Junge Leute fragen sich:
Wie kann ich damit fertig werden, daß ich arm bin?
GREGORY, ein Jugendlicher in Osteuropa, hielt sich für arm. Im Gegensatz zu manchen Jugendlichen im Westen konnte er sich weder teure Kleidung noch eine Stereoanlage leisten. Mit der Zeit hatte er die Lebensbedingungen in seinem Land satt und ging nach Österreich.
Tausende von Kilometern davon entfernt, in einem Dorf in Südafrika, lebte Loyiso. Er wohnte mit seinen Eltern in einer kleinen Hütte und beneidete die Jugendlichen aus der Nachbarstadt um ihren herrlichen „Luxus“ — fließendes Wasser und Strom.
In den Augen Vascos (ebenfalls ein afrikanischer Jugendlicher) wären sowohl Loyiso als auch Gregory reich. Wegen des Bürgerkriegs in seinem Land mußte Vasco sich viele Kilometer durch den gefährlichen afrikanischen Busch schlagen, um sein Leben zu retten.
„Armut“ ist also ein dehnbarer Begriff, der in den verschiedenen Ländern und Kulturen nicht immer dieselbe Bedeutung hat. Ein Wörterbuch definiert „Armut“ als den „Mangel an materiellem Komfort bis hin zum äußersten Mangel am Notwendigsten“. Es ist recht ernüchternd, daran zu denken, daß, ganz gleich, wie arm man selbst ist, es wahrscheinlich andere gibt, die noch weniger haben. Wenn du jedoch keine passable Kleidung für die Schule hast oder etwas so Grundlegendes wie fließendes Wasser entbehren mußt, wird es dich kaum trösten, daß es anderen noch schlechter geht als dir.
In der Bibel wird Armut nicht beschönigt. Im Gegenteil, es heißt darin ganz realistisch: „Das Verderben der Geringen ist ihre Armut“ (Sprüche 10:15). In einem früheren Artikel wurde jedoch gezeigt, daß sich ein Jugendlicher vor gewissen Fallgruben der Armut, wie kriminelles Verhalten, hüten kann.a Mit etwas Mühe wird es dir möglich sein, eine gesunde und optimistische Einstellung zu entwickeln. Wie könnte man aber den täglichen Herausforderungen eines Lebens in Armut noch begegnen?
Die Schlinge des Neids
„Es wäre nicht so schlimm, wenn wir alle arm wären“, klagt der 17jährige Afrikaner Zanele. „Doch wenn man im Fernsehen oder sonstwo sieht, daß andere viel mehr haben, hat man ganz schön daran zu knabbern.“
Kein Wunder, daß Zanele so denkt, denn eine riesige wirtschaftliche und soziale Kluft trennt heute die Menschen. Da Reichtum und Materialismus in den Medien schamlos angepriesen werden, könntest du manchmal vielleicht vor Neid erblassen, wenn du siehst, wie wohlhabendere Jugendliche leben (Jakobus 4:5). Dennoch mahnt ein deutsches Sprichwort: „Der Neid mag nichts essen, außer sein Herz.“ (Vergleiche Sprüche 14:30.)
Natürlich ist es nicht verkehrt, sich bessere Lebensumstände zu wünschen. Aber Armut ist ein Markenzeichen von Satans verderbtem System der Dinge, und nur Gott kann — und wird — die heutigen ungerechten Verhältnisse beseitigen. Lebst du in einem heruntergewirtschafteten Land, kannst du wahrscheinlich nur wenig an deiner Situation ändern. Doch selbst wenn du Gelegenheit zum Geldverdienen hast, denke an die Worte Salomos aus Prediger 4:4: „Ich habe auch erfahren, warum die Leute so hart arbeiten, um Erfolg zu haben: Sie tun es, weil sie ihre Nächsten um die Dinge, die sie haben, beneiden. Aber es ist sinnlos. Es ist, als jage man nach dem Wind“ (Today’s English Version).
Wenn du um jeden Preis reich werden möchtest, kannst du schnell versucht sein, deine sittlichen Grundsätze aufzugeben. Außerdem könntest du durch Umstände, auf die du keinerlei Einfluß hast, dein sauer verdientes Geld verlieren — und noch ärmer werden als zuvor. Sprüche 23:4, 5 mahnt daher: „Mühe dich nicht, Reichtum zu gewinnen. ... Hast du deine Augen darauf hinfliegen lassen, da er doch nichts ist? Denn ganz bestimmt macht er sich Flügel gleich denen eines Adlers und entfliegt den Himmeln zu.“
Erkenne deine Vorzüge
Heißt das, daß du die Hoffnung aufgeben solltest? Auf keinen Fall! Es wäre gut, dich nicht auf das zu konzentrieren, was du nicht hast, sondern auf das, was du hast. Zugegeben, du besitzt vielleicht nur wenig. Dr. Tony Lake schreibt in seinem Buch Relationships allerdings, daß „jemand, der materiell wenig besitzt, bestimmt andere Schätze hat, wie beispielsweise eine liebevolle Familie, freundliche Nachbarn oder einen Ort, an dem er sich wohl fühlt“. Solche Schätze sind viel wertvoller als Geld. In einem Spruch heißt es: „Besser ist ein Gericht Gemüse, wo Liebe ist, als ein an der Krippe gemästeter Stier und Haß dabei“ (Sprüche 15:17). Christliche Jugendliche besitzen noch einen weiteren Schatz: die Unterstützung der „ganzen Bruderschaft“ (1. Petrus 2:17).
Versuche einmal, deine Habseligkeiten etwas positiver zu sehen. Zugegeben, du hast unter Umständen ein schlichtes und vielleicht sogar primitives Zuhause. Möglicherweise trägst du alte, abgetragene oder geflickte Kleidung. Außerdem wünschst du dir wahrscheinlich ein abwechslungsreicheres Essen. Benötigst du jedoch modische Kleidung oder eine super ausgestattete Wohnung, um Gott zu gefallen? Brauchst du Delikatessen, um gesund zu bleiben und dich am Leben zu erhalten? Natürlich nicht! Der Apostel Paulus sagte: „So sei es uns genug, wenn wir Nahrung und Kleidung haben“ (1. Timotheus 6:8, Pfäfflin).
Eldred, ein Mann aus Südafrika, der in einer minderbemittelten Familie aufwuchs, erzählt: „Wir fanden uns damit ab, daß wir mit wenig Geld auskommen mußten und uns nicht alles leisten konnten, was wir gerne gehabt hätten.“ Er erinnert sich daran, daß seine Mutter seine abgetragene Hose einfach immer wieder flickte. Bald bestand die Hose mehr aus Flicken als aus Stoff! „Ich mußte so manche Hänseleien über mich ergehen lassen“, gibt Eldred zu. „Aber Hauptsache war doch, unsere Kleidung war ordentlich und sauber.“
Sparsamkeit zu Hause
Gleichzeitig kannst du ganz konkrete Schritte unternehmen, um deine Situation zu verbessern. Die Bibel spricht von Menschen, die unklugerweise „ihr Geld ausgeben, sowie sie es bekommen“ (Sprüche 21:20, TEV). Sei also klug und geh mit Geld, Lebensmitteln oder anderen Dingen im Haushalt sparsam um. (Vergleiche Johannes 6:12.) Gewohnheiten wie Glücksspiel, Alkoholmißbrauch und Rauchen schlucken nicht nur viel Geld, sondern erregen auch Gottes Mißfallen (2. Korinther 7:1). Wenn jemand anders in der Familie in dieser Hinsicht unweise ist, wirst du ihm durch deine Handlungsweise ein gutes Beispiel geben. (Vergleiche 1. Timotheus 4:12.)
Du könntest auch zum Wohl der Familie beitragen, indem du deinen Eltern zu Hause zur Hand gehst. Biete deine Hilfe beim Kochen, Putzen, bei Reparaturen oder im Garten an. Das wird dich bestimmt ausfüllen und dir ein Gefühl der Zufriedenheit geben.
Zusätzliches Einkommen
Einigen Jugendlichen ist es möglich, durch eine Teilzeitbeschäftigung direkt etwas zum Unterhalt der Familie beizusteuern. Loyiso, der zuvor erwähnt wurde, verkaufte Gemüse, das er auf einem kleinen Feld hinter der Hütte, in der er mit seinen Eltern wohnte, selbst zog. Zum Teil konnte sich auch die Familie davon ernähren. „Wer sein eigenes Land bebaut, wird Brot zur Genüge haben“, heißt es in Sprüche 28:19. Das entspricht genau der Erfahrung Loyisos.
Manche Jugendliche verkaufen Kleidung, Lebensmittel oder Brennholz. Andere übernehmen einfache Reparaturarbeiten, Einkäufe oder passen auf Kinder auf.
Armut und Schule
Gemäß dem 1989 Britannica Book of the Year sehen viele ärmere Jugendliche „keinen großen Sinn darin, die Schule weiter zu besuchen“. In vielen Ländern sind die Ausbildungsplätze überfüllt oder nur unzureichend ausgestattet. Wegen der mageren Berufschancen werden Jugendliche oft von der Aussicht verlockt, auf schnelle, illegale Weise Geld zu verdienen. Dann finden sie es überhaupt nicht mehr notwendig, zur Schule zu gehen.
Eine mangelhafte Schulbildung verschlimmert die Armut jedoch bloß. Darum lohnt es sich, die Schule weiter zu besuchen, selbst wenn es etwas Selbstdisziplin kostet. In dem Elendsviertel Howrah in Kalkutta (Indien) leben 800 000 Menschen in tiefster Armut. Die meisten Kinder müssen tagsüber niedrige Arbeiten verrichten; dennoch besuchen viele die Abendschule, um sich fortzubilden. Also, auch wenn es dir schwerfallen sollte, zur Schule zu gehen, mach weiter! In der Schule lernst du, dich mitzuteilen und logisch zu denken — Fähigkeiten, die dir eines Tages zu einem Job verhelfen können.
Schaue vorwärts
„Der Reiche und der Minderbemittelte sind einander begegnet. Der sie alle gemacht hat, ist Jehova“ (Sprüche 22:2). Dieser Gedanke hat Tausenden von jungen Zeugen Jehovas geholfen, damit fertig zu werden, daß sie arm sind. Sie haben verstanden, daß Glück nicht von den Dingen abhängt, die man besitzt, sondern von der Freundschaft mit Jehova Gott, der für jeden da ist, der ihm dienen möchte — ob reich oder arm. Gott stellt uns ein Leben in einer neuen Welt in Aussicht, wo keine bittere Armut mehr herrschen wird (2. Petrus 3:13; Offenbarung 21:3, 4).
Gebrauche deine Fähigkeiten bis dahin auf vernünftige Weise. Schaue vorwärts. Häufe dir geistige Schätze auf (Matthäus 6:19-21). Betrachte es als eine Herausforderung, mit der Armut fertig zu werden — eine Herausforderung, die du erfolgreich meistern kannst.
[Fußnote]
a Siehe die Ausgabe vom 22. Januar 1992.
[Bilder auf Seite 26]
Allein der Wunsch, daß sich deine Situation verbessert, reicht nicht. Du mußt dich in der Schule auch anstrengen.