Wäre eine Scheidung nötig gewesen?
IN VIELEN Ländern hat sich in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Ehescheidungen drastisch erhöht. Auch das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat einen Anstieg der Zahl der Ehescheidungen, die nach der Einführung des neuen Scheidungsrechts zunächst rückläufig war, festgestellt: Von 1978 bis 1980 stieg die Zahl der Scheidungen von 32 462 (20,8 je 10 000 bestehende Ehen) auf 96 222 (61,5 je 10 000 Ehen).
Warum kommt es zu so vielen Scheidungen? Woran zerbrechen die Ehen heute? „Hunderte, ja Tausende verschiedene Dinge sind dafür verantwortlich“, schreibt Morton Hunt in seinem Buch The World of the Formerly Married (Die Welt der Geschiedenen). Als Hauptgründe zählte er auf: unterschiedliche Ansichten über die Finanzen, Beherrschung des Partners, Ehebruch, Alkoholismus, Unvereinbarkeit der Charaktere, mangelndes Interesse am Familienleben, kulturelle Gegensätze, seelische Unreife, der Einfluß von Verwandten und Unzufriedenheit im intimen Zusammenleben. Natürlich könnten noch viele weitere Gründe aufgezählt werden, denn einfach ist die Sache nicht.
Wenn sich beim täglichen Zusammenleben die Fehler des Partners zeigen, nehmen Liebe und Zuneigung immer mehr ab. Frustrationen und Enttäuschungen werden größer. Glück und Harmonie weichen Streitereien und Spannungen. Anstelle von Vertrauen und Liebe wachsen Argwohn und Groll. Die Situation wird unerträglich.
Scheidungswillige, die sich einer unbefriedigenden Ehe entledigen möchten, sagen manchmal: „Wir haben es versucht, aber es hat nicht geklappt. Wir schaffen es einfach nicht. Warum also die Qual einer solchen Ehe verlängern? Der Scheidung haftet heute kein Makel mehr an. Ist es daher nicht besser, sich scheiden zu lassen, als unglücklich verheiratet zu sein?“
Auf einige Fälle mag das zutreffen. Wenn zum Beispiel der Ehepartner ein außereheliches Verhältnis anknüpft und es nicht bereut, mag eine Scheidung angebracht sein (Mat. 19:9).
Zahllose Geschiedene haben jedoch aus ihrer bitteren Erfahrung gelernt, daß eine Scheidung die Probleme nicht immer löst.
Eine schmerzhafte Erfahrung
Die Ehescheidung ist oft eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Man könnte sie mit einer Operation vergleichen, die schlimme Narben hinterläßt. Wie Untersuchungen zeigen, steht die Scheidung an zweiter Stelle nach dem Tod eines Ehepartners, was den Streß für die Beteiligten betrifft.
Die in Brisbane (Australien) erscheinende Zeitung Telegraph zitierte folgende Worte eines in Scheidungsprozessen tätigen Anwalts: „Eine Scheidung ist so schlimm wie der Tod eines nahen Angehörigen. Geschiedene erleben eine Zeit des Schmerzes und der Trauer, ja sie haben die gleichen Empfindungen, wie wenn sie den Partner durch den Tod verloren hätten.“
Man mag denken, jede Änderung sei zum Besseren, wenn man einen Ehepartner hat, den man als „unmöglich“ empfindet, und wenn die Familienverhältnisse miserabel sind. Vielleicht sehnt man sich nach Freiheit und danach, wieder das Leben eines „Single“ zu führen. Doch die Sache ist nicht ganz so einfach. Der Soziologe Robert Weiss sagte: „Die Leute müssen begreifen, daß die Ehescheidung eine schwere Operation ist.
Äußerungen wie diese deuten an, wie schmerzhaft die Lösung von Bindungen sein kann. Zu den Bindungen zwischen Mann und Frau zählen körperliche, seelische, geistige und in einigen Fällen auch spirituelle. Alle diese Bindungen zu lösen kommt tatsächlich einer „schweren Operation“ gleich. Verwunderlich ist das nicht, wenn man bedenkt, was Gott, der Allmächtige, der Begründer der Ehe, sagte, nachdem er die erste Ehe gestiftet hatte: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, und er soll fest zu seiner Frau halten, und sie sollen e i n Fleisch werden“ (1. Mo. 2:24).
Einsamkeit
Es ist keine Kleinigkeit, „e i n Fleisch“ auseinanderzuschneiden. Vielfach führt das zu schweren Depressionen und zum Verlust des Selbstwertgefühls. Eine weitere Folge ist das Gefühl der Einsamkeit.
Die Zweisamkeit gehört zu den Freuden der Ehe. Häufig heiraten ältere Witwer und Witwen wieder, nur um nicht allein sein zu müssen. Wenn sie allein leben, fühlen sie sich zu einsam. Eine Geschiedene sagte: „Am schlimmsten kann einem die Einsamkeit zusetzen.“
Die Bibel zeigt mit deutlichen, nüchternen Worten, wie wichtig eine enge, herzliche Gemeinschaft ist: „Zwei sind besser als einer ... Denn wenn einer von ihnen fallen sollte, kann der andere seinen Mitgenossen aufrichten. ... Überdies, wenn zwei beisammenliegen, so werden sie gewiß warm werden; wie aber kann sich einer allein warm halten?“ (Pred. 4:9-11). Gott selbst sagte, ehe er die erste Frau erschuf: „Es ist nicht gut, wenn der Mensch allein ist. Ich will ihm einen Gefährten [„eine Gehilfin“] geben, der zu ihm paßt“ (1. Mo. 2:18, Die Bibel in heutigem Deutsch).
Sexuelle Bedürfnisse
Als Gott den Mann und die Frau erschuf, verlieh er ihnen auch den Geschlechtstrieb. Er wollte, daß sie ‘fruchtbar seien und viele werden’ würden, und die Ehe sollte für sie eine Quelle des Glücks sein (1. Mo. 1:28).
In den letzten Jahrzehnten hat man jedoch die alten Normen, die für das Geschlechtsleben galten, über Bord geworfen. Nun leiden Millionen Menschen an Geschlechtskrankheiten, ferner gibt es zahllose unerwünschte Schwangerschaften und viele andere Probleme. Ehepartner sind berechtigt, Geschlechtsbeziehungen miteinander zu haben, aber durch die Scheidung verlieren sie die vom biblischen Standpunkt aus legitime und natürliche Möglichkeit, ihre Bedürfnisse zu stillen.
Zu den Problemen der Geschiedenen gehört deshalb das Fehlen der Möglichkeit, die sexuellen Wünsche zu befriedigen. Die Bibel sagt: „Es ist besser, sie heiraten, als daß sie glühende Leidenschaft überfällt“ (1. Kor. 7:9, Pfäfflin).
Bei Personen, die schon einmal verheiratet waren, ist das Verlangen nach Liebe vielfach größer denn je. Einige finden durch Selbstbefriedigung Erleichterung von ihrem geschlechtlichen Verlangen; andere pflegen intime Freundschaften oder gehen gelegentlich mit jemandem vom anderen Geschlecht ins Bett. Viele finden das aber enttäuschend und widerwärtig. Ein solches Verhalten führt zum Verlust der Selbstachtung. Außerdem ist Personen, die Gott wohlgefällig sein möchten, der außereheliche Geschlechtsverkehr nicht erlaubt (Kol. 3:5). Wohl schuf Gott den Menschen mit dem geschlechtlichen Verlangen, aber dieses sollte nur innerhalb der Ehe befriedigt werden (Heb. 13:4).
Wie sich die Scheidung auf die Kinder auswirkt
Auf Kinder, besonders wenn sie noch klein sind, kann sich eine Scheidung verheerend auswirken. Für sie ist die Familie ein warmes Nest, in dem sie sich geborgen fühlen. Trennen sich Vater und Mutter, dann bricht für sie eine Welt zusammen.
Wie sich das auswirkt, zeigt ein Vorfall, über den Dr. Howard Irving in seinem Buch Divorce Mediation berichtet. Ein geschiedener Mann packte an einem Freitagabend das Auto für einen Wochenendausflug mit den Kindern; er wollte mit ihnen zelten. Sein dreijähriges Töchterchen wachte auf, sah, wie er draußen das Auto belud, und begann, hysterisch zu schreien. Mami hatte sie schon verlassen, und nun dachte sie, daß auch Papi das vorhabe.
Dr. Irving schreibt: „Die Scheidung führt einem vor Augen, daß die Liebe sterben kann. Für das Kind, das von der Liebe seiner Eltern abhängig ist, kann das ein erschreckender Gedanke sein. ... Wenn die Eltern, die sich einst liebten, das nun nicht mehr tun, werden sie dann auch als nächstes dem Kind ihre Liebe entziehen?“
Für die meisten Kinder ist die Scheidung ihrer Eltern eine Katastrophe. Fast alle sind unendlich unglücklich. Die Scheidung kann auch bewirken, daß sie sich zu zynischen und harten Menschen entwickeln. Viele Scheidungswaisen werden Problemschüler. Sie zahlen für den Verlust der Geborgenheit in der Familie einen hohen Preis.
Eine in San Francisco durchgeführte Umfrage zeigte, was die Kinder bevorzugen. Sie ergab nämlich, daß 80 Prozent der Scheidungswaisen sagten, es wäre ihnen lieber gewesen, ihre Eltern hätten eine schlechte Ehe geführt, als daß sie auseinandergingen.
Kriselt es in deiner Ehe?
Sollte es in deiner Ehe kriseln, dann denke angestrengt nach. Tu es noch einmal. Könnte deine Ehe gerettet werden, so daß dir und allen übrigen Beteiligten die qualvollen Folgen, von denen wir nur einige wenige besprochen haben, erspart blieben?
Denke daran, wie glücklich ihr während der Verlobungszeit wart. Was ist nachher schiefgegangen? Liegt es an deinem Partner oder an dir oder an beiden? Habt ihr drei der wichtigen Voraussetzungen für eine glückliche Ehe außer acht gelassen: das Gespräch, die Hilfsbereitschaft und die Achtung voreinander? Hast du, selbst wenn du nur zum Teil schuld warst, jeweils gesagt: „Es tut mir leid.“? Schon manch eine Ehe, die am Zerbrechen war, konnte gerettet werden, weil man sich aufrichtig und demütig entschuldigt hat.
Natürlich können die Eheprobleme so kompliziert werden, daß Mann und Frau ohne Hilfe eines Dritten nicht mehr zurechtkommen. Doch wen kann man um Hilfe bitten? Die Zahl der Eheberater ist groß, und ihre Ratschläge sind oft nützlich. Aber da sie keine gemeinsamen Normen haben, mögen sich ihre Ansichten widersprechen. Was benötigt wird, wenn es in einer Ehe kriselt, sind die besten Ratschläge, die aus der zuverlässigsten Quelle stammen. Wo sind sie zu finden?
Die besten Ratschläge über die Ehe stammen von dem Einen, der die menschliche Natur am besten kennt. Jehova Gott, der Allmächtige, schuf den ersten Mann und die erste Frau und vereinigte sie zu einem Ehepaar. Jahrtausendelang konnte er Ehen beobachten. Deshalb führen die Ratschläge, die er in seinem inspirierten Wort, der Bibel, gibt, zum Erfolg. Wenn beide Ehepartner Gottes Ratschläge befolgen, können ernste Eheprobleme vermieden oder, wenn sie auftreten, gelöst werden. Selbst wenn nur ein Ehepartner sich bemüht, die Ratschläge anzuwenden, können gute Ergebnisse erzielt werden.
Unter Jehovas Zeugen gibt es viele Männer und Frauen, die sich in Eheproblemen gut auskennen. Sie können bessere Ratschläge geben als manche andere. Warum? Weil sie sich streng an die besten Normen halten, an die Normen, die Gott in seinem eigenen Wort niedergelegt hat. Wenn es in deiner Ehe kriselt, warum sie nicht zu Rate ziehen? Da sie weder mit dir verwandt noch eng mit dir befreundet sind, ist es ihnen möglich, unparteiisch zu sein.a
Wenn man die Absicht hat zu heiraten
Kann man vielen Eheproblemen schon vor der Eheschließung vorbeugen? Ja, denn bei der Partnerwahl werden manchmal große Fehler gemacht, die sich später rächen.
Die Wahl eines Ehepartners ist entscheidend fürs ganze Leben. Sie kann zu großem Glück führen, aber auch zu großem Leid. Und leider wird heute oft zu früh und überstürzt geheiratet. Die Gefahr, daß Frühehen scheitern, ist mehr als doppelt so groß wie bei später geschlossenen Ehen.
Bist du jung und verliebt? Das mag eine schöne Zeit sein. Aber hüte dich davor, alles durch eine rosarote Brille zu sehen und dabei vielleicht nicht zu bemerken, daß ihr nicht zueinander paßt. Hast du beobachtet, wie dein zukünftiger Ehepartner unter Streß reagiert? Ist er ehrlich, sanftmütig, gütig, selbstlos? Habt ihr vieles gemeinsam? Besteht lediglich eine geschlechtliche Faszination, oder hat er Eigenschaften, derentwegen du ihn respektierst?
Ein äußerst wichtiger Faktor
Um eine glückliche Ehe führen zu können, ist aber noch etwas wichtig: Wird der Urheber der Ehe, Jehova Gott, der Dritte in eurem Ehebund sein? Laßt ihr euch von den vorzüglichen Ratschlägen leiten, die von Gott stammen und in seinem inspirierten Buch, der Bibel, enthalten sind? Er weiß, was erforderlich ist, damit eine Ehe gut geht. Sein Wort zeigt, wie man dieses Ziel mit Sicherheit erreichen kann (Eph. 5:22-33).
Wenn Ehepaare einander wirklich lieben — nicht nur zufolge der geschlechtlichen Anziehung, sondern wegen der Eigenschaften des Partners — und Gott fürchten, wird er der Dritte in ihrem Bunde. Dadurch wird die Ehe gefestigt, denn die Bibel sagt: „Eine dreifache Schnur kann nicht so schnell entzweigerissen werden“ (Pred. 4:12). Für ein Paar, das vorhat zu heiraten, kann es die größte Hilfe sein, wenn es Gott bittet, der Dritte in seinem Bunde zu sein. Auch unglückliche Ehen können so glücklich werden.
[Fußnote]
a Wer weiteren Aufschluß darüber haben möchte, was vom Standpunkt des Schöpfers aus erforderlich ist, um eine glückliche Ehe zu führen, sollte sich das Buch Das Familienleben glücklich gestalten, herausgegeben von der Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, besorgen, entweder von einem Zeugen Jehovas direkt oder indem er an die Herausgeber der Zeitschrift Erwachet! schreibt.
[Herausgestellter Text auf Seite 10]
In den letzten Jahrzehnten hat man die alten Normen, die für das Geschlechtsleben galten, über Bord geworfen.
[Bild auf Seite 11]
Für Kinder sind liebevolle Eltern wie ein warmes Nest, in dem sie sich geborgen fühlen.