Neuzeitliche Erfindungen zur Verkündigung der guten Botschaft eingesetzt
100 JAHRE
HÄTTEST du gern vor 100 Jahren gelebt? Damals war das Leben zweifellos ganz anders. In den Häusern gab es keinen elektrischen Strom, kein Radio und kein Fernsehen. Auf den Straßen fuhren keine Autos. Man fuhr mit der Pferdekutsche oder reiste mit der Eisenbahn und dem Schiff, die noch mit Dampf getrieben wurden — Flugzeuge gab es nicht. Eine Atlantiküberquerung dauerte damals nicht nur drei bis sieben Stunden, sondern zwei bis drei Wochen. Jene Zeit wurde aber auch durch bedeutende Erfindungen gekennzeichnet, die den damaligen Lebensstil bald verändern sollten.
In sechs Monaten ist das Ganze ein Haufen altes Eisen
Aus mehreren Gründen war 1884 ein besonderes Jahr. Das Geschichtswerk The People’s Chronology enthält zwei kennzeichnende Hinweise auf dieses Jahr. Der erste lautet: „Zeilensetzmaschine, die von Ottmar Mergenthaler, 30, einem amerikanischen Feinmechaniker deutscher Herkunft, zum Patent angemeldet wurde, wird die Setzereien der Zeitungsverlage revolutionieren.“ Der zweite ist: „Zur Veröffentlichung seiner Bücher, Flugblätter und Zeitschriften gründet Charles Taze Russell die Watch Tower Bible and Tract Society. Russell ... predigt, daß die Welt am Rande der Vernichtung in der großen Schlacht von Harmagedon steht.“
In welchem Zusammenhang könnten diese beiden historischen Ereignisse stehen? Beginnend mit dem Jahr 1884, hatte die Watch Tower Bible and Tract Society über einen Zeitraum von 36 Jahren Millionen bibelerklärender Schriften von kommerziellen Firmen drucken lassen. Im Jahre 1920 entschloß sich die Gesellschaft jedoch, die Zeitschriften selbst zu drucken. Dieser Fortschritt brachte es auch mit sich, daß schließlich Zeilensetzmaschinen gekauft werden mußten. Für das Druckereigewerbe war Mergenthalers Erfindung aus dem Jahre 1884, die ein schnelleres Setzen ermöglichte, ein Segen, und nun trug sie dazu bei, die Verkündigung der guten Botschaft zu beschleunigen.
Im Jahre 1922 entschloß sich die Gesellschaft, auch Bücher und Bibeln selbst zu drucken. Auf die Druckereien und Buchbindereien am Ort machte das wenig Eindruck. In einem Bericht heißt es: „Die Gesellschaft ... kaufte eine vollständige Setzerei, Galvanisiereinrichtung, Druckerei und Buchbinderei, das meiste davon neu. Der Präsident einer der großen Druckereien, die viel für die Gesellschaft gedruckt hatten, sah die Ausrüstung und sagte: ,Da haben Sie nun eine erstklassige Druckerei und keinen in dem ganzen Ding, der weiß, wie man mit so was umgeht. Sechs Monate und das Ganze ist ein Haufen altes Eisen; dann werden Sie sehen, daß es doch am besten ist, wenn diejenigen für Sie drucken, die es schon immer getan haben und die sich damit auskennen.‘“
Erwies sich der Pessimismus dieses Geschäftsmannes als gerechtfertigt? Ganz im Gegenteil! Die freiwilligen Mitarbeiter im Hauptbüro der Gesellschaft lernten schnell. Zuerst schafften sie nur, 2 000 Bücher am Tag zu binden. Bis 1927 stieg die Zahl auf 12 000 am Tag an. Doch das hatte einen weiteren Vorteil. Als die Bücher von kommerziellen Firmen gedruckt wurden, kosteten sie 50 bis 75 Cent. Auf den Druckpressen der Gesellschaft, die von freiwilligen Mitarbeitern bedient wurden, konnten die Bücher so günstig produziert werden, daß ein Exemplar zu 25 Cent abgegeben werden konnte. Wollte man lukrative Geschäfte machen? Die obigen Zahlen sprechen für sich.
Die Einführung von Grammophonen und Filmen
Thomas Edison erfand 1887 den ersten motorbetriebenen Phonographen, auf dem Wachszylinder abgespielt wurden. Im gleichen Jahr führte Emile Berliner eine Verbesserung ein, indem er eine flache Scheibe benutzte, die horizontal von einer Nadel abgetastet wurde. Damit war das Grammophon oder der Plattenspieler geboren. Zur gleichen Zeit machte man große Fortschritte in der Erzeugung bewegter Bilder. Im Jahre 1896 wurde in den Vereinigten Staaten der erste Stummfilm öffentlich vorgeführt.
Nur 16 Jahre später setzte die Watch Tower Bible and Tract Society diese beiden Erfindungen ein, um der Verkündigung der Königreichsbotschaft weitere Impulse zu geben. Bald darauf, im Jahre 1912, nahm man ein anspruchsvolles Projekt in Angriff — es war eine Pionierarbeit. In dem Buch Where Else but Pittsburgh! hieß es: „Die erste Filmerzählung. Es wurde das ‚Photo-Drama der Schöpfung‘ genannt und bestand aus Filmen und Lichtbildern, die mit Phonographsprechplatten synchronisiert waren, und das bereits 15 Jahre vor dem Erscheinen des ersten Tonfilms. Das Drama bestand aus vier Teilen; die Vorführzeit betrug acht Stunden, und es wurde von ungefähr 8 000 000 Personen gesehen.“ Von 1914 an wurde dadurch ein gewaltiges Zeugnis gegeben.
Verbreitung der guten Botschaft mit Hilfe der Erfindung von Marconi
Guglielmo Marconi empfing 1901 zum erstenmal ein Signal, das drahtlos den Atlantik überquerte. Aber erst seit 1920 strahlte die KDKA als erste Radiostation der Welt von Ost-Pittsburgh Programme täglich aus. Daher waren nicht wenige Bürger von Pennsylvanien, New Jersey und Delaware überrascht, als sie im April 1922 die Stimme J. F. Rutherfords, des damaligen Präsidenten der Watch Tower Society, hörten, der einen Vortrag mit dem Thema hielt: „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“. Wie ungewöhnlich all das war, verdeutlicht die Schlagzeile im Record von Philadelphia: „Richter Rutherfords Vortrag von der Metropolitan Opera aus übertragen. Er spricht in das Übertragungsgerät. Die Botschaft wird durch Bell-Fernsprechkabel meilenweit zur Howletts-[Radio-]Station übertragen.“
Die Watch Tower Bible and Tract Society hatte früh die Möglichkeiten erkannt, sich des immer populärer werdenden Rundfunks zur Bekanntmachung der Königreichsbotschaft zu bedienen. Daher kaufte die Gesellschaft im Jahre 1922 auf Staten Island in New York City ein Grundstück, um ihre eigene Radiostation errichten zu können. Der Sender der Gesellschaft wurde amtlich zugelassen und erhielt die Kennbuchstaben WBBR. Die erste Sendung wurde am Sonntag, dem 24. Februar 1924, ausgestrahlt.
Das war für die Watch Tower Society jedoch nur der Anfang in der Benutzung des Rundfunks. Im Jahre 1925 wurde die Wahrheit der Bibel von einer weiteren Rundfunkstation mit dem Kennzeichen WORD in Batavia (Illinois) ausgestrahlt. Schließlich bediente man sich eines weltweiten Netzes von Rundfunkstationen, um biblische Sendungen und Vorträge auszustrahlen. Im Jahre 1933 wurde der Höhepunkt erreicht, als 408 Stationen in Anspruch genommen wurden, um die Botschaft in sechs Kontinente zu tragen.
Nach 33jährigem Gebrauch des Rundfunks verkaufte die Gesellschaft 1957 den Sender WBBR. Warum nahm man diese Änderung vor? Das geschah deshalb, weil es mittlerweile in den Gegenden, wo die Rundfunksendungen empfangen werden konnten, viele Versammlungen der Zeugen Jehovas gab, die in der Lage waren, ein wirkungsvolleres Zeugnis durch Hausbesuche zu geben (Apostelgeschichte 20:20). Des weiteren machten die Rundfunkstationen und Sendungen Personal und Geld erforderlich, das besser auf andere Weise eingesetzt werden konnte, besonders in Missionargebieten. Aus ähnlichen Gründen ist auch das Fernsehen bisher nur in geringem Maße eingesetzt worden.
Predigen mit Hilfe von Grammophonen
Die Verwendung von Schallplatten in Rundfunksendungen führte zu einer weiteren Neuerung — das Predigen von Haus zu Haus mit Hilfe von Grammophonen. Seit 1934 förderte die Watch Tower Society für das Predigtwerk von Haus zu Haus den Einsatz tragbarer Grammophone, auf denen Schallplatten (78 U/m) abgespielt wurden, die eine kurze biblische Botschaft wiedergaben. Im Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn wurde ein besonders leichtes tragbares Grammophon entwickelt, und 20 000 wurden in Brooklyn hergestellt. Als die Gesellschaft 1937 von der Verwendung kommerzieller Rundfunkstationen Abstand nahm, half das Grammophonwerk, die Kluft zu überbrücken.
Im Jahre 1944 waren Jehovas Zeugen jedoch so weit geschult, daß sie selbst Predigten halten konnten und das Grammophonwerk sich erübrigte. Wie der Rundfunk, so hatte auch diese Erfindung ihren Zweck erfüllt.
Ein einzigartiges System
Geradeso, wie im Jahre 1884 die Zeilensetzmaschine das Druckwesen revolutionierend veränderte, so kam in den 1960er Jahren eine Kombination aus Offsetdruckverfahren und Fotosatz immer mehr in Gebrauch. Durch das Fotosatzverfahren war das Bleisatzverfahren praktisch über Nacht überholt. Der Vorteil des Fotosatzverfahrens kann wie folgt veranschaulicht werden: Das Setzen eines 600seitigen Buches nach dem Fotosatzverfahren, das 12 Stunden in Anspruch nahm, hätte nach der herkömmlichen Methode ein Jahr gedauert.
Die Watch Tower Bible and Tract Society hatte die Entwicklungen auf diesem Gebiet verfolgt und übernahm das Fotosatzverfahren, nachdem die meisten Schwachstellen dieses Systems bereits ausgemerzt worden waren. Seit 1978 druckt die Gesellschaft auf Rollenoffsetdruckmaschinen und hat auch ein eigenes vielsprachiges computerisiertes Druckvorbereitungssystem (MEPS) entwickelt. Die Abkürzung MEPS steht für Multilanguage Electronic Phototypesetting System.a Es ist eines der fortschrittlichsten vollautomatischen Druckvorbereitungssysteme der Welt.
Warum hat sich die Gesellschaft so sehr mit der Computerisierung beschäftigt, daß sie sogar ein eigenes Entwicklungslabor unterhält? Im angesehenen Seybold Report on Publishing Systems wird folgender Hinweis gegeben: „Die außergewöhnlichen Anforderungen, die die Watchtower an die Vielsprachigkeit stellt, hätten seitens irgendeines Herstellers umfangreiche Veränderungen, wenn nicht sogar eine Überarbeitung des Gesamtentwurfs notwendig gemacht. ... In den Anlagen von Watchtower werden jährlich Hunderte von Millionen Exemplare von Büchern und Druckschriften hergestellt. Die Tatsache, daß diese Publikationen in einer großen Anzahl verschiedener Sprachen für eine weltweite Verbreitung hergestellt werden, verursacht einige ungewöhnliche Probleme beim Setzen.“
Diese Probleme sind von Jehovas Zeugen bisher so weit gelöst worden, daß seit Januar 1985 die Zeitschrift Der Wachtturm in den meisten Hauptsprachen simultan veröffentlicht wird. Aufgrund dieses enormen Fortschritts erhalten über 90 Prozent der Leser den lebenswichtigen biblischen Stoff zur gleichen Zeit.
Ein weiteres Hilfsmittel
Seit vielen Jahren ist in einer Reihe von Ländern das Analphabetentum, das unter der gesamten Bevölkerung oder unter großen Bevölkerungsteilen herrscht, ein großes Hindernis. Dadurch ist es vielen aufrichtigen Menschen verwehrt geblieben, den Inhalt der Bibel kennenzulernen. Obwohl die Watch Tower Society seit Jahrzehnten in der ganzen Welt Schulklassen fördert, in denen Lese- und Schreibunterricht erteilt wird, erachtete sie es als notwendig, noch eine andere technische Neuerung einzusetzen, um biblischen Lehrstoff zu verbreiten — Kassettenrecorder und Kassetten. Aus diesem Grunde richtete die Gesellschaft eine Kassettenproduktionsabteilung in Brooklyn ein, die 1978 ihren Betrieb aufnahm. Seither sind über 18 Millionen Kassetten hergestellt worden.
Um den Text der Bibel auf Kassetten sprechen und biblische Dramen sowie christliche Musik aufnehmen zu können, wurden Aufnahmestudios eingerichtet. Alle Versammlungen der Zeugen Jehovas auf der Erde können sich daher beim Singen ihrer christlichen Lieder von der gleichen Klaviermusik begleiten lassen. Von derselben Musik gibt es auch konzertante Versionen, Königreichsmelodien genannt, die sich weltweiter Beliebtheit erfreuen. Viele Menschen, unter anderem Sehbehinderte, erlangen eine tiefere Wertschätzung für die Bibel, wenn sie sich die Bibelbücher in ihrer Sprache von der Kassette abhören können, zum Beispiel als Ergänzung zu den zur Verfügung stehenden Veröffentlichungen in Blindenschrift.
Vor einiger Zeit besuchte ein Geschäftsmann aus Florida, der Kassettenproduktionsmaschinen vertreibt, die Kassettenabteilung der Watch Tower Society und schrieb danach folgenden Brief: „Es erübrigt sich, zu sagen, daß ich von Ihrem vollständig ausgerüsteten Betrieb überrascht war. Nie habe ich einen Betrieb so sauber und so wirkungsvoll arbeiten sehen wie den Ihrigen. Ich glaube, man verrichtet bessere Arbeit und ist auch stolzer darauf, wenn man einen anderen Beweggrund hat als Geld.“
Der Bericht über die 100jährige Tätigkeit der Watch Tower Bible and Tract Society zeigt, daß sie von neuen Erfindungen guten Gebrauch gemacht hat, um ihren in der Satzung festgelegten Zweck zu erfüllen, nämlich die gute Botschaft vom Königreich Gottes weltweit zu verkündigen. Das ist aber nicht ohne heftigen Widerstand von religiöser oder politischer Seite geschehen. Die Geschichte ihrer weltweiten Verfolgung aufgrund ihres Glaubens ist ohne Beispiel, wie die folgenden Artikel berichten werden.
[Fußnote]
a Eine eingehendere Beschreibung von MEPS ist in Erwachet! vom 22. Juli 1984, S. 21—27 zu finden.
[Bild auf Seite 6]
Diese Erfindungen wurden zur Verbreitung der Königreichsbotschaft eingesetzt
[Bild auf Seite 7]
Technischer Fortschritt hat sich weltweit ausgewirkt