Kalkstein — Alltäglich und doch wertvoll
Von unserem Korrespondenten in Belgien
BEI wertvollen Steinen denkt man an das farbensprühende Feuer von Diamanten, an Smaragde, Rubine, Saphire und Kalkstein. Kalkstein? Ja, der gewöhnliche Kalkstein ist ebenfalls ein wertvoller Stein.
In Belgien ist Kalkstein — wie in den meisten Gebieten der Welt — fast überall zu finden. Er wird zum Bau von einfachen Häusern wie auch von gewaltigen Monumenten verwandt. Dann wieder knirscht er als Schotter unter unseren Füßen. Doch was genau ist dieses Material, das einem an so vielen Stellen begegnet?
Kalkstein ist, wie der Name schon sagt, ein kalkhaltiges Gestein und besteht zu mehr als 50 Prozent aus Calciumcarbonat. Er wurde vor langer Zeit durch verschiedene Prozesse gebildet, die dem Kalkstein ein vielfältiges Erscheinungsbild verliehen. Meerestiere wie Muscheln, Schnecken und Korallen nehmen Calciumcarbonat aus dem Wasser auf, um daraus ihre den Tod der Tiere überdauernden Schalen oder Skelette zu bauen. In der World Book Encyclopedia heißt es: „Die meisten Kalksteinschichten auf der Erde waren einst Schalen- oder Korallensand bzw. -schlamm.“
Kalkstein bildet sich auch, wenn im Wasser gelöstes Calciumcarbonat durch Verdunstung oder Verdampfen des Wassers ausgefällt wird. Teilweise wird es direkt aus dem Wasser abgeschieden und sammelt sich an den Rändern bestimmter Quellen an, aber auch in Seen oder im Meer. Hebungen der Erdkruste haben einige Gebiete, die ursprünglich unter Wasser lagen, über die Wasseroberfläche aufsteigen lassen. (Vergleiche Psalm 104:8.) Daher kommt der Kalkstein in großen Massen vor. Gemäß einer Schätzung macht er 20 Prozent aller Sedimentgesteine aus. Außerdem ist er ungemein nützlich.
Kreide, die aus den mikroskopisch kleinen Skeletten von winzigen Meereslebewesen besteht, ist Kalkstein. Desgleichen Marmor. Er entsteht, wenn Kalkstein über eine längere Zeitperiode Druck und Hitze ausgesetzt ist. In vielen berühmten Höhlen, wie z. B. den Carlsbad Caverns in den Vereinigten Staaten, kann man wunderschöne Tropfsteine aus Kalkstein bewundern. Diese werden durch calciumcarbonathaltiges Tropfwasser geformt.
Schwierige Gewinnung
Kalkstein ist allerdings nicht so einfach zu gewinnen. Beim Abbau im Tagebau, d. h. aus dem Steinbruch, muß zuerst das Erdreich über der Lagerstätte abgetragen werden. Mühselig und mit unglaublicher Ausdauer gruben die Steinbrucharbeiter früherer Zeiten schmale Einschnitte, um Gesteinsstreifen herauszulösen und die größeren Blöcke freizulegen. Dann kam die schwierige Aufgabe, diese Blöcke mit Schlägeln herauszubrechen.
Heutzutage übernehmen Maschinen die Plackerei. Die Arbeit in einem Steinbruch ist zwar nicht ungefährlich, doch der Bedarf an Kalkstein ist so groß, daß der Mensch lernen mußte, mit den Risiken des Bergbaus umzugehen. Kalkstein hoher Qualität wird oftmals mit Hilfe schwacher Sprengstoffe gewonnen. Noch besser mag es sein, ihn herauszusägen.
Mit Kalkstein bauen
Für einige Bauverfahren ist Kalkstein das ideale Material. Zum einen stellt er eine gute Gebäudeisolierung dar. Eine 30 Zentimeter dicke Kalksteinwand hält die Innentemperatur selbst dann noch konstant, wenn die Außentemperatur um 20 Grad Celsius schwankt. Die Masse der Steinmauer bewirkt, daß die Innenseite die durchschnittliche Raumtemperatur beibehält.
Zum anderen ist Kalkstein ein guter Schallisolator. Außerdem kann er bei richtiger Handhabung sogar wasserdicht werden. Das Kohlendioxyd im Regenwasser reagiert mit dem Stein und bildet nach und nach an der Oberfläche eine wasserdichte Schutzschicht.
Darüber hinaus ist Kalkstein etwas fürs Auge. Der berühmte Arc de Triomphe in Paris ist nur eines von vielen bekannten Bauwerken aus Kalkstein. Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel sind die großen ägyptischen Pyramiden: Sie wurden aus Kalksteinblöcken errichtet, die bis zu 16 Tonnen wiegen. Marmor ist eine Form des Kalksteins, die poliert werden kann. Sein dauerhafter Glanz und seine bleibende Schönheit veranlaßten Bildhauer, wie beispielsweise Michelangelo, sich dieses Materials zu bedienen.
Kalkstein und Kalk
Natürlich wird Kalkstein nicht nur für solche Meisterwerke verwandt. Der größte Teil des abgebauten Kalksteins wandert in das Steinbrechwerk, die erste Station auf dem Weg zu einer Vielzahl wichtiger Produkte. Seit biblischen Zeiten weiß der Mensch z. B., wie er durch Brennen von Kalkstein Branntkalk (auch Ätzkalk, Calciumoxyd oder einfach Kalk genannt) herstellen kann. Damals wurde das Brennen in kegel- oder zylinderförmigen Kalköfen besorgt. Kalk diente als Hauptbestandteil des Mörtels, und man benutzte ihn in alter Zeit zum Verputzen von Wänden und zum Tünchen von Wänden und Gräbern (5. Mose 27:4; Hesekiel 13:10; Matthäus 23:27; Apostelgeschichte 23:3).
Auch heute leistet Kalk viele wichtige Dienste. In manchen Ländern ist das Wasser nur deshalb trinkbar, weil es zuvor mit Kalk gereinigt wurde. Kalkwasser (Aqua Calcariae), eine wäßrige Lösung, die Calciumcarbonat oder Calciumsulfat enthält, schützt vor Diarrhö. Kalk wird ebenfalls eingesetzt, um saure Böden zu neutralisieren. Er steigert außerdem die Luft- und Wasserdurchlässigkeit des Bodens und unterstützt so die Produktion von Nahrungsmitteln. Kalk wird sogar bei der Herstellung von Zucker gebraucht.
Ja die Liste der Verwendungsmöglichkeiten für Kalkstein und der daraus gewonnenen Produkte ist lang. Zugegebenermaßen bringt die Gewinnung von Kalkstein auch Probleme mit sich. Tagebaue werden nicht selten einfach aufgegeben und verkommen dann zu echten Schandflecken. Oft sind die Dörfer um die Steinbrüche herum von dem charakteristischen weißen Staub bedeckt, und die Anwohner werden durch den Lärm und die Erschütterungen der Sprengungen belästigt.
Ungeachtet dessen ist Kalkstein, wenn man all seine Verwendungszwecke in Betracht zieht, wirklich ein recht wertvoller Stein. Natürlich, es ist kein Diamant: Doch welches Bauwerk oder Monument wurde je aus Diamanten gebaut?