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  • Keralas „fliegende“ Schlangenboote
  • Erwachet! 1992
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Erwachet! 1992
g92 22. 6. S. 18-19

Keralas „fliegende“ Schlangenboote

Von unserem Korrespondenten in Indien

„DU MEINE GÜTE! Was sind das denn für Geschöpfe einer anderen Welt!“ rief Neville, mein australischer Freund, als er einige schwarze Etwasse entdeckte, die auf uns zuschossen. Sie kamen schnell heran, und es sah aus, als würden sie mit den Flügeln schlagen und im Flug kaum die Wasseroberfläche berühren.

Meinen Freund hielt es nicht mehr auf seinem Platz. Hoch oben auf der hölzernen Tribüne verrenkte er sich den Hals, um besser sehen zu können. Es war das erstemal, daß er ein Schlangenbootrennen sah.

Die Boote waren noch über einen Kilometer entfernt, aber wir konnten schon rhythmisches Trommeln und schrille Pfiffe hören. Als sich dann die schnellen Fahrzeuge mit ihren 100 Mann starken Besatzungen der Ziellinie näherten, fing die Menge an zu rasen. Ob jung, ob alt, die begeisterten Anhänger der verschiedenen Mannschaften feuerten „ihr“ Boot an, sprangen von den Sitzen und klatschten wild. Bunt gekleidete Frauen schwenkten frenetisch ihre Seidentaschentücher. Und das war erst der Beginn des jährlich stattfindenden Nehru-Trophy-Bootrennens in Alleppey im südindischen Bundesstaat Kerala.

Schlangenboote sind ein einzigartiger Bestandteil der Wasserfeste an den Flüssen und Kanälen im tiefgelegenen Gebiet von Zentral-Travancore. „Aber was ist das, ein ‚Schlangenboot‘?“ fragt der eine oder andere jetzt vielleicht. „Und wie hat sich das Ganze entwickelt?“

Ein paar Hintergrundinformationen

Schlangenboote wurden ursprünglich für den Einsatz in der Schlacht entwickelt. Vor langer Zeit wurde der heutige Bundesstaat Kerala von einer Reihe lokaler Radschas oder Fürsten beherrscht, jeder von ihnen ein Herrscher über sein eigenes kleines Gebiet. Kriege waren an der Tagesordnung und brachen aus dem nichtigsten Anlaß aus. Fünf Schlangenboote konnten leicht die gesamte Seemacht eines Fürsten tragen.

Schließlich kam ein starker Herrscher an die Macht und einte das Gebiet, wodurch die Boote zu reinen Schaustücken wurden. Man schmückt sie bei festlichen Anlässen und benutzt sie, um politische und religiöse Würdenträger, die auf Besuch kommen, willkommen zu heißen. Zu solchen Ereignissen gehört immer ein Bootsrennen; so auch, als 1952 Jawaharlal Nehru, der erste indische Premierminister, Alleppey besuchte. Ohne an sein Alter oder an irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen zu denken, geriet Nehru vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen, sprang in das siegreiche Boot und klatschte und sang mit den anderen. Durch den später von ihm gestifteten silbernen Schlangenboot-Pokal wurden die Nehru-Trophy-Rennen ins Leben gerufen, wovon wir uns gerade eines angeschaut hatten.

Überreste einer vergangenen Kultur

Die Schlangenboote sind lange, schlanke, schnittige, stromlinienförmige Boote aus Holz. Ihre Länge variiert zwischen 25 und 30 Metern, und an ihrer breitesten Stelle messen sie nur etwa anderthalb Meter. Das Heck erhebt sich bei manchen Booten bis sechs Meter über dem Wasserspiegel und ist wie der Hut einer Kobra geformt — daher der Name Schlangenboot. Der Bug dagegen läuft wie ein Vogelschnabel spitz zu.

Diese raren Relikte einer jahrhundertealten Kultur werden heute höchst selten gebaut. Nur sehr wenige geschickte Künstler aus alten Zimmererfamilien wagen sich noch an die gewaltige Aufgabe, die Tonnen teures Holz und Monate harter Arbeit erfordert. Ist das Boot fertiggestellt, so läßt man es in der Sonne trocknen und behandelt es sorgfältig mit Fett und Öl, vermischt mit Eiweiß, damit es schneller „fliegt“.

Auch die Ausbildung und das Training einer Bootsmannschaft für ein Rennen ist nicht gerade einfach. Etwa hundert Männer mit kurzen Rudern sitzen in zwei Reihen an den Längsseiten des Fahrzeugs. Am Heck stehen weitere zwei oder drei, die mit längeren Rudern das Boot steuern. Um einen übereinstimmenden Rhythmus zu erzielen, gibt ein Mann mit einem hölzernen Trommelstock auf einem Klangkörper den Takt an. Mindestens ein halbes Dutzend Männer sind mit an Bord, um die Ruderer durch rhythmisches Klatschen, Pfeifen und Schreien anzufeuern.

Während des Rennens wächst die Erregung, wird der Takt immer schneller und bewegen sich die Ruder wie eine einzige Einheit. Das rhythmische Auf und Ab von 50 Rudern an beiden Seiten des Bootes vermittelt den Eindruck, als würde das Boot mit den Flügeln schlagen. Das war es, was meinen Freund so verblüfft auf die Boote starren ließ, die kaum das Wasser zu berühren schienen.

Solch ein Rennen erfordert ungemein viel Konzentration und eine gut abgestimmte Mannschaftsleistung. Ein einziger Augenblick der Ablenkung bei einem der Ruderer reicht aus, um die ganze Mannschaft durcheinanderzubringen. Daher versuchen manchmal die Sänger des einen Bootes, die Konzentration der anderen Mannschaften durch merkwürdige Geräusche und Anblicke zu stören. Oft wird versucht, die anderen Mannschaften auszutricksen.

Bei einem Rennen ließ ein Kapitän einen Affen auf einem erhöhten Platz im Boot sitzen. Als der gegnerische Kapitän das schnatternde und Grimassen schneidende Tier sah, war ihm sofort klar, was das sollte. Um nicht geschlagen zu werden, brüllte er laut, riß sich die Kleider vom Leib und stand splitternackt am Bootsende. Das verfehlte nicht seine Wirkung. Während die andere Mannschaft zu ihm herüberschaute, behielt sein Team den Takt bei und gewann das Rennen. Für ihn war die Schmach einer Niederlage größer als die Schande der Nacktheit.

Der Besitz eines Schlangenbootes ist für ein Dorf eine Prestigesache; und eine noch größere Ehre ist der Gewinn eines Wettkampfes. Alle Dorfbewohner gehen zum Rennen, um ihre Mannschaft anzufeuern. Unbeeindruckt von schlechtem Wetter, stehen die Anhänger bei Monsunwolkenbrüchen oder umschwirrt von Moskitos knietief in schlammigem Wasser, nur um Zeuge eines Rennens zu sein. Oft gibt es Zusammenstöße zwischen den Fangruppen, wobei es auch zu Schlägereien kommt; so bleibt für das Rennen im nächsten Jahr so manche „Rechnung offen“.

Fürsten kämpfen nicht mehr wie in früheren Zeiten um Gebietsansprüche und Herrschaft. Doch der Konkurrenzgeist lebt weiter in Keralas beliebtem Sport — dem Schlangenbootrennen.

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