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  • Der einsamste Vogel der Welt
  • Erwachet! 1996
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Erwachet! 1996
g96 8. 4. S. 23-25

Der einsamste Vogel der Welt

VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN BRASILIEN

WER meint, der Fleckenkauz oder der Weißkopfseeadler sei in einer schwierigen Lage, hat noch nie etwas von der Geschichte des Spix-Aras gehört. Dieser in Brasilien beheimatete Vogel gibt dem Begriff „gefährdete Arten“ eine ganz neue Bedeutung. Um jedoch die ganze Geschichte des einsamsten Vogels der Welt verstehen zu können, muß man ins 17. Jahrhundert zurückgehen.

George Marc Grav, ein holländischer Kolonist in Brasilien, berichtete damals zum ersten Mal schriftlich von der Existenz dieses Vogels und gab auch eine Beschreibung. Schon bald hieß der Vogel bei den Einheimischen ararinha azul (kleiner blauer Ara) — ein einfacher, aber passender Name. Der Spix-Ara ist in Blau mit einer Nuance Grau gekleidet. Den etwa 35 Zentimeter langen Schwanz mitgerechnet, hat er eine Gesamtlänge von gut einem halben Meter und ist damit der kleinste der Blauaras in Brasilien.

„Später, im Jahr 1819, gaben Wissenschaftler dem Vogel seinen offiziellen Namen, Cyanopsitta spixii “, berichtete Carlos Yamashita, Brasiliens führender Papageienkenner. cyano bedeutet „Blau“ und psitta „Papagei“. Und wofür steht spixii? Mit diesem Zusatz sollte dem deutschen Naturforscher Johann Baptist Spix Anerkennung gezollt werden, so der Biologe. Der Deutsche war der erste, der diese Vogelart in ihrem natürlichen Lebensraum — einige von Bäumen gesäumte Flußarme im Nordosten Brasiliens — studiert hat.

Die Zeit läuft ab

Es stimmt zwar, daß es zu keiner Zeit Schwärme von Spix-Aras gab, die den Himmel verdunkelten. Selbst zu Lebzeiten von Johann Baptist Spix zählte man nur 180 Exemplare; doch von da an begann sich ihre Lage stetig zu verschlechtern. Ansiedler zerstörten so große Teile des Waldlandes, in dem die Vögel lebten, daß Mitte der 70er Jahre nicht einmal 60 Vögel überlebt hatten. Das war schon schlimm genug, aber es sollte noch schlimmer kommen.

Was die Ansiedler in drei Jahrhunderten nicht geschafft hatten, vollbrachten Vogelfänger in wenigen Jahren — sie rotteten praktisch die gesamte Spix-Ara-Population aus. 1984 lebten in freier Natur nur noch 4 von den annähernd 60 Vögeln, aber damals waren Vogelzüchter bereit, horrende Summen zu zahlen — bis zu 50 000 Dollar für ein Exemplar. Als die Zeitschrift Animal Kingdom im Mai 1989 meldete, es sei ein Jahr vergangen, seitdem Forscher die letzten freilebenden Spix-Aras gesehen hätten, war niemand überrascht. Wenige Monate darauf wurde berichtet, daß Vogelfänger alle überlebenden Spix-Aras eingefangen hätten. Der Spix-Ara, so bedauerte die Zeitschrift Animal Kingdom, habe damit den Todesstoß erhalten.

Überraschung und Hoffnung

Kaum hatten die Biologen das Kapitel über den Spix-Ara abgehakt, berichteten Personen, die in der Nähe des Habitats des Spix-Aras lebten, sie hätten einen ararinha azul gesichtet. Weitere Berichte dieser Art folgten. Konnte es noch einen Vogel geben, der überlebt hatte? Das wollten fünf Forscher herausfinden, und so machten sie sich 1990 mit einer Campingausrüstung, mit Ferngläsern und Notizbüchern auf zum Habitat des Spix-Aras.

Nachdem sie das Gebiet zwei Monate lang erfolglos durchkämmt hatten, stießen sie auf einen Schwarm grüner papagaios maracanãs oder Illinger-Aras; dabei fiel ihnen etwas Ungewöhnliches auf. Einer der Vögel sah anders aus als die übrigen — er hatte blaues Gefieder und war größer. Es war der letzte wildlebende Spix-Ara! Die Forscher beobachteten ihn eine Woche lang und stellten fest, daß sich der Spix-Ara, der von Natur aus gesellig ist, den anderen Papageien angeschlossen hatte, um seine Einsamkeit zu überwinden und um ein Weibchen zu finden. Nun, diesen hartnäckigen blauen Artgenossen bei sich aufzunehmen, dagegen hatten die Grüngefiederten nichts — aber eine Partnerschaft mit ihm eingehen? Also, so weit ging die Freundlichkeit der Illinger-Aras dann doch nicht!

Jeden Abend bei Sonnenuntergang trennte sich der abgewiesene Spix-Ara daher von seinen Gefährten und flog auf den Baum, der ihm und seiner Partnerin früher viele Jahre als Schlafplätzchen gedient hatte — bis zum Jahr 1988, in dem Vogelfänger seine Partnerin fürs Leben ergriffen und in die Gefangenschaft verkauft hatten. Seit dieser Zeit hatte er dort ganz allein geschlafen — ein kleines, einsames blaues Federknäuel hoch oben auf einem dürren Ast. Würde nicht ein Wunder geschehen, wäre es lediglich eine Frage der Zeit, bis es dem letzten wildlebenden Spix-Ara, der in freier Natur zu überleben wußte, ebenso ergehen würde wie der Dronte — es sei denn, jemand fände eine Partnerin für ihn. Diese Idee fand Anklang, und 1991 wurde das Projeto Ararinha-Azul (Spix-Ara-Projekt) ins Leben gerufen. Zu welchem Zweck? Man wollte das wildlebende Männchen schützen, ein Weibchen finden und die beiden dann in der Hoffnung zusammenführen, daß sie ihren Lebensraum wieder mit Spix-Aras bevölkern. Ist das Projekt erfolgreich?

Man ist vorangekommen. Das brasilianische Postministerium brachte das Los des weltweit am stärksten gefährdeten Vogels in das öffentliche Bewußtsein, indem es zu Ehren des Spix-Aras eine Briefmarke herausgab. Zur gleichen Zeit warben Biologen bei den etwa 8 000 Einwohnern von Curaçá, einer kleinen Stadt im Norden Bahias in der Nähe des Habitats des Vogels, erfolgreich um die Unterstützung für den noch lebenden Spix-Ara. Da die Einwohner nun auf „ihren“ Vogel, dem sie den Spitznamen Severino gegeben haben, aufpassen, riskieren Vogelfänger, auf frischer Tat ertappt zu werden. Diese Taktik bewährt sich. Severino fliegt noch immer umher. Das nächste Problem wurde bereits in Angriff genommen — Vogelzüchter mußten überredet werden, sich von einem der sechs Spix-Aras, die noch in Brasilien in Gefangenschaft leben, zu trennen. (Siehe Kasten.) Ein Vogelbesitzer erklärte sich einverstanden, und im August 1994 wurde ein junges Weibchen, das Vogelfänger als Nestling gefangen hatten, nach Curaçá geflogen; dort sollte es freigelassen werden und wieder in seinem natürlichen Habitat leben.

„Konditionstraining“ und erste Kontaktaufnahme

Das Araweibchen kam in eine große Voliere, die man mitten im Gebiet des Aramännchens aufstellte, und es wurde an die normale Kost eines Aras gewöhnt. Um den Vogel an das Leben in der Freiheit anzupassen, stellten die Pfleger die Vogelnahrung von Sonnenblumenkernen — der üblichen Nahrung in Gefangenschaft — auf Piniensamen und auf die einheimischen stacheligen Früchte um. Der Vogelmagen reagierte darauf positiv.

Tägliches Konditionstraining gehörte ebenfalls zum Trainingsprogramm — und das aus gutem Grund. Zu erwarten, daß ein Vogel, der in einem Käfig großgezogen wurde, von einem Tag zum anderen mit einem Partner mithalten kann, der täglich gern etwa 50 Kilometer fliegt, ist so, als bitte man einen ausgesprochenen Fernsehgucker, einen Marathonlauf zu machen. Die Biologen, die sich um das Araweibchen in der Voliere kümmerten, hielten es dazu an, zur Kräftigung seiner Muskeln soviel wie möglich zu fliegen.

Schon nach kurzer Zeit hatte Severino die Voliere entdeckt. Nachdem er das Weibchen erspäht hatte, stieß er einen schrillen Ruf aus, lockte es und kam bis auf 30 Meter an den Käfig heran. „Das Weibchen“, so erzählte Marcos Da-Ré, ein an dem Projekt beteiligter Biologe, antwortete und „war sichtlich aufgeregt“, als es seinen männlichen Besucher bemerkte. Ihre Begeisterung, so Da-Ré, „ließ uns hoffen“.

Vater und Lehrer ...

Schließlich war der große Tag gekommen — die Tür der Voliere schwang auf. Eine halbe Stunde lang zögerte das Araweibchen, dann flog es hinaus und landete in einem Baum, etwa 300 Meter von der Voliere entfernt. Aber wo blieb Severino? Er war 30 Kilometer weit weg, weil er wieder den papagaios maracanãs hinterhergeflogen war. Warum war er weggeflogen? Nun, monatelang hatte er ungeduldig auf seine zukünftige Partnerin gewartet, aber als schließlich die Brutzeit kam, saß sie immer noch hinter Gittern. Das Männchen müsse sich gedacht haben, „besser ein freier maracanã als ein gefangener ararinha“, witzelte der Biologe Da-Ré. Und dieses Mal zahlte sich Severinos Ausdauer aus. Ein Illinger-Ara-Weibchen gab nach und akzeptierte ihn als Partner.

Die Biologen hoffen, daß Severino nach der Paarungszeit das Werben aufgeben, in sein Habitat zurückkehren, das befreite Spix-Ara-Weibchen entdecken und sie als Partnerin nehmen wird. Dann wird von ihm verlangt werden, eine Doppelrolle zu spielen — als Vater und Lehrer. Da er nämlich der einzige Spix-Ara in der Welt ist, der weiß, wie seine Artgenossen in der freien Natur überleben können, muß er seiner Partnerin beibringen, wie sie Nahrung und Unterschlupf findet und in einer der ödesten Gegenden Brasiliens überleben kann.

... und Vogel, der Geschichte macht

Zu Beginn der nächsten Brutzeit werden die Biologen, die am Spix-Ara-Projekt mitwirken, alle Hebel in Bewegung setzen, damit Severino aufhört, die Illinger-Aras zu verfolgen, und statt dessen einen hohlen Baum sucht, in dem sein Weibchen nisten kann. Wenn alles klappt, wird das Spix-Ara-Weibchen zwei kleine Eier legen, und einige Monate später wird Severino drei Vögeln Unterricht in Überlebenstechniken geben. Wird es wirklich soweit kommen?

„Das wird die Zeit zeigen“, sagte der Biologe Yamashita, „aber dieses Projekt bietet wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, durch die verhindert werden kann, daß auch der wildlebende Spix-Ara ausstirbt.“ Jetzt hängt alles von Severino ab. Wird er die Gelegenheit beim Schopf packen und einen neuen Anfang machen? Wenn die Partnerschaft zwischen ihm und dem Weibchen funktioniert, werden Naturliebhaber — und Illinger-Aras — aufatmen.

[Kasten auf Seite 24]

Vögel in Gefangenschaft

In Gefangenschaft leben schätzungsweise 30 Spix-Aras. Über ein Dutzend dieser in Brasilien beheimateten Vögel wurden von einem Vogelzüchter auf den Philippinen gezüchtet und leben auch noch in diesem asiatischen Land. Die übrigen Spix-Aras leben in Brasilien, in Spanien und in der Schweiz. All diesen in Gefangenschaft lebenden Vögeln fehlt jedoch etwas, was Severino besitzt — die Fähigkeit, in der freien Natur zu überleben.

[Bild auf Seite 25]

Der Nachwelt erhalten — zumindest auf einer Briefmarke

[Bildnachweis]

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