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Erwachet! 1997
g97 22. 3. S. 20-23

Hundertfünfzig Jahre U-Bahn

VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN UNGARN

DIE Tunnelarbeiter starrten ungläubig auf ihre Entdeckung. Es war das Jahr 1912. Tief unter den Straßen von New York waren sie beim Ausbau der neuen Untergrundbahn auf eine große verborgene Kammer gestoßen. Der Raum war prunkvoll ausgestattet wie ein Palast. Er war der Länge nach mit Spiegeln, Kronleuchtern und Fresken geschmückt. Die verwitterte Holztäfelung zierte immer noch die Wände. In der Mitte des Raums befand sich ein schöner Brunnen, dessen Plätschern längst verstummt war.

Der Raum führte zu einem Tunnel. Zum Erstaunen der Arbeiter stand dort auf Schienen ein geschmückter U-Bahn-Wagen für 22 Fahrgäste. Hatte es vorher schon in New York eine U-Bahn gegeben? Wer konnte diese Station gebaut haben?

Tunnel und unterirdische Eisenbahnen

Unterirdische Gänge sind seit Jahrtausenden für den Bergbau, die Wasserversorgung und für Kriegsstrategien genutzt worden. Die mechanisierte unterirdische Personenbeförderung hat dagegen erst in jüngerer Zeit ihren Anfang genommen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Londoner Hauptverkehrsstraßen von jeder nur erdenklichen Art damaliger Fahrzeuge und einem Gewimmel von Fußgängern verstopft. Täglich überquerten Tausende die Themse entweder mit der Fähre oder über die London Bridge. Zuweilen ging es so langsam voran, daß die Händler hilflos mit ansehen mußten, wie das Obst und Gemüse, das sie zum Markt bringen wollten, in der Sonne unansehnlich wurde.

Marc Isambard Brunel, ein französischer Ingenieur, der in England lebte, hatte eine Idee, wie man den Londoner Verkehr entlasten könnte. Brunel hatte einmal beobachtet, wie sich ein Bohrwurm durch ein hartes Stück Eichenholz arbeitete. Ihm fiel auf, daß nur der Kopf des kleinen Wurms durch einen Schild geschützt war. Mit den gezackten Rändern des Schildes bohrte er sich durch das Holz. Gleichzeitig hinterließ er in dem Fraßgang eine Schutzschicht aus Kalk. Diesem Prinzip entsprechend ließ Brunel einen großen gußeisernen Tunnelbauschild patentieren, der mit Winden durch das Erdreich getrieben wurde. Wenn Arbeiter die Erde vom Innern des Schildes aus abtrugen, waren sie vor einem Einsturz des Tunnels geschützt. Während der Schild vorgetrieben wurde, mauerten andere Arbeiter den frisch ausgehobenen Tunnel mit Ziegelsteinen aus, um ihn zu stützen.

Mit einem solchen Schild vollendete Brunel 1843 in dem weichen Grund unter der Themse den ersten unter Wasser verlaufenden Tunnel der Welt. Dadurch demonstrierte Brunel, daß der Tunnelbau machbar war, und er ebnete den Weg für die Entwicklung der modernen Untergrundbahn. 1863 wurde die erste unterirdische Bahnstrecke der Welt eröffnet. Sie verlief zwischen den wichtigsten Londoner Bahnhöfen. 1865 erwarb man Brunels Tunnel, um die Strecke zu erweitern. Der Tunnel bildet noch heute einen Teil des Londoner U-Bahn-Netzes.

Unbegründete und berechtigte Ängste

Die unterirdische Personenbeförderung hat schon immer Gegner auf den Plan gerufen. Anfang des 19. Jahrhunderts fürchteten sich viele davor, sich unter die Erde zu begeben, weil sie an ein Höllenfeuer irgendwo im Innern der Erde glaubten. Außerdem brachten viele Leute dunkle, feuchte Tunnel mit ansteckenden Krankheiten und verpesteter Luft in Verbindung.

Demgegenüber verfolgten Stadtplaner mit Leidenschaft ihr Ziel, etwas gegen den überlasteten Stadtverkehr zu unternehmen. Untergrundbahnen standen im Mittelpunkt politischer Debatten. Die Luftqualität in U-Bahn-Tunneln gab zu Besorgnis Anlaß. Man probierte verschiedene Belüftungstechniken aus, aber nicht allen war Erfolg beschieden. Beispielsweise nutzte man die von den Zügen verursachte Luftbewegung aus, oder man legte in Abständen senkrechte Schächte an, die nach oben hin durch Gitter gesichert waren. Eine andere Methode war der Einsatz starker Gebläse oder die Kombination verschiedener Techniken. Um der psychologischen Barriere entgegenzuwirken, die mit dem Betreten von dunklen, unterirdischen Gängen zusammenhängt, wurden die Stationen mit Gaslampen ausgestattet. Vor diesem Hintergrund war die in Vergessenheit geratene New Yorker U-Bahn entstanden, auf die man im Jahr 1912 stieß.

Die erste New Yorker U-Bahn

Auf der anderen Seite des Atlantiks zerbrach sich Alfred Ely Beach, ein begabter Erfinder, den Kopf über die kritische Verkehrslage in New York. Als Herausgeber der Zeitschrift Scientific American war Beach ein Befürworter moderner Lösungen für alte Probleme, wie zum Beispiel verstopfte Straßen. 1849 unterbreitete er einen revolutionären Plan: das Untertunneln des Broadways, einer der verkehrsreichsten Straßen, „mit Öffnungen und Treppen an jeder Straßenecke. Dieser unterirdische Gang soll mit doppeltem Schienenstrang und einem Fußgängerweg zu beiden Seiten angelegt werden.“

In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten hatten auch noch andere Verkehrsplaner Vorschläge für den Nahschnellverkehr in New York. Alle diese Pläne wurden letzten Endes abgelehnt. Der korrupte und mächtige Politiker Boss Tweed wünschte keine Konkurrenz zu den bestehenden Verkehrsgesellschaften, durch die er einen Großteil seiner illegalen Einkünfte bezog. Doch der findige Beach, der seine Idee nicht aufgab, überlistete den energischen Boss Tweed.

Beach erhielt die Genehmigung, unter dem Broadway zwei nebeneinanderliegende Tunnel zu bauen, die allerdings für die Personenbeförderung zu klein sein würden. Sie waren „für die Weiterleitung von Briefen, Paketen und Waren“ an das Hauptpostamt vorgesehen. Unter dem Vorwand, Kosten sparen zu wollen, beantragte er dann, nur einen einzigen, dafür aber großen Tunnel bauen zu dürfen. Irgendwie blieb diese List unbemerkt, und die Abänderung wurde genehmigt. Beach machte sich sofort, aber unauffällig an die Arbeit. Er grub vom Keller eines Bekleidungsgeschäftes aus und ließ die Erde nachts mit Wagen abtransportieren, deren Räder zur Schalldämpfung umwickelt waren. Der 95 Meter lange Tunnel wurde in nur 58 Nächten fertiggestellt.

„Luftantrieb“

Beach war sich der verpesteten Luft in der Londoner U-Bahn, die auf kohlenbetriebene Dampfmaschinen zurückzuführen war, sehr wohl bewußt. Er trieb seinen Zug mit Luftdruck an, der von einem riesigen Gebläse erzeugt wurde, das in einer Nische an einem Ende des Tunnels eingebaut war. Der Luftdruck schob den Zug sachte mit einem Tempo von zehn Kilometern pro Stunde vorwärts, doch der Zug hätte auch zehnmal schneller fahren können. War er am anderen Ende angelangt, wurde das Gebläse umgeschaltet, so daß der Zug nun durch Sogwirkung zurückgezogen wurde. Um den Leuten irgendwelche unterschwelligen Ängste vor unterirdischen Gängen zu nehmen, sorgte Beach dafür, daß die geräumige Wartehalle mit Zirkoniumlampen erleuchtet wurde, die damals zu den hellsten Lampen gehörten. Auch stattete er die Halle verschwenderisch mit Plüschsesseln aus, mit Statuen, falschen Fenstern mit Vorhängen, einem großen Piano und einem Goldfischbassin. Die kurze Strecke wurde im Februar 1870 einer ahnungslosen Öffentlichkeit vorgestellt und war sofort die Sensation. Innerhalb eines Jahres besichtigten 400 000 Menschen die Untergrundbahn.

Boss Tweed war wütend. Mit politischer Taktik überredete Tweed den Gouverneur, einem konkurrierenden Plan für eine Hochbahn zuzustimmen, die 16mal so teuer kommen würde wie die von Beach befürwortete luftangetriebene Untergrundbahn. Kurze Zeit später wurde Tweed verhaftet und zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Allerdings bewirkte ein Börsensturz im Jahr 1873, daß sich Investoren und Beamte nicht mehr für Untergrundbahnen interessierten, worauf Beach den Tunnel schloß. So geriet er in Vergessenheit, bis man 1912 zufällig darauf stieß. Das war mehr als sieben Jahre nach der Eröffnung der heute noch bestehenden New Yorker U-Bahn im Jahr 1904. Ein Teil des von Beach erbauten Tunnels gehört heute zur City-Hall-Station im Zentrum von Manhattan.

Die Millenniums-Untergrundbahn

Vor etwas mehr als 100 Jahren herrschte in Ungarn gespannte Erwartung. Für 1896 war eine Feier zum 1 000jährigen Bestehen Ungarns geplant. Ende des 19. Jahrhunderts war die Landeshauptstadt Budapest eine der größten Städte Europas. Ihre Straßen waren damals bereits verstopft. Zur Entlastung wurde für die Tausendjahrfeier der Bau einer elektrischen Bahn angeregt. Das paßte jedoch nicht in das Konzept der städtischen Behörden, und sie lehnten den Vorschlag ab. Unterdessen hatte die Londoner Untergrundbahn Verkehrsplaner in anderen Ländern inspiriert. Mór Balázs, ein ungarischer Ingenieur, unterbreitete den Vorschlag, eine elektrische U-Bahn zu bauen. Der Vorschlag wurde angenommen, und im August 1894 begann man mit der Konstruktion.

Man baute eine Unterpflasterbahn, das heißt, eine Straße wurde aufgegraben, und es wurden unterhalb des Straßenniveaus Schienen verlegt. Über die Grube kam eine flache Überdachung, und schon war die Straße wiederhergestellt. Am 2. Mai 1896 wurde die 3,7 Kilometer lange U-Bahn-Strecke eingeweiht. Die sämtlich von Elektromotoren angetriebenen Wagen waren ein großer Fortschritt gegenüber der ersten Londoner U-Bahn, in der die Fahrgäste von Schwefeldämpfen eingenebelt wurden. Ein paar Tage nach der Eröffnung besichtigte König Franz Joseph I. die neue Bahn und war einverstanden, daß sie nach ihm benannt wurde. In der politisch stürmischen Zeit danach wurde sie jedoch in Millenniums-Untergrundbahn umbenannt. Sie war die erste U-Bahn auf dem europäischen Festland. Schon bald folgten weitere. Im Jahr 1900 nahm die Pariser Metro den Betrieb auf, und 1902 wurde die Berliner U-Bahn eröffnet.

Die U-Bahn nach 100 Jahren

Zum 1 100jährigen Bestehen Ungarns 1996 wurde die U-Bahn in ihrer ursprünglichen Schönheit und Machart wiederhergestellt. Kleine weiße Kacheln und weinrote Ornamente schmücken die Wände der Stationen. Die ins Auge springenden Namen der Stationen sind von Kacheln umrahmt. Die Eisenpfeiler sind erneuert und grün gestrichen worden, um das Flair des vergangenen Jahrhunderts wiedererstehen zu lassen. An die Zentralstation in Budapest ist ein U-Bahn-Museum angeschlossen, in dem einer der ersten U-Bahn-Wagen ausgestellt ist. Er ist über 100 Jahre alt! Man kann sich Ausstellungsstücke ansehen, die mit dem Bau der Millenniums-Untergrundbahn zu tun haben und auch mit der moderneren Budapester U-Bahn.

Beim Besuch des Museums müssen ungarische Zeugen Jehovas unwillkürlich daran denken, daß die U-Bahn vor nicht allzu langer Zeit für sie noch eine andere Funktion hatte. Während der ganzen Zeit, in der ihr Werk in Ungarn verboten war, nutzten sie vorsichtig die Stationen dieser berühmten U-Bahn, um mit anderen über Gottes Königreich zu sprechen. Seit 1989 haben Jehovas Zeugen die Freiheit, in Ungarn ungehindert zu predigen. Aber man sieht sie immer noch in der Millenniums-Untergrundbahn mit anderen darüber sprechen, daß das in der Bibel beschriebene Millennium, die Tausendjahrherrschaft Christi, bald da ist.

Das Vermächtnis der ersten U-Bahnen

Heute werden in Großstädten auf der ganzen Welt Personen mit U-Bahnen befördert. Oft sind zu den alten Problemen wie Lärm und Luftverschmutzung neue wie Graffiti und Verbrechen hinzugekommen. Doch viele U-Bahnen spiegeln die stilvoll-schönen und praktischen Ideale der ersten U-Bahn-Konstrukteure wider. Das Bestreben, die Massenbeförderungsmittel zu erweitern und zu verbessern, ist ungemindert. In Städten wie Bangkok, Medellín, Schanghai, Seoul, Taipeh und Warschau sind U-Bahnen entweder im Bau oder wurden gerade fertiggestellt. Ob das die ersten U-Bahn-Konstrukteure wohl überraschen würde? Vielleicht nicht, denn schon vor 150 Jahren schwebte ihnen eine solch ausgedehnte Nutzung vor.

[Bilder auf Seite 23]

1 Eine restaurierte Station im Budapester Millenniums-Untergrundbahn-Museum

2-4 Einer der ersten elektrisch betriebenen U-Bahn-Wagen der Millenniums-Untergrundbahn von 1896

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