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Erwachet! 1978
g78 8. 5. S. 9-11

Widerspricht das dänische Recht der Gewissensfreiheit?

Vom „Awake!“-Korrespondenten in Dänemark

STEHT das dänische Gesetz im Widerspruch zu einem international anerkannten Freiheitsprinzip? Ein Urteilsspruch, den das Oberste Gericht von Dänemark vor einigen Monaten verkündet hat, scheint diese Frage zu bejahen.

Dieses Freiheitsprinzip ist in dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte enthalten, dem Dänemark 1971 beigetreten ist. Danach darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, derentwegen er bereits verurteilt worden ist, erneut bestraft werden.

Doch das Oberste Gericht hat entschieden, daß jemand wegen ein und derselben Straftat zweimal bestraft werden darf. Das Urteil betrifft Personen, die den Wehrdienst und den Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen ablehnen.

Der Rechtsfall

Der junge Ingenieur, ein Zeuge Jehovas, um den es in diesem Fall geht, mußte sich zuerst vor einem unteren Gericht verantworten. Weil er die Gesetze Gottes sehr ernst nahm, lehnte er es aus Gewissensgründen ab, Wehrdienst oder Wehrersatzdienst zu leisten.

Das Gericht verurteilte den jungen Mann zu einer Gefängnisstrafe. Nach Verbüßung der Strafe wurde er wieder zum Wehrdienst einberufen. Er beharrte auf seiner Einstellung, die ihm sein Gewissen und sein Glaube an die Gesetze Gottes diktierte, und verweigerte den Einberufungsbefehl. Das Gericht verurteilte ihn erneut, und zwar zu einer noch längeren Freiheitsstrafe — zu acht Monaten.

Gegen dieses Urteil legte er jedoch Berufung ein. Darin wies er auf den Grundsatz hin, daß niemand wegen einer strafbaren Handlung zweimal bestraft werden darf. Das Berufungsgericht vermied es, den strittigen Grundsatz anzuerkennen oder abzulehnen. Aber es verkürzte die Freiheitsstrafe auf drei Monate.

Nun erhob der Berufungskläger beim Obersten Gericht Einspruch gegen dieses Urteil. Er forderte die Aufhebung des Urteils mit der Begründung, daß er schon einmal bestraft worden sei und daß das ausreichen sollte. Eine weitere Strafe verletze den Grundsatz, mit dem sich Dänemark einverstanden erklärt habe, als es den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet habe.

Wie andere Länder das Problem gelöst haben

In der Verhandlung vor dem Obersten Gericht wies der Verteidiger des jungen Mannes darauf hin, daß eine Reihe von Ländern ihren Standpunkt in der Frage der Wehrdienstverweigerer geändert haben. Vor Jahren wurden die Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen, die Zeugen Jehovas waren, in vielen Ländern zu langen Freiheitsstrafen verurteilt.

Manchmal wurden die Zeugen erneut einberufen und dann zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt. Das wiederholte sich immer und immer wieder. Viele brachten deshalb zehn bis zwanzig Jahre im Gefängnis zu.

Aber in manchen Ländern, besonders in Ländern der westlichen Welt, entwickelte sich allmählich eine Abneigung gegen diese hohen Strafen. Man sah ein, daß es unvernünftig war, junge Männer, die nur wegen ihres Glaubens und Gewissens mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, ins Gefängnis zu schicken.

Deshalb hat man vielerorts begonnen, die Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen anders zu behandeln. In den Niederlanden zum Beispiel werden Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen, die getaufte Zeugen Jehovas sind, nicht mehr verurteilt. In Schweden ist man dazu übergegangen, Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen, die Zeugen Jehovas sind, nach einer Untersuchung von der Wehrpflicht zu befreien. Nach diesem Prinzip wird seit elf Jahren vorgegangen, und die vor kurzem durchgeführten Untersuchungen haben zu dem Vorschlag geführt, Jehovas Zeugen in Zukunft gar nicht mehr zum Wehrdienst einzuberufen.

Erwähnt wurde auch der Entscheid des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Gericht entschied vor mehreren Jahren, daß es nicht statthaft ist, Zeugen Jehovas wegen derselben Tat mehrmals zu bestrafen. Dieser Entscheid stützte sich auf den Rechtsgrundsatz ne bis in idem, was bedeutet: In einer Strafsache, die materiell rechtskräftig abgeurteilt ist, darf kein neues Verfahren eröffnet werden.

Auch Griechenland hat vor kurzem angefangen, die Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen anders zu behandeln. Ein Gesetz, das verlangt, daß Personen, die den Wehrdienst aus Gründen der Religion und des Gewissens verweigern, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, bestimmt auch, daß solche Wehrdienstverweigerer, nachdem sie die Gefängnisstrafe verbüßt haben, vom Wehrdienst befreit werden.

Der Verteidiger fragte daher das Oberste Gericht von Dänemark: „Wie kommt es, daß in Deutschland Jehovas Zeugen aufgrund dieses Rechtsgrundsatzes befreit werden, in Dänemark dagegen nicht?“

Das Gesetz unrichtig ausgelegt

Vor Gericht wurde der Gedanke geäußert, daß das dänische Parlament vielleicht keine Kenntnis davon hatte, daß der Rechtsgrundsatz über die Mehrfachbestrafung in dem Internationalen Pakt, den Dänemark ebenfalls unterzeichnet hat, verankert ist. Hätte es davon Kenntnis gehabt, dann hätte es im Jahre 1975 der Änderung des Wehrgesetzes, durch die jetzt die Möglichkeit einer Mehrfachbestrafung gegeben ist, wahrscheinlich nicht zugestimmt. Das Gesetz wäre dann anders formuliert worden, nämlich in Übereinstimmung mit dem vorzüglichen Rechtsgrundsatz über die Mehrfachbestrafung, der im Internationalen Pakt verankert ist.

Das geänderte dänische Wehrgesetz läßt eine Mehrfachbestrafung von Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen zu. Aber in Anbetracht des Paktes sollte — wie der Verteidiger vor Gericht ausführte — dieses Gesetz nicht in der Weise ausgelegt werden.

Er stellte auch die Frage, ob es nicht die Aufgabe des Innenministers (der die Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen zweimal einberuft) und des Justizministers (der zweimal Anklage gegen sie erhebt) sei, dafür zu sorgen, daß das Gesetz nicht falsch ausgelegt werde.

Achtung vor den Menschenrechten

Heute werde auch international Achtung vor den Menschenrechten gefordert, wurde dem Gericht erklärt. Das sei ein Hauptanliegen in der ganzen Welt geworden. Ob sich deshalb ein Land wie Dänemark in der Frage der Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen nicht auch an die Grundsätze halten sollte, die die Menschenrechte schützten, so wie es Schweden, die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland getan hätten?

Es wurde darauf hingewiesen, daß die Frage der Menschenrechte auch die Mißhandlung der Zeugen Jehovas einschließt. Professor Erik Siesby von der Universität in Kopenhagen erwähnte in seinem Gutachten, das er vor Gericht abgab: „Die Behandlung von Wehrdienstverweigerern, besonders von Personen, die, wie die Zeugen Jehovas, den Wehrdienst aus Gewissensgründen ablehnen, ist gegenwärtig das Thema internationaler Untersuchungen und Gespräche.“

Professor Siesby erklärte, daß der Fall vor dem Obersten Gericht von Dänemark „die Aufmerksamkeit des Auslandes erregen wird und daß das Urteil eine wichtige Auslegungsgrundlage — unter anderem in Verbindung mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte — werden wird“.

Ja, andere Staaten werden sehen, wie Dänemark seine Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen behandelt. Und Staaten, die den Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet haben, mögen Dänemarks Entscheid als Präzedenzfall (allerdings ist es ein ganz ungeeigneter) für die Behandlung der eigenen Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen ansehen.

Warum zweimal bestraft?

Warum werden Jehovas Zeugen in Dänemark für ein und dieselbe Tat zweimal bestraft?

Der Verteidiger der Zeugen Jehovas äußerte vor dem Obersten Gericht darüber folgendes: „Die Mehrfachbestrafung von Personen, die den Wehrdienst aus religiösen Gründen verweigern, kann rational als Zweifel der Behörden an der Festigkeit, Ernsthaftigkeit und Unerschütterlichkeit der religiösen Überzeugung der Wehrdienstverweigerer gedeutet werden. Dadurch, daß ein Zeuge Jehovas, der seine Strafe wegen Wehrdienstverweigerung verbüßt hat, wieder einberufen wird und ihm eine erneute Bestrafung droht, wird die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß die verbüßte Strafe in ihm eine Sinnesänderung bewirkt hat oder daß die erneute Strafandrohung ihn veranlassen wird, seine Überzeugung aufzugeben oder ihr zuwiderzuhandeln.“

Dem Gericht wurde indessen erklärt, daß Jehovas Zeugen ihre Überzeugung, zu der sie aufgrund der Gesetze Gottes gelangt sind, nicht aufgeben; z. B. hatte der Wehrdienstverweigerer, um den es sich in diesem Fall handelte, während er seine erste Strafe verbüßte, den Wehrbehörden einen Brief geschrieben, der vor Gericht vorgelesen wurde. Darin hieß es unter anderem: „Ich werde meinen Standpunkt nicht ändern, selbst wenn Sie mich zu mehreren hundert Jahren Gefängnis verurteilen.“

Die Mehrfachbestrafung hat auch den Nachteil, daß sie größere Unruhe in das Leben des Betroffenen bringt als eine zusammengezogene Strafe. Nachdem er die Strafe verbüßt hat, kann er wieder ein normales Leben führen. Dagegen haben Mehrfachbestrafungen zur Folge, daß der Betroffene ständig in Ungewißheit lebt, was sich außerordentlich störend auf sein Leben auswirkt.

Der niederländische Jurist Hein van Wijk, der als europäische Kapazität auf dem Gebiet der rechtlichen Behandlung von Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen gilt, sagte, bei der Mehrfachbestrafung spiele man sozusagen mit den Wehrdienstverweigerern wie die Katze mit der Maus.

Urteilsfindung

Die Berufungen und Beweisführungen erwiesen sich als erfolglos. Das Oberste Gericht von Dänemark fällte ein Urteil, in dem es die Urteile der unteren Gerichte stützte. Der Schuldspruch blieb bestehen.

Das Gericht setzte auch die Freiheitsstrafe von drei wieder auf acht Monate hinauf. Und dem Angeklagten wurden außerdem die Gerichtskosten auferlegt.

Zeigt dieses Urteil des Obersten Gerichts von Dänemark, daß das dänische Recht die Grundsätze des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verletzt? Verletzt das Urteil außerdem das, was man allgemein als anständig empfindet? Unparteiische Beobachter bejahen diese Fragen.

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