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Erwachet! 1993
g93 8. 7. S. 15-19

Radrennsport mit Höhen und Tiefen

KEUCHEND trat ich in die Pedale, doch ich spürte die Müdigkeit kaum. Ich war sicher, daß sich die Strapaze gelohnt hatte. Nach einem 25 Kilometer langen Aufstieg war ich oben auf dem Großen-Sankt-Bernhard-Paß an der schweizerisch- italienischen Grenze in Führung. Mein Trainer im Wagen signalisierte mir einen Vorsprung von einigen Minuten. Ich sah mich schon die Etappe gewinnen und vielleicht sogar das gelbe Trikot des Spitzenreiters übernehmen.

In wahnsinnigem Tempo raste ich, von Motorrädern und Autos gefolgt, den Paß auf der anderen Seite hinunter. Auf halbem Weg nahm ich jedoch eine Kurve zu schnell, das Hinterrad rutschte unter mir weg, und ich flog von der Straße. Unter Schmerzen beendete ich die Etappe, aber aus war der Traum vom gelben Trikot und vom Ruhm: Die Tour de l’Avenir 1966 gewann jemand anders.

Wie meine Leidenschaft wuchs

Ich kam gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in der Bretagne zur Welt. In Westfrankreich ist der Radsport sehr populär, und die Region hat schon viele Champions hervorgebracht. Als Junge ging ich zu den Rennen in der Umgebung und verpaßte nie die Tour de France am Fernseher. Wenn ich sah, wie die Fahrer atemberaubende Bergpässe erkletterten und die steilsten Abfahrten hinunterrasten, kamen sie mir wie Götter vor.

Als ich 17 war, entschloß ich mich, es selbst zu versuchen. Mit der Hilfe eines Fahrradhändlers kaufte ich mein erstes, gebrauchtes Rennrad. Ich hatte ein volles Trainingsprogramm: jeden Sonntagmorgen und wochentags vor und nach der Arbeit. Nur zwei Monate später stand ich mit pochendem Herzen am Start meines ersten Rennens. Ich hätte gewonnen, wenn mich die Verfolgergruppe nicht 10 Meter vor dem Ziel eingeholt hätte. Das restliche Jahr über war ich in fast allen Rennen unter den ersten 15.

Die Saison 1962 war für mich nur von kurzer Dauer. Nach drei Monaten und mehreren Siegen wurde ich zum Militär einberufen und kam für 18 Monate nach Algerien. Danach brauchte ich das Jahr 1965, um erneut im Radrennsport Fuß zu fassen. Doch in der folgenden Saison war ich fest entschlossen, wieder die Blumen für den Sieger in Empfang zu nehmen.

Von März 1966 an gab es für mich einen Sieg nach dem anderen. Jedesmal, wenn ich als Erster oder Zweiter ins Ziel kam, wurden mir Punkte gutgeschrieben, die mich schließlich in eine höhere Klasse brachten, wo die Konkurrenz härter war. Zu der Zeit arbeitete ich mit meinem Vater zusammen; wir schliffen und polierten Holzböden. Die Arbeit war sehr kräfteraubend und hielt mich davon ab, dem Radfahren so viel Zeit zu widmen, wie ich es gern getan hätte. Als ich daher genügend Punkte erzielt hatte, um in meiner Klasse zu bleiben, gab ich mich mit den Prämien zufrieden, die ich bei den restlichen Rennen bekam, und ließ mich von anderen schlagen, damit ich nicht in die nächsthöhere Klasse aufstieg.

Rasanter Aufstieg

Angesichts meiner Erfolge boten mir drei Teams einen Vertrag an. Ich lehnte ab, weil ich meinen Vater nicht allein lassen wollte. Der hartnäckigste Trainer überredete jedoch meinen Vater, mir eine Woche freizugeben, damit ich an einem schwierigen Rennen in den Pyrenäen entlang der spanisch-französischen Grenze teilnehmen konnte. Ich erreichte eine respektable Plazierung, und wir zogen weiter nach Spanien, wo ich die Katalonienrundfahrt für Amateure gewann. Ein paar Tage später nahm ich an der Balearenrundfahrt teil, gewann die erste Etappe, zog das Trikot des Spitzenreiters an und verlor es erst am letzten Tag bei einer Zeitprüfung, weil meine Mannschaft ausschied.

Dann kam die Route de France in der Gegend von Nizza. Ich konnte mich in vielen Etappen auszeichnen und gewann den Bergpreis. Wegen dieser guten Resultate wurde ich in die Gruppe der besten zehn Fahrer aufgenommen, die Frankreich bei der Tour de l’Avenir (der Tour de France der Amateure) vertreten sollten.

Das einzige, was meine Eltern während dieser zwei Monate von mir hörten, stammte aus dem Sportteil der Tageszeitung. Ich dachte an meinen Vater und daran, daß er mir nur eine Woche freigegeben hatte; so lehnte ich das Angebot ab und fuhr nach Hause. Doch mein Trainer und ein Sportreporter überzeugten meinen Vater davon, daß ich eine der großen Radsporthoffnungen Frankreichs sei, worauf er mich gehen ließ. Ich dachte, ich würde träumen! Nur ein paar Monate zuvor war ich ein dritt- oder viertklassiger Amateur, und nun hatte man mich für das wichtigste Amateurrennen der Welt ausgewählt! Wie ich schon berichtet habe, ruinierte ein Sturz meine Chancen bei der Tour von 1966.

Im folgenden Jahr gewann ich etwa 10 Rennen, nahm an dem Rennen Paris—Nizza teil und wurde bei der Tour du Morbihan in der Bretagne Vierter. 1968 unterschrieb ich im Alter von 24 Jahren meinen ersten Profivertrag und kam in das Team des niederländischen Fahrers Jan Janssen. Wir fuhren bei der Tour de France, die Jan in jenem Jahr gewann. In der Zwischenzeit hatte ich nach einem Zeitfahren in Rennes (Bretagne) Danielle kennengelernt, die dorthin gekommen war, um ihr erstes Radrennen zu sehen. Es sollte nicht ihr letztes sein, denn im folgenden Jahr heirateten wir.

Wie ich dieses Leben liebte: den Teamgeist und das Nomadenleben mit seinen täglich wechselnden Städten und Landschaften. Zwar verdiente ich nicht viel, doch das machte mir nichts aus, denn ich hatte so viel Freude an den Rennen. Ich schnitt in verschiedenen Prüfungen recht gut ab und hoffte, eines der großen Rennen zu gewinnen. Allerdings wurde mir langsam, aber sicher die gewaltige Kluft bewußt, die Amateurfahrer von Profis trennt.

Die großen Champions ... und die anderen

In der Saison 1969 wechselte ich in den Rennstall des berühmten französischen Fahrers Raymond Poulidor. Ich fuhr in den großen Eintagesklassikern Paris—Roubaix und Flèche Wallonne in Belgien. An den Bergpässen hielt ich mit den besten Fahrern mit und beendete mehrere Etappen ziemlich erfolgreich. Noch mehr Freude machte es mir jedoch, vor den Zuschauerscharen, die ich liebte, die lokalen Rennen in der Bretagne zu gewinnen.

Aber im Gegensatz zu meinen Hoffnungen war ich wie so viele andere nicht mit den physischen Voraussetzungen für einen Champion gesegnet. Bei einer kräftezehrenden Etappe der Spanienrundfahrt mußte ich wegen Schnee und Regen aufgeben. Dort wurde mir klar, daß die großen Champions genau das Quentchen mehr haben, das besondere Etwas, das es ihnen ermöglicht, sowohl bei sengender Hitze als auch bei klirrender Kälte durchzuhalten. Ich gehörte nicht zur gleichen Klasse wie etwa Eddy Merckx, der belgische Champion, der zu dieser Zeit das Radrennen dominierte. Er deklassierte uns andere geradezu. Ja, ich sah bei den Rennen praktisch nur den Rücken von ihm.

Solidarität unter den Fahrern

Solidarität gab es sogar unter gegnerischen Teams. Ich erlebte das persönlich bei einer der schwersten Etappen der Tour de France 1969. Am Abend zuvor waren wir nach einer Reihe von anstrengenden Bergetappen erschöpft in unserem Hotel angekommen. Am nächsten Morgen klingelte um sieben der Wecker. Wie üblich erwartete uns drei Stunden vor Rennbeginn ein reichhaltiges Frühstück.

Beim Start waren wir etwa 150, und jeder erzählte von seinen Hochs und Tiefs in den letzten Tagen, wobei man allerdings darauf achtete, nicht die Teamstrategie für das bevorstehende Rennen zu verraten. Es würde ein mörderisches Rennen werden. Die Etappe begann in Chamonix am Fuß des Montblanc und ging über 220 Kilometer Alpenstraßen und drei bedeutende Bergpässe bis Briançon.

Vom Start weg war das Tempo sehr hoch. Als ich den 1 984 Meter hohen Madeleinepaß hinauffuhr, merkte ich, daß dies kein guter Tag für mich werden würde. Es regnete, und mit zunehmender Höhe ging der Regen in Schnee über. Auf der Paßhöhe war ich zusammen mit fünf anderen Fahrern aus verschiedenen Teams bereits mehrere Minuten hinter die Spitzengruppe zurückgefallen. Frierend machten wir uns an die Abfahrt; unsere Finger waren so steif, daß wir beim Bremsen mit dem Fuß am Boden nachhelfen mußten. Unten signalisierte uns jemand von den Veranstaltern aus dem Auto heraus, daß unsere späte Ankunft sicherlich unser Ausscheiden aus dem Rennen zur Folge hätte. Der Gedanke, daß für mich die Tour de France in einem Abschnitt, den ich am meisten liebte — in den Bergen —, enden sollte, entmutigte mich völlig.

Obwohl unsere Bemühungen zum Scheitern verurteilt schienen, ermunterte uns der erfahrenste Fahrer in der Gruppe, nicht aufzugeben. Er machte uns neuen Mut, ordnete die Gruppe und schlug vor, wir sollten uns beim Führen abwechseln. Wir kämpften weiter. Der Versorgungsposten, zu dem wir kamen, war bereits geschlossen, aber wir teilten das bißchen Essen, das wir noch hatten.

Als wir wieder ins Tal kamen, gab uns das warme Wetter frische Kraft. Die Stunden vergingen, und dann lagen die nächsten beiden großen Hürden vor uns: der Telegraph- und der Galibierpaß mit 1 670 beziehungsweise 2 645 Metern. Beim Anstieg erwartete uns eine riesige Überraschung. In einer Straßenbiegung konnten wir durch die Zuschauermengen hindurch eine bunte Masse ausmachen. Ja, wir hatten die anderen eingeholt! Wir fuhren an einigen vorbei, die aufgegeben hatten, und an anderen, die am Boden festzukleben schienen. Auch sah ich einen jungen Fahrer, der zu Belgiens großen Hoffnungen zählte, wie er erschöpft sein Fahrrad schob. Ich konnte zu meinem Teamkapitän aufschließen und die Etappe mit einer relativ guten Plazierung beenden.

All das lehrte mich eine wichtige Lektion, die ich nie vergessen habe: Solange nicht die Ziellinie hinter einem liegt, so lange ist das Rennen weder verloren noch gewonnen. Außerdem werde ich nicht den Gemeinschaftssinn und die gegenseitige Unterstützung vergessen, die es sogar zwischen rivalisierenden Teams gab.

Erste Kontakte mit der Bibel

Im Jahr 1972 hatte ich meinen ersten Kontakt mit der Botschaft der Bibel. Ein Fahrer namens Guy, der kurz zuvor den Profirennsport aufgegeben hatte, kam auf Besuch und sprach mit mir über seinen neuen Glauben. Ich sagte ihm, ich sei nicht interessiert und jeder glaube, seine eigene Religion sei die beste. Guy zeigte mir einige Verse aus der Bibel und ging auf meine Einwände ein: Da viele Religionen behaupten würden, ihr Glaube stütze sich auf die Bibel, sollte es nicht so schwer sein, ihren Glauben anhand der Wahrheit des Wortes Gottes zu überprüfen.

Die Bibel war mir zwar schon ein Begriff, aber als nichtpraktizierender Katholik hatte ich nicht gedacht, daß sie etwas mit meiner Religion zu tun hätte. Allerdings kam mir unser Gespräch gerade zu dieser Zeit gelegen, denn ein Verwandter meiner Frau, ein katholischer Missionar, wollte uns besuchen, und wir konnten über all das mit ihm diskutieren.

Er bestätigte, daß die Bibel wirklich das Wort Gottes sei. Doch er riet uns, vorsichtig zu sein, da Jehovas Zeugen zwar gute Menschen seien, aber andere irreführen würden. Als ich Guy wieder traf, befragte ich ihn dazu. Er erklärte, daß im Gegensatz zu dem, was mir in der Kirche beigebracht worden war, die Lehre von der Unsterblichkeit der Menschenseele nicht in der Bibel zu finden ist (Hesekiel 18:4). Er fragte auch, warum der Verwandte nicht den Namen Gottes — Jehova — gebrauchen würde (Psalm 83:18).

Ich war erstaunt, zu erfahren, daß Gott einen Namen hat. Als wir diese Verse dem Verwandten meiner Frau zeigten, sagte er, die Bibel dürfe nicht so wörtlich genommen werden. Unser Gespräch mit ihm gedieh nicht weiter, und Guy kehrte nach Paris zurück, wo er arbeitete.

Ein Jahr später besuchte uns Guy wieder in der Bretagne. Wir nahmen unser Gespräch wieder auf, und er zeigte mir, daß die Bibel auch ein prophetisches Buch ist. Das ermunterte uns, sie intensiver zu studieren. Unsere Gespräche wurden langsam regelmäßiger. Aber Guy mußte sehr geduldig mit mir sein, denn mein Leben drehte sich immer noch um das Radfahren und alles, was dazugehörte: Freunde, Geldgeber und so weiter. Da wir aus der Bretagne stammen, einer Region, die tief in religiöser Tradition verwurzelt ist, waren unsere Angehörigen gegenüber unserem Interesse an der Bibel gegnerisch eingestellt.

Meine Radsportkarriere endete 1974 abrupt mit einem Verkehrsunfall. Das zwang uns, darüber nachzudenken, was in unserem Leben wirklich wichtig ist. Meine Frau und ich entschieden uns, aus unserer Heimatstadt und damit aus dem Einflußbereich unserer Familien wegzuziehen. Zu dieser Zeit fingen wir an, regelmäßig die Zusammenkünfte im Königreichssaal der Versammlung Dinan zu besuchen. Wir beide machten Fortschritte und ließen uns 1976 taufen.

Seither habe ich die Gelegenheit gehabt, mit mehreren Fahrern meiner Generation über die Bibel zu sprechen. Auch wenn ich von Haus zu Haus gehe, erkennen mich viele Leute und sprechen gern mit mir über meine Laufbahn als Radrennfahrer. Allerdings sind dann einige nicht mehr ganz so begeistert, sobald ich mit der Königreichsbotschaft anfange.

Wenn ich heute das Bedürfnis nach körperlicher Betätigung habe, fahre ich zusammen mit meiner Familie Fahrrad. Bei diesen Gelegenheiten wird mir immer wieder bewußt, wie zutreffend die Worte des Paulus sind: „Die Leibesübung ist zu wenigem nützlich; Gottergebenheit aber ist für alle Dinge nützlich, da sie eine Verheißung auf gegenwärtiges und künftiges Leben hat“ (1. Timotheus 4:8). (Von Jean Vidament erzählt.)

[Kasten/Karte auf Seite 16, 17]

Die Tour de France

Das berühmteste Straßenrennen der Welt, die Tour de France, wurde erstmals 1903 ausgetragen. Sie führt über eine Distanz zwischen 4 000 und 4 800 Kilometern, dauert etwa drei Wochen und endet in Paris. Ungefähr 200 Profis nehmen an diesem Rennen teil, das durch verschiedene Gegenden Frankreichs führt und einige Abstecher in Nachbarländer macht. Entlang der Strecke feuern Scharen von Zuschauern die Fahrer an.

Jeden Tag trägt der Fahrer mit der kürzesten Gesamtzeit das gelbe Trikot. Wer nach der letzten Etappe die kürzeste Gesamtzeit hat, gewinnt die Tour.

Einige der kürzesten Etappen sind Zeitprüfungen, bei denen Einzelfahrer oder Teams gegen die Uhr fahren. Bei den Teamzeitfahrten muß eine festgesetzte Anzahl von Fahrern eines Teams die Etappe als geschlossene Gruppe beenden.

[Karte]

Das Etappenradrennen Tour de France

Frankreich

ROUBAIX (Start)

PARIS

[Bild auf Seite 16]

Jean Vidament nahm 1968 im Alter von 24 Jahren an der Tour de France teil

[Bildnachweis auf Seite 15]

Mike Lichter/International Stock

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