1492 — Nicht nur ein Jahr der Entdeckung
WARUM ist 1492 ein so wichtiges Jahr in der Menschheitsgeschichte? Normalerweise bringt man damit Christoph Kolumbus in Verbindung, der in jenem Jahr von Spanien aus aufbrach und die Neue Welt im Westen entdeckte. Doch in dem Buch The Conquest of Paradise erinnert Kirkpatrick Sale auch noch aus anderen Gründen an dieses Jahr. Er schreibt:
„Am 2. August, einen Tag bevor Colón [Kolumbus] von Palos [Huelva, Spanien] aus in See stach, war das Ultimatum für die Vertreibung der gesamten jüdischen Bevölkerung aus Spanien abgelaufen. Einem königlichen Dekret zufolge ... mußten alle Juden ungeachtet ihres Alters und ihres Standes binnen kurzem das Land verlassen. Die wohl realistischsten Schätzungen gehen dahin, daß 120 000 bis 150 000 Menschen gezwungen wurden, fluchtartig Haus und Hof zu verlassen, Besitz, der ihren Familien seit Generationen — in manchen Fällen seit Jahrhunderten — gehört hatte. Mitnehmen durften sie nur die nötigsten Habseligkeiten. Natürlich nicht ihr Gold, ihr Silber, ihren Schmuck und ihr Geld, Dinge, die sie für die [katholische] Krone und deren Agenten zurücklassen mußten.“
Gemäß Sales Buch ging das Jahr 1492 noch wegen eines anderen schändlichen Ereignisses in die Geschichte ein:
„Gestützt durch die Macht und das Geld Ferdinands von Aragonien, erkämpfte sich Rodrigo de Borja, ein spanisches Mitglied der bekannten Familie Borgia, in der Nacht des 10. August 1492 mittels Bestechung, Drohungen, Überredung und Erpressung den Weg zum Stuhl des Pontifex maximus, des Statthalters Christi, des Papstes der römischen Kirche, und nahm den Papstnamen Alexander VI. an. Als reicher Mann, der unverfroren ein ausschweifendes Leben führte, wurde er ungeachtet seiner heiligen Gelübde sowohl in Kastilien wie in Rom Vater einer nicht bekannten Anzahl von Kindern, unter ihnen auch Cesare und Lucrezia, ... schon zu seiner Zeit wurde er als Verkörperung eines Papsttums angesehen, das den moralischen Tiefpunkt eines jahrhundertelangen Niedergangs erreicht hatte. Sein Pontifikat war gekennzeichnet ... durch den offenen Verkauf von kirchlichen Ämtern an die Reichsten und Korruptesten in der heiligen Kurie sowie durch seine eigenen Amtsvergehen, zu denen Bestechung, Liebesabenteuer, die Unterbringung von Mätressen im Palast und Vorlesungen von pornographischen Schriften aus der päpstlichen Bibliothek gehörten“ (The Conquest of Paradise, Seite 13, 16).