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  • g86 8. 2. S. 10-13
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  • Dreißig Jahre Liebe und Hingabe
  • Erwachet! 1986
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Erwachet! 1986
g86 8. 2. S. 10-13

Dreißig Jahre Liebe und Hingabe

UNSERE Tochter Josephine ist gerade 30 Jahre alt geworden. Es macht ihr großen Spaß, das Geschirr zu spülen, und sie hilft auch sonst gern bei der Hausarbeit. Sie ist uns immer dankbar, weil ihr diese Arbeiten viel Freude bereiten. Dennoch ist Jose (wie wir sie nennen) recht außergewöhnlich. Ich möchte erklären, warum.

Sicherlich kann man sich gut vorstellen, wie sehr ich mich freute, als ich nach 14 Jahren Ehe mein erstes Kind erwartete. Aber als ich Josephine zum erstenmal sah, erkannte ich sofort, daß etwas nicht stimmte. Sie litt am Down-Syndrom (Mongolismus).

Sich mit der Realität auseinandersetzen

Der Schock und der Schmerz waren schrecklich. Meinem lieben Mann tat es so leid um mich wie mir um ihn. Wir waren beide enttäuscht. Und, um ehrlich zu sein, unser Stolz war dahin. Wie sollten wir es unseren Eltern und Freunden beibringen — und wie sollte mein Mann es seinen Arbeitskollegen sagen? Aber was noch schlimmer war, wir hatten großes Mitleid mit unserer Tochter, besonders weil wir damals noch nicht über das Ausmaß ihrer Behinderung Bescheid wußten.

Die Ärzte waren offen. Sie sagten uns, daß Jose nie kräftig sein werde und daß bei dieser Krankheit die Lebenserwartung meist durch eine Herz- und Lungenschwäche herabgesetzt sei. Als ich mit ihr schließlich zu Hause war, wußten wir immer noch sehr wenig. Würde Josephine je laufen, sprechen und allein essen können? Wie würden wir die Aufgabe bewältigen, vorausgesetzt, daß uns dies überhaupt möglich wäre? Aber ich war davon überzeugt, daß Josephine geheilt werden würde, wenn, wie ich so oft gebetet hatte, Gottes Wille hier auf der Erde wie im Himmel geschehen wird (Matthäus 6:9, 10).

Alle unsere Nachbarn erkundigten sich nach dem neuen Erdenbürger. Als Josephine daher sechs Wochen alt war, machte ich sie hübsch zurecht, legte sie in den Kinderwagen und nahm auch einige Exemplare der Broschüre mit dem sehr ermutigenden Thema mit: „Kannst du ewig in Glück auf Erden leben?“ Dann klingelte ich an jeder Tür auf beiden Seiten der Straße, in der wir wohnten, und ließ alle Nachbarn unser Baby anschauen. Dabei erzählte ich von meiner Hoffnung, daß Josephine unter Gottes Königreichsherrschaft vollkommen gesund werden wird, und gab jedem ein Exemplar der Broschüre. Ich bemühte mich, einen tapferen Eindruck zu hinterlassen, aber als ich fertig war, fühlte ich mich gar nicht so tapfer. Wenigstens hatte ich allen gezeigt, wie kostbar mein Glaube ist.

Der Herausforderung begegnen

Mein Mann und ich beschlossen, unser Bestes für Josephine zu tun. Von Anfang an konzentrierten wir uns auf die Aufgabe, sie zu einem akzeptablen Glied der Gesellschaft zu machen. Uns war kaum bewußt, wie viele Jahre langsamer Schulung — qualvoll langsam manchmal — vor uns lagen.

Beispielsweise ließ Jose ihre Zunge andauernd aus dem Mund hängen. Immer, wenn ich es bemerkte, schob ich sie vorsichtig zurück, gab Jose einen Kuß auf die Wange und sagte leise: „Braves Mädchen!“ Mit sechs Monaten verstand sie, was wir von ihr wünschten, und dieses Problem war beseitigt. Aber wieviel Geduld wir gebraucht hatten!

Angehörige, Freunde und Mitgläubige aus der Versammlung Taunton (England) halfen uns alle sehr. Es fehlte uns nie an einem aufmunternden Wort. Nach etwas mehr als einem Jahr konnte Josephine mit Hilfe eines Laufgestells für Kinder allein im Haus umhergehen. Allmählich entwickelte sich bei ihr ein Verhaltensmuster, aber wir hatten immer noch viel zu lernen.

Als Josephine zweieinhalb Jahre alt war, sagte man uns, daß es nun an der Zeit sei, sie zur Sauberkeit zu erziehen. Ich setzte sie immer vor dem Zubettgehen aufs Töpfchen und dann nochmals, bevor mein Mann und ich ins Bett gingen. Wir stellten unseren Wecker auf halb fünf. Dann stand ich auf und setzte sie wieder aufs Töpfchen. Dadurch, daß wir den Wecker so stellten, daß er jeden Tag fünf Minuten später klingelte, hatten wir eine ungestörte Nachtruhe, als Jose drei Jahre alt war. Wir erkannten, daß das Geheimnis darin lag, immer warme und trockene frische Kleidung zur Hand zu haben und sie mit den Worten zu loben, die ihr so vertraut waren: „Braves Mädchen!“

Fortschritte und Rückschläge

Da wir wußten, daß wir mit unserem Problem nicht allein dastanden, lasen wir Bücher über das Down-Syndrom. Viele davon deprimierten uns aber. Daher beschlossen wir, Josephines Fähigkeiten und Grenzen unabhängig davon bewerten zu lassen. Bei den Beratungen gingen die Meinungen erheblich auseinander. Gewöhnlich hing es davon ab, wie sich Josephine zum Zeitpunkt einer Beratung fühlte.

Einmal hatte sie vom ersten Augenblick an eine Abneigung gegen einen Spezialisten. Folglich war er der Meinung, Josephine sei ein besonders schwerer Fall und kaum imstande, überhaupt etwas zu lernen. Andere Gespräche dagegen waren konstruktiver. Ihre Fähigkeit, ein wenig zu sprechen und Melodien zu singen, kam ihr zustatten. Aufgrund von Tests konnten wir Jose mit acht Jahren in einer Sonderschule in Bristol anmelden.

Als Jose drei Jahre alt war, hatten wir eine zweite Tochter bekommen, Joan. Mit der Zeit wurde sie meine ständige Begleiterin und half mir, für Josephine zu sorgen. Das tat sie mit der Unbekümmertheit eines Kindes, das seine ältere Schwester von Herzen liebt, obwohl diese in Wirklichkeit für sie wie ein Baby war. Wenn ich schon die Flinte ins Korn werfen wollte, weil Jose ein Wort nicht herausbrachte oder sehr ungezogen war, gab Joan nicht auf und ermutigte mich dadurch. Ein Problem war, daß Josephine ihre Frustrationen allzuoft durch Wutanfälle entlud. Dann half es nur noch, sie gut festzuhalten, damit sie sich nicht selbst verletzte, und ihr gütig zuzureden, bis sie sich allmählich beruhigte.

Es war gewiß nicht einfach, unter diesen Umständen zwei Kinder aufzuziehen. Als ich einmal ins Krankenhaus mußte, um mich operieren zu lassen, grämte sich Josephine so sehr, daß sie ihr schönes dunkles Haar verlor. Obgleich wir viele Jahre lang regelmäßig einen Spezialisten aufsuchten, muß sie bis heute eine Perücke tragen. Kurz darauf fing sie an zu kränkeln. Sie hatte auch eine Rückgratverkrümmung, aber wegen ihres bedenklichen Gesundheitszustandes konnten wir diese nicht behandeln lassen. Wir hatten es alle nicht leicht. Wenn besonders viel Streß auf uns zukam, waren wir dankbar, daß es die modernen Medikamente gab, die es Jose ermöglichten, sich zu entspannen und zu schlafen. Ich bezweifle, daß sie ohne diese Medikamente heute noch am Leben wäre.

Die Lehrer, die sich auf Josephine spezialisiert hatten, scheuten keine Mühe, ihr zu helfen und sie zu schulen. Der Unterricht dauerte nie länger als 20 Minuten, und oft war er sogar wesentlich kürzer. Wir konzentrierten uns hauptsächlich darauf, daß sie die Vokale richtig aussprach, dann kurze Sätze, und das alles ganz langsam, um eine klare Aussprache zu erzielen. Joses Konzentrationsfähigkeit war sehr begrenzt. Ich erinnere mich, daß Joan und ich einmal zwei Wochen brauchten, um ihr beizubringen, „mein Arm“ und „Parkwächter“ zu sagen. Aber wie froh waren wir, als wir Erfolg hatten!

Josephines Unterricht war, obwohl er sehr begrenzt war, von großem Wert. Mit 16 Jahren konnte sie nicht nur gut sprechen, sondern auch lesen und schreiben. Sie hatte gelernt, mit ihren Händen umzugehen, und konnte weben und aus Ton Töpfe formen. Noch heute malt sie sehr gern und exakt Bilder aus. Was aber am wichtigsten ist, in all den Jahren lehrte ich meine beiden Töchter, Jehova Gott zu lieben.

Geistige Segnungen

Als sich Joan im Alter von 16 Jahren taufen ließ, war Josephine anwesend und hörte, wie der Redner sagte, daß ein Getaufter „wahrhaftig zur großen Familie Jehovas gehört“. Von da an war es auch ihr sehnsüchtiger und inbrünstiger Wunsch, zu dieser Familie zu gehören. Daher ließ sie sich später, im Alter von 22 Jahren, taufen. Das war ein glücklicher Tag!

Josephine spricht furchtlos mit jedem über ihren Glauben — mit ihren Lehrern in dem Zentrum, wo sie jede Woche einige Zeit zubringt, mit Freunden und mit Nachbarn. Sie ist stolz darauf, eine Zeugin Jehovas zu sein. Jose verbreitet viele Bibelstudienhilfsmittel und gibt mir dann die Adressen der betreffenden Personen, so daß ich ihnen schreiben kann, um dem Interesse, das sie vorgefunden hat, nachzugehen. Sie besucht gern die Zusammenkünfte in unserem Königreichssaal, und wenn es ihr einigermaßen gut geht, können wir sie auch zu größeren Kongressen mitnehmen.

Ich habe zahlreiche Gelegenheiten, anderen zu helfen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden wie wir. Einige Arbeitskollegen meines Mannes und Ärzte, die Josephine kennen, haben mich zum Beispiel gebeten, andere Eltern zu trösten, die ein mongoloides Kind haben. Sie wenden sich an mich, weil ich immer fröhlich bin. Allerdings habe ich auch allen Grund, glücklich zu sein. Im Laufe der Jahre habe ich mit verschiedenen Familien, selbst mit Familien in Australien, in Briefwechsel gestanden, die dasselbe Problem haben wie wir. Es ist stets lohnend, anderen Eltern Mut zusprechen zu können und ihnen aus eigener Erfahrung praktische Vorschläge zu machen.

Natürlich liegt jeder Fall anders, und die häuslichen Verhältnisse sind unterschiedlich. Doch Experten auf medizinischem Gebiet geben zu, daß mongoloide Kinder die verschiedensten Fähigkeiten und verborgene Talente haben. Eltern müssen gegen die Neigung ankämpfen, zu passiv oder überfürsorglich zu sein, wenn sie sich nach dem anfänglichen Schock erholt haben. Zu große Nachsicht ist eine weitere ständige Gefahr. Die ersten fünf Lebensjahre sind für ein mongoloides Kind ebenso formend wie für ein gesundes Kind. Festigkeit, gepaart mit Güte, ist unerläßlich, wenn man die Möglichkeiten voll ausschöpfen möchte.

Jede Anstrengung, die mein Mann, unsere Tochter Joan und ich unternommen haben, war der Mühe wert. Außenstehende denken oft, daß die Betreuung eines behinderten Kindes eine Verpflichtung ist, die kaum lohnt. Wie sehr sie sich doch irren! Obwohl Josephine nicht kochen kann, überrascht sie uns oft mit einer Tasse Tee, wenn wir Besuch haben. Sie geht auch ans Telefon, macht ihr Bett und verrichtet mit großer Sorgfalt und Geduld kleine Aufgaben wie Staubwischen und andere Reinigungsarbeiten.

Mongoloide Kinder sind nicht nur äußerst liebevoll, sondern auch sensibel, fürsorglich und sanft. Josephine ist keine Ausnahme. O ja! Sie hat uns wirklich weit mehr Freude gebracht als Leid. Was unsere Familie betrifft, so kann man sagen, daß besonders sie es ist, die sich durch Liebe und Hingabe auszeichnet. (Von Anna Field erzählt.)

[Herausgestellter Text auf Seite 10]

Ich zeigte allen, wie kostbar mein Glaube ist

[Herausgestellter Text auf Seite 11]

Wir waren sehr dankbar für die modernen Medikamente, die es Jose ermöglichten, sich zu entspannen und zu schlafen

[Herausgestellter Text auf Seite 12]

Ich lehrte meine beiden Töchter, Jehova zu lieben

[Herausgestellter Text auf Seite 13]

Die ersten fünf Lebensjahre sind für ein mongoloides Kind ebenso formend wie für ein gesundes Kind

[Bild auf Seite 11]

Anna Field mit ihrer Tochter Josephine

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