Wachtturm ONLINE-BIBLIOTHEK
Wachtturm
ONLINE-BIBLIOTHEK
Deutsch
  • BIBEL
  • PUBLIKATIONEN
  • ZUSAMMENKÜNFTE
  • g87 22. 9. S. 19-22
  • Ich gewann meine Freiheit — Im Gefängnis!

Kein Video für diese Auswahl verfügbar.

Beim Laden des Videos ist ein Fehler aufgetreten.

  • Ich gewann meine Freiheit — Im Gefängnis!
  • Erwachet! 1987
  • Zwischentitel
  • Ähnliches Material
  • Fremdenlegion oder Gefängnis in Spanien?
  • Eine befremdende Begegnung
  • Ein Predigtfeldzug von Zelle zu Zelle
  • Prüfung der Neutralität im Gefängnis
  • Taufe und wirklich frei
  • Der Weg zur echten Erneuerung der Persönlichkeit
  • „Mein Eindruck von Jehovas Zeugen hat sich durch Sie geändert“
    Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1999
  • Predigttätigkeit in Gefängnissen trägt Frucht
    Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1958
  • Fragekasten
    Königreichsdienst 1974
  • Sozialisation von Gefangenen — Wie kann sie gelingen?
    Erwachet! 1975
Hier mehr
Erwachet! 1987
g87 22. 9. S. 19-22

Ich gewann meine Freiheit — Im Gefängnis!

ICH atmete tief in der frischen, wie mir schien völlig anderen Luft außerhalb des Gefängnisses, das ich gerade verlassen hatte. Ich konnte es noch gar nicht fassen — endlich frei! Frei, um das Gefängnis von Villeneuve-sur-Lot (Frankreich) von außen zu betrachten. Frei, um in meine Heimat, Spanien, zurückzukehren.

Mit 23 Jahren war ich ins Gefängnis gekommen, und 1976 wurde ich im Alter von 28 Jahren wieder entlassen.

Als ich mich vom Gefängnis entfernte, vertiefte sich das beglückende Gefühl, frei zu sein, mehr und mehr. Noch einmal schaute ich mich um und blickte etwas länger auf die scheußlichen Mauern. Doch ich wußte vor allem: Meine Freiheit hatte ich bereits im Gefängnis zurückgewonnen.

Meine fünfjährige Haft verbrachte ich in fünf verschiedenen Vollzugsanstalten. Wie war es dazu gekommen, daß ich in Frankreich im Gefängnis saß? Der Grund war alles andere als edel. Ich war ein Straftäter. Meine unglückliche Kindheit in einem entzweiten Elternhaus und eine widersprüchliche religiöse Erziehung hatten meine Persönlichkeit geprägt. Daß ein Gott der Liebe seine Geschöpfe in einem unauslöschlichen Feuer quälen würde, ging mir nie in den Kopf. Ich entwickelte mich zu einem schwererziehbaren Kind. Fünf verschiedene Grundschulen haben mich nicht behalten.

In meinem Geburtsort Barcelona wuchs ich in einer feindseligen Umgebung auf. Als ich sechs Jahre alt war, trennten sich meine Eltern, und ich wurde meinem Vater zugesprochen. Er erzog mich jedoch nicht so streng, wie es nötig gewesen wäre, und schließlich brachte er mich wegen meiner Widerspenstigkeit und Unbeständigkeit in einer Besserungsanstalt unter.

Die Kränkung, die mir mein Vater dadurch zugefügt hatte, konnte ich lange nicht verwinden. Ich fühlte mich verstoßen. Daß ich die Besserungsanstalt nicht besser verließ, erübrigt sich fast zu erwähnen.

Fremdenlegion oder Gefängnis in Spanien?

Zweimal kam ich wegen üblicher Straftaten hinter Gitter. Später wurde ich in Schmuggeleien hineingezogen und mußte nach Frankreich fliehen. Derzeit war ich 20 Jahre alt. Die französische Gendarmerie verhaftete mich und stellte mich vor die Wahl: entweder in die Fremdenlegion oder Auslieferung an die spanische Polizei. Ich entschied mich für die Fremdenlegion.

Drei Jahre Fremdenlegion machten aus mir nicht gerade einen besseren Menschen. Nach meinem ersten militärischen Einsatz bekam ich drei Monate Urlaub. In dieser Zeit schloß ich mich einer Gruppe von Legionären an, um mit ihnen das Leben in vollen Zügen zu genießen. Die Mittel für unseren unbürgerlichen, verschwenderischen Lebensstil mußten wir uns durch Stehlen beschaffen. Dieses Handwerk verstand ich. Aber nach einigen Monaten faßte uns die Polizei.

Mir wurden verschiedene Straftaten vorgeworfen, darunter Dokumentenfälschung und, das Schlimmste von allem, bewaffneter Raub und Freiheitsberaubung. Diesmal kam mich mein Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit teuer zu stehen: acht Jahre Gefängnis. Man brachte mich nach Marseille (Südfrankreich) in den Militärtrakt der Strafanstalt Les Baumettes. Dort teilte man mir die Arbeit zu, von Zelle zu Zelle den Gefangenen das Essen zu bringen, insgesamt waren es 63 Zellen. Diese und die Gänge mußte ich auch sauberhalten.

Eine befremdende Begegnung

Als ich einmal an bestimmte Zellen das Essen austeilte, sagte der Gefängniswärter, der mich begleitete: „Das hier sind Zeugen.“ Ich konnte ihr Gesicht allerdings nicht erkennen, als ich das Essen durch die Luke in den Zellentüren schob — das ging zu schnell. Mein erster Gedanke war jedoch: „Weshalb sitzen sie als Zeugen irgendeines Verbrechens im Gefängnis?“ In Wirklichkeit handelte es sich um Zeugen Jehovas, die den Militärdienst aus Gewissensgründen verweigert hatten.

Einige Tage später reinigte ein Bekannter ihre Zellen und fand dabei ein blaues Buch in Französisch. Die Zeugen waren in andere Zellen verlegt worden und hatten es zurückgelassen. Er gab es mir, und ich legte es zu meinen Habseligkeiten. Irgendwann danach, an einem der langweiligen Tage, fing ich an, darin zu lesen. Das Buch hieß Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt. In der Mitte des zweiten Kapitels verlor ich die Lust. Ich legte das Buch aber nicht beiseite, sondern blätterte ein paar Seiten weiter. Die Abbildung auf Seite 95 fiel mir besonders auf: „1914“, „Generation“, „Ende“. Neugierig geworden, las ich das betreffende Kapitel.

Später ging ich in die Bibliothek, weil ich wußte, daß die Zeugen dort zu finden waren. Einen von ihnen sprach ich etwas forsch an: „Zeige mir in deiner Bibel etwas über 1914!“ Ein wenig verdutzt erwiderte er: „Lies erst einmal dieses Buch hier, dann findest du die Antwort selbst.“ Er gab mir das Buch „Dein Wille geschehe auf Erden“.

Tags darauf bat ich die Zeugen während des Rundgangs, mir mehr zu erzählen. Daraufhin betrachteten sie mit mir die Bibel — täglich! Meine Fragen nahmen kein Ende: „Wie steht es mit dem Glücksspiel?“ „Dabei ist Habgier oder Habsucht im Spiel, und das sind keine christlichen Eigenschaften“, lautete die Antwort (Kolosser 3:5). Und so ging es weiter, Frage um Frage über Gewohnheiten, Sitten, Lehren. Jede Antwort wurde biblisch begründet.

Mir war, als lösten sich Stricke und Ketten, als ob ich mich aus einer Gußform befreite, die mich mein Leben lang umschlossen hatte. Die Gefängnismauern um mich herum schienen sich aufzulösen. Die biblischen Wahrheiten eröffneten mir einen völlig neuen Horizont. Ich erfuhr, daß die menschliche Gesellschaft, das gegenwärtige „System der Dinge“, durch eine neue Gesellschaft von Menschen ersetzt wird, die das Gesetz Gottes und Gerechtigkeit lieben. Meine Persönlichkeit wandelte sich. Ich fing an, mich im Gefängnis frei zu fühlen! (Matthäus 24:3; 2. Petrus 3:13).

Ein Predigtfeldzug von Zelle zu Zelle

Im Gefängnis war es verboten, andere zu bekehren. Doch Essen austeilen durfte ich. Ich verspürte den Drang, mein Freiheitsgefühl mit anderen zu teilen (Johannes 8:32). Wenn ich also den Flur fegte oder den Gefangenen die Mahlzeiten brachte, schob ich Zeitschriften unter die schweren Eisentüren. Ich führte sogar Aufzeichnungen darüber, welche Ausgaben der Zeitschriften ich jeweils zurückgelassen hatte. Eine angenehme Zeit war angebrochen.

Von diesem Gefängnis überführte man mich in mehrere andere, darunter ein Pariser Gefängnis. Dort beobachtete man mich eine Zeitlang, um festzustellen, wie gefährlich ich sei. Da ich damit rechnete, erneut verlegt zu werden, beantragte ich die Überführung nach Eysses im Südwesten Frankreichs. Wie ich gehört hatte, sollten dort Zeugen inhaftiert sein.

Und tatsächlich war dort einer, aber wir trafen uns in den drei Jahren meines Aufenthalts nicht ein einziges Mal. Er war in einem Flügel untergebracht, zu dem ich keinen Zutritt hatte. So gut ich konnte, organisierte ich meine Tätigkeit. Ich verteilte im Gefängnis Zeitschriften und begann mit mehreren Insassen die Bibel zu betrachten. Mit zweien führte ich sonntags sogar das Wachtturm-Studium durch. Schließlich studierte ich mit drei Insassen regelmäßig die Bibel — mit einem Franzosen, einem Spanier und einem Marokkaner.

Prüfung der Neutralität im Gefängnis

In jedem Gefängnis ist die Solidarität unter den Sträflingen ein ungeschriebenes Gesetz. Es gibt Momente, in denen Vergangenheit, Rasse und Nationalität keine Rolle mehr spielen und jeder Insasse meint, er hänge an der Nabelschnur einer gemeinsamen Plazenta — das Gefängnis. Es ist, als trete jemand dadurch, daß er straffällig geworden ist, unweigerlich in den „Sträflingsorden“ ein. Dieses Gemeinschaftsinteresse verpflichtet den einzelnen, wann immer die Allgemeinheit dafür ist, bei Sträflingsrevolten mitzumachen: in der Zelle Feuer legen, Angriffe auf das Gefängnispersonal und Streik. Aus diesem „Orden“ war ich aber jetzt ausgetreten. Ich mußte mich neutral verhalten und durfte mich nicht in die Machenschaften anderer Sträflinge hineinziehen lassen.

Wegen meiner neutralen Haltung setzte man mich unter Druck. Dreimal wurde ich geschlagen, ein andermal schüttete man mir einen Eimer Wasser ins Bett, und man drohte mir, mich umzubringen. Doch ich wunderte mich, denn das war das Allerwenigste, was ich zu erwarten hatte. Andere, die sich weigerten, bei Revolten mitzumachen, wurden niedergestochen oder fürchterlich geschlagen. Warum kam ich so gut weg? Nach und nach wurde mir klar, daß sich jemand für mich einsetzen mußte. Aber wer sollte das nur sein?

Auf der Fahrt von Paris zum Gefängnis in Eysses hatte ich einem Sträfling der Gruppe Zeugnis gegeben. Es war ein einflußreicher Gefangener — ein Mafioso. Wir studierten zusammen die Bibel, doch er brach das Studium ab. Die Botschaft vom Königreich Gottes beeindruckte ihn nicht so tief, daß er sein Leben änderte. Aber er war es, der mich beschützte. Wenn die Sträflinge eine Demonstration organisierten, sagte er den anderen jeweils, sie sollten mich in Ruhe lassen. Doch dann kam er in ein anderes Gefängnis.

Etwa um diese Zeit wurde wieder ein Aufstand vorbereitet. Man hatte vor, das Gefängnis in Brand zu stecken. Ich bat darum, in Einzelhaft untergebracht zu werden, um eventuellen Vergeltungsmaßnahmen vorzubeugen. Neun Tage verbrachte ich in Isolierhaft. Am zehnten Tag brach eine allgemeine Unruhe aus, die mit einem Brand endete. Die Zerstörung war umfassend, und die Sicherheitskräfte mußten eingreifen. Glücklicherweise blieb ich unversehrt.

Das Herausragendste für mich war, daß ich trotz alledem Predigtfeldzüge im Gefängnis organisieren konnte. Andere zu bekehren war zwar verboten, aber der Gefängnisdirektor hatte nichts gegen das, was ich tat, und sagte: „Solche Gedanken schaden niemandem.“ Ich wandte mich auch an die Gefangenen, die den Gefängniswärtern Hilfsdienste leisteten, und bat sie, in ihrem Bereich meine maschinegeschriebenen Traktate zu verteilen. Diese Sträflinge hatten Zugang zu Bereichen, die mir versperrt blieben. Sie bekamen von mir dafür Pulverkaffee.

Taufe und wirklich frei

Ich wurde von Zeugen Jehovas der französischen Versammlung am Ort besucht. Schließlich sagte ich ihnen, daß ich mich taufen lassen wollte. Aber wie? Im Gefängnis bestand keine Möglichkeit. Ob ich zu diesem Zweck das Gefängnis verlassen dürfte? Der Gedanke erschien mir wie ein Traum. In Rodez, nicht weit vom Gefängnis entfernt, sollte ein Kreiskongreß stattfinden. Ich nahm allen Mut zusammen und bat um die Erlaubnis, den Kongreß zu besuchen.

Entgegen allen Erwartungen bekam ich drei Tage Ausgang und brauchte nur von den Brüdern der Versammlung am Ort begleitet zu werden. Einige Gefängnisbeamte waren dagegen. Sie waren davon überzeugt, daß ich nicht zurückkehren würde. Doch die Erlaubnis war bereits erteilt.

Am 18. Mai 1975 symbolisierte ich meine Hingabe an Gott durch die Taufe. Jetzt war ich wirklich frei. Natürlich kehrte ich ins Gefängnis zurück — zur Verwunderung derer, die gegen die Erlaubnis gewesen waren. Danach wurde mir noch zweimal erlaubt, das Gefängnis für jeweils sechs Tage zu verlassen. An solchen Tagen führte ich Predigtdienst durch und besuchte Glaubensbrüder. Welch ein Gefühl wahrer Freiheit!

Im Januar 1976 wurde ich wegen guter Führung drei Jahre eher aus der Haft entlassen. Schließlich passierte ich die Grenze nach Spanien. Fünf lange Jahre meines Lebens lagen hinter mir. Als ich in Barcelona eintraf, nahm ich sofort mit einer Versammlung der Zeugen Jehovas Kontakt auf. Wie sehr ich mich nach einem normalen Leben sehnte!

Der Weg zur echten Erneuerung der Persönlichkeit

Heute bin ich verheiratet. Wir haben zwei Söhne und eine Tochter, und ich genieße jetzt, was mir in meiner Kindheit versagt geblieben ist — eine geeinte, glückliche Familie. Ich erkenne, daß Jehova mit mir über die Maßen barmherzig gewesen ist. Wenn ich an Psalm 103, Vers 8 bis 14 denke, wo es unter anderem heißt, daß ‘er nicht nach unseren Vergehungen das auf uns gebracht hat, was wir verdienen, weil seine liebende Güte übermächtig ist’, verstehe ich, daß nur ein Gott der Liebe dieses korrupte System der Dinge durch ein besseres ersetzen kann.

Aufgrund meiner Erfahrung kann ich sagen, daß der Strafvollzug außerstande ist und es auch immer sein wird, die Persönlichkeit eines Straftäters zu erneuern. Das Erneuerungsvermögen muß einer inneren Kraft und Motivation entspringen, die den Sinn antreibt (Epheser 4:23). Viele Menschen sinken im Gefängnis noch tiefer und werden mit fast nicht wiedergutzumachenden sittlichen und emotionalen Schäden entlassen.

Glücklicherweise waren die unüberwindbaren Gefängnismauern für mich zerbrochen, noch bevor ich entlassen wurde. Es gibt nichts, was der Wahrheit des Wortes Gottes Einhalt gebieten kann; sie kann nicht eingekerkert werden. Dessen bin ich sicher, denn ich gewann meine Freiheit, obwohl ich noch im Gefängnis war. (Von Enrique Barber González erzählt.)

[Bild auf Seite 21]

Der ehemalige Straftäter Enrique Barber González mit seiner Frau und den Kindern beim Studium der Bibel

    Deutsche Publikationen (1950-2025)
    Abmelden
    Anmelden
    • Deutsch
    • Teilen
    • Einstellungen
    • Copyright © 2025 Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania
    • Nutzungsbedingungen
    • Datenschutzerklärung
    • Datenschutzeinstellungen
    • JW.ORG
    • Anmelden
    Teilen