Heftiger Widerstand in Nordamerika
100 JAHRE
„WENN sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen.“ „Vor allen diesen Dingen aber wird man Hand an euch legen und euch verfolgen, indem man ... euch vor Könige und Statthalter schleppt um meines Namens willen. ... und man wird einige von euch zu Tode bringen, und ihr werdet um meines Namens willen Gegenstand des Hasses aller Menschen sein“ (Johannes 15:20; Lukas 21:12-17).
Die oben angeführten Worte Jesu zeigen ganz eindeutig, daß seine wahren Nachfolger verfolgt würden. Aber warum? Jesus antwortet: „Wenn ihr ein Teil der Welt wäret, so wäre der Welt das Ihrige lieb. Weil ihr nun kein Teil der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, deswegen haßt euch die Welt“ (Johannes 15:19).
Traf dies auf die Prediger der Zeugen Jehovas zu, die die Watch Tower Bible and Tract Society vertraten? Wenn ja, warum sind sie verfolgt worden? Dafür, daß sie sich in die Politik eingemischt oder in Religionskriegen und Revolutionen für irgendeine Seite Stellung bezogen hätten? Was zeigt der Bericht der vergangenen 100 Jahre?
Früher Widerstand in den Vereinigten Staaten
Zweiunddreißig Jahre lang (von 1884 bis 1916) war Charles Taze Russell Präsident der Watch Tower Bible and Tract Society. Er war ein furchtloser Prediger und ein sehr produktiver Autor. Unerschrocken prangerte er die Lehre von der Dreieinigkeit, von der Unsterblichkeit der Seele und dem Höllenfeuer an und widerlegte sie. Zeitweise wurden die Predigten Russells jede Woche in etwa 3 000 Zeitungen in den Vereinigten Staaten, in Kanada und Europa veröffentlicht. Deshalb wurde er hauptsächlich von der Geistlichkeit ständig angegriffen. Viele seiner Feinde gingen bei ihren Versuchen, ihn in Mißkredit zu bringen, zu persönlichen Angriffen über. Wie betrachtete er diese Verleumder? Er sagte einmal: „Wenn du dich damit aufhältst, jeden Hund zu treten, der dich anbellt, wirst du nie weit kommen.“
Er zog es vor, weder Geld noch Zeit für Gerichtsverhandlungen aufzuwenden, die seinen Gegnern nur weitere Publizität gebracht hätten. Er vertraute darauf, daß sich die Aussage Jesu bewahrheiten würde: „Denn es gibt keinen vortrefflichen Baum, der faule Frucht hervorbringt; wiederum gibt es keinen faulen Baum, der vortreffliche Frucht hervorbringt. Denn jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt. ... Ein guter Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens Gutes hervor.“ Russell zog es vor, die guten Früchte seines Dienstes für sich sprechen zu lassen (Lukas 6:43-45).
„Einige werden ärgerlich werden“
Doch der größte Widerstand erhob sich kurze Zeit nach Russells Tod. Zu seinen Lebzeiten hatte er eine Serie von Bibelstudienhilfsmitteln, genannt Schriftstudien, herausgegeben. Er hatte vor, einen siebenten und letzten Band zu schreiben, sagte aber auch: „Wenn der Herr den Schlüssel einem anderen gibt, kann er ihn schreiben.“ Russell starb 1916, und der siebente Band mit dem Titel Das vollendete Geheimnis wurde vom Redaktionsstab des Brooklyner Hauptbüros vervollständigt und im Juli 1917 herausgegeben. Innerhalb weniger Monate erreichte das Buch eine Auflage von 850 000 Exemplaren.
Das Buch war eine scharfe Bloßstellung der Geistlichkeit der Christenheit und deckte politische Manipulationen des Patriotismus auf, durch die man den Massenmord, der während des Ersten Weltkrieges auf beiden Seiten begangen wurde, zu rechtfertigen suchte. Im Vorwort des Buches hieß es: „Einige werden murren und allerlei an diesem Buche auszusetzen haben; einige werden ärgerlich werden, und einige werden sich den Verfolgern anschließen.“ Der Schlag, der daraufhin der Watch Tower Bible and Tract Society versetzt wurde, war wirklich hart. Wie kam es dazu?
Im April 1917 erklärten die Vereinigten Staaten Deutschland den Krieg und wurden so aktiver Teilnehmer am Ersten Weltkrieg. Das britische Empire, einschließlich Kanadas, war bereits in den Krieg verwickelt. Die Entwicklung der Ereignisse sowie einige Absätze in dem Buch Das vollendete Geheimnis gaben der Geistlichkeit die Gelegenheit, zu versuchen, die Bibelgesellschaft zu vernichten.
Am 12. Februar 1918 verbot die kanadische Regierung die Watch Tower Society. Was war der Grund dafür? In einer Pressemitteilung hieß es: „Der Staatssekretär hat gemäß der Pressezensurverordnung Verfügungen erlassen, die in Kanada den Besitz einer Anzahl Publikationen verbieten, darunter das von der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung [der Name des kanadischen Zweiges der Watch Tower Society] veröffentlichte Buch, betitelt ‚SCHRIFTSTUDIEN — Das vollendete Geheimnis‘ ... Wer im Besitz irgendwelcher verbotener Bücher angetroffen wird, hat eine Höchststrafe von 5 000 Dollar und fünf Jahren Gefängnis zu gewärtigen“ (Kursivschrift von uns).
Wer stand hinter dem Angriff?
Später hieß es in der in Winnipeg (Kanada) erscheinenden Tribune: „Ehrwürden Charles G. Paterson, Pastor der St.-Stephen’s-Kirche, griff vor wenigen Wochen von der Kanzel herab gewisse Ausführungen aus einer der neuesten Ausgaben des ,Bible Students Monthly‘ [Schriftforscher] heftig an. Darauf ersuchte der Staatsanwalt Johnson Pastor Paterson um ein Exemplar der Publikation. Man glaubt, die Verfügung der Zensur sei die direkte Folge davon“ (Kursivschrift von uns). Offensichtlich hatten einige patriotische Geistliche dem Angriff Vorschub geleistet.
In den Vereinigten Staaten erließ ein Bezirksgericht in New York einen Haftbefehl gegen J. F. Rutherford, den neuen Präsidenten der Watch Tower Society, und sieben seiner engsten Vertrauten. Man bezichtigte sie der „ungesetzlichen, böswilligen und willentlichen Anstiftung zur Insubordination, Untreue und Verweigerung der Dienstpflicht in den Militär- und Flottenstreitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika ..., [und zwar] indem sie überall in den Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich ein gewisses Buch, betitelt ‚Volume VII. Bible Studies. The Finished Mystery‘ [Band 7 — Schriftstudien — Das vollendete Geheimnis] ... verbreitet und überall ... in Umlauf gesetzt haben“.
Auf dem Höhepunkt der Kriegshysterie und des glühenden Patriotismus mußten sich die acht Angeklagten einem geradezu grotesken Gerichtsverfahren unterziehen, das damit endete, daß sieben von ihnen, J. F. Rutherford eingeschlossen, zu je viermal 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Der achte Angeklagte wurde zu viermal 10 Jahren verurteilt. Man legte Berufung ein und bat, gegen Kaution freigelassen zu werden. Der katholische Richter Manton lehnte dies jedoch ab.
Nach neun Monaten Aufenthalt in der Strafanstalt von Atlanta wurden die Beamten der Watch Tower Society schließlich wegen ihrer bevorstehenden Berufungsverhandlung gegen Kaution freigelassen. Später wurde nachgewiesen, daß während der Verhandlung mehr als 125 Fehler gemacht worden waren, von denen nur einige wenige ausreichten, um die zu Unrecht ergangenen Urteile aufzuheben. J. F. Rutherford und seine Gefährten wurden rehabilitiert. Tatsächlich fuhr er fort, vor dem Obersten Bundesgericht der Vereinigten Staaten als Rechtsanwalt zu fungieren, was ihm unmöglich gewesen wäre, wenn man ihn wegen irgendeines Verbrechens verurteilt hätte.
Die Geistlichkeit und Pöbelrotten wenden Gewalt an
Die Ereignisse entfesselten jedoch eine Welle der Verfolgung, bei der die Geistlichen eifrig Öl ins Feuer gossen. Jetzt sahen sie, wie sie dachten, ihre Chance, unter dem Deckmantel des Patriotismus die Watch Tower Bible and Tract Society ein für allemal zu vernichten.
Wir erfahren aus einem Bericht folgendes: „In einem Städtchen im Staate Oregon organisierten der Bürgermeister und zwei Geistliche einen Pöbelauflauf, trieben einen Vortragsredner der [Internationalen Bibelforscher-]Vereinigung aus der Stadt hinaus und verfolgten ihn bis in eine Nachbarstadt. Der Vortragsredner entkam, aber der Pöbel bemächtigte sich seines Freundes, der ihn begleitet hatte, und überschüttete diesen mit Schmiere und Teer. ...
In Los Angeles prahlten Geistliche, daß die Bibelforscher verhaftet und festgehalten würden, ohne daß man ihnen Bürgschaft gewährte. Einige dieser Geistlichen begaben sich zu den Eigentümern von Mietshäusern und suchten diese zu bewegen, die Mieter, welche zu der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung gehörten, hinauszuwerfen. ...
Am 22. April 1918 wurde in Wynnewood (Oklahoma) Claud Watson zuerst eingesperrt und darauf willentlich einer Pöbelrotte ausgeliefert, die aus Predigern, Geschäftsleuten und einigen weiteren Personen bestand. Man schlug ihn nieder, veranlaßte einen Neger, ihn auszupeitschen und, als er sich etwas erholt hatte, ihn von neuem zu schlagen. Dann überschüttete man ihn mit Teer und Federn.“
Konnte jedoch dieser vereinte Widerstand von seiten der religiösen und der politischen Elemente das Ende der Watch Tower Bible and Tract Society herbeiführen? Ganz im Gegenteil! Im September 1919, sechs Monate nachdem J. F. Rutherford und seine Gefährten aus dem Gefängnis entlassen worden waren, wurde in Cedar Point (Ohio) eine Hauptversammlung der Bibelforscher abgehalten. Dort gab J. F. Rutherford die Veröffentlichung einer neuen Zeitschrift mit dem Titel The Golden Age (Das Goldene Zeitalter) bekannt. Viele Jahre lang hat diese Zeitschrift furchtlos den „Gott dieses Systems der Dinge“, Satan, und sein dreiteiliges Instrument zur Versklavung der Menschheit — die falsche Religion, die tiergleiche Politik und die Geschäftswelt — bloßgestellt. The Golden Age (später in Consolation [Trost] umbenannt) wies auf Gottes Königreich in den Händen Christi als der einzig rechtmäßigen Regierung für die Menschheit hin (2. Korinther 4:4).
Heute heißt diese Zeitschrift Awake! (Erwachet!). Es ist die Publikation, die du gerade liest. Sie wird heute in 54 Sprachen gedruckt und verbreitet und hat zur Zeit eine Auflage von nahezu 10 Millionen. Ihre Begleitzeitschrift, Der Wachtturm, die während der schwierigen Jahre des Zweiten Weltkrieges in vielen Ländern verboten war, hat inzwischen eine Auflage von 11 150 000 Exemplaren in insgesamt 102 Sprachen! Keine andere Zeitschrift in der Welt wird in so vielen Sprachen verbreitet. Diese Tatsachen sind der Beweis, daß die Watch Tower Bible and Tract Society nach 100 Jahren Tätigkeit und trotz Widerstand und Verfolgung heute stärker ist als je zuvor!
[Bild auf Seite 10]
Die Geistlichkeit nahm die englische Ausgabe des Buches Das vollendete Geheimnis zum Anlaß für eine Verfolgung