Überbrücke die Kluft durch ein Gespräch
JEDERMANN unterhält sich einmal. Es ist also einfach, ein Gespräch zu führen, nicht wahr? Nein! Allein der Gedanke an eine Unterhaltung — vor allem mit jemandem, den man nicht kennt — bringt viele in Verlegenheit. Eine ganze Reihe von Fragen kommen auf: „Wie kann ich das Eis brechen? Worüber sollen wir sprechen? Wie ist das mit meinem Akzent?“ Scheue Zeitgenossen werden von diesen und vielen anderen Zweifeln geplagt. Wie kann man ihnen am besten begegnen?
Angenommen, du wartest auf einen Bus. Es ist Abend, die Sonne geht unter und taucht die Stadt in ein warmes Licht. Ein paar Meter weiter steht ein Fremder, offensichtlich ganz in Gedanken versunken. Ihr beide seid allein. Siehst du das als Schranke oder als Brücke an? Wirst du schweigen oder das Gespräch suchen?
„Einige sagen, die Stadt sei groß und kalt, aber der Sonnenuntergang ist hier so schön, wie er in dem kleinen Dorf war, in dem ich aufgewachsen bin.“
Damit hast du begonnen, den Abstand zu deinem Mitmenschen zu überwinden. In den meisten Fällen wird er auf dich eingehen, und die Kluft zwischen euch wird überbrückt sein. Natürlich wird nicht jeder zu einem Gespräch aufgelegt sein. Aber zumindest hast du die Möglichkeit dazu eingeräumt, indem du einfach etwas erwähnt hast, was von gemeinsamem Interesse ist, nämlich die Schönheit eines Sonnenuntergangs. Das ist im allgemeinen ansprechend.
Aber eines solltest du bei einem Gespräch beachten: Mache DICH SELBST nicht zum Mittelpunkt. Da der Gesprächsgegenstand deinen Zuhörer ansprechen muß, solltest du nicht zu oft über DICH sprechen. Das wird durch die Geschichte von einem eingebildeten Filmschauspieler deutlich, der seinen Gastgeber eine ganze Stunde lang mit allen belanglosen Vorkommnissen langweilte, die er seit ihrer letzten Begegnung erlebt hatte, und dann mit der Bemerkung schloß: „Nun, das ist genug über mich. Sag mir, hast du eigentlich schon meinen letzten Film gesehen?“ Meide eine solche ichbezogene Einstellung.
Mache daher nicht dich — und vielleicht nicht einmal das, was du getan hast — zum Gesprächsthema, sondern Geschehnisse, die sich ereignet haben oder die noch bevorstehen, die Nachrichten, das Wetter, Weltereignisse und wie sie sich auf dich und deinen Zuhörer auswirken.
Zum einen mußt du einen Gegenstand von gemeinsamem Interesse finden, zum anderen aber mußt du auch ansprechend erzählen. Du solltest deinem Zuhörer helfen, Dinge so lebendig zu sehen wie du. Wie kannst du das erreichen? Indem du mit Begeisterung über etwas sprichst, was dir gefällt. Wenn du ein Gespräch zustande gebracht hast und du es verstanden hast, deinen Gesprächspartner zu begeistern, dann stelle ihm Fragen. Bewege ihn dazu, sich zu äußern. Der Gedankenaustausch wird euch beiden nützlich sein.
„Ich habe einen Akzent“
Einige meinen, sie könnten nie gute Gesprächspartner sein, da ihre Sprache nicht der üblichen Grammatik und Aussprache entspreche. Personen, die im Ausland geboren sind, haben gelegentlich dieses Empfinden und sagen: „Du weißt, ich habe einen Akzent, und vielleicht verstehen mich andere nicht so gut.“ In Wirklichkeit hören viele gern einen ungewöhnlichen Akzent. So bemerkte ein Brite, der viele Jahre in Spanien und Portugal wohnte: „Obwohl ich Hemmungen wegen meines Akzentes hatte, wenn ich spanisch oder portugiesisch sprach, hat er mir doch oft geholfen, meine Zuhörer ,bei der Stange zu halten‘. Manchmal hörte mir jemand eine Weile zu, um sich auf meinen Akzent einzustellen, und zeigte sich dann erfreut darüber, daß ich seine Sprache gelernt hatte.“
In vielen Ländern ist ein fremdländischer Akzent alltäglich. Niemand würde deswegen die Stirn runzeln. Daher sollte dein Akzent kein Hindernis für dich sein. Dadurch, daß du aus einem anderen Land kommst, kannst du aus einem reichlichen Vorrat an Gesprächsthemen und Erfahrungen schöpfen.
In den meisten Ländern sind ohnehin verschiedene Akzente und Dialekte üblich. Sie alle gehören zur faszinierenden Vielfalt der Menschheitsfamilie. Manchmal haben Großstädter ihren Spaß daran, dem „gemütlichen“ Geplauder der Landbevölkerung zuzuhören, ohne dabei zu bemerken, wie sich diese über ihre „seltsame“ städtische Sprechweise amüsiert. Hauptsache ist, sie sprechen miteinander!
Ist es schwer zuzuhören?
Zuhören ist der andere Bestandteil eines guten Gespräches und ist ebenso wichtig wie das Sprechen. Problematisch ist, daß einige nicht richtig zuhören. Sie verfolgen ihren eigenen Gedanken und warten nur darauf, ihrem Partner ins Wort zu fallen, oftmals um das Thema zu wechseln oder eine andere Stimmung aufzubringen. Dadurch wird die Unterhaltung in zwei unabhängige Selbstgespräche verwandelt. Wie passend ist daher der Rat: „Sei schnell zum Hören, aber langsam zum Reden.“ (Jakobus 1:19, Thimme)!
Aufmerksames Zuhören zeugt von gutem Benehmen. Ein guter Zuhörer ist den Äußerungen anderer gegenüber aufgeschlossen; er denkt darüber nach, wie diese seine derzeitige Einstellung beeinflussen können. Wahre Aufrichtigkeit wird hier deutlich. Versucht der Zuhörer um jeden Preis, auf seinem Standpunkt zu beharren? Oder ist er bereit, ein stichhaltiges Argument anzuerkennen? Ja, Aufrichtigkeit und Anpassungsfähigkeit tragen viel zu einem guten Gespräch bei.
Nirgends ist aufrichtiges Zuhören von größerer Bedeutung als in der Ehe. Ist es dir schon passiert, daß du mit deinem Mann oder deiner Frau gesprochen hast, nur um danach an einer nichtssagenden Antwort festzustellen, daß nicht ein Wort angekommen ist? Das kann einen zum Verzweifeln bringen. Doch um die Ehe zum Erfolg zu machen, ist Gedankenaustausch unerläßlich. Ein unzerreißbares Band tiefen Vertrauens muß vorhanden sein, das nicht nur auf einem oberflächlichen Austausch von Gedanken und Zärtlichkeiten beruht.
Traurigerweise kommen einige nie oder nur selten in den Genuß solch vertraulicher Gespräche. Sie haben sozusagen eine Zunge mit Widerhaken und verstecken in witzigen Bemerkungen schwere Beleidigungen. Andere fühlen sich in ihrer Umgebung nicht wohl, da sie nie wissen, wann sie diese scharfe Zunge zu spüren bekommen. Ein Bibelspruch lautet: „Wer unbedacht schwätzt, der verletzt wie ein durchbohrendes Schwert.“ Wieviel besser ist es doch, den Rat zu befolgen: „Eure Rede sei stets gefällig, mit Salz gewürzt, damit ihr wißt, wie ihr einem jeden zu antworten habt.“! Ja, in einem „gefälligen“ Gespräch wird man niemals die Gefühle oder die Würde eines anderen unnötigerweise verletzen (Sprüche 12:18, Schlachter; Kolosser 4:6).
Bemühe dich also, ein guter Gesprächspartner zu sein. Fürchte dich nicht davor, Schranken niederzureißen und Klüfte zu überbrücken. Bedenke auch, daß man Gespräche einmal als „das süße Festmahl des Geistes“ bezeichnet hat, als „das Fest der Vernunft und den Fluß der Gefühle“. Laß daher deine Gedanken „fließen“, lerne andere kennen, und ermögliche es ihnen, dich kennenzulernen. Nur eines noch: Überfahre deinen Zuhörer nicht! Du solltest wissen, wann du aufhören mußt.