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  • Berührung mit dem „Reich der Mitte“
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Erwachet! 1982
g82 22. 5. S. 24-27

Berührung mit dem „Reich der Mitte“

JAHRELANG hatte ich davon geträumt, eine Reise in das „Reich der Mitte“ zu machen. Wo dieses Reich liegt, möchtest du wissen? Das ist der Name, den die Chinesen ihrem Land gegeben haben. Der Name verrät die traditionelle chinesische Weltanschauung, die nur das e i n e Reich China kannte, um das herum die anderen Länder bestanden. Viel mehr Leute, als allgemein angenommen wird, sind schon mit dem „Reich der Mitte“ in Berührung gekommen. So sind die Chinesen die Erfinder des Papiers und des Druckens. Auch der Papierdrachen, den die Kinder bei günstigem Wind so gern steigen lassen, stammt ursprünglich aus China. Und was wir Spaghetti und Ravioli nennen, war chinesischen Feinschmeckern zuerst bekannt. Weitere Erfindungen des „Reiches der Mitte“ sind das Porzellan und das Schießpulver.

Meine Frau und ich waren vier Jahre auf Taiwan als Missionare tätig, doch mich interessierte das chinesische Festland schon immer. Schließlich erhielt ich Gelegenheit, meine Neugierde zu befriedigen. Ende 1978 erteilte man mir die Genehmigung, zu Geschäftszwecken nach China einzureisen. Ich wählte die lange Flugroute über den Stillen Ozean. Als sich das Flugzeug Peking näherte, ließ der Gedanke an das, was mich dort erwartete, mein Herz höher schlagen: Bald würde ich in Peking Pekingente essen, auf der Chinesischen Mauer spazierengehen und — wenigstens in bescheidenem Maße — das Land kennenlernen, dessen Bewohner ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Endlich sollte ich mit dem „Reich der Mitte“ näher in Berührung kommen.

Eine Milliarde Menschen

Seit jener ersten Reise sind einige Jahre vergangen. Aber die Tage, die ich mit der Besichtigung der Ming-Gräber und der „Verbotenen Stadt“ (Kaiserpalast in Peking) zubrachte, sind mir unvergeßlich geblieben. Auch die Fahrten auf dem Jangtse und die Bergtouren im Himalajagebirge waren Höhepunkte meines Lebens. In diesem geschichtsträchtigen Land entdeckte ich aber etwas viel Bemerkenswerteres als den Mount Everest im Süden und die Chinesische Mauer im Norden: die Bevölkerung dazwischen — eine Milliarde Menschen, die Bewohner des „Reiches der Mitte“.

Jahrelang wechselten die Chinesen kaum ein paar Worte mit den wenigen Ausländern, die ihr Land besuchen durften. Nicht, daß sie es nicht gern getan hätten, denn die Chinesen sind von Natur aus gesellig und gastfreundlich. Aber wegen der politischen Situation waren sie ängstlich. Glücklicherweise ist jene Zeit im großen und ganzen überwunden. Ein kleiner Verdauungsspaziergang nach dem Essen entwickelt sich zu einem großen Ereignis. Schon nach wenigen Minuten ist der Fremde von vielen Neugierigen umringt. Sie möchten ihn sehen und mit ihm sprechen. So wird der Besucher selbst zum Gegenstand der Besichtigung.

Nichts fasziniert die Chinesen mehr, als mit einer Sofortbildkamera fotografiert zu werden. Hat der Fremde den ganzen Film verknipst, muß er damit rechnen, etwa 400 enttäuschten Chinesen erklären zu müssen, was los ist.

Als ich mich in der Provinz Szetschuan aufhielt, gingen wir, meine Freunde und ich, eines Abends ins Theater — ins chinesische natürlich. Doch dann stellte ich fest, daß ich das Stück schon gesehen hatte. Da ich wußte, wie gespannt die Zuschauer die Vorgänge auf der Bühne verfolgen, beschloß ich, mich ganz hinten auf ein niedriges Mäuerchen zu setzen und die Theaterbesucher während der Vorstellung zu beobachten. Als ich ihre strahlenden, freundlichen Gesichter betrachtete, mußte ich unwillkürlich daran denken, wie zäh doch diese Leute sind. Sie haben Schweres durchgemacht und sind auch heute noch sehr arm. Aber sie sind lebensbejahend. Sie finden, es gehe ihnen jetzt im Verhältnis zu früher sehr gut.

Bald sprach mich ein Student an: „Entschuldigen Sie bitte, darf ich fragen, woher Sie kommen?“ Ich beantwortete ihm die Frage, worauf er sagte, er freue sich, daß wir jetzt nach China einreisen dürften, und die Chinesen würden es sehr begrüßen, Ausländer in ihrem Land zu sehen. Er meinte, sie würden sich durch unser Interesse an ihrer Kultur geehrt fühlen.

Natürlich ist das nur eine stark gekürzte Wiedergabe des ziemlich langen und interessanten Gespräches. Was mir an diesem jungen Mann so gefiel, war seine Aufrichtigkeit. Für mich endete das Gespräch viel zu schnell, aber bevor wir uns verabschiedeten, bestand er darauf, mir noch eine Tasse heißen Tee zu bringen.

Denkwürdige Gespräche

Der Besucher erhält im „Reich der Mitte“ nicht oft die Gelegenheit, mit den Leuten tiefgründige Gespräche zu führen, doch es ist möglich. Die beste Gelegenheit ergibt sich in der Regel beim Essen — nicht bei förmlichen Festessen, sondern wenn man irgendwo an einem abgelegenen Ort mit nur wenigen Personen eine einfache Mahlzeit einnimmt.

Ich erinnere mich an ein denkwürdiges Gespräch, das ich einmal in einem Winter hoch oben auf einem Berg im Innern Chinas führte. Unsere kleine Gruppe war den ganzen Tag gewandert, und als es Abend wurde, suchten wir in einem halbverlassenen buddhistischen Tempel Unterschlupf. Der Tempel wurde nur ab und zu von einem Tibeter aufgesucht, der von weit her kam, um hier vor den paar Reliquien Andacht zu halten, die der Säuberungsaktion entgangen waren. Der Tempelhüter begrüßte uns. Dann zauberte er eine einfache, aber köstlich schmeckende Mahlzeit auf den Tisch, worauf wir begannen, uns miteinander zu unterhalten.

Wir sprachen über verschiedene Themen, aber die angeregteste Unterhaltung drehte sich um die Bibel. In unserer Gruppe war ein junger Student, der eine Menge politische Schlagworte im Kopf hatte, die er jedesmal zum besten gab, wenn er merkte, daß das Gespräch den „zulässigen Rahmen“ überschritt. Als er schließlich sämtliche Zitate von sich gegeben hatte, erhielten die anderen Gelegenheit, sich zu äußern und Fragen zu stellen.

Es war herrlich, mit diesen Menschen über Jehova zu sprechen. Die Älteren kannten den Namen „Jehova“ aus der Zeit vor der kommunistischen Revolution und wußten, daß es der Name Gottes war. Wieso? Weil in den Hebräischen Schriften der chinesischen Bibel der Name Gottes Tausende von Malen vorkommt. Es war ergreifend, zu sehen, wie ihre Gesichter zu strahlen begannen, als wir über ein Thema sprachen, das jahrelang tabu gewesen war.

Ich machte die Erfahrung, daß man mit Ausländern, die sich in China aufhalten, besonders aber mit solchen, die dort wohnen, ebenfalls interessante Gespräche führen kann. Es sind Diplomaten, ausländische Spezialisten, die die Regierung angeworben hat, Pressevertreter und ausländische Geschäftsleute.

In Peking und Schanghai sind in einigen Hotels speziell für Ausländer Kaffeestuben eingerichtet worden, und da es in diesen Städten sozusagen kein Nachtleben gibt, suchen viele Ausländer diese Lokale Abend für Abend auf. Wenn man abends eine solche Kaffeestube betritt, glaubt man, unter lauter Filmgestalten zu sein. Außerdem sind fast immer texanische Geschäftsleute aus der Erdölbranche dazwischen — samt Cowboyhut und -stiefeln. Auch Sikhs mit ihren Turbanen (Angehörige einer indischen Religionsgemeinschaft) und Afrikaner in ihren verschiedenartigen Nationaltrachten trifft man hier. Ich hatte in der Kaffeestube des berühmten Friedenshotels in Schanghai einmal ein interessantes Erlebnis.

Der „Frieden“ ist ein elegantes altes Hotel, antik eingerichtet und kunstvoll verziert, so daß man an die Zeit erinnert wird, in der Schanghai eine ebenso glanzvolle Stadt war wie Paris, Rom und New York. Zwei große Russen betraten die Kaffeestube, und da nur noch an meinem Tisch zwei Stühle frei waren, lud ich sie ein, bei mir Platz zu nehmen. Es stellte sich heraus, daß es sich bei den beiden um zwei hochgestellte Sowjetdiplomaten handelte, die bei der chinesischen Regierung akkreditiert waren. Wir konnten uns nur mit Hilfe der chinesischen Sprache verständigen, doch das Gespräch wurde sehr interessant.

Als sie einiges über mich erfahren hatten, wollten sie wissen, welcher Religionsgemeinschaft ich angehörte, denn sie staunten, daß ich etliche Jahre als Missionar auf Taiwan war und dann in einem Land, das sie als Feind Taiwans ansahen, geschäftlich tätig sein konnte. Sie hatten die Erfahrung gemacht, daß die meisten Leute, die eine starke religiöse Überzeugung hatten, auch in der Politik eine ganz bestimmte Richtung vertraten und ihnen daher so etwas nicht möglich wäre.

Ich erzählte ihnen, daß ich Zeuge Jehovas sei und mich politischen Angelegenheiten gegenüber vollständig neutral verhalten würde. Ich erklärte, daß ich die Bevölkerung Taiwans genauso liebe wie die übrigen Chinesen. Sie entgegneten: „Sagen Sie uns bitte den Namen Ihrer Religionsgemeinschaft noch einmal, aber auf englisch.“ Das tat ich, worauf sie meinten: „Ach so! In unserem Land gibt es auch viele von Ihren Leuten. Bitte erzählen Sie uns noch mehr. Erklären Sie uns den Unterschied zwischen Ihrem Glauben und dem der Baptisten.“

Nach einem zweistündigen Gespräch, in dem auch viel über die christliche Liebe und Neutralität gesprochen wurde, sagten die beiden Männer: „Sie wissen gar nicht, wie dankbar wir Ihnen sind, daß Sie uns das alles erklärt haben. Erst jetzt verstehen wir den Standpunkt der Zeugen Jehovas.“ Es war fast Mitternacht geworden. Nachdem sie mich herzlich zu einem Essen in der sowjetischen Botschaft eingeladen hatten, verabschiedeten wir uns, und ich fuhr im Taxi in mein Hotel zurück.

„Eindrucksvoller als die chinesische Mauer“

Es ist schwierig, etwas über das heutige China zu sagen, ohne den Eindruck zu erwecken, man befürworte oder kritisiere die Regierung. Ich möchte natürlich weder das eine noch das andere tun. Es gibt jedoch wenigstens zwei positive Aspekte, die es wert sind, beachtet zu werden.

China ist seit Jahrtausenden ein Agrarland, und es bereitet Genugtuung, zu sehen, daß dieses Land jetzt besser imstande ist, sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen, so daß es nicht mehr zu den großen Hungersnöten kommt, von denen es früher heimgesucht wurde. Der zweite Faktor sind die Tausende von Landärzten oder Barfußärzten, die ausgebildet worden sind, um die Massen medizinisch zu betreuen. Diese Fortschritte auf dem Sektor der Nahrungsmittelerzeugung und des Gesundheitswesens sind nach meiner Meinung Chinas größte Leistungen in neuerer Zeit — weit eindrucksvoller als die Chinesische Mauer und sicherlich weit wichtiger als die Erfindung des Papiers und der Papierdrachen.

China übt einen starken Reiz aus. Seit der Zeit Marco Polos lockt es die Abendländer, das „Reich der Mitte“ zu sehen. Ich erhielt schließlich die Gelegenheit dazu. Und ich habe gemerkt, daß dieses riesige, dichtbevölkerte Land mich tief berührt hat. Durch die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, ist mein Verständnis für die Menschheit gewachsen. Ich bezweifle, daß ich jemals wieder so denken werde, wie ich früher gedacht habe. (Eingesandt.)

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