Kinder von heute — Welt von morgen
Wie wird sie aussehen?
„SCHULKINDER DÜRFEN NUR EINZELN EINTRETEN“. Dieses Schild befand sich an der Tür eines Süßwarengeschäftes in England. Die Kinder stahlen so viel, daß der Geschäftsinhaber sie einzeln beobachten mußte. Eine Zeitung schrieb dazu folgendes:
„Aus den umliegenden Schulen, die durchaus repräsentativ sind, kommt jeden Tag eine Rotte der flegelhaftesten, selbstsüchtigsten und lautesten Sorte von Kindern, die es je gab. Sie bahnen sich durch Schubsen und Rempeln ihren Weg zu den Bussen, rufen Obszönitäten über die Straße und betrachten das Klauen als etwas Großartiges, sofern sie nicht dabei erwischt werden.“
Ein Lehrer an einer von Englands fortschrittlichen Schulen mit „open classrooms“ (Unterricht ohne festgelegten Stundenplan) prangerte den Rektor an mit den Worten:
„Sie haben eine Atmosphäre der totalen Zügellosigkeit und Selbstgefälligkeit geschaffen. Jeder tut das, was ihm im Moment Spaß macht. Chaos und Anarchie herrschen vor. Disziplin wird als etwas Altmodisches belächelt. Die Kinder werden dazu verleitet, sich auf eine Weise zu betragen, die für sie schädlich ist, ob es nun darum geht, etwas zu lernen oder sich sozial zu verhalten. Sie wachsen zu ungebildeten, selbstsüchtigen, unverschämten, ... faulen und kraftlosen Menschen heran.“
Diese Berichte liegen drei bis vier Jahre zurück. In einem Bericht aus dem vergangenen Jahr wird keine Wende angedeutet. Es heißt darin unter der Überschrift „Britanniens leidgeprüfte Schulen“, der Mangel an schulischen Leistungen sei erschreckend. Die Schüler „verfügen nicht einmal über das geringste Maß an grundlegenden Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Gedankenaustausch“. Die fortschrittliche Methode mit ihrem Wirrwarr von höchst „modernen“ Fächern wird rundweg als „Schrottplatz der Schulbildung“ bezeichnet.
In Kanada konnte man in den Zeitungen folgende Schlagzeilen lesen: „Die Lesefähigkeit der Schüler läßt nach“, „Keiner fällt mehr durch — High-School-Zeugnisse gelten als bedeutungslos“, „Wenn du willst, daß sie dich leiden können, dann laß sie das Examen bestehen“, „Lehrer klagen über schlechte Moral und über Mangel an Werten bei den Schülern“, „Schulunterricht durch Wandalismus und Gewalttat behindert“.
Berichte aus Australien: Diszipliniertes Verhalten ist rar geworden, deshalb geben Lehrer ihren Beruf auf. Die neuen Lehrer sind nicht so gut wie ihre Vorgänger. Betont werden Freizügigkeit und persönliche Rechte, ganz gleich, wie sich das auf die Gesellschaft auswirkt. Hunderte von Schülern werden durch Ausübung von Druck und manchmal auch mit Gewalt dazu gezwungen, sich dem Alkohol- oder Drogengenuß hinzugeben.
Im Schulsystem der Sowjetunion tritt Parteilichkeit zutage. Die Qualität des Schulunterrichts ist sehr unterschiedlich — auf dem Lande schlecht, in den Städten gut. Doch überall wachsen die Schüler zu Zynikern heran: „Der typische Schüler glaubt an nichts.“ Durch Bestechung verschaffen sich die Schüler Zutritt zu den begehrtesten Schulen, und es gibt einen blühenden Schwarzmarkt für Bücher.
Eine scheinbare Ausnahme bildet China. Besucher sind beeindruckt von dem höflichen, disziplinierten Betragen der Kinder. Die Schüler heißen sie mit Gesang und Tanz willkommen. Der Unterricht ist beeindruckend. Drogenprobleme gibt es offensichtlich nicht. Allerdings scheinen solche Besichtigungstouren gut geplant und sorgfältig überwacht zu werden. Ein Reporter verließ einmal die reguläre Route und fand in der Toilette eine Gruppe von Kindern vor. Ungeniert ging ein Junge auf ihn zu, stellte sich vor ihn hin und urinierte. Dann wandten sich auch die anderen dem Besucher zu und taten das gleiche. Daraus schloß er, daß bei den Touren „gewisse Dinge eigens zur Vorführung vorbereitet werden“.
In Japan klagen die Lehrer über schwache schulische Leistungen. Gewalttätigkeit und Wandalismus sind weit verbreitet. Ein Beispiel: Dreißig Teenager, darunter auch fünf Mädchen, schlugen sechs Lehrer mit Holzstangen und Bambusstöcken und zerschlugen in der Schule Fenster und Glastüren. Doch das Besondere an den japanischen Schulen sind die Prüfungen. In den öffentlichen Schulen wird verlangt, daß sich die Schüler strengen Tests unterziehen, bevor sie eine weiterführende Schule oder eine Universität besuchen — und in eine gute Schule gelangt man nur, wenn man gut abgeschnitten hat. Um in eine Privatschule gehen zu können, muß man schon im Kindergarten Prüfungen ablegen. Die Aufnahmeprüfung für Universitäten dauert Tage, wird als „Prüfungshölle“ bezeichnet und hat jedes Frühjahr mehrere Selbstmorde zur Folge.
Die erstaunlichsten Aufnahmeprüfungen für Universitäten gibt es in Indien. Die indischen Studenten glauben, es sei ihr angestammtes Recht, abzuschreiben und zu mogeln. Im vergangenen Juli gab es bei den Prüfungen an der Universität von Meerut Unruhen. In einem Pressebericht hieß es:
„Gestern wurden zwei Studenten getötet und 40 Personen — einschließlich 30 Polizisten — verletzt, als sich Studenten und Polizisten auf den Straßen Meeruts und in benachbarten Universitätsstädten erbitterte Kämpfe lieferten. In den Prüfungsräumen hielten sich bewaffnete Polizisten auf, um dem Aufsichtspersonal zu helfen, das Mogeln zu verhindern. Erzürnt über die Beraubung ihres ,angestammten Rechts‘, fingen die Studenten an zu toben.
Die gegenwärtigen turbulenten Prüfungen sollen diejenigen ersetzen, die im Februar für ungültig erklärt wurden, weil damals das Abschreiben und Mogeln gigantische Ausmaße erreichte. Das Aufsichtspersonal wurde mit Messern und Dolchen bedroht, während die Schüler von Büchern und Notizen abschrieben. Andere gingen mit den Fragebogen und mit ihrem Schreibzeug in benachbarte Häuser und Gasthäuser, wo Freunde bereitstanden, um ihnen bei der Lösung zu helfen. Außerhalb des Prüfungsraumes wurden die Lösungen im Diktiertempo über die Lautsprecheranlage bekanntgegeben.“
Eine in etwa 20 Ländern durchgeführte Studie, die 9 700 Schulen und 250 000 Schüler erfaßte, offenbarte einen gewaltigen Bildungsunterschied zwischen Schülern in Industrieländern und solchen in unterentwickelten Ländern. Obwohl Schüler in den Industrieländern bereits schlecht genug lesen, schreiben und rechnen, sieht es in den unterentwickelten Ländern noch viel schlimmer aus. Dort ist das Analphabetentum stark verbreitet; die Hälfte der eingeschulten Kinder verläßt nach dem dritten Jahr die Schule wieder.
Was soll aus den Kindern von heute werden? Wie wird die Welt von morgen aussehen?
Denke darüber nach, während du den folgenden Bericht liest, der schildert, was in den Schulen eines der bedeutendsten Länder der Welt vor sich geht.