate, Butter
ESTRAGON Eier- und Pilzgerichte, Saucen, Senf
LORBEER Hammel- und Schweinefleisch, Fischgerichte
MAJORAN Fleisch-, Fisch-, Eiergerichte, Suppen, Cocktail, Essig
ROSMARIN Zucker, Öl, Gemüse, Salate
LAVENDEL Wein, Tee, Essig, Zucker
SALBEI Fleischfüllung, Saucen, Öl
BASILIKUM Suppen, Ragout, Saucen
PFEFFERMINZE Essig, Zucker, Saucen, Salate, Tee, Punsch