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Erwachet! 1986
g86 22. 11. S. 20-22

Eine „Räuberin“, die ihrem Namen Ehre macht

Von unserem Korrespondenten in Surinam

„WAS für Klauen!“ rief ich, als Heinz Heyde, ein Zoologe und Autor, mir ein Paar gelbe Klauen gab, so dick wie das Handgelenk eines Kindes.

„In natura sind sie noch größer“, sagte mein Gastgeber lächelnd. „Dieses Paar ist ausgetrocknet und daher ein wenig geschrumpft. Die größten, die ich je gesehen habe, hatten acht Zentimeter lange Krallen“, erklärte er und wies auf die bedrohlichen schwarzen Krallen, die aus einem Fuß herausragten, der so groß wie meine Hand war.

Diese eindrucksvollen Fänge, so erfuhr ich, sind unter den Raubvögeln ohnegleichen. Als Zoologen den Vogel, der seine Klauen stolz vorzeigt, zum erstenmal erforschten, wurden sie an die Harpyie erinnert, das geflügelte Ungeheuer aus der griechischen Mythologie. Die Sage erzählt, daß die Harpyie mit ihren riesigen Krallen Menschen raubte. So erhielt dieser dem Adler ähnliche Raubvogel mit den großen Krallen passenderweise den Namen Harpyie, was „Räuberin“ bedeutet.

„In Surinam“, erklärte H. Heyde, „nennen ihn manche Einheimische pia.“ Da die Harpyie in den dichten tropischen Regenwäldern Mittel- und Südamerikas lebt, bekommt man sie selten zu Gesicht; auch den ausdauerndsten Vogelbeobachtern ergeht es nicht besser. Doch manchmal landet sie auf einem Baum an einem Flußufer und verrät sich durch ein lautes „Piiiii-a! Piiiii-a!“ Daher der einheimische Name.

Wie man sie auch immer nennt, es ist ihr Ruf als Räuberin, der hervorsticht — und manchem Angst einjagt. Inwieweit hat sie diesen berüchtigten Namen jedoch verdient?

Die Harpyie in Aktion

Da die Harpyie stets einen vornehmen Abstand zwischen sich und dem Beobachter wahrt, ist es nicht leicht, ihre faszinierenden Geheimnisse zu lüften.

Die Harpyie bietet ein tristes Bild in Schwarz, Grau und Weiß. Wie eine gemeißelte Statue sitzt sie im Wipfel des höchsten Baumes im Wald. Mit einer Gesamtlänge von einem Meter ist das ausgewachsene Weibchen (es ist ein Drittel größer als das Männchen) einer der stärksten und größten Raubvögel der Welt. Mit ihrer Größe und rohen Kraft ist die Harpyie unbestritten der aka-granman des Regenwaldes, der „Anführer der Raubvögel“, wie die Einheimischen den Vogel respektvoll nennen.

Die Harpyie hat keine so große Flügelspannweite wie beispielsweise der Kondor, ein hoch in der Luft segelnder Raubvogel, aber das Revier der Harpyie läßt das Segeln auch gar nicht zu. In den dichten Wäldern muß sie wendig und schnell sein. Sie ist für eine hohe Geschwindigkeit bestens ausgerüstet. Mit kraftvollen Flügelschlägen und kurzen Gleitstößen von Wipfel zu Wipfel streift sie rasch durch den Baldachin des Waldes, wobei sie horcht und schaut, ob irgend etwas auf Beute hindeutet.

Dort hängt ein Faultier an einem Ast! Schnell steigert sie ihre Geschwindigkeit auf 60 bis 80 Stundenkilometer und stürzt sich pfeilschnell in Richtung Opfer hinab. Dann, nur etwa einen Meter von der Beute entfernt, macht die Harpyie eine Seitwärtswendung und streckt ihre Krallen nach vorn aus. Sie packt das Faultier, reißt es vom Baum los und trägt es siegesbewußt davon — tatsächlich eine „Räuberin“!

Der plötzliche Luftangriff versetzt das Tierreich in Aufruhr. Papageien, Baumstachelschweine, Opossums, Agutis und Nasenbären verschwinden — und das mit gutem Grund. Sie alle stehen auf dem Speiseplan der Harpyie. Aber am meisten geraten die Affen in Panik. „Sobald die Affen eine Harpyie entdecken“, erklärte H. Heyde, „schlagen sie Alarm. Sie schreien aus vollem Hals, weil sie wissen, daß es um Leben oder Tod geht. Ich habe schon gesehen, daß sie sich einfach wie eine reife Mango von einem Baumwipfel zu Boden fallen lassen. Sogar die Schwarzen Klammeraffen stehen Todesängste aus.“

Was raubt sie?

H. Heydes beiläufige Bemerkung ruft einen erschreckenden Gedanken wach: Können Harpyien wirklich ein so großes Tier wie den Klammeraffen fassen? Ich fragte Gerard Brunings, einen Buschpiloten, der vor einigen Jahren eine Harpyie besaß.

„Sicher können sie das“, erwiderte er. „Einmal griff meine Harpyie ein Lamm an. Als sie größer war, jagte sie die Hunde in der Nachbarschaft. Eines Tages packte sie einen Hund, der über einen halben Meter groß war. Er war allerdings so schwer, daß die Harpyie damit einfach nicht wegfliegen konnte. So zog sie den Hund mit schlagenden Flügeln über die Straße und hielt ihn so lange fest, bis sie unsere Garage erreicht hatte.“

„Sie sind wirklich kräftig und zudem mutig“, bestätigte später Marcel van Ommeren, ein Tierarzt. „Selbst wenn sie in die Enge getrieben werden, geben sie nicht auf.“

„Wie behandeln Sie eine kranke Harpyie?“ fragte ich ihn.

„Die einzige Möglichkeit, eine Harpyie zu behandeln, besteht für mich darin, sie mit einem langen, gegabelten Stab festzuhalten. Dann strecke ich schnell meinen Arm aus und gebe ihr eine Injektion — wobei ich den bedrohlichen Krallen nicht zu nahe kommen darf.“

Wem es bei dem Gedanken an diesen kräftigen Raubvogel ein wenig unbehaglich zumute wird, der steht nicht allein da. G. Brunings behauptete, daß einige Dschungelbewohner in Surinam die Harpyie als gefürchteten Feind betrachten. „Manche nennen sie loktoe tigri oder ‚Tiger des Himmels‘“, sagte er. „Sie sind der festen Überzeugung, die Harpyie würde kleine Kinder packen und wegtragen.“

Ornithologen weisen diese Befürchtung indessen als unbegründet zurück.

Der Nestbau

Die Raublust der Harpyie hat ihr einen Ruf eingebracht, der für ihre Existenz bedrohlich werden könnte. Doch die mächtigen Krallen und der kräftige Schnabel können auch einem friedlichen Zweck dienen. Gewöhnlich alle zwei Jahre sucht sich ein Harpyienpaar Ende Mai einen riesigen Wollbaum aus, auf dem es einen Horst baut. Oft nimmt es einen alten Horst, den es nach seinem persönlichen Geschmack „umbaut“.

Das Harpyienpaar sucht nun Äste, die dann zu einem Horst von über einem Meter Durchmesser und über einem halben Meter Höhe verflochten werden. Grüne Zweige von benachbarten Bäumen dienen der Verschönerung. Interessanterweise ist das Weibchen in dieser Hinsicht ein wenig wählerisch. Neil L. Rettig, der sich mit Harpyien auskennt, behauptete, daß das Weibchen mitunter fünf Minuten umherfliegt, bevor es einen Zweig nimmt, der ihm zusagt. Das Männchen zeigt keine solche Vorliebe und sammelt wahllos. Auch im Tierreich versteht das weibliche Geschlecht etwas von Innenausstattung!

Ist der Horst gebaut, dann legt das Harpyienweibchen zwei Eier und läßt sich für eine Zeitspanne von 56 Tagen zum Brüten nieder. Es trotzt der sengenden Sonne und dem peitschenden Regen. Der Vater hingegen ist nicht so häuslich und kommt nur einmal in der Woche, um dem Weibchen Futter zu bringen. Er ist so rücksichtsvoll und bewacht den Horst, damit das Weibchen zu einem nahen Baum fliegen kann, um dort seine Mahlzeit einzunehmen. Wenn die Pause vorüber ist, kehrt das Männchen jedoch in den Urwald zurück, bis ihn das Weibchen mit einem eindringlichen „Piiiii-a!“ wieder an seine Familienverpflichtungen erinnert.

Sobald ein Junges geschlüpft ist (das zweite Ei wird dann nicht mehr beachtet), hat der Vater doppelt soviel Arbeit. Er liefert nun zweimal in der Woche Futter, bis das Kleine den halben Wuchs erreicht hat. Für etwa drei Monate füttert die Mutter das Junge. Danach braucht es nicht mehr gefüttert zu werden, obwohl es sich noch immer gern von der Mutter verwöhnen läßt. Nach einem Monat steht die kleine Harpyie auf, wackelt umher und ahmt das wiederholte „Piiiii-a!“ der Eltern nach.

Wenn ein starker Wind über den Horst hinwegfegt, sieht man den Junior die Flügel schlagen und für einen Moment auffliegen. Mit fünf Monaten kann der Kleine umherfliegen, aber die Eltern sorgen noch einige weitere Monate für Nahrung, bis er kräftig genug ist, sich auf eigene Füße zu stellen. Bald kommt der Tag, an dem er drei oder vier heftige Flügelschläge macht und nach einem eleganten langen Gleitflug im Wald verschwindet.

Dort wird er seinem Namen als raublustiger Vogel Ehre machen. Zwar ist die Harpyie aufgrund ihres Rufes gefährdet, aber der Buschpilot G. Brunings meinte: „Wenn wir über den Urwald fliegen, entdecken wir hin und wieder Harpyien vom Flugzeug aus und können beobachten, wie sie paarweise oder allein fliegen. Ich denke, sie werden es schaffen zu überleben.“

[Bildnachweis auf Seite 20]

© Zoologische Gesellschaft, San Diego

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