Nach dem Ausbruch des Chichonal
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Mexiko
ÜBER den Ausbruch des Chichonal im vergangenen Jahr, eines lange untätig gewesenen Vulkans im Südosten Mexikos, berichtete die Presse. Wenig erfahren hat man jedoch über die Erlebnisse der Katastrophenopfer, von denen einige später interviewt wurden.
Diese Augenzeugen erzählten von dem dramatischen Geschehen, in dem sie plötzlich Akteure waren. Abigail erinnerte sich: „Als ich einen gewaltigen Knall hörte, rannte ich zur Haustür und schaute in die Richtung, aus der der Knall kam. Da sah ich, daß der Chichonal Feuer spie. Darauf begann ein zementähnlicher Aschenregen niederzugehen. Wenige Minuten später regnete es Steine, einige so groß wie meine Faust. Etliche der Nachbarhäuser wurden darunter begraben. In benachbarten Siedlungen wurden 400 bis 500 Menschen von der Asche, dem Sand und den Steinen lebendig begraben.“
Esra berichtete über seine Erlebnisse an jenem letzten Märzsonntag: „Als der Vulkan ausbrach, wußten wir nicht so richtig, wie wir uns verhalten sollten. Sollten wir uns sofort auf die Flucht begeben und alles, was uns gehörte, zurücklassen? Wie würden unsere kleinen Kinder einen Marsch durch den dichten Urwald überstehen? Da wir Zeugen Jehovas sind, beteten wir zu Jehova Gott um Führung. Dann beschlossen wir wegzugehen. Unterwegs sahen wir, welche Zerstörungen der Vulkan angerichtet hatte. In dem Dorf Francisco Leon (im Bundesstaat Chiapas) waren Dutzende von Einwohnern verbrannt. Einige hatten die Arme um Bäume geschlungen, und ihr Körper war total versengt. An anderen Stellen, wo die Leute von der Asche und dem Sand begraben worden waren, ragten noch Teile ihrer Leichen aus der dicken Aschen- und Sandschicht hervor. In dem Dorf El Naranjo waren 38 Personen der unerträglichen Hitze zum Opfer gefallen. Doch nicht ein Zeuge Jehovas war umgekommen.“
Eine siebenköpfige Familie hatte ein herzergreifendes Erlebnis, das ihren Glauben an Jehova und ihr Vertrauen zu ihren christlichen Brüdern sehr stärkte. Die Familie konnte von Tapilula aus nicht mehr weiter. Sie hatte schon einen zweitägigen Marsch durch das Gebirge hinter sich und wollte in dem Dorf Nahrungsmittel kaufen, um ihren Marsch dann fortzusetzen. Doch wie entsetzt war sie, als sie im Dorf keinen Menschen mehr antraf, weil alle geflüchtet waren. Zu Fuß hätte sie bis Villahermosa noch vier Tage gebraucht — und das ohne Nahrung! Anderen Zeugen aus jener Gegend war es jedoch gelungen, Villahermosa zu erreichen, und sie berichteten über die Notlage der siebenköpfigen Familie. Dabei äußerten sie die Vermutung, daß sie sich in Tapilula aufhielt. Sofort machte sich ein Bruder mit seinem Kombiwagen auf den Weg, obschon die Straßen mit Asche und Sand bedeckt und fast unpassierbar waren. Er kam jedoch durch, fand die Familie und brachte sie aus der Gefahrenzone heraus.
Liebevolle Hilfe
Am Morgen nach dem Ausbruch wurde im ganzen Land über Radio bekanntgegeben, daß der Chichonal ausgebrochen war. Vom Büro der Wachtturm-Gesellschaft in Mexico City aus telefonierte man sofort nach Villahermosa, der Stadt, die dem Katastrophengebiet am nächsten lag, um zu erfahren, wie die Lage war und was getan werden konnte, um Jehovas Dienern in jenem Gebiet zu helfen. Schon 48 Stunden später trat ein sechsköpfiges Hilfskomitee in Aktion, das dann Tag und Nacht arbeitete. Weder Geld noch Kleidung wurden am dringendsten benötigt, sondern Nahrungsmittel.
Sobald man wußte, was gebraucht wurde, traf man Vorkehrungen, um den notleidenden Familien Nahrungsmittel zukommen zu lassen. Die Gesellschaft überwies den Brüdern in zwei größeren Städten telegrafisch Geld, damit sie Lebensmittel kaufen und diese mit einem Lastwagen nach Villahermosa transportieren konnten. Dort sollten sie dann verteilt werden. Auf diese Weise konnte man wertvolle Zeit sparen. Die prompte Hilfe erinnert an die Maßnahmen, die die Christen im ersten Jahrhundert im Anschluß an das Pfingstfest ergriffen (Apostelgeschichte 4:32). Außer Nahrungsmitteln und Kleidung wurden auch Medikamente verteilt, weil man den Ausbruch von Epidemien befürchtete.
Als unter den Zeugen Jehovas des Landes bekannt wurde, was ihre christlichen Brüder im Katastrophengebiet benötigten, gingen bei der Gesellschaft und beim Hilfskomitee viele Spenden ein, ja es wurde mehr gespendet, als man benötigte. Das Komitee schrieb: „Es ist einfach großartig, wie die Brüder auf die Notlage ihrer Mitchristen reagiert haben. Diese sind nun gut versorgt.“
Vertreter der Regierung besuchten das Katastrophengebiet und räumten mit dem unnötigen Bürokratismus auf, ebenso mit dem Wucher, den man mit Lebensmitteln und anderen Artikeln trieb, die für die Katastrophenopfer gespendet worden waren. Bei ihrer Besichtigung des Katastrophengebiets ordneten sie an, daß die 4 453 obdachlosen Familien aus 16 Dörfern im Umkreis des Vulkans ärztliche Hilfe erhalten sollten sowie Lebensmittel und vorbeugende Medikamente.
Organisierter Auszug
Ein interessanter Aspekt des Auszugs aus dem Gebiet um den Vulkan war die organisierte Art und Weise, wie Jehovas Zeugen ihre Dörfer verließen. Sie gingen nicht einzeln weg, sondern gemeinsam, und die Ältesten übernahmen die Führung. Die Ältesten hielten die Brüder zusammen, und diese schätzten den Geist der Liebe, der Einigkeit und der Zusammenarbeit, der so deutlich zutage trat, ganz besonders.
Das war wieder einmal ein Beispiel dafür, wie wahre Christen durch Liebe vereint sind — was in Notzeiten, wie nach dem Ausbruch des Vulkans Chichonal, jeweils besonders deutlich zu sehen ist. „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter euch habt“, sagte Jesus Christus (Johannes 13:35).