Crack — Die Not des Ungeborenen
ALS Crack-Kokain Anfang der 80er Jahre sein Debüt auf der Weltbühne gab, hätte sich wohl kaum ein User die verheerenden Wirkungen vorstellen können. Wurde es nicht in niedlichen kleinen Glaspfeifen geraucht oder mit Zigarettentabak oder Marihuana vermischt? Auf den Straßen ging die Rede von der sicheren Droge. Auf jeden Fall war es weit billiger als Heroin oder andere Formen des Kokains. Auch die niedrigeren Einkommensklassen konnten es sich leisten. Die Euphorie, die Crack erzeugt, schien jeden Preis wert zu sein.
Erschütternde Beweise für die Gefährlichkeit von Crack machten dann allerdings in den Ärztezeitschriften Schlagzeilen, als die ersten schwangeren Crack-Raucherinnen von drogengeschädigten Kindern entbunden wurden. Daraufhin begannen die Ärzte, vor der furchtbaren Wirkung zu warnen, die Crack-Kokain auf Ungeborene haben kann. Mit jedem Jahr stieg die Zahl der — zum Teil auf Dauer — geschädigten Kinder rapide an. „Als Crack-Kokain zuschlug“, berichtete ein Arzt, „schoß die Zahl der zu kleinen, kranken Neugeborenen ins Uferlose.“
Wo sich Crack ausgebreitet hat, geben die Statistiken dem Arzt recht. Gemäß einer Studie, die 1988 an 36 Krankenhäusern in den Vereinigten Staaten von der Amerikanischen Gesellschaft für Forschung und Aufklärung auf dem Gebiet der Suchtkrankheiten Neugeborener durchgeführt wurde, waren landesweit 375 000 oder 11 Prozent der Neugeborenen während der Schwangerschaft Drogen ausgesetzt. Die New York Times meldete, daß sich zwischen 1986 und 1988 „in New York die Zahl der Neugeborenen, bei denen der Drogentest positiv ausfiel (hauptsächlich Kokain), fast vervierfacht hat — von 1 325 auf 5 008“.
Furchtbare Auswirkungen
„Crack-Mütter sind die kränksten Mütter, die einem zu Gesicht kommen“, sagte Dr. Richard Fulroth, ein Spezialist an der Stanford-Universität. „Sie erscheinen unmittelbar vor der Entbindung, und man hält den Atem an und fragt sich, was man wohl gleich zu sehen bekommt.“ Nur zu oft ist das, was sich im Schoß der Crack-Userin entwickelt hat, alles andere als schön. Crack kann zu Krämpfen in den Blutgefäßen des Kindes führen, wodurch der lebenswichtige Fluß von Sauerstoff und Nährstoffen für längere Zeit eingeschränkt wird. Das beeinträchtigt dann das Wachstum des ungeborenen Kindes, auch das des Kopfes und des Gehirns. Anfälle verschiedener Art sind keine Seltenheit. Es kommt zu Fehlentwicklungen der Nieren, der Geschlechtsteile, des Darmtrakts und der Wirbelsäule. Außerdem besteht die Gefahr, daß sich die Fruchtblase von der Gebärmutter löst, was zum Tod des Kindes und eventuell auch der Mutter führt.
Crack-Neugeborene sind für Ärzte und Schwestern ein offenkundiger Beweis für die verheerende Wirkung der Droge. In einem Bericht wird ein solches Kind als „ein Bündel Fleisch mit einem Kopf von der Größe einer Tangerine und Gliedern wie Bleistiften“ beschrieben. In einigen Fällen fehlten Kokain-Kindern gemäß der Zeitschrift Discover die beiden mittleren Finger einer Hand.
Dr. Dan R. Griffith, Entwicklungspsychologe an der Northwestern-Universität, erklärte, daß Kinder, die Kokain ausgesetzt waren, oft mit „einem sehr anfälligen, schnell überlasteten Nervensystem auf die Welt kommen“. Sie neigen zu Hypersensitivität und Reizbarkeit und schreien aus dem geringsten Anlaß, ohne sich trösten zu lassen. „Ein plötzliches Geräusch oder eine Veränderung der Lage, ja sogar das Ansprechen oder Anschauen kann ein nicht enden wollendes Weinen zur Folge haben“, führte Dr. Griffith aus. „Ein anderer offensichtlicher Drogenschaden besteht darin, daß sich die Neugeborenen in einen tiefen Schlaf flüchten, in dem sie 90 Prozent der Zeit verbringen, um sich gegen Umweltreize abzuschotten. Sie wachen noch nicht einmal auf, wenn man sie auszieht, mit ihnen spricht, sie schaukelt oder sie sonstwie bewegt.“
Diese krankhaften neurologischen Symptome können, so Dr. Griffith, monatelang anhalten und die Mutter in einer Zeit, in der das Band der Liebe und Zuneigung geknüpft werden müßte, psychisch und physisch angreifen. „Der Säugling verschließt sich der Mutter und wird sehr reizbar, wenn sie versucht, sich um ihn zu kümmern. Die Mutter zieht sich von dem Kind zurück und verübelt es ihm, daß es ihre Aufmerksamkeit nicht erwidert“, fügte er hinzu. Das Verhalten des Kindes und der Unwille der Mutter führen dann häufig zur Kindesmißhandlung.
Verlassene Neugeborene
Die Neugeborenen sind wegen ihres bedenklichen Zustandes vielleicht wochen- oder monatelang im Krankenhaus. Sehr oft liegt das allerdings nicht nur an der Verfassung des Kindes, sondern auch an der Einstellung der Mutter zu ihrem Kind. Häufig nimmt sie ihr Kind gar nicht erst mit nach Hause und überläßt es somit gleich der staatlichen Wohlfahrt. „Ich kann die Mütter nicht verstehen, die nie nach ihrem Kind fragen und nie wiederkommen“, klagte ein besorgter Arzt. Einige Mütter bleiben nicht einmal lange genug, um dem Kind einen Namen zu geben. Die Krankenschwestern müssen es für sie tun. „Der bedeutendste und schrecklichste Aspekt des Crack-Rauchens“, so eine Krankenschwester, „ist wohl die Zerstörung des mütterlichen Instinkts.“ Ein Krankenhaus mußte sogar Telegramme an desinteressierte Eltern verstorbener Kinder schicken, um sie dazu zu bewegen, die Erlaubnis zur Obduktion zu unterschreiben. Ist das nicht schockierend?
Das Arbeitspensum der Krankenschwestern erlaubt es ihnen nicht, diesen Neugeborenen die Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken, die sie so dringend benötigen. In einigen Fällen, in denen nicht schnell genug eine Pflegestelle gefunden werden konnte, haben fürsorgliche, kinderliebende Personen wöchentlich etwas von ihrer Zeit geopfert, um auf die verlassenen Kinder aufzupassen. „Sie füttern sie, singen und spielen mit ihnen, schaukeln sie und wickeln sie“, berichtete ein Krankenhausangestellter. „Sie behandeln sie, als wären es ihre eigenen Kinder. Für die Kinder ist das sehr gut, denn manche bleiben lange hier.“
Wie sieht die Zukunft der kokaingeschädigten Kinder aus? Ihr unnormal niedriger Intelligenzquotient wird später ihren Lehrern nicht geringe Probleme bereiten. Ein Kinderarzt sagte: „Diese Kinder werden wegen ihrer physischen Schäden und ihrer mangelhaften Entwicklung 40 oder 50 Jahre lang für sich selbst und für die Gesellschaft ein Problem sein.“ Ja, Crack hat der Gesellschaft einen bleibenden Stempel aufgedrückt.