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  • g93 8. 5. S. 5-12
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  • Siegreich angesichts des Todes
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Erwachet! 1993
g93 8. 5. S. 5-12

Siegreich angesichts des Todes

„Die Zeugen konnten — zur Verwunderung der Nazis — nicht ausgerottet werden. Je härter sie bedrängt wurden, desto fester war ihr Zusammenhalt, der sie in ihrem Widerstand hart wie Diamant werden ließ. Hitler schleuderte sie in eine Endzeitschlacht, in der sie ihren Glauben bewahrten. ... ihre Erfahrungen sind für alle, die studieren, wie man unter extremem Druck überleben kann, wertvolles Material. Denn sie überlebten“ (Geschichtswissenschaftlerin Dr. Christine King in der Zeitschrift Together).

JEHOVAS ZEUGEN sollten als diejenige religiöse Gemeinschaft betrachtet werden, die im 20. Jahrhundert weltweit am massivsten verleumdet und verfolgt worden ist. Die Zeugen werden nicht nur mißverstanden, sondern oft auch mißhandelt, und das nur deswegen, weil sie als Christen neutral bleiben und weder den Krieg lernen noch Krieg führen. Da sie sich auf keine Weise in die Politik verwickeln lassen, haben sie sich den Zorn der Herrscher vieler totalitärer Staaten zugezogen. Einer ihrer Beiträge zur neuzeitlichen Geschichte ist jedoch ihre strikte Neutralität und unerschütterliche Lauterkeit, wofür sie überall bekannt sind.a

Der britische Historiker Arnold Toynbee schrieb 1966: „In unserer Zeit sind in Deutschland Christen zu Märtyrern geworden, die lieber ihr Leben gaben, als dem zügellosen Nationalismus zu huldigen, der durch den Menschengott Adolf Hitler repräsentiert wurde.“ Die Tatsachen zeigen, daß Jehovas Zeugen unter diesen Märtyrern hervorstechen. Einige Erlebnisberichte sollen deutlich machen, wie sie handelten, als sie wegen ihrer Lauterkeit verfolgt wurden und man ihnen sogar mit dem Tod drohte — und das nicht nur während des NS-Regimes. In vielen Teilen der Welt können sie auf eine beispiellose Reihe von Siegen zurückblicken, die sie selbst angesichts des Todes errungen haben.

Der Bericht von Ananii Grogul aus der Ukraine

„Meine Eltern wurden 1942, als der Zweite Weltkrieg tobte, Zeugen Jehovas; ich war damals 13 Jahre alt. Kurz darauf verhaftete man meinen Vater, warf ihn ins Gefängnis und brachte ihn später in die sowjetischen Lager in den Bergen des Ural. 1944, ich war mittlerweile 15, wurde ich zu einer vormilitärischen Ausbildung einberufen. Da mein Glaube an Jehova jedoch schon gefestigt war, weigerte ich mich, den Krieg zu lernen. Daher wurde ich, obwohl ich noch ein Jugendlicher war, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Dann kam das prüfungsreiche Jahr 1950. Man verhaftete mich wieder und verurteilte mich wegen meiner Tätigkeit als Zeuge Jehovas zu 25 Jahren Gefängnis. Damals war ich 21 Jahre alt. Sieben Jahre und vier Monate überlebte ich in den Arbeitslagern. Ich sah viele Menschen sterben — sie hatten vor Hunger aufgeblähte Bäuche und waren durch die harte Arbeit ausgemergelt.

Nach dem Tod Stalins im Jahr 1953 begann sich die Lage zu ändern, und 1957 ließen mich die Behörden frei. Wieder einmal war ich in ‚Freiheit‘. Aber dann verbannte man mich für zehn Jahre nach Sibirien.

Unmenschliche Behandlung meiner Schwester

In Sibirien traf ich meine leibliche Schwester wieder, die zu jener Zeit bereits körperlich behindert war. Sie war 1950, genau zwei Wochen nach mir, verhaftet worden. Die Ermittlungen in ihrem Fall liefen auf absolut ungesetzliche Weise ab. Man sperrte sie in Einzelhaft und ließ Ratten in ihre Zelle. Diese nagten an ihren Füßen und krochen über ihren Körper. Schließlich ließen ihre Peiniger sie bis zur Brust in kaltem Wasser stehen und schauten dabei zu, wie sie unerträgliche Schmerzen litt. Sie wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie gepredigt hatte. Beide Beine waren gelähmt, aber Hände und Arme konnte sie noch gebrauchen. Fünf Jahre wurde sie im Krankenbau eines Arbeitslagers festgehalten, bis man sie schließlich aufgab, als ob sie schon tot sei. Sie wurde zu unseren Eltern gebracht, die 1951 zu lebenslänglichem Exil nach Sibirien geschickt worden waren.

Rückkehr in die Ukraine und weitere Verfolgung

In Sibirien lernte ich Nadia kennen; wir heirateten und bekamen Nachwuchs. Sogar dort predigten wir. Ich war mit der Herstellung und der Vervielfältigung biblischer Literatur beauftragt. Jede Nacht waren mein Bruder Jacob und ich eifrig damit beschäftigt, heimlich im Keller den Wachtturm zu vervielfältigen. Wir besaßen zwei Schreibmaschinen und einen selbstgebauten Vervielfältigungsapparat. In regelmäßigen Abständen wurde unser Haus von der Polizei durchsucht; doch sie ging jedesmal mit leeren Händen fort.

Die zehn Jahre Exil gingen zu Ende. Unsere Familie zog wieder in die Ukraine, aber die Verfolgung zog uns hinterher. Ich sollte als reisender Aufseher dienen, mußte jedoch gleichzeitig einer Arbeit nachgehen, um meine Familie zu ernähren. Mehrmals monatlich besuchten mich Leute vom Staatssicherheitsdienst an meinem Arbeitsplatz und versuchten, mich zu überreden, Kompromisse in bezug auf meinen Glauben einzugehen. Einmal spürte ich die Hilfe Jehovas auf ganz besondere Weise. Man verhaftete mich und brachte mich in die Büros des Staatssicherheitsdienstes in Kiew, wo ich sechs Tage lang festgehalten wurde. Die ganze Zeit über versuchte man, mich mit atheistischer Propaganda zu verwirren. Die Beamten äußerten sich auf gottlose Weise über den Wachtturm und andere Veröffentlichungen der Watch Tower Society. Der Druck wurde beinahe unerträglich. Immer wenn ich im Toilettenraum war, fiel ich auf die Knie, brach in Tränen aus und schrie zu Jehova. Ich bat nicht darum freizukommen, sondern um Kraft zum Ausharren, damit ich meine Brüder nicht verraten würde.

Schließlich kam der Polizeichef, setzte sich mir gegenüber und fragte, ob ich wirklich von dem, was ich verteidigte, überzeugt sei. Ich gab ihm ein kurzes Zeugnis und erklärte, daß ich bereit sei, für die Wahrheit zu sterben. Daraufhin meinte er: ‚Sie sind ein glücklicher Mensch. Wenn ich davon überzeugt wäre, daß das die Wahrheit ist, würde ich nicht nur für 3 oder für 5 Jahre ins Gefängnis gehen, sondern ich würde dort sogar 60 Jahre auf einem Bein stehend zubringen.‘ Er schwieg eine Weile und fuhr dann fort: ‚Hierbei geht es um das ewige Leben. Können Sie sich vorstellen, was das ewige Leben wirklich ist?‘ Nach einem kurzen Schweigen sagte er schließlich: ‚Sie können gehen.‘ Diese Worte gaben mir unerwartet Kraft. Plötzlich spürte ich meinen Hunger nicht mehr. Ich wollte nur weg. Ich war mir ganz sicher, daß es Jehova war, der mich gestärkt hatte.

In den letzten Jahren hat sich die Lage in der früheren Sowjetunion geändert. Jetzt gibt es genug biblische Literatur. Wir können Kreis- und Bezirkskongresse besuchen und beteiligen uns an allen Formen des Predigtdienstes, einschließlich des Haus-zu-Haus-Dienstes. Jehova hat uns trotz der vielen Prüfungen wahrhaftig den Sieg gegeben!“

In Afrika die Lauterkeit auf die Probe gestellt

Ende der 60er Jahre war Nigeria in einen furchtbaren Bürgerkrieg verwickelt. Aufgrund der großen Verluste zogen Soldaten der damals in Biafra umbenannten Provinz (die sich für selbständig erklärt hatte) junge Männer zwangsweise ein. Da Jehovas Zeugen politisch neutral sind und nicht am Krieg teilnehmen, wurden viele von ihnen in Biafra gejagt, brutal mißhandelt oder ermordet. Ein Zeuge Jehovas sagte: „Wir lebten wie die Ratten. Immer wenn Soldaten kamen, mußten wir uns verstecken.“ Oft blieb jedoch keine Zeit mehr zum Verstecken.

An einem Freitagmorgen im Jahr 1968 predigte Philip, ein 32jähriger Vollzeitdiener, im Dorf Umuimo einem älteren Mann, als biafranische Soldaten ins Dorf stürmten, die Männer einziehen wollten.

„Was machst du da?“ fragte der Anführer der Gruppe. Philip antwortete, er würde über Jehovas kommendes Königreich sprechen.

„Jetzt ist nicht die Zeit zum Predigen!“ rief ein anderer Soldat. „Wir sind im Krieg, und wir können es nicht leiden, wenn kräftige Männer herumlungern!“ Die Soldaten zogen Philip aus, banden ihm die Hände zusammen und nahmen ihn mit. Israel, einem 43jährigen christlichen Ältesten, blieb ebenfalls keine Zeit zum Verstecken. Er machte gerade für seine Kinder Essen, als er gefangengenommen wurde. Bis zwei Uhr nachmittags hatten die Soldaten über hundert Männer zusammengetrieben. Sie zwangen ihre Gefangenen, die 25 Kilometer zum Militärlager in Umuacha Mgbedeala zu rennen. Wer nicht Schritt halten konnte, bekam die Peitsche zu spüren.

Israel sollte eine schwere Maschinenpistole tragen, und Philip sollte an einem leichten Maschinengewehr geschult werden. Als sie erklärten, sie könnten keine Soldaten sein, weil Jehova dies verbieten würde, ließ der Kommandant sie einsperren. Um vier Uhr nachmittags mußten sich alle Rekrutierten, auch die eingesperrten, in eine Reihe stellen. Die Soldaten forderten jeden auf, ein Papier zu unterschreiben, wodurch er sich bereit erklärte, der Armee beizutreten. Als Philip an die Reihe kam, bezog er sich auf 2. Timotheus 2:3, 4 und sagte: „Ich bin bereits ein vortrefflicher Soldat Christi. Ich kann nicht für Christus und gleichzeitig für jemand anders kämpfen. Sonst wird Christus mich als Verräter betrachten.“ Der Kommandant schlug ihm auf den Kopf und erwiderte: „Ihre Berufung als Soldat Christi ist beendet. Sie sind jetzt ein biafranischer Soldat.“

Philip antwortete jedoch: „Jesus hat mir bis jetzt noch nicht mitgeteilt, daß meine Berufung als sein Soldat beendet ist, und meine Berufung bleibt so lange bestehen, bis ich solch eine Mitteilung erhalte.“ Daraufhin packten die Soldaten Israel und Philip, hoben sie hoch und schmetterten sie auf die Erde. Man zerrte sie fort, obwohl sie ganz benommen waren und aus Augen, Mund und Nase bluteten.

Vor einem Exekutionskommando

Etwas später an jenem Tag standen Israel und Philip einem Exekutionskommando gegenüber. Doch die Soldaten erschossen sie nicht. Statt dessen schlugen sie sie mit den Fäusten und mit den Gewehrkolben. Dann entschied der Lagerkommandant, die beiden zu Tode peitschen zu lassen. Dafür stellte er 24 Soldaten ab. Jeweils sechs Soldaten sollten Israel und Philip auspeitschen. Die übrigen 12 sollten Ersatzgerten besorgen und einspringen, falls die anderen Soldaten keine Kraft mehr hätten.

Man band Israel und Philip Hände und Füße zusammen. Israel erzählt: „Ich weiß nicht, wie oft wir in jener Nacht geschlagen wurden. Wenn ein Soldat nicht mehr konnte, machte ein anderer weiter. Sie peitschten uns sogar noch, als wir schon längst bewußtlos waren.“ Philip sagt: „Während der Folterung dachte ich an Matthäus 24:13, wo steht, daß man bis zum Ende ausharren muß, und das gab mir Kraft. Ich fühlte die Schmerzen nur ein paar Sekunden lang. Es schien, als hätte Jehova einen Engel zu Hilfe gesandt wie zur Zeit Daniels. Sonst hätten wir diese grausame Nacht nicht überlebt.“

Nach dem Auspeitschen dachten die Soldaten, Israel und Philip seien tot. Es regnete. Die beiden Christen erlangten das Bewußtsein erst am nächsten Morgen wieder. Als die Soldaten bemerkten, daß sie noch lebten, zerrten sie sie zurück in die Arrestzelle.

„Ihr stinkt schon wie Leichen“

Ihr Fleisch war vom Auspeitschen blutig geschlagen und ihr ganzer Körper von Wunden übersät. Israel erinnert sich: „Wir durften unsere Wunden nicht auswaschen. Nach einigen Tagen taten sich die Fliegen unentwegt gütlich an uns. Wegen der wahnsinnigen Schmerzen war es nicht möglich, den Mund zu öffnen und etwas zu essen. Erst nach einer Woche konnten wir etwas anderes als Wasser in den Mund nehmen.“

Morgens erhielt jeder 24 Peitschenhiebe. Das nannten die Soldaten sadistisch „Frühstück“ oder „heißen Frühstückstee“. Mittags führten die Soldaten sie ins Freie, wo sie sie bis ein Uhr der tropischen Sonne aussetzten. Nach einigen Tagen wurden sie zum Kommandanten gerufen, der sie fragte, ob sie ihre Haltung geändert hätten. Sie verneinten.

„Ihr werdet in eurer Zelle sterben“, sagte er. „Ja, ihr stinkt schon wie Leichen.“

Philip antwortete: „Wir wissen, daß uns Christus, für den wir kämpfen, im Falle unseres Todes auferwecken wird.“

Wie überlebten sie diese schreckliche Zeit? Israel erzählt: „Wir ermunterten uns gegenseitig. Am Anfang sagte ich zu Philip: ‚Hab keine Angst. Was auch immer geschieht, Jehova wird uns helfen. Ich werde auf keinen Fall in die Armee eintreten. Selbst wenn ich sterben muß, werde ich kein Maschinengewehr anrühren.‘“ Philip sagte daraufhin, er habe den gleichen Entschluß gefaßt. Sie riefen sich Bibeltexte in den Sinn und unterhielten sich darüber.

Ein neuer Kommandant entschied, etwa hundert Rekruten nach Ibema bringen zu lassen, einem Trainingslager in der Region Mbano, dem heutigen Bundesstaat Imo. Israel berichtet, was geschah: „Der große Lastwagen, in dem sich alle Rekruten befanden, war zur Abfahrt bereit. Meine Frau June lief zu den Soldaten und bat mutig darum, uns nicht wegzuschicken. Als sie abgewiesen wurde, kniete sie in der Nähe des Lastwagens nieder, betete und schloß mit einem lauten Amen ab. Dann fuhr der Wagen davon.“

Ein mitfühlender Söldner

Am Nachmittag des nächsten Tages erreichte der Armeewagen das Lager in Ibema. Dort hatte anscheinend ein israelischer Söldner das Kommando. Als er sah, wie zerschunden und schwach Israel und Philip waren, fragte er sie, woher das käme. Sie erklärten, sie seien Zeugen Jehovas und hätten die militärische Ausbildung abgelehnt. Wütend wandte er sich an die Offiziere. „Biafra wird diesen Krieg ganz sicher verlieren“, sagte er. „Jedes Land, das Krieg führt und Jehovas Zeugen schikaniert, hat schon so gut wie verloren. Ihr solltet die Zeugen nicht einschreiben. Wenn einer von ihnen in den Krieg gehen will, dann gut. Aber wenn er sich weigert, dann laßt ihn in Ruhe!“

Der Lagerarzt fragte, ob die beiden Zeugen geimpft worden seien und ob sie eine Tauglichkeitsbescheinigung erhalten hätten. Da sie weder geimpft worden waren noch eine Bescheinigung hatten, nahm der Söldner keinen der Rekruten, sondern schickte sie alle nach Umuacha zurück.

„Geht, dient eurem Gott“

Israels Frau und Philips Mutter gingen zum Lager in Umuacha in der Hoffnung, Neuigkeiten zu erfahren. Als sie näher kamen, hörten sie aufgeregte Stimmen. Der Wachhabende am Tor sagte: „He, Zeugin Jehovas! Dein Gebet ist erhört worden. Die Gruppe, die vor drei Tagen weggefahren ist, wurde zurückgeschickt.“

Noch am gleichen Tag wurden Israel und Philip freigelassen. Der Kommandant sagte zu June: „Wissen Sie, daß Ihr Gebet unsere militärische Übung verhindert hat?“ Dann wandte er sich an Israel und Philip: „Geht, dient eurem Gott, und bewahrt weiterhin die Lauterkeit gegenüber eurem Jehova.“

Israel und Philip erholten sich und dienten weiterhin als Christen. Nach Kriegsende stand Israel zwei Jahre lang im Vollzeitdienst, und jetzt ist er christlicher Ältester. Philip war zehn Jahre lang reisender Aufseher und ist auch jetzt noch Vollzeitdiener und Versammlungsältester.

Sie weigerten sich, für Waffen zu spenden

Zebulan Nxumalo und Polite Mogane sind zwei junge Vollzeitdiener in Südafrika. Zebulan erzählt: „An einem Sonntagmorgen kamen mehrere Männer zu unserem Haus und wollten 20 Rand [etwa 7 Dollar] für den Kauf von Waffen. Wir baten sie respektvoll, am Abend wiederzukommen, da es uns aus zeitlichen Gründen nicht möglich war, mit ihnen zu sprechen. Zu unserer Überraschung waren sie einverstanden. Abends kamen dann 15 Männer. Ihr Gesichtsausdruck zeigte uns, daß sie es ernst meinten. Nachdem wir uns freundlich vorgestellt hatten, fragten wir, was sie wollten. Sie sagten, sie würden Geld für den Kauf schwererer und besserer Waffen brauchen, um gegen eine oppositionelle Splitterpartei zu kämpfen.

Ich fragte sie: ‚Kann man Feuer mit Benzin löschen?‘

‚Nein, unmöglich‘, antworteten sie.

Wir erklärten, daß gleicherweise Gewalt nur Gegengewalt und Vergeltungstaten erzeugen würde.

Diese Aussage ärgerte anscheinend einige Männer. Ihre Forderung wurde nun zu einer Drohung. ‚Die Diskussion ist reine Zeitverschwendung‘, fauchten sie. ‚Den Zwangsbeitrag muß jeder zahlen. Entweder Sie bezahlen sofort, oder Sie tragen die Konsequenzen!‘“

Zebulan erzählt weiter: „Gerade als die Lage außer Kontrolle zu geraten schien, kam der Anführer herein. Er wollte wissen, was für ein Problem es gebe. Als wir unsere Haltung erklärten, hörte er aufmerksam zu. Wir verwandten die Hingabe der Männer an ihre politische Überzeugung als Beispiel. Wir fragten, was sie von einem geschulten Soldaten ihrer Organisation erwarten würden, der in Gefangenschaft gerät und gezwungen wird, Kompromisse zu schließen. Sie erwiderten, eine solche Person sollte bereit sein, für ihre Überzeugung zu sterben. Es gefiel ihnen, für ihre Antwort gelobt zu werden; sie merkten gar nicht, daß sie uns eine ausgezeichnete Gelegenheit boten, ihnen unseren Fall zu veranschaulichen. Wir erklärten, daß wir uns von den Kirchen der Christenheit unterscheiden. Als Unterstützer des Königreiches Gottes stütze sich unsere ‚Verfassung‘ auf die Bibel, die jegliche Form des Mordens verurteile. Deshalb würden wir auch nicht einen Pfennig für den Kauf von Waffen geben.

Die Diskussion hatte ihren Höhepunkt erreicht, und nach und nach waren immer mehr Leute gekommen, so daß wir zum Schluß vor einer großen Zuhörerschaft sprachen. Die Leute hatten keine Ahnung, wie inbrünstig wir um einen glücklichen Ausgang des Gesprächs beteten!

Nachdem wir unseren Standpunkt klar dargelegt hatten, folgte eine lange Pause. Schließlich wandte sich der Anführer an seine Truppe: ‚Meine Herren, ich kann die beiden Männer verstehen. Wenn wir Geld für den Bau eines Altersheimes brauchen würden oder für einen Nachbarn, damit er ins Krankenhaus gehen kann, würden diese Männer tief in die Tasche greifen. Aber sie sind nicht bereit, uns Geld zum Töten zu geben. Ich persönlich habe nichts gegen ihren Glauben.‘

Nach diesen Worten standen alle auf. Wir gaben ihnen die Hand und bedankten uns für ihre Geduld. Was als bedrohliche Situation begonnen hatte, die uns das Leben hätte kosten können, hatte sich in einen großartigen Sieg verwandelt.“

Von Geistlichen angeführte Pöbelrotten

Der polnische Zeuge Jehovas Jerzy Kulesza berichtete folgendes:

„Mein Vater, Aleksander Kulesza, war beispielhaft; er war eifrig und setzte die Königreichsinteressen an die erste Stelle. Für ihn waren der Predigtdienst, die christlichen Zusammenkünfte, das persönliche Studium sowie das Familienstudium wirklich heilige Dinge. Weder Schneesturm noch Frost, noch starker Wind, noch Hitze konnten ihn abhalten. Im Winter packte er den Rucksack mit biblischer Literatur voll, schnallte sich seine Skier unter und fuhr für einige Tage in abgelegene Gebiete Polens. Jedesmal warteten die unterschiedlichsten Gefahren auf ihn, auch brutale Freischärler.

Manchmal bildeten die Leute Pöbelrotten, weil sie von Geistlichen gegen die Zeugen aufgewiegelt wurden. Oft verspottete man sie, bewarf sie mit Steinen oder schlug sie. Doch er kehrte immer glücklich nach Hause zurück, weil er wegen Christus Beleidigungen ertragen hatte.

In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war die Regierung nicht imstande, für Recht und Ordnung im Land zu sorgen. Es herrschte Chaos und Zerstörung. Tagsüber hatte die Polizei und die Geheimpolizei das Sagen, nachts dagegen wurden Freischärler und andere Banden aktiv. Diebstähle und Raubüberfälle waren an der Tagesordnung, und häufig wurde jemand gelyncht. Wehrlose Zeugen Jehovas waren eine leichte Beute, vor allem weil sich einige der von Geistlichen angeführten Gruppen auf sie konzentrierten. Unter dem Vorwand, den katholischen Glauben ihrer Väter zu verteidigen, drangen sie in die Häuser der Zeugen ein. Bei solchen Gelegenheiten warfen sie Fensterscheiben ein, stahlen Vieh und machten Kleidung, Nahrung und Literatur unbrauchbar. Bibeln landeten in Brunnen.

Unerwartetes Märtyrertum

Bevor wir uns an einem Junitag im Jahr 1946 trafen, um mit dem Fahrrad in ein abgelegenes Gebiet zu fahren, kam ein junger Bruder, Kazimierz Kądziela, zu uns und sprach leise mit meinem Vater. Mein Vater schickte uns los, kam selbst aber überraschenderweise nicht mit. Den Grund dafür sollten wir später erfahren. Bei unserer Rückkehr erfuhren wir, daß die Familie Kądziela in der vorhergehenden Nacht brutal geschlagen worden war; daher mußte sich mein Vater um die schwerverwundeten Brüder und Schwestern kümmern.

Als ich später in das Zimmer ging, wo die Kądzielas lagen, trieb mir der Anblick Tränen in die Augen. Die Wände und die Decke waren blutbespritzt. Dort, auf den Betten, lagen sie — bandagiert, grün und blau geschlagen, mit gebrochenen Rippen und Gliedmaßen und die Körper angeschwollen. Man konnte sie kaum erkennen. Schwester Kądziela, die Mutter, war besonders übel zugerichtet worden. Mein Vater half ihnen, und bevor er ging, äußerte er die bedeutsamen Worte: ‚O mein Gott, ich bin so gesund und kräftig [damals war er 45 Jahre alt und noch nie krank gewesen], und ich durfte nicht um deines Namens willen leiden. Warum hat es nur diese ältere Schwester getroffen?‘ Wenn er gewußt hätte, was ihn noch erwartete!

Bei Sonnenuntergang kehrten wir in unser 3 Kilometer entferntes Haus zurück. 50 bewaffnete Männer hatten es umstellt. Auch die Familie Wincenciuk wurde hereingebracht, so daß wir zu neunt waren. Jeder von uns wurde gefragt: ‚Sind Sie ein Zeuge Jehovas?‘ Als wir das bejahten, schlug man uns. Dann wandten sich zwei der Schlägertypen meinem Vater zu, und während sie ihn fragten, ob er mit dem Lesen der Bibel und dem Predigen aufhören würde, schlugen sie ihn zusammen. Sie wollten wissen, ob er zur Kirche gehen und beichten würde. Sie verhöhnten ihn und meinten: ‚Heute machen wir dich zum Bischof.‘ Mein Vater sagte kein einziges Wort, und kein Klagelaut war von ihm zu hören. Er erduldete die Folter ruhig wie ein Schaf. Bei Tagesanbruch, etwa eine Viertelstunde nachdem die religiösen Schläger gegangen waren, starb er — zu Brei geschlagen. Bevor sie jedoch gingen, war ich noch ihr Opfer. Damals war ich 17 Jahre alt. Als sie mich schlugen, verlor ich mehrmals das Bewußtsein. Von der Hüfte aufwärts war ich grün und blau geschlagen. Sechs Stunden lang mißhandelte man uns. Und das alles nur, weil wir Zeugen Jehovas waren!

Die Unterstützung einer treuen Ehefrau

Ich gehörte zu den 22 Zeugen, die zwei Monate lang in einer dunklen Zelle von weniger als zehn Quadratmetern eingesperrt waren. Gegen Ende der zwei Monate wurden unsere täglichen Rationen gekürzt. Wir bekamen jeden Tag etwas Brot und einen kleinen Becher bitteren Kaffee. Nur wenn jemand nachts zum Verhör geführt wurde, war es möglich, sich zum Schlafen auf den kalten Betonboden zu legen.

Wegen meiner christlichen Tätigkeit wurde ich fünfmal eingesperrt — insgesamt acht Jahre. Man behandelte mich als Sonderhäftling. Daher stand auch folgender Vermerk in meiner Personalakte: ‚Schikanieren Sie Kulesza so sehr, daß er nicht den leisesten Wunsch verspürt, seine Tätigkeit je wiederaufzunehmen.‘ Doch jedesmal, wenn ich freikam, stellte ich mich für den christlichen Dienst zur Verfügung. Die Behörden machten auch meiner Frau Urszula und unseren zwei kleinen Töchtern das Leben schwer. Zum Beispiel zog der Gerichtsvollzieher über zehn Jahre lang einen Teil von dem schwer verdienten Geld meiner Frau ein. Das sollte angeblich dafür sein, daß ich im Untergrund biblische Literatur herausgab. Alles, bis auf das Lebensnotwendigste, wurde beschlagnahmt. Ich bin Jehova so dankbar für meine tapfere Frau, die in all den Drangsalen mit mir ausgeharrt hat und mir stets eine Hilfe war!

In Polen haben wir einen geistigen Sieg errungen; heute befindet sich ein Zweigbüro der Watch Tower Society in Nadarzyn in der Nähe von Warschau. Nach Jahrzehnten der Verfolgung gibt es in Polen jetzt über 108 000 Zeugen, die mit 1 348 Versammlungen verbunden sind.“

Warum so viele Märtyrer?

Die Berichte der vielen Zeugen Jehovas im 20. Jahrhundert, die ihre Lauterkeit bewahrt haben, würden buchstäblich Bände füllen; Tausende von ihnen starben als Märtyrer, litten in Gefängnissen unter unbeschreiblichen Folterungen, wurden vergewaltigt oder ausgeraubt — so in Malawi und in Mosambik, in Spanien unter dem Faschismus, in vielen Teilen Europas unter dem Nationalsozialismus, in Osteuropa unter dem Kommunismus und während des Zweiten Weltkriegs in den Vereinigten Staaten. Die Frage nach dem Warum taucht auf. Nun, weil starrsinnige politische und religiöse Führer nicht bereit sind, das biblisch geschulte Gewissen aufrichtiger Christen zu respektieren, die sich weigern, das Töten zu lernen und sich irgendwie politisch zu betätigen. Es verhält sich genau so, wie Christus gemäß Johannes 15:17-19 voraussagte: „Diese Dinge gebiete ich euch, daß ihr einander liebt. Wenn die Welt euch haßt, wißt ihr, daß sie mich gehaßt hat, bevor sie euch haßte. Wenn ihr ein Teil der Welt wärt, so wäre der Welt das Ihrige lieb. Weil ihr nun kein Teil der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, deswegen haßt euch die Welt.“

Trotz der weltweiten Verfolgung hat die Zahl der Zeugen Jehovas zugenommen — 1943 gab es in 54 Ländern insgesamt 126 000 Zeugen; heute, 1993, gibt es in 229 Ländern und Inselgebieten fast 4 500 000. Viele der Zeugen haben selbst angesichts des Todes den Sieg davongetragen. Sie sind entschlossen, mit ihrem einzigartigen Bildungswerk — dem Verkündigen der guten Botschaft vom Königreich — fortzufahren, bis Jehova es für abgeschlossen erklärt (Jesaja 6:11, 12; Matthäus 24:14; Markus 13:10).

[Fußnote]

a Lauterkeit ist das „unerschütterliche Festhalten an ethisch-sittlichen Normen“ (The American Heritage Dictionary, 3. Ausgabe).

[Kasten/Bild auf Seite 6]

Märtyrertum in Deutschland

AUGUST DICKMANN war 23 Jahre alt, als der SS-Führer Heinrich Himmler anordnete, August vor den Augen aller Zeugen Jehovas im Konzentrationslager Sachsenhausen zu erschießen. Der Augenzeuge Gustav Auschner berichtete: „Dickmann wurde erschossen, und uns wurde gesagt, daß wir alle erschossen würden, wenn wir nicht unterschrieben. Wir würden zu je 30 bis 40 Mann in die Sandgrube geführt und erschossen. Am andern Morgen kam die SS und brachte für jeden einen Zettel zum Unterschreiben mit, andernfalls würden wir erschossen. Mit langen Gesichtern mußten sie wieder abziehen, da keiner unterschrieb. ... Durch die öffentliche Erschießung wollten sie uns Angst einjagen. Wir fürchteten Jehova mehr als ihre Kugeln, und so erschossen sie keinen mehr öffentlich.“

[Kasten/Bild auf Seite 9]

Der höchste Preis

MANCHMAL mag der Sieg angesichts des Todes auch einschließen, wirklich den höchsten Preis zu zahlen. Der Brief der Versammlung Nseleni im Norden der südafrikanischen Provinz Natal enthält folgenden tragischen Bericht: „Wir schreiben, um Euch über den Verlust unseres geschätzten Bruders Moses Nyamussua zu unterrichten. Er schweißte und reparierte Autos. Einmal wurde er von den Mitgliedern einer politischen Gruppe gebeten, ihre selbstgebauten Gewehre zu schweißen, was er jedoch ablehnte. Am 16. Februar 1992 hatten sie eine politische Versammlung; dabei kam es zu Kämpfen mit der oppositionellen Gruppe. Als sie sich am Abend des gleichen Tages auf dem Rückweg befanden, trafen sie Bruder Nyamussua, der einkaufen gehen wollte. Sie töteten ihn mit ihren Speeren. Aus welchem Grund? ‚Du wolltest unsere Gewehre nicht schweißen, und jetzt sind unsere Kameraden im Kampf gestorben.‘“

„Das war ein sehr großer Schock für die Brüder“, erklärte Bruder Dumakude, der Sekretär der Versammlung. „Aber wir machen weiter in unserem Dienst!“ fügte er hinzu.

[Kasten/Bild auf Seite 11]

Märtyrertum in Polen

ALS 1944 die deutschen Truppen immer schneller zurückwichen und sich die Front in der Nähe einer Stadt im Osten Polens befand, zwang die Besatzungsmacht polnische Zivilisten, Gräben auszuheben, um so Panzer aufzuhalten. Jehovas Zeugen weigerten sich, dabei mitzumachen. Der junge Zeuge Stefan Kieryło, der gerade zwei Monate getauft war, wurde einer Arbeitsgruppe zugeteilt, nahm jedoch mutig die gleiche neutrale Haltung ein. Man versuchte auf verschiedene Weise, seine Lauterkeit zu brechen.

Man band ihn nackt an einen Baum im Sumpfgebiet, so daß er Mücken und anderen Insekten ausgesetzt war. Da er dies und andere Folterungen aushielt, ließ man ihn schließlich in Ruhe. Als jedoch ein ranghoher Offizier die Arbeitsgruppe inspizierte, sagte ihm jemand, daß es einen Mann gebe, der seinem Befehl absolut nicht gehorchen wolle. Dreimal wurde Stefan befohlen, einen Graben auszuheben. Er weigerte sich sogar, einen Spaten in die Hand zu nehmen. Daher wurde er erschossen. Hunderte von Augenzeugen kannten ihn persönlich. Sein Märtyrertum war ein Zeugnis dafür, wieviel Kraft Jehova jemandem geben kann.

[Bild auf Seite 7]

Ananii Grogul

[Bild auf Seite 10]

Jerzy Kulesza

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