Was löst Informationsängste aus?
„INFORMATIONSÄNGSTE entstehen durch eine immer größer werdende Kluft zwischen dem, was wir verstehen, und dem, was wir meinen, verstehen zu müssen. Sie sind das schwarze Loch zwischen Fakten und Wissen, und sie entstehen, wenn Informationen nicht ausreichen, um etwas herauszufinden, was wir wissen wollen oder wissen müssen.“ Das schrieb Richard S. Wurman in seinem Buch Information Anxiety. „Lange Zeit war den Menschen nicht bewußt, wie wenig sie wußten — sie wußten nicht, was sie nicht wußten. Doch heute wissen sie, was sie nicht wissen, und das macht ihnen angst.“ Infolgedessen haben die meisten das Gefühl, daß sie mehr wissen sollten. Durch die über uns hinwegrollende Informationsflut schnappen wir Bruchstücke auf. Aber oft wissen wir nichts damit anzufangen. Gleichzeitig haben wir vielleicht das Empfinden, daß alle anderen viel mehr wissen und begreifen als wir. An diesem Punkt kommt es zu Ängsten.
Wie David Shenk erklärte, ist Überinformation ein Schadstoff geworden, der eine Art „Datensmog“ erzeugt. Weiter sagte er: „Datensmog ist hinderlich; er verdrängt ruhige Momente und läßt einen nicht zu der dringend benötigten Besinnung kommen. ... Er reibt uns auf.“
Zu viele Informationen oder eine überwältigende Fülle an Material kann tatsächlich Ängste auslösen, aber das gleiche trifft zu, wenn man unzureichende oder, schlimmer noch, unrichtige Informationen hat. Es ist, als ob man sich in einem Raum voller Menschen einsam und verlassen fühle. John Naisbitt schrieb in seinem Buch Megatrends: „Wir ertrinken in Informationen und hungern nach Wissen.“
Die möglichen Folgen der Computerkriminalität
Ein weiterer Grund zur Besorgnis ist die wachsende Computerkriminalität. In seinem Buch Protection and Security on the Information Superhighway äußert Dr. Frederick B. Cohen folgende Bedenken: „Nach Schätzungen des FBI [des amerikanischen Bundesfahndungsamts] entstehen durch Computerkriminalität jedes Jahr 5 Milliarden Dollar Verluste. Und das ist, so unglaublich es auch klingt, nur die Spitze des Eisbergs. Zudem hat man Schwachstellen in Informationssystemen ausgenutzt, um bei Verhandlungen die Trümpfe in der Hand zu haben, um Rufmord zu betreiben, um militärische Konflikte für sich zu entscheiden und sogar um Mord zu begehen.“ Hinzu kommt die wachsende Besorgnis darüber, daß Kinder über den Computer Zugang zu Pornographie haben — ganz zu schweigen von dem Eingriff in die Privatsphäre.
Skrupellose Computerfreaks schleusen in Computersysteme absichtlich Viren ein, die enorme Schäden anrichten. Kriminelle Hacker verschaffen sich widerrechtlich Zugang zu elektronischen Systemen und holen vertrauliche Informationen ein oder stehlen mitunter sogar Geld. Solche Machenschaften können für Tausende von PC-Benutzern verheerende Folgen haben. Die Computerkriminalität ist eine Bedrohung für die Wirtschaft und die Politik.
Die Notwendigkeit, gut informiert zu sein
Natürlich müssen wir gut informiert sein, aber durch eine gewaltige Fülle von Informationen werden wir nicht zwangsläufig Bildung erwerben, denn viele Kenntnisse, die uns stolz als Information verkauft werden, sind nichts anderes als bloße Fakten oder unausgewertete Daten ohne einen Bezug zu unserer praktischen Erfahrung. Manche sind sogar der Meinung, daß man bei diesem Phänomen statt von einer „Informationsexplosion“ besser von einer „Datenexplosion“ oder — noch zynischer — von einer „Nichtinformationsexplosion“ reden sollte. So sieht das die Wirtschaftsexpertin Hazel Henderson: „Information an sich klärt nicht auf. In unserem medienbeherrschten Umfeld können wir nicht herausfinden, was Fehlinformation, was Desinformation oder was Propaganda ist. Statt nach sinnvollen neuen Wissensmodellen zu suchen, konzentriert man sich auf reine Informationen, so daß ein Überangebot an bloßen Datenfragmenten entstanden ist, die immer bedeutungsloser werden und in die Milliarden gehen.“
Joseph J. Esposito, der Vorsitzende der Encyclopædia Britannica Publishing Group, gibt folgende offene Einschätzung: „Die meisten Informationen im Informationszeitalter sind schlicht und einfach wertlos; sie sind nichts weiter als eine Geräuschkulisse. Die Informationsexplosion trägt ihren Namen zu Recht; eine Explosion hindert uns daran, einzelne Geräusche wahrzunehmen. Was man nicht hört, kann man auch nicht wissen.“ Für Orrin E. Klapp stellt sich die Lage folgendermaßen dar: „Ich vermute, daß niemand weiß, wie viele Informationen von der allgemein zugänglichen Informationsfülle Pseudoinformationen sind, die vorgeblich etwas aussagen, in Wirklichkeit jedoch völlig nichtssagend sind.“
Zweifellos erinnert sich jeder daran, daß ein großer Teil des Lehrstoffs in der Schule schlichtweg aus Fakten bestand, die man nur lernte, um die Prüfung zu bestehen. Oft hat man kurz vor der Prüfung soviel wie möglich gepaukt. Wer kann sich nicht daran erinnern, wie er für Geschichte jede Menge Jahreszahlen auswendig gelernt hat? Wie viele Daten und Geschichtsereignisse haben wir heute noch im Kopf? Haben wir durch diese Fakten gelernt, logisch zu denken und zu schlußfolgern?
Ist mehr unbedingt besser?
Wenn wir nicht sorgfältig aufpassen, kann uns die passionierte Suche nach zusätzlichen Informationen viel Zeit, Schlaf, unsere Gesundheit und sogar viel Geld kosten. Mehr Informationen bieten zwar eine größere Auswahl, aber sie können den Nachforschenden auch beunruhigen, weil er sich fragt, ob er alle verfügbaren Informationen gefunden oder überprüft hat. Dr. Hugh MacKay meldet folgende Bedenken an: „Information ist in Wirklichkeit kein Weg zur Aufklärung. Information an und für sich wirft kein Licht auf den Sinn unseres Lebens. Information hat sehr wenig mit dem Erlangen von Weisheit zu tun. Sie kann sogar wie andere Besitztümer durchaus der Weisheit in die Quere kommen. Wir können zuviel wissen, genauso wie wir zuviel besitzen können.“
Häufig fühlt man sich nicht nur von der ungeheuren Informationsfülle, sondern auch von der frustrierenden Aufgabe überfordert, die Informationen in eine verständliche, sinnvolle und wirklich informative Form zu bringen. Das ließe sich mit einer „durstigen Person“ vergleichen, „die dazu verurteilt ist, mit einem Fingerhut von einem Hydranten zu trinken. Allein die Menge an verfügbaren Informationen und die Art und Weise, wie sie oft vermittelt werden, bewirkt, daß vieles davon für uns unbrauchbar wird.“ Ob man genügend Informationen hat, entscheidet somit nicht die Fülle, sondern die Qualität der Informationen und die Frage, ob sie für uns persönlich brauchbar sind.
Wie steht es mit der Datenübertragung?
Ein weiterer gängiger Ausdruck, den man heute überall hört, ist „Datenübertragung“. Das bezieht sich auf die Übermittlung von Informationen auf elektronischem Weg. Zwar hat sie ihren Platz und ist auch durchaus wertvoll, aber von guter Kommunikation im eigentlichen Sinne kann nicht die Rede sein. Warum nicht? Weil wir am besten auf Menschen ansprechen, nicht auf Maschinen. Bei der Datenübertragung fallen der Gesichtsausdruck, der Blickkontakt und die Körpersprache weg — alles Faktoren, die eine Unterhaltung häufig prägen und Gefühle mitteilen. In einem persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht ergänzen oder klären diese Faktoren oftmals das Gesagte. Keine solcher wertvollen Hilfen zum gegenseitigen Verständnis ist auf elektronischem Weg übertragbar, nicht einmal über das Mobiltelefon, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Schon bei einem persönlichen Gespräch passiert es manchmal, daß der eine nicht genau versteht, was der andere sagen will. Er hört und verarbeitet die Worte unter Umständen auf seine Weise und legt sie falsch aus. Die Gefahr, daß das geschieht, ist um so größer, wenn man den anderen nicht sehen kann.
Die traurige Realität ist, daß Familienmitglieder wie Fremde nebeneinanderher leben, weil einige übertrieben viel Zeit vor dem Computer oder dem Fernseher verbringen.
Ist uns „Technophobie“ ein Begriff?
„Technophobie“ bedeutet schlicht „Angst vor Technik“, dazu gehört auch die Bedienung von Computern und ähnlichen elektronischen Geräten. Nach dem Dafürhalten einiger ist diese Angst eine der häufigsten Ängste, die das Informationszeitalter hervorgebracht hat. In einem Artikel der Canberra Times, der sich auf eine Pressemeldung der Associated Press stützte, hieß es: „Japans leitende Angestellte sind computerscheu.“ Über den Geschäftsführer einer großen japanischen Firma wurde gesagt: „[Er] verfügt über Macht und Prestige. Setzt man ihn jedoch vor einen Computer, ist er das reinste Nervenbündel.“ Gemäß einer Umfrage in 880 japanischen Betrieben konnten nur 20 Prozent der leitenden Angestellten einen Computer bedienen.
Geschürt wird Technophobie durch größere Katastrophen wie die von 1991, als ein Ausfall der Telefonleitungen in der Stadt New York mehrere Stunden lang die Flugplätze lahmlegte. Und wie war das 1979 bei dem Unfall im Kernkraftwerk bei Three Mile Island in den Vereinigten Staaten? Kostbare Stunden vergingen, bis die Betreiber des Kraftwerks den computergesteuerten Alarm richtig deuteten.
Das sind nur einige wenige Beispiele für die einschneidenden Auswirkungen der Technologie im Informationszeitalter. In seinem Buch warf Dr. Frederick B. Cohen folgende nachdenklich stimmende Fragen auf: „Waren Sie unlängst auf der Bank? Hätten Sie Geld holen können, wenn der Computer gestreikt hätte? Wie ist es im Supermarkt? Könnten Sie bezahlen, wenn dort die Computerkasse nicht funktionieren würde?“
Vielleicht können wir uns mit der einen oder anderen der folgenden imaginären Situationen identifizieren:
• Wir versuchen, mit dem neuen Videorecorder ein Programm auszuwählen, das wir aufnehmen wollen, doch er scheint einfach zu viele Knöpfe zu haben. Nun können wir entweder verlegen unseren neunjährigen Neffen rufen, damit er den Videorecorder programmiert, oder einfach beschließen, daß wir uns die Sendung doch nicht unbedingt ansehen müssen.
• Wir brauchen dringend Geld. Also fahren wir zum nächsten Geldautomaten, erinnern uns dann aber mit Schrecken an das letzte Mal, als wir durcheinanderkamen und die falschen Tasten drückten.
• Das Telefon im Büro klingelt. Der Anruf wurde versehentlich zu uns durchgestellt. Er gilt aber dem Chef auf der nächsten Etage. Wir könnten den Anruf relativ einfach durchstellen, aber da wir unsicher sind, schicken wir das Gespräch lieber zur Telefonzentrale zurück und lassen sie den Anruf weiterleiten.
• Das Armaturenbrett in unserem neuerstandenen Auto sieht aus, als gehöre es in das Cockpit eines modernen Düsenverkehrsflugzeugs. Plötzlich leuchtet eine rote Lampe auf; wir werden unruhig, weil wir nicht wissen, was das Licht zu bedeuten hat. Daraufhin studieren wir erst einmal die ausführliche Betriebsanleitung.
Das sind nur einige wenige Beispiele für Technophobie. Die Technologie wird ohne Frage weitere komplizierte Geräte hervorbringen, die man in früheren Generationen sicherlich für ein „Wunder“ gehalten hätte. Jede neuste Version eines Produkts, die auf den Markt kommt, erfordert ein größeres Know-how, will man sie sinnvoll gebrauchen. Schon die Gebrauchsanweisungen, die im Fachjargon abgefaßt sind, machen angst, weil die Autoren voraussetzen, daß die Verbraucher das Vokabular verstehen und über bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen.a
Der Informatiker Paul Kaufman zieht aus dem Ganzen das folgende Fazit: „Unsere Gesellschaft hat ein Informationskonzept, das zwar sehr verlockend ist, letztendlich aber genau das Gegenteil des Gewünschten bewirkt. ... Ein Grund dafür ist, daß man sich zu sehr auf Computer und Hardware und zuwenig auf die Menschen konzentriert, die die Informationen eigentlich nutzen, um die Welt zu verstehen und Nützliches füreinander zu tun. ... Das Problem liegt nicht so sehr darin, daß wir so viel von Computern halten, sondern vielmehr darin, daß wir immer weniger von Menschen halten.“ Das vorrangige Streben nach dem Ruhm, der mit der Entwicklung verblüffender neuer Technologien einhergeht, löst bei vielen anscheinend die besorgte Frage aus, was wohl als nächstes kommt. Edward Mendelson sagte: „Visionäre der Technologie machen keinen Unterschied zwischen dem Machbaren und dem Wünschenswerten. Wenn sie eine Maschine entwickeln können, die irgendeine hochkomplizierte Arbeit ausführen kann, dann ist es nach Ansicht der Visionäre die Sache auch wert.“
Daß der Mensch bei der ganzen Technologie außer acht gelassen wird, trägt erheblich zu Informationsängsten bei.
Wird die Produktivität wirklich gesteigert?
In einem Artikel für die Zeitung The Australian kommentierte der Kolumnist Paul Attewell seine Forschungsergebnisse zu der Frage, wieviel Zeit und Geld in den vergangenen Jahren durch Computer eingespart wurden. Hier einige seiner treffenden Bemerkungen: „Obwohl man jahrelang in kostendämpfende Computersysteme zur Bewältigung von Verwaltungsaufgaben investiert hat, stellen viele Universitäten und Colleges fest, daß sich ihr Verwaltungspersonal nach wie vor vergrößert. ... Mehrere Jahrzehnte lang haben Computerhersteller behauptet, die von ihnen verkaufte Technologie würde die Produktivität auf bahnbrechende Weise steigern und würde ermöglichen, daß eine bestimmte Menge an Verwaltungsarbeiten von weit weniger Personal mit erheblich niedrigerem Kostenaufwand verrichtet werden kann. Statt dessen merken wir jetzt, daß die Informationstechnologie zu einer Verlagerung der Arbeiten geführt hat: Anstatt daß die alte Arbeit von weniger Angestellten erledigt wird, führt ein gleich großes oder größeres Personal etliche neue Arbeiten aus. Oftmals wird überhaupt kein Geld eingespart. Ein Beispiel für eine solche Arbeitsverlagerung ist, daß die Leute mit Hilfe der Technik die Gestaltung von Dokumenten verschönern, statt einfach die Schreibarbeiten schneller zu erledigen.“
Inzwischen sieht es so aus, als habe sich die Datenautobahn, die für Christen auch ein gewisses Gefahrenpotential birgt, fest etabliert. Wie können wir jedoch Informationsängsten entgegenwirken — zumindest bis zu einem gewissen Grad? Einige praktische Empfehlungen dazu werden in dem folgenden kurzen Artikel gegeben.
[Fußnote]
a Beispiele für den Computerjargon: Der Befehl log on bedeutet „an das System anmelden“, boot up „starten oder hochfahren“, portrait position „Hochformat“, landscape position „Querformat“.
[Kasten auf Seite 6]
Die Infomüllschwemme
„Die Gesellschaft, das wissen wir alle aus Erfahrung, verroht zusehends und unaufhaltsam. Wir erleben, daß neuerdings nicht nur Trash-TV [Müllfernsehen] und Haßradio dominieren, sondern auch Moderatoren, die nur darauf aus sind, zu schockieren, Leute, die durch halsbrecherische Wagnisse zu Publicity kommen wollen, Sensationsprozesse und eine extrem gewaltbehaftete und sarkastische Rhetorik. Filme enthalten immer mehr plastische Sex- und Gewaltszenen. Die Werbung ist aufdringlicher, eindringlicher und geht oft bis an die Grenzen des guten Geschmacks ... Unflätigkeiten werden großgeschrieben, Anstand ist im Schwinden begriffen. ... Was man allgemein für eine ‚Krise der Familienwerte‘ hält, hängt wohl eher mit der Informationsrevolution als mit Hollywoods fehlendem Respekt vor der traditionellen Familie zusammen“ (David Shenk, Data Smog—Surviving the Information Glut).
[Kasten auf Seite 7]
Weisheit — Der althergebrachte Weg
„Mein Sohn, wenn du meine Reden annehmen und meine eigenen Gebote bei dir verwahren wirst, indem du der Weisheit dein Ohr leihst, so daß du dein Herz dem Unterscheidungsvermögen zuneigst, wenn du überdies nach Verständnis selbst rufst und zum Unterscheidungsvermögen deine Stimme erhebst, wenn du danach fortwährend wie nach Silber suchst und du wie nach verborgenen Schätzen ständig danach forschst, dann wirst du die Furcht Jehovas verstehen, und du wirst die wahre Erkenntnis Gottes finden. Denn Jehova selbst gibt Weisheit; aus seinem Mund kommen Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen. Wenn Weisheit in dein Herz einkehrt und Erkenntnis selbst deiner eigenen Seele lieblich wird, so ist es Denkvermögen, das stets über dich wachen wird, ja Unterscheidungsvermögen wird dich behüten“ (Sprüche 2:1-6, 10, 11).
[Bild auf Seite 8, 9]
Das Informationsüberangebot wurde schon mit einem Wasserstrahl aus einem Hydranten verglichen, den man mit einem Fingerhut auffangen will