Streiche — Sind sie wirklich lustig?
EIN Arbeiter war an der Außenseite eines Hotelfensters im 11. Stock tätig. Natürlich war er mit einem Sicherheitsgurt vorschriftsmäßig abgesichert. Er rief einem Freund im Hotel zu, er solle in das Zimmer kommen, wo er sich befand. Als der Betreffende das Zimmer betrat und zum Fenster blickte, bot sich ihm ein erschreckender Anblick. Der Sicherheitsgurt löste sich, und der Arbeiter verschwand mit einem Schrei vom Fenster.
Eine gräßliche Tragödie? Nein, ein Streich. Unterhalb der Stelle, wo der Arbeiter befestigt gewesen war, befand sich ein breiter Sims, auf dem Kissen ausgebreitet waren, so daß er „abstürzen“ konnte, ohne sich zu verletzen. Lustig? Nicht für denjenigen, der dachte, er habe jemand aus dem 11. Stock in den Tod stürzen sehen.
An einem Samstagvormittag ging ein Mann nochmals in die Werkstatt, um seine Werkzeuge aufzuräumen. Er hatte vor, am Nachmittag einer Hochzeit beizuwohnen, und trug seinen besten Anzug. Seine Arbeitskollegen, die wußten, daß er kam, lauerten ihm auf und steckten ihn so, wie er war, unter die Dusche. Ein weiterer Streich. War er aber lustig? Nicht für denjenigen, dessen Anzug ruiniert war.
Die Bibel spricht von Streichen und sagt: „So wie ein Wahnsinniger, der feurige Geschosse schießt, Pfeile und Tod, so ist der Mann, der seinen Mitmenschen hintergangen und gesagt hat: ‚Habe ich nicht Spaß gehabt?‘“ (Sprüche 26:18, 19). Aber Streiche sind selbst unter Christen nichts Ungewöhnliches. Warum? Wahrscheinlich weil einige der Meinung sind, daß Streiche zum Lachen anregen und das Leben mit etwas Spaß würzen. Denkst auch du so? Wenn ja, dann betrachte einige Vorfälle, die sich wirklich zugetragen haben, vom Standpunkt des Opfers aus.
Wenn es schiefgeht
Vor nicht allzu langer Zeit wollte sich jemand einen Jux machen und rief in einem dunklen Kino: „Feuer!“ Es entstand eine Panik, in der fünf Menschen ums Leben kamen und 50 verletzt wurden.
Ein junger Mann ging eines Morgens zur Arbeit. Es stellte sich aber heraus, daß seine Firma wegen schlechten Wetters geschlossen hatte; daher kehrte er wieder nach Hause zurück. Seine Frau war gerade unter der Dusche und hörte ihn kommen. Da sie vermutete, es sei ein Einbrecher, wickelte sie sich ein Badetuch um, nahm eine Pistole und sah nach. Ihr Mann wollte ihr einen Streich spielen und versteckte sich. Als sie in seine Nähe kam, sprang er mit einem Buhruf aus seinem Versteck. Seine erschreckte Frau drückte ab und erschoß ihn.
Nicht alle Streiche enden freilich mit einer Tragödie. Aber jeder Scherz kann schiefgehen, wie Fred feststellte. Er wollte sich in den Ferien ein kleines Motorrad borgen. Dazu benötigte er einen Führerschein. Er mußte eine schriftliche und eine praktische Prüfung ablegen. Danach wartete er auf das Ergebnis. Nach kurzer Zeit erhielt er einen Brief, in dem nachdrücklich und in wenig schmeichelhaften Worten zum Ausdruck gebracht wurde, daß er durchgefallen sei.
Fred war niedergeschlagen. Er hatte sich so sehr angestrengt, doch nun mußte er einige seiner Ferienpläne aufgeben. Er war auch enttäuscht, denn seiner Überzeugung nach hatte er in den Prüfungen ziemlich gut abgeschnitten. Außerdem ärgerte er sich über die Behörde, weil der Brief so unfreundlich abgefaßt war. Als ihn kurz darauf ein guter Freund so niedergeschlagen sah, eröffnete dieser ihm, daß es sich bei dem Brief um eine Fälschung gehandelt hatte. Er selbst hatte ihn geschrieben. Er hatte sich gedacht, Fred würde sogleich feststellen, daß es nur ein Scherz sei. Aber Fred hatte es nicht gemerkt. Für ihn war es ein enttäuschendes Erlebnis, das alles andere als lustig war.
Auch Ronald war das Opfer eines Streiches. An einem Sonntagmorgen rief jemand an und lud ihn ein, zu einer kirchlichen Gruppe am Ort zu sprechen. Man ließ ihm Zeit, sich die Sache zu überlegen. So änderte er seine Pläne, sprach mit anderen über die Einladung und stellte Nachforschungen über das an, was er vortragen wollte. Als er zurückrief, um zuzusagen, fand er heraus, daß es sich bei der Einladung um einen Streich gehandelt hatte — einen Streich, den ihm jemand gespielt hatte, den er gar nicht kannte, da er in der Gegend neu war.
Was empfand Ronald? „Ich fühlte mich betrogen, da ich meine Zeit und Kraft vergeudet hatte“, sagte er. „Für mich stand fest, daß es ein unverantwortlicher und liebloser ‚Streich‘ war. Auch war es mir peinlich, daß ich die Zeit anderer für etwas in Anspruch genommen hatte, was es praktisch gar nicht gab. Und ich beschloß, in Zukunft im Umgang mit diesem Bösewicht vorsichtiger zu sein.“
Heißt das, daß sich Ronald und Fred zu wichtig nehmen oder keinen Spaß verstehen? Was meinst du? Gefällt es dir, getäuscht zu werden? Sollte es einer vielbeschäftigten Person gleichgültig sein, daß mit ihrer Zeit und mit der anderer verantwortungslos umgegangen wird? Hat es in deinen Augen noch irgend etwas mit Humor zu tun, wenn jemand deprimiert oder enttäuscht ist, und sollte es auch nur für ein paar Stunden sein? Oder was wäre, wenn einer deiner Angehörigen ums Leben gekommen oder verletzt worden wäre, als in jenem Kino eine Panik ausbrach? Zweifellos wird durch solche Streiche das bedeutsame Gebot verletzt: „Wie ihr wollt, daß euch die Menschen tun, so tut auch ihnen“ (Lukas 6:31).
Vielleicht sagst du nun: „Aber bei diesen Streichen ging man einfach zu weit.“ Das stimmt. Doch Albert, der mit einer Gruppe vitaler junger Leute zusammen arbeitet, sagt, daß man bei Streichen oft zu weit geht. Er erzählt, daß einige Jugendliche einen Neuen auf der Arbeitsstelle schikanierten und ihm eine derartig schlimme Quetschung des Brustkorbs zufügten, daß er eine Zeitlang Atemschwierigkeiten hatte und mehrere Tage nicht zur Arbeit kommen konnte. Andere besprühten einander mit Wasser aus Sprayflaschen, was Augenentzündungen hervorrief, denn sie dachten nicht daran, daß diese Flaschen zuvor bestimmte Chemikalien enthalten hatten. „Streiche sind einfach die Schwierigkeiten, die sie verursachen, nicht wert“, sagt Albert. „An meiner Arbeitsstelle sind die meisten so rücksichtsvoll, daß sie damit aufgehört haben.“
Warum spielt man anderen Streiche?
Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Einige haben einen überentwickelten oder sogar verdrehten Sinn für Humor und finden es schwierig, sich zurückzuhalten. Fred ist nicht der Ansicht, daß man ihm aus einem schlechten Beweggrund den Streich gespielt hat. Sein Freund wollte sich einfach einen Spaß erlauben. Ronald meint, daß der Bösewicht, der ihn als Opfer aussuchte, „nur etwas zur Belebung beitragen wollte“. Und in Alberts Augen sind Streiche ein Ausdruck jugendlicher Ausgelassenheit.
Albert erwähnt auch noch einen weiteren Faktor: das Konkurrieren untereinander. „Einer fängt an“, sagt er, „und sein Opfer muß es ihm unter allen Umständen heimzahlen. Dann geraten alle in Aufregung, und man geht zu weit. Jemand bespritzt zum Beispiel einen Freund mit etwas Wasser. Um ihm das heimzuzahlen, gießt der Freund einen Eimer Wasser über ihn aus. Dann muß der erste, um sich behaupten zu können, sein Opfer in voller Kleidung in ein Schwimmbecken stoßen.“
Stan, der als Schreiner arbeitete, erinnert sich daran, daß ein Arbeitskollege, der ziemlich naiv war, automatisch als Opfer von Streichen auserkoren wurde. Zwei bestimmte Arbeitskollegen erlaubten sich gern Scherze mit ihm. Warum? Für Stan gibt es zwei denkbare Gründe. „Vielleicht, weil er sehr naiv war, und man hatte so leicht etwas zu lachen“, sagte er. „Oder es könnte sein, daß sie ihm helfen wollten, aufgeschlossener zu werden.“
Erreichten sie ihr Ziel, falls letzteres zutraf? „Nein“, sagt Stan. „Er wurde nervös und war gegenüber jedem mißtrauisch. Es hatte einen sehr negativen Einfluß auf seine Persönlichkeit, und auch auf andere Arbeitskollegen wirkte es sich nachteilig aus.“
Denken wir an die Worte des Apostels Paulus: „Laßt uns denn, solange wir günstige Zeit dafür haben, gegenüber allen das Gute wirken, besonders aber gegenüber denen, die uns im Glauben verwandt sind“ (Galater 6:10). Lassen sich Streiche mit diesem Rat vereinbaren? Wohl kaum.
Können wir einen besseren Standpunkt einnehmen?
Gegen Humor am rechten Platz ist nichts einzuwenden. Ohne Humor wäre es in der Welt ziemlich langweilig. Eine spaßige Bemerkung kann Spannungen abbauen oder Nervosität verscheuchen. Mit Menschen zu scherzen oder sie sogar auf liebenswürdige Weise zu necken kann ein Zeichen von Zuneigung sein. Aber Humor kann auch Wunden schlagen. Jemand zu necken, indem man auf seine Schwächen oder Versäumnisse hinweist, ist ein schlechter Scherz. Überdies sind Streiche, durch die Menschen verwirrt, gedemütigt, getäuscht oder in Schrecken versetzt werden oder die bewirken, daß sie gegenüber anderen argwöhnisch werden oder in Verlegenheit kommen — auch wenn es nur für kurze Zeit ist —, etwas äußerst Unfreundliches. Dasselbe ist von Streichen zu sagen, bei denen jemandes Kleidung oder Besitz beschädigt wird oder die ihm Unannehmlichkeiten bereiten, indem ihm wertvolle Zeit gestohlen wird, oder die eine Person an der Ausführung einer geplanten Tätigkeit hindern oder diese verzögern. Die Bibel sagt: „Werdet ... freundlich gegeneinander“ (Epheser 4:32).
Ein Spaßvogel mag dagegen Einspruch erheben und sagen: „Aber es macht mir nichts aus, wenn mir jemand einen Streich spielt. Warum sollte es andere stören, wenn ich ihnen einen Streich spiele?“ Nun, es stimmt, wir alle sollten auch einmal über uns selbst lachen können. Und wir sollten genauso Freude daran finden, miteinander zu lachen. Aber jemand auszulachen, weil er in eine peinliche Lage geraten ist, ist unchristlich. Außerdem können wir nie mit Sicherheit voraussagen, wie das Opfer eines Streiches denkt. Ein Mann erlaubte sich mit den Frauen, mit denen er zusammen arbeitete, einen kleinen Scherz. Für die meisten war es ein Spaß, und sie lachten mit ihm. Eine Frau allerdings, die sich nicht wohl fühlte, nahm es ihm krumm. Sie war beleidigt und ärgerte sich, und schon war es nicht mehr lustig.
Denken wir daran, daß uns die Bibel ermuntert: „Bekundet Mitgefühl, habt brüderliche Zuneigung, zartes Erbarmen, seid demütig gesinnt“ (1. Petrus 3:8). Dir selbst mag es zwar nichts ausmachen, wenn man dir einen Streich spielt, doch den meisten macht es etwas aus. „Mitgefühl“ wird dir helfen, ihre Gefühle zu berücksichtigen. Der Umstand, daß es dir gefällt, anderen Streiche zu spielen, gibt dir nicht das Recht, es zu tun. Wenn du „demütig gesinnt“ bist, wirst du das einsehen. Und „zartes Erbarmen“ wird dich sicherlich davon zurückhalten, deinem Mitmenschen einen Streich zu spielen.
Bei Streichen anderer bedarf es vielleicht deinerseits moralischer Stärke und Mut, nicht mitzumachen. Und spielt dir jemand einen Streich, so mag es Selbstbeherrschung erfordern, dich nicht zu rächen (Galater 5:22, 23). Vielleicht ist es am besten, die Gesellschaft einer Person, die anderen gern Streiche spielt, einfach zu meiden. Man mag zwar sagen, du würdest die Sache zu ernst nehmen, doch allzuleicht wird aus Spaß Ernst.
Fred, der Empfänger des gefälschten Briefes, lernte vor einigen Jahren selbst etwas aus einem Streich. Er besuchte ein ihm gut bekanntes Ehepaar, und da die Frau noch nicht zu Hause war, versteckte er sich im Schlafzimmer. Als sie nach Hause kam, suchte sie ihn, weil sie annahm, er sei schon da. Da sie ihn nicht fand, ging sie in das Schlafzimmer. Sie stand gerade vor einer Kommode, als Fred, der unter dem Bett lag, sie am Fußknöchel packte. Sie stieß einen Schrei aus und stand wie versteinert da. Fred hatte ihr einen derartigen Schreck eingejagt, daß ihm selbst angst wurde. „Ich habe daraus etwas gelernt“, sagte er. „Einen solchen Streich werde ich mir nie mehr erlauben.“
Welch ein weiser Entschluß! Es ist ein Entschluß, zu dem jeder aus Rücksicht auf seinen Nächsten kommen sollte.
[Herausgestellter Text auf Seite 13]
Mit anderen zu lachen ist etwas Schönes. Sie auszulachen kann äußerst lieblos sein.
[Herausgestellter Text auf Seite 14]
Ist es christlich, andere zu demütigen, sie in Schrecken zu versetzen oder sie in Verlegenheit zu bringen, nur um Spaß zu haben?
[Herausgestellter Text auf Seite 15]
Die Erfahrung zeigt, daß man bei Streichen oft zu weit geht.