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Erwachet! 1996
g96 22. 7. S. 15-18

Weshalb er andere Prioritäten setzte

VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN GROSSBRITANNIEN

Ein volltönender Gesang erfüllte plötzlich die Luft. Die reinen und klaren Melodien sprudelten scheinbar endlos hervor. Ich stand wie verzaubert da. „Eine Nachtigall“, flüsterte Jeremy. Langsam schlichen wir uns um das Dickicht herum und versuchten herauszufinden, woher diese herrlichen Töne kamen. Dann entdeckten wir ihn im tiefen Dickicht — den scheuen, unauffälligen, hellbraunen Vogel. „Schön, daß wir die Nachtigall gesehen haben“, sagte Jeremy, als wir schließlich wieder gingen. „Nur wenige Leute bekommen sie zu Gesicht.“

ICH war einen Tag lang zu Besuch bei Jeremy, einem Vogelwart von Minsmere, einem 800 Hektar großen Naturschutzgebiet der britischen Vogelschutzvereinigung Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), das sich an einem der östlichsten Zipfel Englands befindet. Während des Zweiten Weltkriegs wurde dieser Teil der Nordseeküste unter Wasser gesetzt, um eine eventuelle Invasion Deutschlands zu verhindern. Infolgedessen wuchs dort viel Schilf, und Sumpfvögel besiedelten das überflutete Land. Helle Begeisterung herrschte, als 1947 dort vier Säbelschnäblerpaare brüteten, denn diese Vogelart hatte seit über 100 Jahren nicht mehr in Großbritannien gebrütet.

Bald darauf übernahm die RSPB das Gelände, und heute ist es ein Vogelschutzgebiet von internationaler Bedeutung. Außer den schilfbewachsenen Sümpfen gehören zu den Habitaten der Vögel auch Brackwasser- und Süßwasserlagunen — die größte heißt Scrape — sowie Kiesstrände, Dünen, Sümpfe, Wiesen, Heideland und sowohl Laub- als auch Nadelwälder. Über 330 Vogelarten sind registriert worden, ungefähr 100 davon brüten im Vogelschutzgebiet. Diese Vogelvielfalt ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die Route der Zugvögel entlang der Ostküste verläuft, doch auch ein geschicktes Management hat dazu beigetragen.

„Ich kam 1975 hierher“, erzählte mir Jeremy, „weil Minsmere eine ungewöhnliche Herausforderung darstellte. Von 1966 an war der Säbelschnäbler das Symbol der RSPB und wurde schließlich ihr Logo. Minsmere wird heute von vielen als das Aushängeschild der Vogelschutzgebiete der RSPB betrachtet — hier werden jedes Jahr bis zu 80 000 Besucher gezählt.“

Wie es begann

„Mein Interesse für Vögel wurde in der Schule geweckt“, fuhr Jeremy fort, als wir weitergingen. „Ich erfuhr dort eine Menge über den Vogelzug und lernte, wie man Vögel beringt. Ende der 60er Jahre beringte ich in meiner Freizeit 12 000 bis 20 000 Vögel im Jahr. Dann lud mich Chris Mead von der britischen Stiftung für Ornithologie zu einer Expedition nach Spanien ein, um Zugvögel, die über die Sahara ziehen, zu beringen. Dafür verwendet man ein sehr feinmaschiges, zwischen 6 und 18 Meter breites, schwarzes Netz, das locker, aber sorgfältig vor Bäumen aufgehängt wird, damit es die Vögel nicht sehen. Die Vögel erleiden dabei keinen Schaden, und wenn sie aus dem Netz geholt werden, wird ein Vogelbein mit einem kleinen Ring versehen, der gewöhnlich aus Monelmetall besteht.a Die Vögel dann wieder freizulassen ist ebenfalls eine Kunst. Ein Mitarbeiter der Vogelwarte, der die Vögel beringt, würde einen Vogel niemals in die Luft werfen, so wie man es manchmal im Fernsehen sieht. Er läßt die Vögel einfach fliegen, wann sie wollen. Mauersegler beispielsweise klammern sich an der Wollkleidung des Mitarbeiters fest und fliegen erst fort, wenn sie dazu bereit sind.

Die Expedition war für mich ein faszinierendes Erlebnis, für das ich sechs Wochen Urlaub nahm und das mich schließlich meinen Arbeitsplatz kostete. Daraufhin beschloß ich, umzusatteln und mich meiner Lieblingsbeschäftigung zu widmen, nämlich dem Naturschutz, insbesondere dem Vogelschutz. Ich war begeistert, als die RSPB 1967 bei mir anfragte, ob ich mich ihr anschließen wolle.“

Wozu Vogellieder und Vogelrufe dienen

Woran erkennt man einen Vogel? Manchmal am Aussehen, doch die Lieder oder die Rufe sind ein sichereres Mittel, Vögel zu unterscheiden. Jeremys Talent in dieser Hinsicht ist bereits legendär. Der Naturforscher David Tomlinson schrieb voller Bewunderung, er könne schwören, daß Jeremy „die Vögel nicht nur an ihrem Gesang erkennt, sondern schon an der Art und Weise, wie sie zwischen den verschiedenen Tönen die Luft einziehen“.

„Vögel kommunizieren“, erklärte mir Jeremy. „Jeder Ruf bedeutet etwas anderes. Wenn beispielsweise ein Raubtier in der Nähe ist, stoßen die Säbelschnäbler, die Kiebitze, die Möwen und die Rotschenkel ihren individuellen Ruf aus, aber jeder Ruf bedeutet dasselbe: ‚Ein Fuchs ist in der Nähe!‘ Ich kann aus einem tiefen Schlaf erwachen und sofort an den Rufen eines Vogels erkennen, wo ein Fuchs ist. Dabei darf man aber nicht vergessen, daß Füchse ebenfalls ein ausgezeichnetes Gehör haben. Wir wunderten uns zum Beispiel, warum die Seeschwalben in einem Jahr nicht erfolgreich brüteten, bis wir feststellten, daß ein Fuchs auf die Rufe der Küken achtete, die sich noch in den Eiern befanden und kurz vor dem Schlüpfen waren. Sowie er ihren Standort ausgemacht hatte, fraß er sie.“

Die Kunst des Vogelbeobachtens

In Großbritannien kann ein guter Vogelbeobachter bis zu 220 verschiedene Vogelarten im Jahr erspähen und darüber Buch führen. Eifrige Vogelbeobachter, in Großbritannien auch Twitchers genannt, die darin wetteifern, Aufzeichnungen über die Beobachtung seltener Vögel zu führen, können bis zu 320 Vogelarten ausmachen.b Ist ein seltener Vogel gesichtet worden, reisen die Vogelbeobachter unter Umständen durch das ganze Land, um den Vogel persönlich zu sehen. Jeremy ist nicht so versessen darauf. „Ich würde nicht weiter als 10 Meilen fahren, um einen seltenen Vogel zu sehen“, verriet er mir. „Es gab nur drei Vögel, für die ich mich jemals auf den Weg gemacht habe: für einen Alpentannenhäher oder Nußknacker, für einen Grasläufer mit gelbbrauner Brust und für eine Großtrappe — alle befanden sich in einem Umkreis von 10 Meilen. Ich kenne zwar 500 Arten ziemlich gut, aber mir ist klar, daß das nur ein Bruchteil des Ganzen ist. Weltweit gibt es nämlich rund 9 000 Vogelarten.“

Als wir unsere Blicke durch das Fernglas über die Sümpfe schweifen ließen, fügte Jeremy etwas wehmütig hinzu: „Ich hätte mir kein glücklicheres oder erfüllteres Leben wünschen können als die 16 Jahre in Minsmere!“ Ich schaute ihn an und dachte an den Artikel, der kurz zuvor in der Londoner Times erschienen war. Darin hieß es: „Minsmere war seine [Jeremys] Meisterleistung, sein Lebenswerk.“ Jeremy stand nun im Begriff, Minsmere zu verlassen. Warum?

Der Samen der biblischen Wahrheit geht auf

Zuvor an jenem Tag hatten wir das außergewöhnliche Begattungszeremoniell der Säbelschnäbler beobachtet. „Die einzigartige Schönheit dieses Zeremoniells“, so meinte Jeremy, „kann man sich nicht durch eine Art Überlebenskampf im Rahmen der Evolution erklären. Aber ich erinnere mich, daß ich vor ein paar Jahren auf die Frage, ob es meiner Meinung nach einen Gott gebe, gestehen mußte: ‚Ich habe keine Ahnung, und ich weiß auch nicht, wie ich es herausfinden könnte.‘ Als ich daher ermuntert wurde, in die Bibel hineinzuschauen, war ich sofort einverstanden. Ich kannte sie kaum und dachte mir: Ich habe ja nichts zu verlieren — vielleicht bringt es mir sogar etwas. Auf Grund dessen, was ich gelernt habe, möchte ich jetzt Minsmere verlassen und ein Vollzeitprediger werden.“

Michael, Jeremys Bruder, ist seit zehn Jahren Pionier, wie Jehovas Zeugen Vollzeitprediger in ihren Reihen bezeichnen. Beim Tee erzählte mir Jeremy von seinen Plänen, sich seinem Bruder anzuschließen. „Meine Kollegen respektieren allesamt meine Entscheidung“, erklärte Jeremy. „Die RSPB zeigte sich verständnisvoll und interessiert. Sie steht hinter mir und hat mich sogar für eine nationale Auszeichnung vorgeschlagen.“

Doch ich wußte, daß er wegen seiner Entscheidung auch kritisiert worden war.

Ausgeglichenheit erforderlich

„Die meisten haben mich in meinem Vorhaben unterstützt, andere scheinen jedoch leider eine falsche Ansicht über meine Arbeit hier zu haben“, erzählte Jeremy. „Sie denken, man könne eine religiöse Geisteshaltung am besten bewahren, wenn man der Natur nahe ist, sich um die Tier- und Pflanzenwelt kümmert und für die Erhaltung der Natur sorgt. Das sei doch schon fast das Paradies, sagen sie. Warum also Minsmere verlassen?

Natürlich hat diese Arbeit eine geistige Dimension, aber das ist nicht mit Geistiggesinntsein gleichzusetzen. Geistiggesinntsein ist etwas, was eine Person besitzt, eine Eigenschaft, die im Lauf der Zeit entwickelt werden muß. Dazu gehört auch die Notwendigkeit, sich mit der Christenversammlung zu verbinden und sich um sie zu kümmern, und zwar sowohl zur Ermunterung anderer als auch zur eigenen Ermunterung. Jesus sagte, wir könnten nicht zwei Herren dienen, aber manchmal hatte ich das Gefühl, daß ich genau das versuchte. Heute weiß ich, daß man nicht am Rand, sondern in der Mitte der Christenversammlung am sichersten ist und daß der Pionierdienst dorthin führen kann.“

Prioritäten setzen

„Versteh mich nicht falsch. Die Arbeit als Vogelwart ist faszinierend und bereichernd, auch wenn sie mitunter frustrierend ist. Zum Beispiel sind die Quecksilber- und PCB-Werte in diesem Habitat erschreckend hoch — und wir wissen nicht genau, warum; wir vermuten, daß die Aale dazu beitragen.c Aber meine Möglichkeiten, das Gleichgewicht wiederherzustellen, sind nur begrenzt. Es gibt keinen absoluten Fachmann auf dem Gebiet der Ökologie. Wir experimentieren alle herum und lernen dazu, so gut wir können. Wir benötigen Anleitung. Nur unser Schöpfer weiß, wie wir leben sollten und wie wir für die Erde und die Vielfalt an Lebensformen am besten sorgen können.“

Dann faßte Jeremy seine Empfindungen zusammen und sagte ruhig: „Ich habe mich Jehova nicht hingegeben, um die Natur zu retten; dazu ist er selbst vollkommen in der Lage. Durch sein Königreich wird er dafür sorgen, daß wir mit der Natur stets auf die von ihm gewünschte Weise umgehen. Das Predigen der guten Botschaft vom Königreich muß daher jetzt die Priorität in meinem Leben sein, wenn ich meiner Verantwortung, für meine Mitmenschen zu sorgen, gerecht werden will.“

Vor kurzem habe ich Jeremy wieder getroffen. Seit wir jenen schönen Tag im Naturschutzgebiet verbracht hatten, waren drei Jahre vergangen. Jetzt wohnt er 8 Kilometer von seinem geliebten Minsmere entfernt, und er und sein Bruder fühlen sich im Pionierdienst wohl. Er erzählte mir allerdings, daß einige Leute nach wie vor sagen, sie könnten ihn nicht verstehen. Können wir ihn verstehen? Für Jeremy war es einfach eine Frage der Prioritäten.

[Fußnoten]

a Monelmetall ist eine korrosionsbeständige, hochfeste Legierung aus Nickel und Kupfer.

b In den Vereinigten Staaten sind Twitchers eher als Listers bekannt.

c PCB ist die Abkürzung für Polychlorbiphenyl, ein Industrieabfallprodukt.

[Kasten/Bild auf Seite 17]

Ein herrlicher Ohrenschmaus

Nur jeder Zehnte, der eine Nachtigall singen hört, sieht sie auch, aber wer sie einmal gehört hat, dem bleibt ihr Gesang unvergeßlich. „Es ist reine Musik in höchster Vollendung“, schrieb Simon Jenkins in der Londoner Times. Der Vogel hat beim Singen oft große Ausdauer — laut Aufzeichnungen sang eine Nachtigall einmal 5 Stunden und 25 Minuten lang. Was macht ihren Gesang so einzigartig? Das Stimmorgan der Nachtigall kann vier verschiedene Töne auf einmal produzieren, darunter völlig harmonische Akkorde. Und sie kann sowohl mit geschlossenem Schnabel singen als auch mit einem Schnabel voll Futter, das sie für ihre Jungen gesammelt hat. Warum singt sie mit solcher Intensität? Einfach aus Spaß an der Freude, wie manche Beobachter sagen. „Gibt es in der gesamten Natur eine erstaunlichere Schöpfung als das Stimmorgan einer Nachtigall?“ fragte Jenkins zusammenfassend.

[Bildnachweis]

Roger Wilmshurst/RSPB

[Bild auf Seite 15]

Die Scrape-Lagune

[Bildnachweis]

Mit frdl. Gen.: Geoff Welch

[Bild auf Seite 16]

Lachmöwe

[Bildnachweis]

Mit frdl. Gen.: Hilary & Geoff Welch

[Bild auf Seite 16]

Säbelschnäbler

[Bild auf Seite 18]

Brandseeschwalbe

[Bild auf Seite 18]

Rotschenkel

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