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  • Meine Odyssee durch Kambodscha
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  • Meine buddhistische Vergangenheit
  • Krieg und Umwälzungen in Kambodscha
  • Pol Pots Säuberungsaktion
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  • Ein beängstigender Besuch
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Erwachet! 1998
g98 8. 5. S. 16-19

Meine Odyssee durch Kambodscha

VON WATHANA MEAS ERZÄHLT

WIR hatten das Jahr 1974, und ich kämpfte gegen die Roten Khmer in Kambodscha. Ich war Offizier im kambodschanischen Heer. In einer Schlacht nahmen wir einen Soldaten der Roten Khmer gefangen. Was er mir über Pol Potsa Zukunftspläne sagte, veränderte mein Leben und leitete für mich, buchstäblich und geistig gesehen, eine Odyssee ein.

Doch ich möchte ganz von vorn beginnen. Ich kam 1945 in Phnom Penh zur Welt, der Hauptstadt von Kamputschea, wie Kambodscha in Khmer heißt. Meine Mutter hatte einen wichtigen Posten bei der Geheimpolizei. Sie war Sonderbevollmächtigte von Prinz Norodom Sihanuk, dem Herrscher des Landes. Da sie allein für mich sorgte und viel um die Ohren hatte, sah sie es als ihre Pflicht an, mich in einem buddhistischen Tempel erziehen zu lassen.

Meine buddhistische Vergangenheit

Mit acht Jahren zog ich zu dem obersten buddhistischen Mönch. Bis 1969 brachte ich die Hälfte der Zeit im Tempel zu und die andere Hälfte zu Hause. Der Mönch, dem ich diente, war Chuon Nat, damals die höchste buddhistische Autorität in Kambodscha. Eine Zeitlang arbeitete ich als sein Sekretär und half ihm beim Übersetzen des buddhistischen heiligen Buches „Die drei Körbe“ (Tipitaka, Sanskrit: Tripitaka) von einer altindischen Sprache ins Khmer.

Im Jahr 1964 wurde ich zum Mönch ordiniert und blieb bis 1969 im Kloster. In dieser Zeit beschäftigten mich viele Fragen, zum Beispiel: Warum gibt es so viel Leid auf der Welt, und wie hat es begonnen? Ich sah, daß die Menschen nichts unversucht ließen, um den Göttern zu gefallen, daß sie jedoch nicht wußten, wie die Götter ihre Probleme lösen könnten. In den buddhistischen Schriften fand ich keine zufriedenstellende Antwort, und den anderen Mönchen erging es ebenso. Ich war so enttäuscht, daß ich beschloß, den Tempel zu verlassen und das Mönchsleben aufzugeben.

Im Jahr 1971 trat ich schließlich in das kambodschanische Heer ein. Kurz darauf schickte man mich nach Vietnam. Auf Grund meiner Erziehung und Bildung wurde ich in den Rang eines Leutnants erhoben und einer Sondereinheit zugewiesen. Wir kämpften gegen die kommunistischen Roten Khmer und die Vietcong-Streitkräfte.

Krieg und Umwälzungen in Kambodscha

Aus mir wurde ein hartgesottener Soldat. Ich gewöhnte mich daran, fast täglich Menschen sterben zu sehen. An 157 Schlachten nahm ich persönlich teil. Einmal waren wir tief im Dschungel über einen Monat lang von den Roten Khmer umringt. Über 700 Männer kamen um. Ich gehörte zu den etwa 15 Überlebenden, war allerdings verwundet. Doch immerhin kam ich mit dem Leben davon.

Im Jahr 1974 bekamen wir bei einer Gelegenheit einen Soldaten der Roten Khmer zu fassen. Beim Verhör erzählte er mir, daß Pol Pot alle ausrotten wolle, die im Staatsdienst, einschließlich des Militärs, gestanden hätten. Ich solle alles stehen- und liegenlassen und fliehen. Er sagte: „Wechseln Sie immer wieder Ihren Namen. Sagen Sie niemandem, wer Sie sind. Tun Sie so, als wären Sie unwissend und ungebildet. Erzählen Sie niemandem von Ihrer Vergangenheit.“ Nachdem ich ihn hatte nach Hause zurückkehren lassen, ging mir seine Warnung nicht mehr aus dem Kopf.

Uns Soldaten hatte man gesagt, wir würden für unser Land kämpfen, dabei töteten wir Kambodschaner. Die Roten Khmer, eine nach Macht strebende kommunistische Bewegung, gehörten zu unserem Volk. Die Mehrheit der neun Millionen Einwohner Kambodschas sind Khmer, obschon die meisten von ihnen nicht zu den Roten Khmer zählen. Ich sah keinen Sinn in dem Krieg. Wir brachten unbeteiligte Bauern um, die unbewaffnet waren und nichts von Krieg wissen wollten.

Die Rückkehr von einer Schlacht war jedesmal ein zutiefst erschütterndes Erlebnis. Frauen und Kinder warteten bange auf ihren Mann oder ihren Vater. Oft mußte ich Todesnachrichten überbringen. Bei alldem waren mir meine Kenntnisse des Buddhismus kein Trost.

Ich muß daran zurückdenken, wie sich Kambodscha veränderte. Vor 1970 war die Lage relativ friedlich und sicher. Die meisten besaßen keine Waffe, denn das war ungesetzlich, es sei denn, man hatte einen Waffenschein. Diebstahl oder Raub war eine Seltenheit. Doch als mit der Rebellion Pol Pots und seiner Streitkräfte der Bürgerkrieg ausbrach, änderte sich das. Überall gab es Waffen. Schon 12- und 13jährige wurden zu Soldaten ausgebildet und lernten schießen und töten. Pol Pots Leute brachten eine Anzahl Kinder sogar dazu, ihre eigenen Eltern umzubringen. Die Soldaten sagten zu den Kindern: „Wenn ihr euer Land liebt, müßt ihr eure Feinde hassen. Wenn eure Eltern für die Regierung arbeiten, sind sie unsere Feinde, und ihr müßt sie töten, sonst werdet ihr selbst dran glauben müssen.“

Pol Pots Säuberungsaktion

Pol Pot gewann 1975 den Krieg, und Kambodscha wurde kommunistisch. Er machte sich daran, alle Studenten, Lehrer, Regierungsbeamten und Intellektuellen aus dem Weg zu räumen. Wer eine Brille trug, lief Gefahr, getötet zu werden, weil man davon ausging, daß er gebildet war. Das Regime Pol Pots trieb die Massen aus den Städten, damit sie auf dem Land den Boden bebauten. Alle hatten Einheitskleidung zu tragen. Wir mußten bei unzureichender Ernährung 15 Stunden am Tag arbeiten, bekamen weder Medikamente noch Kleidung und konnten nur 2 bis 3 Stunden schlafen. Ich beschloß, meine Heimat zu verlassen, ehe es zu spät wäre.

Mir kam wieder der Rat des Soldaten der Roten Khmer in den Sinn. Sämtliche Fotos, Papiere und alles andere, was mich hätte belasten können, warf ich weg. Ich grub ein Loch und versteckte darin einige meiner Dokumente. Dann machte ich mich auf den Weg in Richtung Westen nach Thailand. Es war gefährlich. Ich mußte Straßensperren ausweichen und während der Ausgangssperre äußerst vorsichtig sein, weil in dieser Zeit nur Soldaten der Roten Khmer mit offizieller Genehmigung unterwegs sein durften.

Ich ging in ein Gebiet, wo ich eine Zeitlang bei einem Freund unterkommen konnte. Dann siedelten die Roten Khmer alle Bewohner von dort um. Sie töteten die Lehrer und Ärzte. Ich entkam mit drei Freunden. Wir versteckten uns im Dschungel und ernährten uns von Früchten der Bäume. Schließlich erreichte ich ein kleines Dorf in der Provinz Battambang, wo ein Freund von mir lebte. Zu meiner Überraschung traf ich dort auch den ehemaligen Soldaten, der mir die Tips für meine Flucht gegeben hatte. Da ich ihn freigelassen hatte, versteckte er mich nun drei Monate lang in einem Loch. Er beauftragte ein Kind, Essen in das Loch fallen zu lassen, dabei aber nicht hineinzusehen.

Nach einiger Zeit konnte ich entkommen und fand meine Mutter, meine Tante und meine Schwester wieder, die ebenfalls zur thailändischen Grenze flohen. Es war eine traurige Zeit für mich. Meine Mutter war krank und unterernährt, und schließlich starb sie in einem Flüchtlingslager. Doch dann gab es einen Lichtblick in meinem Leben. Ich lernte Sopheap Um kennen, die meine Frau wurde. Wir flohen zusammen mit meiner Tante und meiner Schwester über die thailändische Grenze in ein Flüchtlingslager der Vereinten Nationen. Der kambodschanische Bürgerkrieg forderte von meiner Familie einen hohen Preis. 18 Familienmitglieder kamen um, darunter mein Bruder und meine Schwägerin.

Ein neues Leben in den Vereinigten Staaten

Im Flüchtlingslager wurde unsere Vergangenheit überprüft, und die UNO versuchte, einen Bürgen für uns zu finden, damit wir in die Vereinigten Staaten ausreisen konnten. Schließlich fand sich jemand. So trafen wir 1980 in St. Paul (Minnesota) ein. Mir war klar, daß ich so schnell wie möglich Englisch lernen mußte, wenn ich in meiner neuen Heimat weiterkommen wollte. Mein Bürge ließ mich nur einige Monate lang eine Schule besuchen, obwohl ich eigentlich länger unterrichtet werden sollte. Statt dessen beschaffte er mir Arbeit als Hausmeister in einem Hotel. Mit meinen paar Brocken Englisch kam es zu lustigen Verwechslungen. Der Besitzer sagte mir, ich solle eine Leiter holen, und ich schleppte den Müll herbei.

Ein beängstigender Besuch

Im Jahr 1984 hatte ich Nachtschicht und schlief tagsüber. Wir wohnten in einer Gegend, wo zwischen Asiaten und Schwarzen große Spannungen herrschten. Verbrechen und Drogen gehörten zum Alltag. Eines Vormittags weckte mich meine Frau gegen 10 Uhr und sagte mir, ein Schwarzer stehe vor der Tür. Sie hatte Angst, er wolle uns ausrauben. Als ich durch das Guckloch spähte, sah ich einen gutgekleideten Schwarzen mit Aktentasche in Begleitung eines Weißen. Ich konnte nichts Verdächtiges entdecken.

Ich fragte ihn, was er verkaufe. Darauf bot er mir den Wachtturm und das Erwachet! an. Ich verstand überhaupt nichts. Eigentlich wollte ich die Zeitschriften ablehnen, denn ein paar Monate zuvor hatte mich ein protestantischer Verkäufer dazu verleitet, 165 Dollar für einen Satz von 5 Büchern zu zahlen. Doch dann zeigte mir der Schwarze die Illustrationen in den Zeitschriften. Sie waren äußerst ansprechend. Und der Mann hatte ein so freundliches, offenes Lächeln. Also spendete ich einen Dollar und nahm die Hefte.

Ungefähr 2 Wochen später war er wieder da und fragte mich, ob ich eine Bibel in Khmer hätte. Tatsächlich hatte ich in einer Nazarenerkirche eine Bibel bekommen, verstand sie allerdings nicht. Was mich jedenfalls beeindruckte, war, daß zwei Männer unterschiedlicher Rasse an meine Tür gekommen waren. Der Besucher fragte mich: „Möchten Sie Englisch lernen?“ Natürlich wollte ich, mußte aber gestehen, daß ich kein Geld hätte, um den Unterricht zu bezahlen. Darauf meinte er, er würde mich kostenlos mit Hilfe einer biblischen Publikation unterrichten. Ich wußte zwar nicht, welche Religion er vertrat, dachte mir aber: „Wenigstens muß ich nichts bezahlen, und ich lerne, Englisch zu lesen und zu schreiben.“

Englisch- und Bibelunterricht

Ich kam nur langsam voran. Er zeigte mir das erste Bibelbuch, 1. Mose, und ich nannte den entsprechenden Namen in Khmer: „Lo ca bat.“ Er sagte: „Bibel“, und ich sagte: „Compi.“ Allmählich machte ich Fortschritte und fühlte mich motiviert. Meistens nahm ich mein englisch-khmer Wörterbuch, einen Wachtturm, die Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift und meine Bibel in Khmer mit zur Arbeit. In den Pausen setzte ich mich hin und lernte Wort für Wort Englisch, indem ich die Publikationen verglich. Diese langsame Methode mitsamt dem wöchentlichen Unterricht zog sich über drei Jahre hin. Aber dann konnte ich endlich Englisch lesen!

Meine Frau besuchte immer noch den buddhistischen Tempel und legte Speisen für unsere Vorfahren hin. Natürlich waren die einzigen, die etwas davon hatten, die Fliegen. Ich hatte viele tiefeingewurzelte schlechte Gewohnheiten aus der Zeit in der Armee und als Buddhist. Als ich Mönch war, brachten mir die Leute Gaben, zu denen auch Zigaretten gehörten. Wenn der Mönch die Zigaretten rauchte, war es ihrer Ansicht nach so, als ob ihre Vorfahren rauchten. So wurde ich nikotinsüchtig. Beim Militär trank ich außerdem viel und rauchte Opium, um mir für die Kämpfe Mut zu machen. Als ich mit dem Bibelstudium anfing, kamen somit eine Menge Änderungen auf mich zu. Dabei wurde mir bewußt, wie sehr das Gebet hilft. Innerhalb weniger Monate überwand ich meine schlechten Gewohnheiten. Meine Familie war überglücklich.

Ich ließ mich 1989 in Minnesota als Zeuge Jehovas taufen. Etwa um diese Zeit erfuhr ich, daß es in Long Beach (Kalifornien) eine khmersprachige Gruppe von Zeugen Jehovas und einen hohen kambodschanischen Bevölkerungsanteil gab. Nachdem ich mit meiner Frau darüber gesprochen hatte, beschlossen wir, nach Long Beach zu ziehen. Dieser Wechsel bewirkte Enormes! Zuerst ließ sich meine Schwester taufen, dann meine Tante (die inzwischen 85 ist) und meine Frau. Unsere drei Kinder folgten ihrem Beispiel. Meine Schwester heiratete später einen Zeugen, der mittlerweile in der Versammlung als Ältester dient.

Wir haben in den Vereinigten Staaten viele Prüfungen durchgemacht. Dazu gehörten große finanzielle Schwierigkeiten und verschiedene gesundheitliche Probleme, doch durch das konsequente Ausleben biblischer Grundsätze haben wir uns das Vertrauen auf Jehova bewahrt. Jehova hat meine Anstrengungen auf geistigem Gebiet gesegnet. 1992 wurde ich in der Versammlung zum Dienstamtgehilfen ernannt, und 1995 wurde ich hier in Long Beach Ältester.

So hat die Odyssee, die für mich als buddhistischer Mönch und dann als Offizier auf den Schlachtfeldern Kambodschas begann, in unserer neuen Heimat ein friedliches, glückliches Ende genommen. Wir haben zum Glauben an Jehova Gott und Christus Jesus gefunden. Mich schmerzt das Bewußtsein, daß sich die Menschen in Kambodscha immer noch gegenseitig umbringen. Das ist für meine Familie und mich um so mehr Grund, die verheißene neue Welt zu erwarten und zu verkündigen — eine Welt, in der es dann keine Kriege mehr gibt und alle Menschen ihren Nächsten wirklich lieben wie sich selbst (Jesaja 2:2-4; Matthäus 22:37-39; Offenbarung 21:1-4).

[Fußnote]

a Pol Pot war damals der kommunistische Befehlshaber der Roten Khmer, die den Krieg gewannen und in Kambodscha die Macht übernahmen.

[Karte/Bild auf Seite 16]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

VIETNAM

LAOS

THAILAND

KAMBODSCHA

Battambang

Phnom Penh

Als ich noch buddhistischer Mönch war

[Bildnachweis]

Mountain High Maps® Copyright © 1997 Digital Wisdom, Inc.

[Bild auf Seite 18]

Unsere Familie vor dem Königreichssaal

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