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Erwachet! 1984
g84 8. 7. S. 14-17

Gebildet, berufstätig, nützlich — und blind!

Vom Awake!-Korrespondenten in Japan

AN JEDEM Wochentag kann man Susumu raschen Schrittes die Wege entlanggehen sehen, die durch die Pfirsichpflanzungen und Weingärten seines hübschen japanischen Dorfes führen. Sein Ziel ist der Bahnhof. Seine Frau könnte ihn mit dem Auto hinbringen, doch zieht er es vor, wie er sagt, „zu Fuß zu gehen, um Bewegung zu haben“. Wenn man ihn beobachtet, hat man den Eindruck, er unterscheide sich wenig von allen übrigen Pendlern, die es eilig haben, pünktlich zur Arbeit zu kommen. Aber der Unterschied besteht darin, daß er fast völlig blind ist. Er mußte viele Schwierigkeiten überwinden, bis er imstande war, einen Beruf auszuüben und ohne fremde Hilfe zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.

Susumu arbeitet seit einigen Jahren als Masseur und Akupunkteur im Rehabilitationszentrum eines großen städtischen Krankenhauses. Wegen seiner Tüchtigkeit in seinem Fach wird er sowohl von den Ärzten als auch von den Patienten respektiert. Sein Fall ist jedoch nicht ungewöhnlich. In Japan sind die Behandlungsverfahren der ostasiatischen Medizin — Akupunktur, Massage und Moxibustiona — seit Jahrhunderten hauptsächlich die Domäne der Blinden. Bis vor kurzem war die Ausübung dieser Therapien im ganzen Land Blinden vorbehalten, um ihnen ein Auskommen zu sichern. Wie kam es dazu? Wie werden die Blinden ausgebildet? Susumus Erfahrung und einige geschichtliche Tatsachen über die Entwicklung des Blindenwesens in Japan werden interessante und zufriedenstellende Antworten liefern.

Eine alte Tradition

In Japan ist es schon immer üblich gewesen, sich um Behinderte zu kümmern und für sie zu sorgen. Aus den ältesten Berichten über dieses Thema geht hervor, daß Einzelpersonen und die Gesellschaft sich bemüht haben, den Blinden das tägliche Brot zu sichern.

Beispielsweise war man schon im 7. Jahrhundert ernsthaft bestrebt, die Blinden beruflich zu bilden. Manche wurden mit Erfolg als Musiker ausgebildet. Im Laufe der Zeit besserte sich die Situation der Blinden immer mehr. Und im 15. Jahrhundert brach für sie ein „goldenes Zeitalter“ an. Damals bestand in Kioto eine Selbsthilfegemeinschaft zum Schutz und zur beruflichen Ausbildung von Blinden. Sie wurden als Akupunkteure, als Masseure und in der Moxibustion ausgebildet. Bald waren diese Berufe unter den Blinden verbreiteter als der Beruf eines Musikers. Ganz gleich, für welchen Beruf sich ein Blinder entschied, so gewährleistete das gründliche Training in der Blindenbildungsanstalt in Kioto vielen ein finanziell gesichertes Leben. Diese Vorkehrung hatte natürlich auch gewisse Nachteile. Zum Beispiel konnten nicht alle Behinderten ausreichend betreut werden. Dennoch ermöglichte sie es Blinden über Jahrhunderte hinweg, geachtete Glieder der Gesellschaft zu werden.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Japan soziale und politische Reformen durchgeführt. Die Fürsorge für Arme und Körperbehinderte wurde im ganzen Land gesetzlich eingeführt. In mancher Hinsicht erwies sich das für die Blinden aber als eine Zeit der Verwirrung und der Entbehrungen, weil alle bisherigen Konzessionen und Rechte widerrufen wurden. Schließlich trat wieder eine Änderung ein, indem die Regierung Blindenschulen gründete. Der Besuch dieser neuen Schulen war unentgeltlich.

In neuerer Zeit wird in Japan für die Blinden ebenso gut gesorgt wie in anderen Ländern, indem ihnen moderne Geräte und Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Im Jahre 1965 errichtete die Helen-Keller-Stiftung in Osaka das erste Rehabilitationszentrum für Blinde. Diese internationale gemeinnützige Organisation hat viel zur Förderung der praktischen Ausbildung von Blinden und hochgradig Sehbehinderten getan, ganz besonders für diejenigen, die wie Susumu erst später im Leben erblindet sind. Nun wollen wir uns etwas mit seiner Lebensgeschichte befassen.

„Ich saß immer nur zu Hause herum“

Mit diesen Worten schildert Susumu, wie verzweifelt er war, als er nicht nur das Augenlicht, sondern auch seine Selbständigkeit verlor und seinen Lebensunterhalt nicht mehr verdienen konnte. Damals war er erst 23 Jahre alt. Er fing an, sich selbst zu bemitleiden. Doch dann hörte er eines Nachmittags im Rundfunk eine Sendung über Programme für die Blindenbildung. Das weckte sein Interesse und half ihm, seine depressive Stimmung zu überwinden.

Kurz danach belegte er einen Kurs, in dem er drei wichtige Dinge lernte, die für eine selbständige Lebensführung unerläßlich sind: 1. erhielt er sogenanntes Mobilitätstraining; das schließt ein, zu lernen, sich mit Hilfe eines Stockes, eines Blindenhundes oder eines Ultraschall-Leitgeräts sicher und selbständig zurechtzufinden; 2. lernte er Fertigkeiten des täglichen Lebens, wie das Zubereiten des Essens und das Verrichten von Tätigkeiten in der Wohnung, und 3. lernte er die Blindenschrift lesen und auf der Blindenschriftmaschine schreiben.

Susumu erhielt auch die Gelegenheit, einen neuen Beruf zu erlernen — der eigentliche Schlüssel zur Rehabilitation. Nachdem er mehrere Möglichkeiten erwogen hatte, entschloß er sich, Akupunkteur und Masseur zu werden. Der Lehrgang schloß aber mehr ein als nur die Ausbildung im Setzen der Nadeln und in den Massagetechniken. Dieser Kurs vermittelte eine gute medizinische Ausbildung. Unter anderem umfaßte er Lehrfächer wie Anatomie, Physiologie, Hygiene, Pathologie, Berufs- und Gesetzeskunde sowie Behandlungsverfahren der ostasiatischen Medizin. Man darf auch nicht vergessen, daß in Japan die Akupunktur und die Moxibustion als ärztliche Heilverfahren angesehen werden. Experten auf diesen Gebieten gelten als „Magister der Anatomie“. Wie kann ein Blinder das alles meistern? Durch ein gutes Training und seinen durch Übung verstärkten und verfeinerten Tastsinn. Der ganze Lehrgang (das Alter der Teilnehmer lag zwischen 18 und 50 Jahren) dauerte drei Jahre. Die meisten Kursteilnehmer waren erst als Erwachsene erblindet. Das bedeutete, daß sie sich nicht nur berufliche Kenntnisse aneignen mußten, sondern auch die meisten Fertigkeiten des täglichen Lebens wieder erlernen mußten.

Mit welchen Schwierigkeiten die Kursteilnehmer zu kämpfen hatten, zeigt die Tatsache, daß einige anfänglich eine Stunde oder länger brauchten, um nur eine Seite Brailleschrift zu lesen. Die japanische Blindenschrift ist ziemlich kompliziert. Normalerweise besteht die Brailleschrift aus 6 Punkten, die in zwei senkrechten Reihen zu je drei Punkten angeordnet sind. Aber die japanische Schrift gibt nicht Buchstaben, sondern Laute wieder. Jeweils zwei Zellen zu 6 Punkten sind für die Wiedergabe von zwei Dritteln der Laute erforderlich. Das Lesenlernen der Brailleschrift kann gelegentlich entmutigend sein. Einer der Kursteilnehmer sagte jedoch: „Wir haben unsere Probleme durch Fleiß und gegenseitiges Ermuntern überwunden.“

Derselbe Kursteilnehmer gab übrigens noch folgende interessante Empfehlung: Wer erblindet, sollte, um so schnell wie möglich wieder ein aktives Leben führen zu können, die Bildungsmöglichkeiten nützen. Das ist ein guter Rat. Besonders bei blinden Kindern wirkt sich das Training sehr gut aus. Es ist ergreifend, zu sehen, wie blinde Dritt- und Viertkläßler mit der Gewandtheit einer geübten Maschinenschreiberin auf der Blindenschriftmaschine tippen. Welche Ausbildungsmöglichkeit gibt es in Japan noch für Personen, die blind geboren wurden oder als Kind erblindet sind?

Berufsorientierte Schulen

In Japan hat sich aus einer Blindenschule, die vor etwas mehr als hundert Jahren gegründet wurde, ein ganzes Netz gutgeführter und vorzüglich eingerichteter staatlicher Schulen entwickelt. Meist gibt es für je zwei Schüler einen Lehrer. Natürlich kommt dadurch ein dem Lernprozeß förderliches herzliches und persönliches Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer zustande. In einer Schule sind gewöhnlich alle Klassen untergebracht, und der Lehrplan entspricht ziemlich dem einer Regelschule — die wichtigsten Unterrichtsfächer sind Lesen, Schreiben und Rechnen. Aber schon früh, bereits vom siebenten Schuljahr an, werden die Schüler auf einen Beruf vorbereitet, besonders auf den Masseurberuf. Schätzungsweise 75 Prozent der Schulabgänger verdienen sich ihr Brot als physikalische Therapeuten. Und über die Hälfte eröffnen — meist in ihrer eigenen Wohnung — eine Massage- und Akupunkturpraxis.

Viele junge Leute entscheiden sich aber auch für einen anderen Beruf. Sie werden Telefonist, Industriearbeiter, Programmierer oder lassen sich in einem anderen ähnlichen Beruf ausbilden. Ferner studieren manche in der Hoffnung, eine Stelle als Lehrer, als Verwaltungsbeamter oder als Jurist zu bekommen. Die fleißigen blinden Masseure haben aber anscheinend immer Arbeit. Susumu drückt es wie folgt aus: „Ich habe einen Beruf und kann meine Familie ernähren; zudem fühle ich mich wieder als nützliches Glied der Gesellschaft. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Vor etlichen Jahren fand Susumu etwas, was ihn noch glücklicher machte. Er berichtet: „Mir wurde klar, daß ich den Leidenden nur vorübergehend Erleichterung verschaffen konnte. Meine Freude war deshalb unbeschreiblich, als ich in der Bibel zum erstenmal die Prophezeiung aus Jesaja 35:5, 6 las, die lautet: ‚Die Augen der Blinden [werden] aufgetan werden, und die Ohren der Tauben selbst werden geöffnet werden. ... der Lahme [wird] klettern wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird jubeln.‘ Durch mein Bibelstudium habe ich erfahren, daß die Menschen erst dann ganz gesund werden, wenn die Erde von dem wirklichen ‚Magister der Anatomie‘, von unserem Schöpfer, Jehova Gott, zu einem Paradies gemacht werden wird.“

[Fußnote]

a Wärmereizungen der Akupunkturpunkte durch angezündetes trockenes Beifußkraut, das Moxa genannt wird.

[Herausgestellter Text auf Seite 15]

Die Blinden waren geachtete Glieder der Gesellschaft

[Herausgestellter Text auf Seite 17]

Meine Freude war unbeschreiblich, als ich zum erstenmal im Bibelbuch Jesaja die Prophezeiung las: ‘Die Augen der Blinden werden aufgetan’

[Bilder auf Seite 16]

Durch ein gutes Training und seinen durch Übung verstärkten und verfeinerten Tastsinn lernt der Blinde die Akupunktur beherrschen

Es ist ergreifend, zu sehen, wie blinde Schüler auf der Blindenschriftmaschine tippen

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