Wird der neue Katechismus einen Umschwung bringen?
Von unserem Korrespondenten in Italien
„EIN Katechismus für das Jahr 2000“, „Das erweiterte Sündenverzeichnis“, „Ein neues Image für die Kirche“ — so lauteten einige Schlagzeilen in der italienischen Presse über den neuen Katechismus der katholischen Kirche, der bereits in Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch erschienen ist. In Italien wurden innerhalb von weniger als drei Wochen 110 000 Exemplare des Katechismus verkauft. Freilich ist diese Zahl für ein katholisches Land mit nahezu 58 Millionen Einwohnern nicht gerade sensationell. Ein italienischer Autor sagte, daß jeder, der das Buch nur kauft, um darin „einen erweiterten Sündenkatalog zu finden“, sich auf eine „Enttäuschung“ gefaßt machen muß.
Am 7. Dezember 1992 stellte Papst Johannes Paul II. offiziell das 450seitige Buch vor, das er als „Kompendium des katholischen Glaubens und der Moral“ bezeichnete. Das Ausarbeiten und Überarbeiten des Werkes nahm mehr als sechs Jahre in Anspruch und war oft von Kritik aus der katholischen Welt begleitet. Natürlich wird darin das Mysterium der Christenheit von der „heiligsten Dreifaltigkeit“ aufgegriffen und als das „zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens“ hingestellt. Es heißt darin auch, daß „jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen ist ... und daß sie unsterblich ist“. (Vergleiche 1. Korinther 15:28; Matthäus 24:36; siehe auch Hesekiel 18:4, 20.) Aber warum hielt man es für notwendig, einen neuen Katechismus herauszubringen?
Ein katholischer Gelehrter schrieb: „Nicht wenige Katechismen, die von katechetischen Instituten in Diözesen veröffentlicht worden sind, zeichnen sich durch Unbesonnenheit, viele dogmatische Irrtümer und Überspanntheit aus.“ Dennoch sind sie seit Jahren zur Unterweisung gläubiger Katholiken in Gebrauch. Die katholische Zeitschrift La Civiltà Cattolica schrieb, der neue Text sei „eine wichtige Hilfe zur Gewährleistung der Glaubenseinheit“, die in den letzten Jahrzehnten ins Wanken geraten sei. Der Papst sagte: „Es ist nicht leicht, vorauszusehen, welche Entwicklungen dieser Katechismus in Gang setzen wird. Doch ... er könnte ein wertvolles, fruchtbares Hilfsmittel sein, das eine tiefere Erkenntnis und eine echte spirituelle und moralische Erneuerung bewirkt.“
Wird das wirklich der Fall sein? Wird der Katechismus die Uneinigkeit unter den Katholiken beseitigen? An der Reaktion der Katholiken in der ganzen Welt auf Fragen wie Abtreibung, Empfängnisverhütung, Befreiungstheologie und Teilnahme an sogenannten gerechten Kriegen (selbst auf die Gefahr hin, daß Katholiken sich dabei gegenseitig töten) sind die Spaltungen deutlich zu erkennen. Auf höherer Ebene brauen sich zwischen dem derzeit mächtigen Opus Dei, das vom Papst und von vielen einflußreichen Mitgliedern der Hierarchie unterstützt wird, und den Jesuiten, die in der Gunst des Papstes gesunken sind, Abneigung und Entzweiung zusammen.
Wird der Katechismus erreichen, daß die Tausende von führenden Politikern und Geschäftsleuten, die in letzter Zeit in Korruption und Skandale verwickelt waren, in sich gehen und ihren Lebenswandel ändern? Wie einschneidend wird sich dieses Buch wohl auf das Verhalten der herrschenden Elite Italiens auswirken? Falls es darin fehlschlagen sollte, die Moral der herrschenden Klasse zu ändern, warum sollte sich dann der Durchschnittskatholik davon beeinflussen lassen? Kann man einen bleibenden Einfluß auf das Verhalten erwarten, wenn man bedenkt, daß das Buch 450 Seiten hat und Lesen nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung der Masse ist?