Ist ein Atomkrieg unvermeidlich?
Wird die Erde in einem Atomkrieg zugrunde gehen?
HIER soll nicht von einer Vorstellung die Rede sein, die sich irgendeine fundamentalistische religiöse Sekte vom Jüngsten Tag macht. Vielmehr handelt es sich um die nüchternen Schlußfolgerungen von Männern, die sich seit vielen Jahren mit maßgebenden Studien und Regierungsberichten über die katastrophalen Auswirkungen eines Atomkrieges auf das gesamte irdische Leben befassen.
Von Hiroschima ausgehend, muß man sich die entsprechende Vergrößerung vorstellen — eine globale Erschütterung durch 1 000 Megatonnenbomben, die auf die Völker fallen. Das ist das, was man unter einem atomaren Holocaust versteht.
Es ist so schockierend und so betäubend, daß die meisten Menschen versuchen, es aus dem Sinn zu verbannen und so zu tun, als bestünde die Gefahr gar nicht, und mit der Einstellung zu leben: „Laßt uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben.“ Sie werden gegenüber gewöhnlichen Katastrophen gleichgültig. Es scheint keine Rückkehr zu geben. Es ist so, als würde eine übermenschliche Kraft den Menschen zur Selbstvernichtung treiben.
Für die Wissenschaftler gibt es auch nicht die geringste Spur eines Zweifels dafür, daß der Mensch die Macht zur Selbstvernichtung erlangt hat. Doch mit der Menschheit würden auch die Landtiere und die Vögel zugrunde gehen. Die größte Überlebenschance hätten einige Insektenarten, die dann unkontrolliert und plagenartig ausschwärmen würden, um ihren eigenen Untergang zu beschleunigen. Die Pflanzenwelt — einschließlich des Ertrags an Getreide und Gemüse — wäre verwüstet; zuerst die Bäume, zuletzt das Gras. Durch die Bodenerosion würden die Mineralien in die Wasserwege geschwemmt werden, so daß durch ein Wuchern der Algen und Mikroorganismen der Sauerstoffgehalt zur Neige gehen und das noch bestehende Leben im Meer sterben würde. Zusammen mit allen von Menschen geschaffenen Einrichtungen — Wohnhäuser, Fabriken, Energieversorgung und Regierungen — würde sich die natürliche Umwelt drastisch verändern.
Ein Holocaust vollen Ausmaßes hätte mehr als örtliche Folgen. Was würde beispielsweise passieren, wenn die 76 Kernkraftwerke in den Vereinigten Staaten zu den 10 000 Zielen russischer Atombomben gehören würden? Gemäß dem Magazin Scientific American würde durch die Verdampfung eines einzigen Gigawatt-Kernkraftwerkes ein weites Gebiet jahrzehntelang unbewohnbar werden. Dadurch würde die radioaktive Ausschüttung vermehrt werden, die in die Stratosphäre aufsteigt. Sie würde um die Erde kreisen, bis sie Monate und Jahre später herabrieseln würde, um die gesamte Erdoberfläche zu verseuchen. Schon lange vorher hätte die unmittelbare Strahlung das Land, die Luft und die Meere verseucht und wäre in das Gewebe und in die Knochen, Wurzeln, Stengel und Blätter alles Lebenden eingedrungen.
Nach einer Explosion am Boden würden sich Staubwolken in die Stratosphäre erheben, den Planeten verdunkeln und möglicherweise die Erdatmosphäre abkühlen. Dadurch könnte die Ozonschicht geschädigt werden, die die Erde umhüllt und die tödlichen ultravioletten Strahlen des Sonnenlichts ausfiltert. Wenn in der nördlichen Hemisphäre Atombomben mit einer Gesamtsprengkraft von 10 000 Megatonnen detonieren würden, dann würden, so schätzte die National Academy of Sciences, 70 Prozent der dortigen Ozonschicht und in der südlichen Hemisphäre 40 Prozent zerstört. „Wenn nicht ein Großteil der ultravioletten Strahlung der Sonne durch das Ozon absorbiert werden würde“, schlußfolgerten das amerikanische Verteidigungsministerium und das Amt für Energieforschung und Entwicklung, „könnte das bisher bekannte Leben nicht existieren, außer vielleicht im Ozean.“
Zwischen lebenden Organismen und ihrer unbelebten Umgebung, so erkennen Wissenschaftler, besteht eine starke Abhängigkeit. Erde, Wasser und Luft sind zwar die Umwelt für das Leben, aber es hat den Anschein, daß das Leben seinerseits die Umwelt für Erde, Wasser und Luft ist. Dr. Michael McElroy, ein Physiker am Harvard Center for Earth and Planetary Physics, glaubt, daß die dem Leben eigenen Vorgänge wie Geburt, Stoffwechsel und Zerfall den größten Beitrag leisten zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts solch wichtiger atmosphärischer Elemente wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Stickstoff und sogar des Ozongehaltes in der Stratosphäre.
Der „Stoffwechsel“ der Erde hängt also von der Qualität des Lebens darauf ab.
Die Ökosphäre ist ein globales System, in dem eine Vielzahl verschiedener Lebewesen ein ausgeglichenes, sich selbst erhaltendes Ganzes bilden. Die Ökosphäre des Planeten Erde wird sorgsam reguliert. Sie befindet sich im Gleichgewicht und erhält sich selbst aufrecht. Der störende Einfluß darin geht vom Menschen aus. Gegenwärtig zerstört er jeden Tag im Durchschnitt 3 Arten von Lebewesen. Aus Gewinnsucht verschmutzt er beliebige Teile dieser Ökosphäre oder schädigt sie anderweitig. Doch jetzt bedroht er nicht nur einen Teil davon, sondern alles.
Er kann die Erde völlig zerstören.
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UNZÄHLIGE TODESURSACHEN
● Verbrennung durch den Feuerball oder die Hitzestrahlung
● Tod durch die sofortige Strahlung
● Durch die Druckwelle zu Tode geschleudert oder durch umherfliegende Trümmer zerquetscht
● Tödliche Strahlung durch den örtlichen radioaktiven Niederschlag
● Tod durch eine Epidemie
● Verseuchung durch ultraviolette Strahlung von der Sonne nach der Zerstörung der Ozonschicht
● Verzögerte Verseuchung durch Strahlung
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Hilflose Opfer menschlicher Habgier