Das vielseitige chitenge
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN NAMIBIA
CHITENGE — was könnte das sein? Nehmen wir uns etwas Zeit, und machen wir eine kleine Reise in ein afrikanisches Dorf. Dort wollen wir uns ansehen, wie das vielseitige chitenge bei der Arbeit und in der Freizeit verwendet wird.
Wir besuchen das Dorf Rundu in Namibia. Zuerst gehen wir auf den Marktplatz, wo geschäftiges Treiben herrscht. Die Frauen wirken heiter, während sie Geschäfte machen oder für ein kleines Schwätzchen innehalten. Schauen wir etwas genauer hin, stellen wir fest, daß nahezu jede Frau ein besonderes Kleidungsstück trägt: einen Wickelrock, das chitenge.
Das chitenge ist aus Baumwolle, hat eine Länge von zwei Metern und eine Breite von eineinhalb Metern; es ist in einer unendlichen Vielfalt von Farben und Mustern zu bewundern. Manche sind mit Tiermotiven versehen, andere lassen Personen oder Landschaften erkennen.
Anschließend besuchen wir einige Dorfbewohner. Sie wohnen in hübschen Häusern aus Lehm und Stroh. Die Frauen sind mit Hausarbeiten beschäftigt; sie harken den Boden vor dem Haus oder sorgen für Brennmaterial, damit sie das Essen für die Familie zubereiten können. Manche sind nur mit einem chitenge bekleidet, diesmal weit hochgezogen und oberhalb der Brust eingeschlagen, vergleichbar mit einem Pareo oder Wickeltuch. Entscheidet sich eine Frau vielleicht dazu, Rock und Bluse anzuziehen, dann wickelt sie zusätzlich ein chitenge um die Hüften, damit der Rock beim Gehen auf der staubigen Dorfstraße nicht schmutzig wird.
Ist uns die reizende junge Frau dort aufgefallen? Sie hat tatsächlich aus einem chitenge, das zwei Meter lang und eineinhalb Meter breit war, einen wunderschönen, phantasievollen Turban gemacht. Und wie sie ihr Baby trägt! Aus einem anderen chitenge hat sie ein Tragetuch gemacht und es um eine Schulter geschlungen. Das Baby ist sichtlich zufrieden, so auf dem Rücken der Mutter getragen zu werden. Sollte das Kleine anfangen zu weinen, zieht die Mutter es einfach zu sich nach vorn und stillt es im Gehen oder beruhigt es.
Vielleicht haben wir auch gesehen, wie sie ihre Barschaft in einen Zipfel ihres Wickelrocks verknotet hat — wirklich eine praktische Geldbörse! Sind die Einkäufe erledigt, nimmt sie ein anderes chitenge, legt das Gemüse hinein, bindet es fachmännisch zusammen und trägt diese „Einkaufstasche“ auf dem Kopf nach Hause.
Beim Betreten des Hauses fallen noch weitere geniale Verwendungsmöglichkeiten dieses vielseitigen Tuches ins Auge. Vor jeder Türöffnung hängt ein farbenprächtiges chitenge. Wie wir sehen, gibt es keine Trennwände. Von einem Ende der Wohnung bis zum anderen Ende ist eine lange Schnur gespannt. Daran sind vier chitenges befestigt, die den Wohnbereich vom Schlafraum trennen.
Die Hausfrau setzt das Tuch mit dem Gemüse ab und stellt fest, daß ihr das Feuerholz ausgegangen ist. Bevor sie zum Holzsammeln in den Wald geht, vergewissert sie sich, daß sie ein zusätzliches chitenge bei sich hat. Sie legt das gesammelte Feuerholz hinein und bindet es damit zusammen. Nun greift sie zu dem anderen chitenge und dreht daraus einen festen Kranz, den sie sich auf den Kopf legt. So hat sie ein ausgezeichnetes Polster, wenn sie das große Holzbündel auf dem Kopf nach Hause trägt.
Sobald das Essen kocht, beschließt sie, da ihr noch etwas Zeit verbleibt, kurz bei ihrer Nachbarin hereinzuschauen. Im Verlauf der angeregten Unterhaltung breitet sie ein chitenge wie eine Decke auf dem Boden aus und legt ihr Baby darauf. Als sie ihrem Kleinen ein Stöckchen zum Spielen reicht, wird sie mit einem strahlenden Lächeln belohnt.
Schon bald muß sich unsere Hausfrau verabschieden, um nach dem Essen zu sehen. Am Himmel sind inzwischen dunkle Wolken aufgezogen, und plötzlich beginnt es zu regnen. Unbekümmert nimmt sie ihr Baby auf den Arm, und erfinderisch, wie sie ist, hängt sie das chitenge über sich und das Baby. Mit dem provisorischen Regenschirm läuft sie los und kommt noch rechtzeitig nach Hause, um sich um das Essen zu kümmern.
Rock, Wickeltuch, Geldbörse, Einkaufstasche, Polster, Decke, Regenschirm, Tragetuch und Turban — die Verwendungsmöglichkeiten des chitenge scheinen unbegrenzt zu sein und zeugen von dem Einfallsreichtum dieser Afrikaner.
[Bilder auf Seite 23]
Das „chitenge“ ist vielseitig verwendbar: zum Transportieren von Feuerholz, als Tragetuch für das Baby, als wunderschöner Turban und als bunte Decke