Wenn eine Landkarte nicht genügt — Das erstaunliche Globale Positionierungssystem
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN AUSTRALIEN
DER jungen Wandrerin läuft an diesem heißen Tag vor Anstrengung der Schweiß übers Gesicht. Sie bewegt die Schultern hin und her, damit der schwere Rucksack, voll mit lebenswichtigen Dingen, nicht so drückt. Sorgfältig faltet sie ihre Wanderkarte auseinander, doch zu ihrem Entsetzen sieht nichts um sie herum irgendwie bekannt aus. Schon bald wird ihr ganz anders. „Sag bloß, ich hab’ mich verlaufen“, stöhnt sie.
Doch plötzlich hellt sich ihr Gesicht auf. Sie greift in den Rucksack, zieht ein Gerät heraus, das sich in einer Schutzhülle befindet, und tippt etwas ein. Sekunden später strahlt sie wieder. Jetzt rückt sie ihren Rucksack zurecht und wandert zielstrebig weiter wie jemand, der sich genau auskennt.
Wieso hat die Wandrerin so schnell und einfach einen Ausweg aus einer vermeintlich ausweglosen Lage finden können? Nun, sie benutzte ein großartiges Hilfsmittel, das als Global Positioning System (GPS) bekannt ist. Sie konnte damit ihre genaue Position feststellen, und das Gerät zeigte ihr an, in welche Richtung es weiterging. Was ist das für ein erstaunliches System, dieses GPS?
Die vollständige Bezeichnung lautet: Navstar Global Positioning System. Navstar ist ein Akronym für Navigation Satellite Time and Ranging System. Das GPS wurde in den USA zunächst mit militärischer Zielsetzung entwickelt, aber jetzt steht es überall allgemein zur Verfügung. Der erste der Satelliten, die für den Betrieb des GPS benötigt werden, wurde 1978 ausgesetzt. Heute umfaßt das System 21 Navstar-Satelliten und 3 zusätzliche aktive Reservesatelliten. Sie befinden sich auf Umlaufbahnen in 20 200 Kilometer Höhe, wobei die Bahnen um 55 Grad gegenüber dem Äquator geneigt sind. Bei dieser Anordnung sind von jeder beliebigen Stelle auf der Erdoberfläche aus jederzeit mindestens 4 Satelliten verfügbar.
Genaue zeitliche Abstimmung unerläßlich
Die Satelliten senden zu bestimmten, genau bekannten Zeiten Funksignale aus, und aus der präzise gemessenen Zeit, zu der das Signal eintrifft, kann der Navstar-Empfänger die Entfernung zum Satelliten ermitteln. Das Signal ist etwa eine Elftelsekunde bis zur Erde unterwegs. Im Empfänger wird dieser Wert dann mit der Lichtgeschwindigkeit multipliziert, und das Ergebnis ist der erstaunlich genau berechnete Abstand zum Satelliten. Die Zeitmessung muß jedoch äußerst präzise sein, weil schon eine Abweichung von nur einer Millionstelsekunde zu einem Fehler von 300 Metern führt.
Wie kann die Zeit so unglaublich genau gehalten werden? Das wird durch hochkomplizierte Atomuhren in den Satelliten erreicht. In dem Buch The Navstar Global Positioning System erklärt der Autor Tom Logsdon: „Die Satelliten des Blocks II ... sind mit vier äußerst präzisen Uhren ausgestattet — zwei Cäsium-Atomuhren und zwei Rubidium-Atomuhren. Diese Uhren sind so konstant und genau, daß sie in 160 000 Jahren nur etwa eine Sekunde vor- oder nachgehen.“
In der Praxis empfängt ein Gerät, wie das unserer eingangs erwähnten Wandrerin, Signale von vier oder mehr Satelliten und errechnet die Entfernung zu jedem davon. Mit Hilfe der Entfernungen werden dann für den tragbaren Empfänger der momentane Längengrad, der Breitengrad und die Höhe über dem Meeresspiegel bestimmt. Das Ergebnis wird schließlich vom GPS-Empfänger angezeigt. Eine genaue Positionsbestimmung erfordert mindestens vier Satelliten. Die tragbaren Empfangsgeräte sind leicht sowie erschwinglich und sind, was Größe und Betriebskosten betrifft, mit einem Mobiltelefon zu vergleichen.
Herkömmlichen Karten überlegen?
GPS-Empfangsgeräte zeigen nicht nur die genaue Position des Empfängers an, sondern auch, sofern Angaben über das Ziel korrekt eingegeben werden, die einzuschlagende Richtung. In dieser Hinsicht sind Geräte wie GPS-Empfänger den meisten herkömmlichen Karten überlegen. Zum Beispiel: Wenn man sich an Hand einer Karte orientiert, kann man durch hohe Bäume oder dichte Vegetation behindert werden. Bezugspunktlose Gelände (vor allem Ozeane und Wüsten), Dunkelheit und Nebel sind nur einige der Umstände, welche die Verwendung einer Karte erschweren oder gar völlig ungeeignet machen. Natürlich macht der GPS-Empfänger Karten nicht überflüssig, er leistet aber zusammen mit Karten und anderen graphischen Darstellungen enorme Dienste. Seine großen Vorteile im kommerziellen Bereich sind zum Beispiel unverkennbar, wenn es darum geht, Schiffe bei Nebel in einen Hafen zu lotsen oder in großen Umschlaghäfen den jeweiligen Standort von Containern im Auge zu behalten.
Bei der fortschreitenden Entwicklung des GPS ergeben sich weitere Nutzanwendungen, von denen einige nachstehend erwähnt werden:
● Aufspüren von gefährlichen Eisbergen
● Wettervorhersagen
● Präzisionslandungen von Flugzeugen
● Suche nach versunkenen Schiffen
● Ortungs- und Navigationssysteme für Fahrzeuge
● Genaue Verteilung von Düngemitteln
Unsere Wandrerin wurde also durch dieses einzigartige Satellitennavigationssystem geleitet, das ihr einen Überblick über ihren exakten Aufenthaltsort vermittelte und ihr genau Auskunft gab, als sie sie dringend benötigte. Ja, als sie nicht mehr wußte, wo sie war, half ihr dieses externe Leitsystem. Außerdem erhielt sie Anweisungen darüber, in welche Richtung sie weitergehen mußte, und schließlich erreichte sie sicher ihr Ziel. Wie dankbar sie doch war, mit dem erstaunlichen Navstar Global Positioning System verbunden zu sein!
[Kasten/Bild auf Seite 22]
Im Jahre 1984 benutzte der Geschäftsmann Ron Frates aus Oklahoma das Global Positioning System (GPS) bei der Suche nach den Überresten alter Mayasiedlungen, die unter dem dichten Laubdach des Dschungels in Guatemala und Belize verborgen waren. Frates kombinierte Landsat-Aufnahmen mit der genauen Navigation mittels GPS. „Wir konnten den Umfang der Mayazivilisation auf Yucatán in etwa fünf Tagen kartographieren“, berichteten Frates und seine Mitarbeiter. „Zu Fuß hätten wir dazu mindestens hundert Jahre gebraucht.“
[Diagramm/Bilder auf Seite 22, 23]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
WAS DAS GPS ANZEIGEN KANN
Den Standort
Die Längen- und Breitengrad-Koordinaten werden angezeigt
Uhrzeit und Datum
Ein Ortungsgerät
Die Höhe über dem Meeresspiegel
Eine elektronische Landkarte
Diese kann vergrößert und verkleinert werden. Wer mit einem Fahrzeug unterwegs ist, kann sich damit den Weg zu einem fremden Ort zeigen lassen.
Die gewünschte Richtung
Eine Kompaßanzeige mit Pfeil kann den Weg zurück weisen und anzeigen, welche Strecke noch vor einem liegt
Antenne
Originalgröße
Den Satellitenstatus
Diese Himmelsansicht zeigt, welche der 24 Satelliten der Empfänger „sieht“
Die Signalstärke
Wenn einige Satelliten blockiert sind (schattierter Streifen), weicht der Empfänger zur Positionsbestimmung auf eine Alternative aus
[Bildnachweis auf Seite 22]
Globes on pages 21-3: Mountain High Maps® Copyright © 1997 Digital Wisdom, Inc.