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  • Stuckarbeit — Warum im Schwinden begriffen?

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  • Stuckarbeit — Warum im Schwinden begriffen?
  • Erwachet! 1978
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  • Ein Kunsthandwerk
  • Viele Verwendungszwecke in der Geschichte
  • Das Geheimnis des Stuckierens
  • Die Wirtschaftlichkeit
  • Vorteile und Nachteile
  • Putz
    Einsichten über die Heilige Schrift, Band 2
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Erwachet! 1978
g78 8. 2. S. 12-15

Stuckarbeit — Warum im Schwinden begriffen?

IM Saal des Rathauses von Portland (Oregon, USA) sieht es wie Marmor aus. Im Restaurant Trader Vic in New York ähnelt es Bambus. Im Schloß von Versailles (Frankreich) sind es Figuren, die Menschen oder Blumen darstellen. Worum handelt es sich?

Der bemerkenswerte Werkstoff ist Stuck, eine anfänglich flüssige Masse, die keine eigene Formgebung hat. Das althergebrachte Handwerk, das dabei zur Geltung kommt, ist das Stuckieren; der Stuck wird zum Beschichten und Verzieren von Wänden und Decken verwendet.

Stuck kann, wenn er mit Wasser vermischt wird, in Formen gegossen, gefärbt und mit Fasern verstärkt, mit der Kelle aufgetragen und poliert werden. Stuck kann im erstarrten Zustand wie Stein gemeißelt werden. Kein Wunder, daß William Millar schrieb: „Stuck ist das nachdrücklichste wie auch älteste Ausdrucksmittel, das von Generation zu Generation die Meisterwerke der Kunst bewahrt.“

Erstaunlicherweise hat aber die Verwendung von Stuck nachgelassen. War das Stuckieren einst von weltweiter Bedeutung, spielt es heute keine größere Rolle mehr. Gegenwärtig halten sich in vielen Ländern die Stukkateure an strenge Zeitpläne und werfen den Mörtel mit großen Spritzmaschinen an die Wände unserer modernen Gebäude, um einen gleichmäßigen flachen Putz auftragen zu können.

Ja, der Stuck ist sogar als einfacher Wandputz nicht mehr so verbreitet. Man schätzt, daß in den zwanziger Jahren in den Vereinigten Staaten mehr als 95 Prozent aller Neubauten mit Innenputz ausgestattet wurden. Heute dagegen sind es nur noch fünf Prozent.

Wieso dieser Rückgang? Die Antwort erhalten wir bei einer näheren Betrachtung dieses althergebrachten Handwerks.

Ein Kunsthandwerk

Ein Stukkateurgeselle muß in der Lage sein, ein umfangreiches Sortiment von Kellen, Linealen, Formen und anderen Werkzeugen fachgerecht zu verwenden. Früher dauerte die Stukkateurlehre bis zu sieben Jahre, und anstelle einer Bezahlung erhielten die Lehrlinge von ihrem Meister Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und andere Lebensnotwendigkeiten. Kein Wunder daher, daß sich damals einige Stukkateure auf die Bildhauerei, das Gießen, das Modellieren und auf andere Techniken verstanden, die heute nicht mehr gebräuchlich sind.

Die Stukkateure stellten vielfach aus den Rohmaterialien ihren Stuck selbst her. Zum Beispiel war es in den Gründerjahren Amerikas nichts Ungewöhnliches, Brennöfen zu sehen, die in die Abhänge der Berge Pennsylvaniens eingehauen waren und zum Brennen von Kalkstein und Gips, den Hauptbestandteilen des Kalk- und Gips-Stucks, dienten. Man hat diesen Herstellungsvorgang heute in großen Fabriken verbessert, doch die einzelnen Schritte sind die gleichen geblieben.

Im Brennofen wird durch die Hitze der Gips in seinem Aufbau zerlegt. Darauf wird der kalzinierte oder gebrannte Gips zu einem feinen weißen Pulver gemahlen. Schließlich kann dieser Gips je nach der Feinheit des Pulvers, dem Grad der Kalzination und anderen Merkmalen als Form-Gips für Statuen und feine Kunstgegenstände verwendet werden, oder man kann ihn mit Sand und anderen Zusätzen mischen, um unterschiedliche Arten von Gips herzustellen. Einer der bekanntesten ist der Putz-Gips, der schnell erhärtet und zum Ausbessern und Reparieren von Wänden verwendet wird.

Um aber Kalkstein gebrauchsfertig zu machen, ist nach der Kalzination und dem Mahlen noch ein zusätzlicher Schritt erforderlich. Bei einem Prozeß, den man Hydration oder Löschen nennt, wird vorsichtig Wasser zugesetzt. Darauf kann der gelöschte Kalkstein, der in dieser Form Kalk heißt, vor dem Gebrauch mit anderen Zusätzen gemischt werden. Man kann den Kalk-Stuck auch, um den Härtevorgang zu beeinflussen, mit etwas Gips mischen. Diese Mischung wird heutzutage meist für dünnen Innenputz verwendet.

Nur im vergangenen Jahrhundert wurden die beiden soeben beschriebenen Stucksorten um ein neues Produkt bereichert — Portlandzement. Man kann daraus einen hervorragenden Außenputz herstellen, der kaum vom Wasser durchdrungen wird.

Viele Verwendungszwecke in der Geschichte

Wußtest du bereits, daß der Stuck in der Geschichte einen Ehrenplatz einnimmt? Schon die alten Hebräer und Babylonier kannten Stuck (3. Mose 14:42; Dan. 5:5). Einige sagen, die Griechen hätten sich sehr früh als Vervollkommner dieses alten Handwerks hervorgetan, da sie ihren Stuck so sorgfältig verarbeiteten, daß die Betrachter der Wände darin ihr eigenes Spiegelbild sehen konnten. Griechische Tafeln aus Stuck verwendete man sogar für Tische und Spiegel.

Was allerdings die Verzierungen betrifft, haben die Italiener während der Renaissance das Stuckieren zu einem Höhepunkt geführt. Stellen wir uns vor, wir besichtigten ein Schloß, das in jener Zeit gebaut wurde.

Schon am Eingang ergötzen wir uns an dem großartigen Reichtum von Stuckarbeiten. Erhaben gearbeitete Rippen — geschmackvoll mit Blättern, Reben und anderen aus Stuck gegossenen Pflanzenformen verziert — unterteilen die hohe Decke in rechteckige und kreisförmige Felder. Das Gebäude strotzt vor Stuck, der zu Feldern, Schilden, Streifen, Bändern, Rosen und Blumengirlanden geformt ist. Wenn wir durch die einzelnen Räume gehen, sehen wir die verschiedensten Motive — feine Zierstreifen, gegossene Statuen und Springbrunnen —, wodurch das Schloß zu einer einzigartigen Stukkaturausstellung wird.

Ja, die Italiener hatten eine große Vorliebe für Gebäudeverzierungen. Allerdings waren sie sorgsam darauf bedacht, ihre ausgezeichneten Rezepte und Techniken geheimzuhalten. Aber Geheimnisse sickern durch. Wahrscheinlich ist nie jemand auf ein grundlegenderes und wichtigeres gestoßen als ein englischer Architekt, der sich im Jahre 1851 in Italien aufhielt.

Das Geheimnis des Stuckierens

Der Engländer war von dem feinen Kalk beeindruckt, den ein älterer Italiener auf dem Campo Santo, dem berühmten Friedhof von Pisa, beim Reparieren von Verzierungen verwendete. Aber erst nach einiger Überredungskunst bei einer Flasche Wein hatte er den alten Mann schließlich so weit, daß er das Geheimnis dieses Kalks preisgab.

Der Italiener führte ihn zur Ruine eines alten Schlosses, stieg in einen modrigen Keller und zeigte ihm eine Reihe von Holzfässern. Der alte Mann nahm einen Schlüssel aus seiner Tasche und klopfte an das erste Faß. Es klang sehr hohl, bis der Schlüssel fast den Boden erreichte. „Da, Signore!“ sagte er. „Da ist mein Großvater! Es ist schon fast aus mit ihm.“ Am nächsten Faß klopfte er wieder so. „Da, Signore! Da ist mein Vater! Die Hälfte von ihm ist übriggeblieben.“ Das dritte Faß war fast voll. „Das bin ich!“ sagte er stolz, während er mit seinem Finger weit ausholte und auf seine Brust deutete. Beim letzten Faß konnte sich der alte Italiener das Lachen nicht verkneifen, als er feststellte, daß es mehr als halb voll war. „Das ist für die Kleinen, Signore!“

Der ziemlich verwirrte Architekt verlangte nach einer Erklärung. Diese Fässer, erklärte der Italiener, enthielten alten Kalk, der aus der reinsten Form von Kalkstein, nämlich aus gebrannten Bruchstücken weißer Marmorstatuen hergestellt worden sei. Durch die Feuchtigkeit der Kellerluft werde der Kalk im Laufe der Zeit allmählich gelöscht. Das sei der Familienschatz — Kalk, von den Vorfahren geerbt und wieder an die Söhne vererbt.

Der Engländer war über seine Entdeckung erfreut, da die Stukkateure in anderen europäischen Ländern ihren Kalk nicht auf diese Weise löschten. Er war jedoch von etwas weit Bedeutungsvollerem überrascht. Bei den Italienern war das Stuckieren mehr als nur eine Beschäftigung. Es war ein Familienerbstück. Die besten Rezepte und Techniken wurden sorgsam vom Vater an den Sohn weitergereicht.

Gerade unter solchen Bedingungen gedieh das Stukkateurhandwerk. Wie kam dagegen der Rückgang zustande?

Die Wirtschaftlichkeit

Wahrscheinlich erkannte niemand, wie weitreichend die Auswirkungen der industriellen Revolution sein würden, die in England im 17. Jahrhundert begann und schließlich einen Großteil der Welt erfaßte. Wer hätte gedacht, daß geschätzte Familiengewerbe wie das Stuckieren zugunsten einer Fließbandarbeit aufgegeben werden würden? Aber genauso kam es, denn die Fabriken boten eine unverzügliche Bezahlung und verlangten nur eine geringe Vorbildung.

Dann kam der Erste Weltkrieg. Die Industrie stellte sich auf die Produktion von Waffen und Maschinen um, wobei sie auf drastische Weise die Wirtschaftlichkeit der Standardisierung und Massenproduktion entfaltete. Wegen des Mangels an Handwerkern, der steigenden Löhne, der Inflation, verbesserter Fabrikationsmethoden und anderer verwandter Gründe begann man, Häuser anders zu bauen. Die Baumethoden glichen dann eher einer zeitsparenden Montage als der Ausübung von Kunsthandwerken. All das trug zu einer extremen Vereinfachung der Konstruktion bei. Decken mit Ornamenten, Gesimse und Verzierungen gehörten der Vergangenheit an.

Ebenfalls Vergangenheit wurde die Abhängigkeit von Künstlern und geschickten Handwerkern. Im Laufe der Zeit wurde der Stuck durch andere Wandverkleidungen wie Gipskarton und Gipsfaserplatten ersetzt, weil sie nicht soviel kosten und leichter einzubauen sind. In der Zeitschrift Walls & Ceilings (Wände und Decken) wurde einmal auf eine Zehnjahresperiode, die 1969 endete, Bezug genommen. In dieser Zeitschrift, die damals zugunsten der Stuckindustrie schrieb, hieß es: „Ein ganz bestimmtes Produkt, nämlich die Gipskarton- und Gipsfaserplatten, hat unser Produkt um das Eintausendfünfhundertfache [gemeint sind Prozent] überflügelt, obwohl unsere Industrie Millionen von Dollar zur Förderung ausgegeben hat.“

Wieso dieser drastische Zuwachs? Robert L. Whittle, der stellvertretende Vorstand des International Wall and Ceiling Contractor’s Technical Committee, gibt zur Antwort: „Hohe Löhne und begrenzte Verwendungsmöglichkeiten des konventionellen Stucks haben die Industrie fast ruiniert. Da nahezu überall in den Vereinigten Staaten der Tageslohn für das Auftragen des Putzes mehr als 80 $ beträgt, wurde diese ehemals preiswerte Gebäudeverkleidung zu einem Luxus, den sich nur wenige leisten können.“

Dennoch wurden Anstrengungen unternommen, um die Kosten zu senken. Anstelle der herkömmlichen Methode, den Mörtel mit der Hand aufzutragen, verwendet man jetzt große Putzmaschinen, mit denen man den Mörtel an die Wand wirft; gleich anschließend wird er von Arbeitern verstrichen und geglättet. Außerdem hat man leichte und besonders schallschluckende Putzarten entwickelt. Es wurden auch andere bedeutende Fortschritte gemacht. Die Verwendung von kompakten Putzschichten, die in einer einzigen dünnen Lage auf eine Art Gipskarton- oder Gipsfaserplatte aufgetragen werden, ist 1975 gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent gestiegen und steigt weiterhin jedes Jahr. Viele betrachten das als die Rettung des Stukkaturhandwerks.

Vorteile und Nachteile

Doch besteht ein Faktor, der für einige überraschend ist. Wie Studien über Wandverkleidungen anzeigen, erweist sich bei einem Vergleich der Anschaffungspreise, der Unterhaltskosten und der nutzbaren Lebensdauer der herkömmliche Stuck gewöhnlich als wirtschaftlicher als die ersatzweise verwendeten Materialien.

Wenn dem so ist, warum verwendet man dann nicht viel öfter Stuck? Ganz einfach. Die anderen Materialien haben geringere Anschaffungskosten. Die Einbauzeit ist kürzer. Bei Wohnhochhäusern stellt man auch fest, daß die neueren, leichteren Materialien helfen, Baustahl einzusparen. Mit Hilfe dieser Materialien kann der Vermieter auch die vermieteten Räume eher beliebig unterteilen, da die Wände mit geringeren Schwierigkeiten als verputzte Wände versetzt und wieder befestigt werden können. Zweifellos bieten die modernen Methoden bedeutende Vorteile.

Allerdings gibt es auch Nachteile. Viele bedauern, daß bei modernen Gebäuden die Arbeitsqualität und der Umfang von Handwerksarbeiten nachgelassen haben. Nirgendwo tritt das so deutlich zutage wie bei öffentlichen Gebäuden. Ältere Gebäude, die mit Stuckornamenten ausgestattet sind, werden durch größere Gebäude ersetzt, die oft architektonisch nicht so ansprechend sind.

Man denke einmal an das Justizgebäude des Verwaltungsbezirks Hudson (New Jersey, USA), das 1910 erbaut wurde und überreich an Rundbauten und kunstvollen Arbeiten ist. 1966 wurde es durch ein großes typisches Amtsgebäude ersetzt, über das man im New York Times Magazine lesen kann: „Das neue Gebäude kostete 14 Millionen, und das alte wurde für 3 Millionen gebaut — ein beredtes Zeugnis für Preissteigerung. Für die 3 Millionen Dollar bekam man damals grünen und blaßgrauen italienischen Marmor [einschließlich Stuckornamenten]; ein halbes Jahrhundert später bekam man für 14 Millionen Dollar Beschichtungen, die so dünn wie Papier sind, ferner Kunststoff und auch Aluminium, das wie Blech aussieht.“ Man könnte eine Unmenge von Beispielen dieser Art anführen.

Das soll natürlich nicht heißen, daß moderne Gebäude — ob sie nun mit Gipskarton- oder Gipsfaserplatten, den neuesten Gipsmaterialien oder anderen Wandverkleidungen ausgestattet sind — durchweg in der Qualität schlechter sind als die früher errichteten Gebäude. Viele sind für die neuen architektonischen Stilrichtungen eingenommen, da sie sie als eine Verbesserung gegenüber den überladenen Verzierungen, dem „Flitterkram“, einiger älterer Stilrichtungen ansehen. Außerdem ziehen viele Personen Nutzen aus den preiswerteren Wohnmöglichkeiten, die die Architektur heute bieten kann.

Ganz gleich, welche Ansicht wir über moderne Konstruktionen haben, können wir dankbar sein für die erstklassigen Stuckarbeiten vergangener Zeiten, wobei wir uns gleichzeitig dessen bewußt sind, daß sie sich im gegenwärtigen Wirtschaftssystem nie in einem größeren Ausmaß wiederholen werden. Obwohl die Stuckarbeit im Schwinden begriffen ist, wird sie dennoch eines der großartigsten Handwerke bleiben.

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