Die Ehe — Warum viele das Handtuch werfen
DIE Zeitschrift Asia Magazine schrieb über Scheidungen in Hongkong, wo die östliche und die westliche Kultur nebeneinander existieren: „Sowohl bei chinesischen als auch bei westlichen Ehepaaren liegen die Ursachen für Auseinandersetzungen gewöhnlich in mangelnder Kommunikation, Untreue, sexuellen Problemen und unüberwindbarer Abneigung.“ Diese Aussage trifft auf Ehepaare in der ganzen Welt zu.
Karriereorientierte Männer und Frauen sind schnell bereit, ihr Familienleben der Arbeit zu opfern. Dadurch wird die Kommunikation innerhalb der Familie gestört. Der Ehemann, müde vom Arbeitstag, vergräbt sich in seine Zeitung. Junichi und seine Frau führten drei Restaurants und arbeiteten von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends an verschiedenen Plätzen. „Zwischen uns als Ehepaar gab es praktisch keine Kommunikation“, gibt Junichi zu. Das führte zu schweren Eheproblemen.
Ferner zerbrechen Ehen wegen der Ansichten vieler über außerehelichen Geschlechtsverkehr. Außerehelicher Geschlechtsverkehr ist heute keine Ausnahme mehr; im Rahmen einer Befragung in Japan gaben 20 Prozent der befragten Männer und 8 Prozent der befragten Frauen zu, während des vorherigen Jahres sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe gehabt zu haben. In Japan ist die verheiratete Karrierefrau, die mit anderen Männern befreundet ist, keine Ausnahme. Sie wechselt ihre Freunde wie das Hemd und sagt sich: „Wenn mein Mann es herausfindet, lass’ ich mich eben scheiden.“ Und die moderne Gesellschaft drückt ein Auge zu.
Dieselbe Gesellschaft fördert eine Zuerst-ich-Haltung, so daß sich Mann und Frau nur auf sich konzentrieren, was oftmals zu unüberwindlicher Abneigung führt — ein weiterer Scheidungsgrund. „Wir standen ständig kurz vor der Trennung“, berichtet Kiyoko. „Sobald wir verheiratet waren, mußte ich wie ein Roboter tun, was mein Mann sagte. Wenn alles glattlief, war es auszuhalten, aber wehe, etwas ging schief! Er gab seine Fehler nie zu, immer hatten die anderen schuld. Da ich mich oft gegen seine Autorität auflehnte, bekam auch ich Schuld. Es war für mich unheimlich schwer, meinem Mann zu gehorchen, wenn er unfair handelte.“
Weitere Scheidungsgründe sind Gewaltanwendung und Trunkenheit, finanzielle Schwierigkeiten, Probleme mit den Schwiegereltern und seelische Mißhandlung.
Was steckt dahinter?
Welche verschiedenen Gründe es auch gibt, hinter der weltweiten Zunahme an Scheidungen steckt noch mehr. Für die herrschenden Mißstände machen die östlichen Länder zwar den Einfluß der westlichen Gesellschaft verantwortlich, aber dort ist die Billigung von Scheidungen eigentlich ein neueres Phänomen. Tatsächlich hat sich in den Vereinigten Staaten die Zahl der Scheidungen erst in den letzten paar Jahrzehnten verdreifacht (in England vervierfacht). Andrew J. Cherlin vom Urban Institute (ein Forschungsinstitut, das soziale und ökonomische Probleme in den Vereinigten Staaten untersucht) räumt ein, daß die Ursachen für den Anstieg von Scheidungen noch nicht ganz geklärt sind, doch er gibt unter anderem „die zunehmende finanzielle Unabhängigkeit von Frauen“ und „den gesellschaftsweiten Gesinnungswandel“ als Grund für diese Entwicklung an.
Für verheiratete Frauen in den Vereinigten Staaten und in anderen Industrieländern ist es nichts Außergewöhnliches mehr, berufstätig zu sein. Die Beteiligung der Ehemänner an den Hausarbeiten nimmt hingegen nur langsam zu. Kein Wunder, wenn sich einige Frauen beschweren: „Jede berufstätige Frau brauchte eigentlich ein Heimchen am Herd.“
Während Frauen in den Vereinigten Staaten bis zum Umfallen arbeiten — waschen, putzen, Essen kochen, sich um die Kinder kümmern —, „finden zahlreiche Männer nichts dabei, sich irgendwo die Zeit zu vertreiben“, heißt es in dem Buch The Changing American Family and Public Policy. Anthropologen zufolge ist dies weltweit zu beobachten. In Japan ist es üblich, daß Männer nach der Arbeit gesellig beisammen sind. Sie behaupten, dies sei für ein gutes zwischenmenschliches Auskommen am Arbeitsplatz ein Muß, vergessen dabei aber das gute zwischenmenschliche Auskommen in der Familie. Gemäß ihrer Schlußfolgerung sind schließlich sie die Geldverdiener, also sollten sich Frau und Kinder nicht beschweren. Da jedoch immer mehr Frauen berufstätig sind, ist solch eine Denkweise nicht mehr als ein Scheinargument.
Eine weitere Hauptursache für das Scheitern von Ehen liegt im „gesellschaftsweiten Gesinnungswandel“ begründet oder, wie es im Journal of Marriage and the Family heißt, „in der Auflösung des Ideals der dauerhaften Ehe“. Für Neuvermählte der 90er Jahre hat das traditionelle Ehegelöbnis „... bis daß der Tod uns scheidet“ nicht mehr seine eigentliche Bedeutung. Sie halten nach der Eheschließung Ausschau nach einem noch besseren Ehepartner. Wenn Jungverheiratete so über ihren Ehebund denken, als wie stark wird er sich dann erweisen?
Indes kommt der Wandel in der heutigen Gesellschaft für Erforscher der Bibel absolut nicht überraschend. Dieses inspirierte Buch enthüllt, daß wir seit 1914 in „den letzten Tagen“ leben, in ‘kritischen Zeiten, mit denen man schwer fertig wird’. Die Menschen sind „eigenliebig ..., undankbar, nicht loyal, ohne natürliche Zuneigung, für keine Übereinkunft zugänglich“ (2. Timotheus 3:1-3). Für Personen, die sich selbst mehr lieben als ihren Ehepartner, die ihm untreu werden und die in ihrer Ehe zu keiner Übereinkunft bereit sind, wird eine Scheidung zum einzigen Ausweg aus dem Ehedilemma.
Die Tür zu einem glücklicheren Leben?
In den meisten Fällen hat es sich herausgestellt, daß eine Scheidung nicht zum Glück führt.a „Eine Scheidung ist eine Mogelpackung“, sagt Judith Wallerstein, Forscherin auf dem Gebiet der Psychiatrie, gestützt auf eine über 15 Jahre laufende Studie an 60 geschiedenen Paaren. „Rechtlich gesehen ist sie ein einziges Ereignis, psychologisch gesehen beginnt damit jedoch eine — manchmal nie endende — Kette von Ereignissen, Umzügen und schnell wechselnden Beziehungen.“ Die Studie ergab, daß ein Viertel der Frauen und ein Fünftel der Männer zehn Jahre nach der Scheidung noch nicht zu einem geordneten Leben zurückgefunden hatten.
Besonders verletzlich sind Scheidungskinder. Im Rahmen der gleichen Studie fand Judith Wallerstein heraus, daß eine Scheidung praktisch für alle beteiligten Kinder „große und völlig unerwartete Folgen“ hat. Bei einigen Kindern, die die mit einer Scheidung einhergehenden negativen Gefühle leugnen, kommen genau diese Gefühle bei ihrer späteren Suche nach einem Ehepartner plötzlich zum Vorschein.
Das soll allerdings nicht bedeuten, daß ein Scheidungsopfer nie wieder glücklich sein kann, denn einige schaffen es. Sie bauen gewöhnlich aus den Trümmern ihrer alten Persönlichkeit eine neue. Wenn der Schock und die Trauer erst vorüber sind und der unschuldige Ehepartner sein Selbstwertgefühl zurückgewonnen hat, dann geht aus der Zerreißprobe unter Umständen eine starke und lebensbejahende Persönlichkeit hervor.
Eine Frau, deren Mann sie wegen einer anderen Frau verließ, erklärte, nachdem der Schmerz nachgelassen habe und der Zorn verraucht sei, würde man eine innerliche Veränderung feststellen. „Die Gefühle haben sich gewandelt. Man wird nie mehr die alte sein.“ Sie riet: „Nimm dir Zeit, dich selbst kennenzulernen. In einer Ehe stimmen die Partner normalerweise ihre Wünsche und Vorlieben aus Rücksicht aufeinander ab, doch nach der Scheidung solltest du dir Zeit nehmen, herauszufinden, welche Vorlieben und Abneigungen du selbst hast. Wenn man seine Gefühle begräbt, dann begräbt man sie lebendig. Das heißt, daß sie eines Tages zurückkehren werden, und dann muß man sich ihnen stellen. Warum sich ihnen also nicht gleich stellen und versuchen, sie zu verarbeiten?“
Da man sich zunehmend der Schwierigkeiten bewußt wird, die eine Scheidung mit sich bringt, verliert sie als Alternative an Attraktivität. Die Zeitschrift Time berichtete, eine wachsende Minderheit von Eheberatern würde problembeladenen Ehepaaren jetzt raten: „Bleibt zusammen.“ David Elkind von der Tufts-Universität schrieb: „Eine Scheidung ähnelt ein wenig einem Beinbruch im Skiurlaub: Nur weil viele andere sich ebenfalls ein Bein brechen, tut der eigene Bruch nicht weniger weh.“
Einer schlechten Ehe kann man nicht einfach durch eine Scheidung entkommen. Welche bessere Methode gibt es für die Lösung von Eheproblemen?
[Fußnote]
a Eine gesetzliche Scheidung oder Trennung kann einen gewissen Schutz vor schweren Mißhandlungen oder vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht bieten.
[Bild auf Seite 7]
Heutzutage hapert es oft mit der Kommunikation zwischen Ehepartnern