Die St. Peterskirche — Petri Grabstätte?
WAR Petrus je persönlich in Rom? Wenn es auch viele bezügliche Überlieferungen gibt, wovon einige bis ins zweite Jahrhundert zurückreichen, fehlt doch der Tatsachenbeweis dafür. Nach der Tradition hätte Petrus am Orte des alten Neronischen Zirkus den Märtyrertod erlitten, und es wird behauptet, er sei auch dort begraben. Es wird gesagt, daß seine Grabstätte seit dem zweiten Jahrhundert verehrt worden sei, und daß Konstantin darauf die erste St. Petersbasilika im Jahre 323 n. Chr. zu erbauen begonnen habe, daß sie aber erst nach seinem Tode vollendet worden sei.
Um das Jahr 1503 wurde die gegenwärtige St. Peterskirche begonnen und 127 Jahre später, ums Jahr 1630, unter dem Kostenaufwand, der einem Betrag von 48 Millionen Dollar entspricht, vollendet. Beiläufig bemerkt, wurde durch den Ablaßhandel eines Mönches namens Tetzel eine Geldsammlung für dieses Bauwerk in Deutschland durchgeführt, und dies bildete eine der direkten Ursachen zu der durch Luther in die Wege geleiteten deutschen Reformation. Gemäß der Zeitschrift Life, einem amerikanischen illustrierten Wochenblatt, beträgt ihre Länge 710 Fuß, ihre Höhe 452 Fuß und ihr größtes inneres Ausmaß 450 Fuß [laut Brockhaus: Länge 211,5 m, Breite 112,6 m und Höhe 132,5 m].
Um mehr Raum zu schaffen und so den Wünschen des Papstes Pius XI. zu entsprechen, der neben Pius X. in den Begräbnisgewölben unter der St. Peterskirche begraben sein wollte, wurden im Jahre 1939 Ausgrabungen unternommen, und da das Gebiet in bezug auf archäologische Funde verheißungsvoll war, wurde weiter gegraben. Im Jahre 1946 berichtete die Illustrated London News vom 7. September unter dem Titel „Die wichtigste archäologische Entdeckung während des Krieges: Römische Gräber unter der St. Peterskirche in Rom“ von den Funden einer vollständigen römischen Totenstadt oder eines Friedhofes unter der St. Peterskirche, der heidnische und christliche Gräber enthalte, die zurückreichen in die Zeit von der Mitte des zweiten bis zum Ende des dritten Jahrhunderts. Eine Anzahl schöner Steinsärge mit Skulpturen wurde gefunden, die die Namen der Begrabenen tragen und Skelette, Schmuckstücke usw. enthalten.
Es heißt in dieser Zeitschrift: „Durch die gegenwärtigen Entdeckungen wird aufgeräumt mit der traditionellen Behauptung, Konstantins Basilika sei an der Stätte des Zirkus von Nero und Caligula gegründet worden, in welchem gemäß der Tradition St. Petrus den Märtyrertod erlitten habe. Es überrascht, daß unter der St. Peterskirche keine Spur zu finden ist vom Zirkus oder der Via Cornelia, die alte Topographen als sich unter der Vatikanischen Basilika befindend darstellen.“ Es scheint indes, daß der Zirkus nicht weit davon weg war, da laut einer Inschrift ein Begräbnis „im Vatikan beim Zirkus“ verlangt wurde.
Die Zeitschrift Life widmete in ihrer Ausgabe vom 27. März 1950 etwa ein Dutzend Seiten diesen Entdeckungen unter der St. Peterskirche und erstattete einen Bericht von einem Monsignor Kaas (seither verstorben), der die Verantwortung für die Arbeit trug. Nachdem die Umstände erwähnt worden sind, die zu dieser Arbeit veranlaßten, und die Schwierigkeiten, besonders in bezug auf Wasser, so daß man gar — allerdings erfolglos — zu einer Wünschelrute Zuflucht nehmen mußte, sagt Kaas weiter: „Irgendein Glaubender, der durch die ausgegrabene Totenstadt gegangen ist und sich in der unmittelbaren Umgebung der Stätte befindet, welche gemäß der christlichen Überlieferung das Grab des heiligen Petrus sei, erliegt dem stummen, aber beredten Zeugnis seiner Umgebung.“
Was aber erkennt ein Nichtkatholik? Wie zuverlässig sind diese Funde für ihn? „Ungläubige mögen diese Bestätigung nicht im selben Lichte betrachten“, sagt Kaas, doch argumentiert er, daß die offenkundigen Anzeichen „Ungläubige herausfordern, den Beweis für das Gegenteil der archäologischen Stütze zu erbringen“. Dem Sinne nach lautet der Bericht in der New Yorker Times vom 20. Dezember 1951 ähnlich, wenn darin ausgeführt wird, der Vatikan erhebe Anspruch auf „wissenschaftliche unantastbare“ Beweise. Aber im Plain Dealer von Cleveland, 21. Dezember 1951, hieß es unter dem Titel „Vatikan-Wissenschaftler melden eine Bestattung ohne Grabmal des St. Petrus“ folgendes: „Pilger, die die Vatikankrypta besuchen, werden 10 Fuß [3 m] weit an die Stätte vordringen können, wo gemäß der Aussage von Vatikan-Autoritäten St. Petrus begraben wurde, doch können sie sein Grab nicht sehen. Denn es gibt kein Grabmal.“ Somit scheint es, daß das, was entdeckt wurde, statt ein Grabmal zu sein, eher ein „Grab war, bestehend aus rauhem Mauerwerk, wie es jene für die Ärmsten sind“ und wovon nur e i n e Mauerseite übriggeblieben ist. — Times, 21. Dezember 1951.
Dieselbe Ausgabe der Times besagt, daß „darum herum handgreifliche Anzeichen vorhanden seien, wonach Christen diese Stelle seit der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts verehrten“. Andere Berichte besagen, daß die Verehrung in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts schon dargebracht worden sei. Alle diese Meldungen — man beachte wohl — erfolgten im Dezember 1951. Dann kommt aber ein Jahr später, am 24. November 1952, eine Meldung in der Times unter dem Titel: „Das Grab von St. Petrus mag eine Quelle neuer Funde sein. Beweise, welche die Tradition der Bestattung des St. Petrus mit einer Generation verknüpfen, die mit seinen eigenen Lebzeiten näher verbunden ist als kürzliche Ausgrabungen unter der St. Petersbasilika dargetan haben, mögen bald bekannt werden — so sagten Vatikanbeamte heute.“
„Archäologen entdeckten kürzlich die ersten schriftlichen Urkunden unter der Basilika, wonach die Stelle als die Grabstätte des heiligen Petrus schon mindestens in den ersten Jahren des vierten Jahrhunderts als solche angesehen wurde. Die Beweise, welche diese Woche in der römischen Pontifikalakademie für Archäologie von Professor Margherita Guarducci, einer Spezialistin in alten römischen Inschriften, vorgebracht wurden, mögen bis in die Schlußjahre des dritten Jahrhunderts oder sogar in die Zeitspanne gleich nach dem Jahre 250 zurückreichen.“
„Die augenfälligen Beweise — Zeichnungen auf der Wand eines heidnischen Mausoleums unter der Basilika — enthalten eine Inschrift“, die „einen Appell an St. Petrus“ bedeuten, „für die Christen, welche neben ihm begraben liegen, zu beten“. Da war auch ein Bild vorhanden, das offenbar das Porträt des Petrus sein sollte und mit dem Wort „Petrus“ versehen war.
Über andere Schriftzeichen an jener Stätte sagte die New Yorker Tribune unter dem Datum des 21. Dezember 1951: „Die Kritzeleien, ähnlich denjenigen von Hunderten von Inschriften, die auch heute täglich auf den verschiedenen Mauern der gegenwärtigen Basilika zu finden sind, nachdem diese während des Zweiten Weltkrieges von amerikanischen Soldaten besucht wurde, schließen offenkundige Beweise dafür ein, daß die frühen Besucher glaubten, St. Petrus könne an dieser Stelle verehrt werden.“
Warum sollten Berichte zuerst besagen, die Stelle sei in der zweiten Hälfte des zweiten, ja schon im ersten Jahrhundert verehrt worden, und dann, etwa ein Jahr später, erklären, daß ältere Aufschlüsse nur auf den Anfang des vierten Jahrhunderts hinweisen, daß es jetzt aber augenfällige Beweise gebe, wonach die Stelle in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts verehrt worden sei? Verrät nicht all dies einen Wunsch, den Augenschein der Tradition anzupassen, statt den Augenschein für sich sprechen zu lassen? Keine der Inschriften besagt, daß Petrus dort begraben sei. Und angenommen, sie würden beweisen, daß Petrus an jener Stelle verehrt worden sei, so bewiese dies lediglich, daß die Tradition in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts schon bestanden hatte, nicht aber, daß die Tradition selbst wahr ist.
DAS ZEUGNIS DER HEILIGEN SCHRIFT
Da die Traditionen darüber, daß Petrus in Rom gewesen sei, nicht auf seine Tage zurückreichen, so laßt uns beachten, was Gottes Wort über den Gegenstand zu sagen hat, da es zur Zeit des Petrus geschrieben wurde. Wir können soviel suchen, wie wir wollen — wir finden keine Andeutung darüber, daß Petrus je in Rom weilte, und noch viel weniger, daß er dort Bischof war. Nicht nur schweigt sich die Heilige Schrift über sein Dortsein aus und gibt keinen Beweis in diesem Sinne, sei es einen direkten oder einen Anzeichenbeweis, sondern sie enthält die stärkste Art von Umstandsbeweisen, daß Petrus niemals in Rom war.
Paulus schrieb einen Brief an die Römer, und er sendet darin Grüße an 26 verschiedene Personen, und doch führt er Petrus unter diesen nicht an. Können wir nur einen Augenblick annehmen, Paulus hätte den Petrus nicht einmal erwähnt, wenn dieser doch in Rom weilte und Paulus an seine [Petri] Versammlung schrieb, denn dies wäre die Christengemeinde zu Rom gewesen, sofern Petrus wirklich dort anwesend und ihr Bischof war, ja, nicht nur ihr Bischof, sondern der Stellvertreter Christi? Wäre es vernünftig, zu denken, Paulus hätte absichtlich den Nachfolger Christi außer acht gelassen? — Röm. 16:1-24.
Der Brief des Paulus ist ferner voll berichtigender Belehrung. Warum hätte Paulus die Christen zu Rom in so vielen Dingen unterweisen müssen, wenn Petrus als Christi Stellvertreter unter ihnen gewesen wäre? Könnten wir uns vorstellen, Paulus habe versucht, die Jünger Jesu zurechtzuweisen, als Jesus bei ihnen weilte, als ob Jesus sie recht zu belehren versäumt hätte? Ist es vernünftig, zu schließen, Paulus hätte, wenn die römischen Christen unter der Obhut irgendeines Vikars Christi standen, es noch als nötig erachtet, ihnen zu schreiben?
Man beachte auch, daß Paulus in seinen Briefen aus Rom hier und da andere erwähnt, die dort bei ihm waren, eine Anzahl, deren Grüße er samt den seinigen sendet. Wäre es nicht befremdend, daß Paulus, wenn Petrus als Stellvertreter Christi und Haupt aller Christengemeinden ebenfalls in Rom weilte, nicht auch dafür gesorgt hätte, die Grüße, Segenswünsche usw. von Petrus an die verschiedenen Versammlungen, an die er schrieb, mitzusenden?
Gemäß der New Yorker Times wird die Kennzeichnung der St. Petersbasilika als Grabstätte des Apostels Petrus „als dazu angetan erachtet, die Zweifel zu zerstreuen, die während der Zeit der Reformation und danach über die historischen Angaben hinsichtlich der persönlichen Anwesenheit des Petrus in Rom aufgekommen waren. Von der ganzen Linie der päpstlichen Nachfolger könne man annehmen, sie hänge von diesem Punkte ab“. Ist es, wenn dies zutrifft, nicht befremdend, daß so viele bestimmte Urkunden entdeckt wurden in bezug auf heidnische Personen, ihre Namen, Grabmäler, tatsächliche Überbleibsel, Inschriften usw. und Gott dagegen zuließ, daß die Beweise über die Bestattung des Petrus an der Stelle der St. Peterskirche so zweifelhaft, unbestimmt und zweideutig sein sollten, daß irgendwelche Schlußfolgerungen darüber reine Spekulation sind?
Wenn man von der ‚ganzen Linie der päpstlichen Nachfolger annehmen kann, sie hänge davon ab‘, ob die Überbleibsel des Petrus unter der St. Peterskirche begraben liegen oder nicht, dann muß zugegeben werden, daß sie keine Grundlage hat, denn die jüngsten Ausgrabungen unter der Basilika haben nichts ergeben, was die Stellung der Römisch-katholischen Kirche in dieser Hinsicht gestärkt hätte.
Zu welcher Schlußfolgerung müssen wir also gelangen? Daß einerseits im besten Fall die Archäologie nur eine gewisse Überlieferung stützt, gemäß welcher Petrus auf dem Vatikanhügel verehrt werden konnte, nicht aber die Tradition als wahr bestätigt, wonach Petrus in Rom war und dort begraben liegt. Und andrerseits, daß die Heilige Schrift die kräftigste Art von Umstandsbeweisen liefert, wonach Petrus niemals in Rom weilte. Die St. Peterskirche ist somit nicht die Grabstätte des Petrus.