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Erwachet! 1994
g94 8. 7. S. 14-16

Der Kampf um den Tunnel

VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN GROSSBRITANNIEN

„DAS Projekt des Jahrhunderts“ — so betrachteten einige den Bau des Tunnels, der England heute mit Kontinentaleuropa verbindet.

An diesem technischen Meisterwerk im Tiefbau waren etwa 15 000 britische und französische Arbeiter mitsamt ihren gigantischen Tunnelbohrmaschinen beteiligt, die Spitznamen trugen wie Brigitte, Cathérine, Pascaline, Virginie und Europa. Gemeinsam bauten sie unter dem Ärmelkanal, den die Briten Channel und die Franzosen La Manche nennen, den längsten Unterwassertunnel der Welt.a Aber der Weg zum Erfolg war mit vielen Schwierigkeiten und manchem Rückschlag gepflastert. Neun Männer verloren im Verlauf des Projekts ihr Leben.

Mehrere Anläufe

„Nur bei wenigen Projekten hat man mit solch tiefverwurzelten und hartnäckigen Vorurteilen zu kämpfen gehabt wie beim Bau des Eisenbahntunnels zwischen Dover und Calais“, sagte der britische Staatsmann Winston Churchill 1936. Als dem britischen Parlament 1858 der Vorschlag unterbreitet wurde, den Kanal zu untertunneln, soll Lord Palmerston ausgerufen haben: „Was, Sie erdreisten sich, uns zu bitten, einen Bau zu unterstützen, dessen Ziel es ist, einen ohnehin schon zu kleinen Abstand noch zu verringern!“

Bereits 1802 hatte Albert Mathieu-Favier, ein französischer Bergbauingenieur, die Idee, einen beleuchteten Tunnel zu bauen, in dem die Luftzufuhr für die Pferdekutschen durch Schächte gewährleistet werden sollte, die bis über die Wellen reichen würden. Der Plan ließ sich jedoch technisch nicht durchführen.

Im Jahr 1856 war es wiederum ein Franzose, und zwar der Ingenieur Thomé de Gamond, der den Bau eines Eisenbahntunnels zwischen Frankreich und England vorschlug. Die Franzosen waren einverstanden, aber die Briten zögerten. Doch de Gamond ließ sich nicht beirren und zog William Low zu Rate, einen britischen Bergbauingenieur. William Low und sein Partner, der Ingenieur Sir John Hawkshaw, gründeten 1872 eine Firma, um das Geld für die Kanalverbindung zu beschaffen. 1880 begann man dann mit Hilfe von Bohrmaschinen, die Colonel Beaumont entworfen hatte, sowohl vom Shakespeare Cliff (bei Dover) aus als auch von Sangatte (an der französischen Küste) aus einen Tunnel zu bohren. Nach 1 000 Metern wurden die Arbeiten jedoch gestoppt, weil die britische Regierung eine militärische Invasion befürchtete.

Den nächsten Anlauf unternahm man in den 20er Jahren; damals bohrte man in der Nähe von Folkestone (England) einen 130 Meter langen Probetunnel. Wieder wurden die Arbeiten eingestellt, weil die Briten Angst vor einer Invasion hatten. In den 70er Jahren wurden die Tunnelarbeiten erneut aufgenommen, nur, um dann wieder eingestellt zu werden, als die britische Regierung einen Rückzieher machte.

Schließlich wurde 1986 der Kanalvertrag unterzeichnet. Mit der Ratifizierung des Vertrages durch Frankreich und Großbritannien im darauffolgenden Jahr konnten die Arbeiten nun ernsthaft in Angriff genommen werden.

Der Kampf mit den Finanzen

Eine Gruppe französischer und britischer Privatunternehmen (unter dem Begriff Eurotunnel zusammengefaßt) beauftragte Transmanche Link (TML), ein Konsortium von zehn Baufirmen, mit der Planung und dem Bau des Tunnels. Die Regierung bestand ausdrücklich darauf, daß das ganze Projekt mit Privatgeldern finanziert wurde.

Zwei Jahre nach Beginn der Arbeiten mußte Eurotunnel bereits die Kostenprognose von 5,23 Milliarden auf 7 Milliarden Pfund Sterling erhöhen. Bis 1994 waren die voraussichtlichen Kosten des Projekts auf rund 10 Milliarden Pfund Sterling angestiegen.

Der Kampf mit den Bedingungen unter dem Meeresboden

Der Kanaltunnel besteht eigentlich aus drei Tunneln. Am 15. Dezember 1987 nahm die erste TBM (Tunnelbohrmaschine) ihre Arbeit in England auf, und Brigitte, das französische Pendant, kam am 28. Februar des darauffolgenden Jahres zum Einsatz. Mit diesen Maschinen wurde der 4,8 Meter breite Servicetunnel gebohrt, der für Wartungszwecke und Notfälle gedacht ist. Größere TBMs arbeiteten sich durch das Gestein vor, um die Eingänge für die beiden Haupttunnel zu bohren, die jeweils einen Innendurchmesser von etwa 7,6 Metern haben.

„Beim Shakespeare Cliff stiegen wir in einen tiefen Schacht“, erzählt Paul, einer der Tunnelarbeiter. „Beim Hinuntersteigen schlug uns kalte, feuchte Luft entgegen, und unten hing die Luft voller Dieselschwaden von all den Maschinen. Je weiter wir in den Tunnel hineingingen, desto feuchter und schwüler wurde die Luft.“

Im Tunnel mühten sich insgesamt 11 TBMs ab. Drei bohrten vom Shakespeare Cliff aus landeinwärts jeweils eine Tunnelröhre zum britischen Terminal bei Folkestone. Drei weitere arbeiteten unter dem Meeresboden seewärts den drei französischen Bohrmaschinen entgegen, die von einem Schacht bei Sangatte aus begonnen hatten. Mit den zwei übrigen TBMs wurden die drei Tunnelröhren von Sangatte aus ins Landesinnere zum Terminal bei Coquelles in der Nähe von Calais vorgetrieben.

Brigitte arbeitete in zwei verschiedenen Gangarten. Wenn sie sich durch die poröse, rissige Kreide grub, arbeitete sie mit einem abgedichteten Bohrkopf und Maschinenteil, um einem Wasserdruck von 11 Kilogramm pro Quadratzentimeter standhalten zu können — ein Druck, der zehnmal höher ist als der normale Luftdruck. Doch war sie erst in die blaue Kreide vorgedrungen, eine Mischung aus Kreide und Ton, verdoppelte sie ihre Geschwindigkeit. In dieser 25 bis 40 Meter unter dem Meeresboden liegenden Schicht arbeitete Brigitte dann auf ihr Pendant zu, das ihr von der englischen Seite aus entgegengrub.

Alle TBMs waren wie Brigitte mobile Fabriken. Von den Warzen aus Wolframkarbid am Bohrkopf bis zum Transportzug im hinteren Teil der Maschine maß die längste Bohrmaschine etwa 260 Meter. Rotierende Fräsköpfe arbeiteten sich mit zwei bis drei Umdrehungen pro Minute durch das Gestein. Sie wurden von hydraulischen Kolbenpressen, die durch Greifer stabilisiert wurden, vorwärts bewegt; eine TBM stellte einen Rekord auf, als sie in einer einzigen Woche 426 Meter bohrte und dabei gleichzeitig den Abraum wegtransportierte und das Loch mit Betonsegmenten auskleidete.

Den richtigen Kurs halten

Zur Steuerung der Maschine mußte der Fahrer der TBM die Computerbildschirme und Fernsehmonitoren im Auge behalten. Vor Beginn des Tunnelbaus hatte man mit Hilfe von Satelliten die exakte Route detailliert festgelegt. Enge Bohrungen untersuchten die Gesteinsformation bis zu 150 Meter im voraus; das Vorkommen von blauer Kreide wies die Richtung an. Ein Laserstrahl, der auf einen lichtempfindlichen Sensor an der Maschine ausgerichtet war, ermöglichte es dem Fahrer, den richtigen Kurs zu halten.

Etwa sechs bis acht Kilometer von der Küste entfernt bauten die Tunnelbauer unter dem Ärmelkanal auf beiden Seiten zwischen den Eisenbahntunneln jeweils einen Verbindungstunnel; durch diese Verbindungstunnel können die Züge notfalls von einem Haupttunnel zum anderen umgeleitet werden. Alle 375 Meter gruben die Tunnelarbeiter mit handgesteuerten Bohrgeräten Verbindungsgänge zwischen den Haupttunneln und dem Servicetunnel.

Außerdem hat man zwischen den Haupttunneln in einem Bogen über dem Servicetunnel Druckausgleichstunnel gebaut. „Deren Funktion läßt sich mit einer alten Fahrradpumpe vergleichen. Wenn man den Daumen auf die Öffnung legt, spürt man die Wärme“, erklärt Paul. „Die Züge produzieren eine Menge Wärme. Die Druckausgleichsklappen öffnen sich, um den Staudruck und die Wärme der vorbeifahrenden Züge entweichen zu lassen.“

Brigitte und ihr englisches Pendant kamen in etwa 100 Meter Entfernung voneinander zum Stehen. Dann wurde mit einem Bohrer äußerst vorsichtig ein 4 Zentimeter großes Loch in die blaue Kreide gebohrt. Am 1. Dezember 1990 fand der Durchstich statt — 22,3 Kilometer von der englischen und 15,6 Kilometer von der französischen Küste entfernt. Man kann sich die Erleichterung vorstellen, als man bei einer letzten Kontrolle feststellte, daß sich die Tunnel an der Begegnungsstelle nur um ein paar Zentimeter verfehlt hatten. Die britische TBM wich dann seitlich vom Kurs ab, wurde neben Brigitte abgestellt und sollte dort unten stehenbleiben. Die Tunnelbauer beendeten die Arbeit mit handgesteuerten Bohrgeräten. Dann wurden die Haupttunnel zusammengeführt; die britischen TBMs versenkte man unter dem Kanalbett in die Erde. Die TBMs der Franzosen wurden abgebaut und aus dem Tunnel befördert.

Monoton, aber schnell

„Im Tunnel kommt man sich wie in einer sterilen Betonröhre vor“, meint Paul. „Dort ist es sehr monoton. Wenn man durch den Tunnel fährt, gibt es außer den gelegentlichen Öffnungen, wo sich die Druckausgleichstunnel und Leitungen befinden, nichts zu sehen.“ Offiziell eröffnet wurde der Tunnel am 6. Mai 1994, auch wenn sich die Freigabe für den Reiseverkehr noch etwas hinzieht. Wie wird so eine Fahrt durch den Tunnel verlaufen?

Um das herauszufinden, verläßt man die Schnellstraße in Folkestone oder Calais und fährt zum Terminal, wo man erst einmal die Fahrkarte kauft (je nach Saison kostet sie pro Auto umgerechnet zwischen 550 und 770 DM); danach geht es weiter durch die Zollkontrolle, dann fährt man die Rampe hinunter und die Plattform entlang, bis man auf einen der eigens für die Überfahrt entworfenen Spezialzüge „Le Shuttle“ gelangt. Nach 50 Kilometer Fahrt, die etwa 35 Minuten dauert, kommt man auf der anderen Seite des Ärmelkanals wieder heraus. Vom Zug aus fährt man direkt auf die Schnellstraße — alles in allem eine einfache, gemütliche Überfahrt, die einem eine schnelle Reise ermöglicht. Oder man bleibt auf dem Zug, der dann entweder nach London oder nach Paris weiterfährt — allerdings mit einem Unterschied: Nach Paris fährt man mit 290 Stundenkilometern, nach London mit 80 Stundenkilometern. Die Schnellbahntrasse von Folkestone nach London wird erst im Jahr 2002 fertiggestellt sein.

Der Kampf um den Tunnel ist allerdings noch nicht beendet. Nach wie vor streitet man sich über eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen London und dem Tunnel. Denken wir in dieser Verbindung noch einmal an die nimmermüden TBMs. Eine davon ist im Exhibition Centre bei Folkestone ausgestellt und mit einem Schild versehen, auf dem zu lesen ist: „Zu verkaufen, aus erster Hand, sehr gepflegt“ — ja, kampfbereit für einen neuen Einsatz!

[Fußnote]

a Der Seikantunnel, der die japanischen Inseln Hokkaidō und Honshū verbindet, ist mit seinen 53,9 Kilometern im Vergleich zum 49,4 Kilometer langen Kanaltunnel zwar länger, dafür aber unter Wasser 14 Kilometer kürzer.

[Karte auf Seite 15]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

England

Folkestone

Calais

Frankreich

[Bilder auf Seite 15]

Unten: Arbeiter, die die Fertigstellung des längsten Unterwassertunnels der Welt feiern

Rechts: Eine TBM

[Bildnachweis]

Arbeiter: Eurotunnel Ph. DEMAIL; TBM: Eurotunnel

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