Die Sprachenschranke und die „reine Sprache“
FRÜH an einem Sonntagmorgen im Sommer 1951 gerieten zwei Amerikaner in Paris plötzlich in eine Lage, da sie dringend ein Taxi benötigten. Schließlich kam ein solches dahergefahren, und sie bedeuteten dem Chauffeur, anzuhalten. Da ihr Französisch erbärmlich unzureichend war und der Chauffeur kein Wort Englisch verstand, wiesen sie auf ihre Uhren, um ihm ihre Eile anzudeuten, und wiesen dann auf eine Seitenstraße hin, um die Richtung anzugeben. Der Chauffeur ging nur ungern auf ihre Zeichensprache ein, doch konnten sie durch ihre Beharrlichkeit schließlich seine Einwände überwinden, und er fuhr sie die Straße hinab bis zu ihrem Endziel. Nach Bezahlung der Gebühr, unter Gebrauch derselben Zeichensprache, verließen sie ihn, heiter gestimmt, während er selbst kopfschüttelnd und etwas auf Französisch brummend weiterfuhr.
Wenn schon zwei verschiedene Sprachen ein solches Hemmnis bedeuten, was für Probleme entstehen erst durch 2796 verschiedene Sprachen! Jawohl, gemäß einem Sprachforscher gibt es 2796 verschiedene Sprachen, die heute auf Erden gesprochen werden, untergeordnete Mundarten nicht einmal mitgezählt. Zu einer gewissen Zeit gab es nur e i n e Sprache, und wie Gottes Wort dies anzeigt, war es das Hebräische. Dies war die einzige Sprache, die bis zum Turmbau von Babel, also etwa 1800 Jahre lang, gesprochen wurde. Um sodann den Plan der Menschen zu vereiteln, der darauf hinausging, die ganze Menschheit mittels eines Superstaates im Trotz gegen das Vorhaben des Schöpfers zusammenzuhalten, verwirrte Jehova Gott der Menschen Sprache.
Während diese Sprachenverwirrung kein großes Problem bedeutete, solange Jehova nur mit der Nation Israel handelte, wurden die Sprachverschiedenheiten, nachdem das Gebot Christi Jesu, ‚Jünger zu machen aus Menschen aller Nationen‘, ergangen war, entschieden zu einem Problem. (Amos 3:2; Matth. 28:19, NW) Wie hat Jehova seinen Dienern geholfen, es zu überwinden?
Vor allem, indem er seine Knechte inspirierte, die Christlichen Schriften in Koine-Griechisch zu schreiben, statt in Hebräisch, der Sprache, in der die vorchristlichen Schriften geschrieben wurden, oder in Aramäisch, der Sprache, welche die Juden zur Zeit Christi sprachen. In welcher Weise war das Schreiben der Christlichen Schriften in Griechisch eine Hilfe zum Überwinden der Sprachenschranke? Jenes Koine-Griechische, das sich vom klassischen, byzantinischen und modernen Griechischen unterscheidet, war die internationale Sprache während mehrerer Jahrhunderte vor und nach der Zeit Christi. Auf diese Weise wurde die größte Zahl Menschen in der kürzesten Frist erreicht. Nebenbei bemerkt war das Koine-Griechische, obwohl Rom Griechenland als Weltmacht überholt hatte, immer noch die internationale Sprache, denn — wie ein Geschichtsschreiber bemerkt — ‚wiewohl Roms Militärmacht Griechenland erobert hatte, hatte die griechische Kultur doch die Römer erobert.‘
Überdies goß Jehova zu Pfingsten auf seine christlichen Diener seinen heiligen Geist aus, wodurch sie unter anderen Wunderkräften auch die Gabe des Redens in fremden Zungen erhielten. So lesen wir: „In der Tat waren sie erstaunt und begannen sich zu wundern und zu sagen: ‚Siehe hier, alle, die da sprechen, sind Galiläer, oder nicht? Und doch, wie kommt es, daß jeder von uns seine eigene Sprache hört, in der wir geboren worden sind? … Wir hören sie in unseren Zungen über die großen Dinge Gottes reden.‘“ — Apg. 2:7, 8, 11, NW.
Indes sollte jene Gabe des Zungenredens der christlichen Versammlung nur in ihrer Kindheit dienen, um ihr, zusammen mit anderen Gaben, eine sinnfällige Glaubensgrundlage zu geben. Hatte sich Christus Jesus nicht selbst durch Wunder als Gottes Sohn erwiesen, so wie Mose seine Mitisraeliten durch Zeichen davon überzeugt hatte, daß er von Gott gesandt war? Um also das Wunder der Auferstehung Christi als Glaubensgrundlage zu ergänzen, erhielten die Apostel die Kraft, Wunder zu wirken, wie z. B. das Heilen von Kranken, das Auferwecken von Toten; und für den praktischen Zweck der Ausbreitung der guten Botschaft empfingen sie die Gabe, in Zungen zu reden.
Indes sollten wir ebensowenig erwarten, daß uns die Gabe des Zungenredens bis heute verliehen werde, als wir heute irgendwelche der anderen Gaben erwarten. Paulus sagt uns denn auch: ‚Ob Zungensprachen, sie werden aufhören‘. (1. Kor. 13:8, NW) Gläubige empfingen solche Gaben nur auf Veranlassung oder in Gegenwart der zwölf Apostel. (Apg. 8:17-23; 19:6) Als die Apostel und jene, denen sie solche Gaben verliehen hatten, starben, entschwanden die übernatürlichen Gaben
HEUTIGES ÜBERWINDEN DER SPRACHENSCHRANKE
Bedeutet dies, daß der prophetische Befehl, die gute Botschaft vom Königreich in allen Nationen zu predigen, heute nicht ausgeführt werden könne? (Matth. 24:14) Ganz und gar nicht. Erstens beachte man, daß gleichwie zur Zeit der ersten Gegenwart Jesu, da Gott dafür sorgte, daß seine Botschaft zuerst in der internationalen Sprache jener Zeit, in Koine-Griechisch, dargereicht wurde, so sorgte er auch in unseren Tagen dafür, daß das Predigtwerk seinen Anfang in der internationalen Sprache moderner Zeiten, in Englisch, nahm.
Was das Erreichen der Leute betrifft, die andere Sprachen sprechen, hat es Gott in den Sinn jener gegeben, die er zur Leitung des Predigtwerkes gebraucht, seine Botschaft in andere Sprachen übersetzen zu lassen, und so finden wir heute, daß die gute Botschaft über Jehova und sein Königreich in etwa 100 verschiedenen Sprachen veröffentlicht wird. Ja, Der Wachtturm kommt regelmäßig in 38 Sprachen heraus! Und da nicht nur Druckschriften nötig sind, sondern auch jemand, der sie verbreitet, und dazu persönliche Unterweisung, hat dieselbe Watch Tower Bible & Tract Society eine Schule in South Lansing, New York, errichtet, welche Missionare für den Dienst in fremden Ländern schult.
Diese Missionare gingen in viele Länder und erschlossen neue Felder zur Wiederherstellung der wahren Anbetung. Außer dem, was sie an fremden Sprachen in der Gileadschule studiert haben, mußten sie neue Sprachen lernen. Indem sie solche Sprachen täglich studieren und von dem Gelernten in ihrem Missionarwerk sogleich Gebrauch machen, beherrschen sie in verhältnismäßig kurzer Zeit Sprachen wie Arabisch, Siamesisch und indische Dialekte. Dies geschieht nicht mittels einer „Gabe“ des Geistes wie im ersten Jahrhundert n. Chr., sondern durch die ‚Frucht des Geistes, die Liebe‘. — Gal. 5:22.
Die Sprachenschranke muß nicht nur im Auslande überwunden werden. Direkt daheim, so z. B. in den Vereinigten Staaten, haben viele Diener Jehovas eine fremde Sprache, wie Spanisch, gelernt, um den Menschen guten Willens, welche diese besondere Sprache in ihrem Gebiet oder lokalen Missionsfelde sprechen, predigen zu können. Andererseits haben viele, die versäumt hatten, die Sprache des Landes zu lernen, in das sie einst einwanderten, nun die Sprache der Leute gelernt, wo sie wohnen, um ihren Nachbarn predigen zu können. Dadurch offenbaren sie ebenfalls ihre Liebe zu Jehova Gott und ihren Mitmenschen. — Matth. 22:37-39.
DIE „REINE SPRACHE“ LERNEN
Während die Liebe also Jehovas Zeugen befähigt, den Hindernissen, die die gegenwärtige Sprachenverwirrung bietet, mit Erfolg zu begegnen, werden sie doch durch ihre Fähigkeit, eine „zweite Sprache“ zu sprechen, d. h. eigentlich ihre Hauptsprache, heute auf weit wirksamere und gründlichere Weise vereint, als zum Beispiel alle Englisch sprechenden Völker durch Englisch vereint werden. Welche Sprache ist dies denn? Es ist die reine Zunge oder Sprache, und Jehova hat verheißen, daß er seinem Volke an diesem unserem Tage reine Lippen oder eine reine Sprache geben werde. — Zeph. 3:9.
Diese reine Sprache ist die Botschaft oder die Wahrheit von der reinen Anbetung Jehovas Gottes „mit Geist und Wahrheit“, und sie veranlaßt Jehovas Zeugen, einmütig oder „mit einer Schulter“ zu dienen. (Joh. 4:24, NW) Es ist eine Botschaft, die frei ist von den Überlieferungen und falschen Lehren der Menschen, frei von heidnischen Irrtümern frei von aller Verehrung von Geschöpfen. Sie ergibt eine Anbetung, die sich auf eine genaue Erkenntnis und ein Verständnis des Wortes Gottes stützt, so wie es vom stets zunehmenden Lichte geoffenbart wird. — Spr. 4:18; Eph. 4:13.
Jawohl, die Erkenntnis der höchsten Streitfrage, der Rechtfertigung des Namens Jehovas, und das Verständnis für die Wichtigkeit des Zeugnisgebens für denselben, für das Sich-Getrennthalten von der Welt und für das Königreich als einziger Hoffnung der Menschheit — um nur einige wenige hervortretende Merkmale dieser reinen Sprache zu erwähnen —, kennzeichnen jene, die sie sprechen können. — Ps. 83:18; Jes. 43:10-12; Dan. 2:44; Matth. 6:9, 10; Jak. 1:27.
Außerdem hat diese reine Sprache ihren eigenen Wortschatz, und dies in solchem Maße, daß ein Richter in den Vereinigten Staaten einst bemerkte, Jehovas Zeugen hätten eine Sprache für sich. Der wichtigste Ausdruck in dieser theokratischen Sprache ist der Name Jehova, der 6823mal in den Hebräischen Schriften und in buchstäblichen Übersetzungen, wie die Amerikanische Standard-Bibel (engl.) und die deutsche Elberfelder Übersetzung es sind. Andere hervorragende Ausdrücke und Wörter dieser reinen Sprache sind: Theokratie, Königreich, Rechtfertigung, das Wort, Akt der Hingabe, Treue, Zeugnisgeben, Bibelstudium usw.
Mit dem zunehmenden Licht erweitert sich auch diese reine Sprache. Zufolge der Veröffentlichung der Neuen-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften (in Englisch) sind unter Jehovas Zeugen Ausdrücke in Umlauf gekommen wie: unverdiente Güte, genaue Erkenntnis, Felsmasse, bewohnte Erde, des Herrn Abendmahl, heiliger Dienst, heiliges Geheimnis, gerechtsprechen (gesprochen) usw.a Und während die Spalten des Wachtturms noch mehr Licht auf Gottes Wort werfen, finden Jehovas Zeugen, daß sich ihr Wortschatz bereichert und dadurch die reine Sprache erweitert wird. So sehen wir z. B., daß der schirmende Cherub, der zum Satan wurde, wegen seiner Untreue von Gottes Organisation „geschieden“ worden ist; verglichen mit Jehovas absoluter Freiheit haben wir eine „relative“ Freiheit; „vertikale Entrückung“ bezieht sich auf die übernatürliche Offenbarung himmlischer Dinge, die zur betreffenden Zeit bestehen, während die „horizontale Entrückung“ von Dingen spricht, die im Strome der Zeit weit vorausliegen. — 2. Kor. 12:1-4.
Während der ersten 18 Jahrhunderte des Daseins der Menschen gab es nur eine Sprache: Hebräisch. Mit dem Turmbau von Babel kam die Sprachenverwirrung. Bei der ersten Gegenwart Jesu wurde die Schranke der vielen Sprachen durch die wunderbare geistige Gabe des Zungenredens überwunden. In unseren Tagen wird sie durch die Frucht des Geistes, die Liebe, überwunden. Und mit der Wiederherstellung der reinen Anbetung und zufolge des vermehrten Lichts hat sich eine reine Sprache ergeben, die eine noch größere Einheit im Dienste bewirkt.
[Fußnote]
a Man vergleiche die Neue-Welt-Übersetzung (engl.) mit irgendeiner anderen Übersetzung in Matthäus 16:18; Epheser 4:13; Matthäus 24:14; 1. Korinther 11:20; Römer 12:1; Matthäus 13:11; Römer 5:1.