Das Gehirn — Ein Wunder an Komplexität
„Das menschliche Gehirn gibt uns das Rätsel aller Rätsel auf: Wie kann eine Masse Gewebe von der Konsistenz roher Eier für unseren ‚Sinn‘, unsere Gedanken, unsere Persönlichkeit, unsere Erinnerungen und Gefühle und sogar für unser momentanes Bewußtsein verantwortlich sein?“ (Professor Susan A. Greenfield, The Human Mind Explained).
DAS Gehirn steuert die Körperfunktionen. Es ermöglicht dem Menschen, neue Ideen kennenzulernen und sogar neue Sprachen zu erlernen, es speichert Erlebtes und ruft es später wieder in die Erinnerung zurück. Der Neurobiologe James Bower räumt jedoch ein: „Wir wissen eigentlich gar nicht, wie das Gehirn funktioniert.“ Der Neurowissenschaftler Richard F. Thompson stimmt dem zu: „[Es] gibt ..., über unser heutiges Wissen hinaus, noch viel mehr zu entdecken.“ Das Interesse daran, die Geheimnisse um das Gehirn zu enträtseln, ist derart groß, daß der amerikanische Kongreß die 90er Jahre zum „Jahrzehnt des Gehirns“ erklärte.
Ein Blick ins Innere des Schädels
Die gefurchten Lappen der Großhirnrinde, der äußeren Schicht des Gehirns, sind am beeindruckendsten. (Siehe das Schaubild auf Seite 4 und den Kasten auf Seite 9.) In dieser nur wenige Millimeter dicken, stark gewundenen Schicht rosagrauer Masse befinden sich rund 75 Prozent der 10 bis 100 Milliarden Neuronen (Nervenzellen) des Gehirns. Einige Wissenschaftler sagen allerdings, daß nicht einmal diese ungeheure Menge die Komplexität des Gehirns erklärt.
Viele Neuronen verfügen über einen langen, schwanzähnlichen Fortsatz, Axon genannt. Die übrigen vom Neuron ausstrahlenden Fasern sind die winzigen Dendriten, die den Zweigen und Ästen eines ausschlagenden Baumes gleichen. Sie stellen für ein typisches Neuron Tausende von Verbindungen zu anderen Neuronen her. Die Neuronen kommen eigentlich nie miteinander in Berührung. Über den dazwischenliegenden Spalt, die sogenannte Synapse, werden winzige Mengen chemischer Stoffe geleitet, so daß die Komplexität der gesamten Struktur eine noch größere Dimension annimmt.
„Die Anzahl der möglichen Kombinationen von synaptischen Verbindungen“ im menschlichen Gehirn ist „größer als die Gesamtzahl der Atome im ganzen bekannten Universum“, schätzt ein Experte.
Die an Neuronen reiche Großhirnrinde ist wahrscheinlich der bekannteste Teil des Gehirns. Aber wie steht es mit den Regionen, die unter der Großhirnrinde liegen? Beispielsweise stellt der Balken die wichtige Verbindung zwischen der linken und der rechten Großhirnhemisphäre her. Unweit davon liegt der Thalamus (von dem griechischen Wort für „Kammer“ oder „Innenraum“), den die meisten Informationen, die das Gehirn erhält, durchlaufen, dann kommt der benachbarte Hypothalamus (von dem griechischen Wort für „untere Kammer“), der dazu beiträgt, den Blutdruck und die Körpertemperatur zu regulieren, und schließlich eine kleine Verlängerung, die Hypophyse. Diese Hauptdrüse steuert das endokrine System, indem sie chemische Stoffe, sprich Hormone abgibt, die die Produktion aller anderen Drüsen im Körper beeinflussen. Zudem gibt es die Brücke, die Informationen über unsere Bewegungen verarbeitet, und den Hirnstamm, der die Atmung, den Kreislauf, den Herzschlag und die Verdauung steuert. All diese Bereiche sind aktiv, ohne daß uns überhaupt bewußt ist, daß wir sie besitzen.
Wie arbeitet das Gehirn, wo es doch so viele verschiedene Funktionsbereiche gibt? Und wie kann man sein Gehirn am besten nutzen? Einige mögliche Antworten findet man in den beiden folgenden Artikeln.
[Kasten auf Seite 4]
Warum unser Kopf nicht größer sein muß
„Wäre die Großhirnrinde des menschlichen Gehirns glatt statt gefurcht, müßte das Gehirn statt der Größe zweier nebeneinanderliegender, zusammengeballter Fäuste ungefähr die Größe eines Basketballs haben“ (Professor Susan A. Greenfield).
[Diagramm auf Seite 4, 5]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
EINIGE BEREICHE DES GEHIRNS
Darstellung in Originalgröße
Großhirnrinde
Die relativ dünne äußere Schicht jeder Großhirnhemisphäre
Großhirn
Die große, runde Struktur des Gehirns; es nimmt den größten Teil des Schädels ein
Sehrinde
Kleinhirn
Eine Struktur im hinteren, unteren Teil des Gehirns
Brücke
Hirnstamm
INNERER KERN
Balken
Ein Fasernbündel, das die Großhirnhemisphären miteinander verbindet
Thalamus
Hypothalamus
Steuert bestimmte autonome Körperfunktionen
Hypophyse
[Bildnachweis]
Nach dem Buch The Human Mind Explained von Professor Susan A. Greenfield (1996)