Hätte Christus ein „Marianisches Jahr“ proklamiert?
ZEIT seines Erdenlebens hielt Christus Jesus Gottes Gesetz vollkommen. Er hatte daher gebührenden Respekt vor seinem Pflegevater und seiner Mutter, denn Gottes Gesetz verlangte, daß er sie ehre. Würde er aber, wenn er heute hier wäre, ein „Marianisches Jahr“ proklamieren, wie dies sein angeblicher Stellvertreter, der Papst von Rom, getan hat?
Ein „Marianisches Jahr“? Jawohl, die New Yorker Times vom 27. September 1953 berichtete, daß am 8. September, dem Tag, den man, beiläufig bemerkt, als den Geburtstag der Maria bezeichnet, der Papst seine 25. Enzyklika herausgab, die er „Fulgens corona“ nannte, nämlich „Hellstrahlende Krone“, worin er das Jahr 1954 als ein „Marianisches Jahr“ bezeichnete, indem es der Verehrung der Maria geweiht sei.
In dieser Enzyklika rief der Papst alle Christen, Katholiken und Nichtkatholiken gleicherweise, auf, das Jahr zu einem Jahr besonderen Gebets zu machen. Unter den vielen Dingen, wofür man beten soll, wurden besonders drei hervorgehoben: der Friede der Welt, die Einheit der Kirche und die Freiheit für die Kirche in totalitären Ländern. Es sollen keine Weltwallfahrten nach Rom veranstaltet werden, da dies nur ein „Kleines Heiliges Jahr“ sei, doch jede katholische Kirche solle eine geweihte Stätte (ein Schrein) sein, und zwar besonders Kirchen, die nach der Maria genannt sind, sowie geweihte Stätten oder Schreine, von denen man sagt, sie sei dort erschienen, wie z. B. jene zu Lourdes in Frankreich.
Und weshalb bezeichnete der Papst das Jahr 1954 als ein Marianisches Jahr? Weil es der hundertste Jahrestag der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria ist, das gemäß dem einleitenden Abschnitt dieser Enzyklika besagt, „daß die allerseligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadenvorrecht des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jeder Makel der Erbsünde rein bewahrt worden ist“.
BIBLISCH GESTÜTZT?
Ob Christus Jesus ein Marianisches Jahr proklamiert hätte, dürfte vor allem davon abhängen, ob Marias Empfängnis ohne Sünde erfolgte oder nicht. Als Christen nehmen wir natürlich Gottes Wort als unsere Autorität an. Finden wir irgend etwas darin, was das in Frage kommende Dogma stützt? Wir finden nichts. Selbst die Catholic Encyclopedia, Bd. VII, Seite 675, gibt zu, daß „kein direkter oder kategorischer oder kräftiger Beweis für das Dogma aus der Schrift vorgebracht werden kann“. Ist es nicht befremdend, daß ein Dogma, dessen Verneinung die Exkommunikation verdient, in der Schrift überhaupt nicht erwähnt werden sollte; und daß selbst frühe Kirchen-„Väter“ wie Origenes, Basilius und Chrysostomus sich nicht daran hielten?
Ja, es wäre befremdend, wenn ein zur Errettung unerläßliches Dogma in der Schrift nicht erwähnt würde. Aber es ist Tatsache, daß nicht nur das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariä in der Schrift fehlt, sondern daß die Schrift direkt das Gegenteil lehrt. Deutlich und unzweideutig erklärt sie: „Alle haben gesündigt, und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.“ „… weil alle gesündigt haben [schuldige Menschen waren, Knox, engl.].“ „Wenn wir sagen: ‚Wir haben nicht gesündiget‘, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.“ — Röm. 3:23; 5:12; 1. Joh. 1:10, Al, Perk.
Wir wissen ebenfalls aus der Schrift, daß Jesus eine Ausnahme vom vorhin Erwähnten bildete. Immer und immer wieder wird uns versichert, daß er ohne Sünde war. „… der keine Sünde beging.“ Er war „heilig, schuldlos, unbefleckt, ausgeschieden von den Sündern“, und obwohl in allen Punkten versucht wie wir, blieb er dennoch „ohne Sünde“. (1. Pet. 2:22; Heb. 7:26; 4:15, Al) Übrigens hätte er sein Leben nicht als Lösegeld geben können, wenn er durch Sünde befleckt gewesen wäre. — Matth. 20:28; 1. Tim. 2:5, 6.
Wir finden jedoch kein Wort darüber, daß auch Maria eine Ausnahme gewesen sei. Wenn es nötig ist, in der Schrift wiederholt daran erinnert zu werden, daß Jesus ohne Sünde war, wäre es da nicht noch zwingender, daß uns die Ausnahme, die Maria hierin bildete, deutlich, kräftig und kategorisch zur Kenntnis gebracht würde, wenn auch sie eine Ausnahme war? Zu folgern, Marias Sündlosigkeit sei nötig gewesen, damit auch Jesus ohne Sünde sein könnte, würde notwendigerweise bedeuten, daß auch Marias Vater und Mutter und selbst ihre Vorfahren sündlos gewesen wären und so weiter! Nein, die Schrift läßt keinen Raum für das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariä, und somit hätte Christus Jesus kein Marianisches Jahr zur Feier des hundertsten Jahrestages seiner Verkündigung proklamiert.
MARIA, IMMER JUNGFRÄULICH?
Während die Schrift sagt, daß ‚unsere Mütter uns in Sünde empfangen haben‘, wird die Behauptung erhoben, daß Maria „immer jungfräulich“ sei, weshalb sie frei von Sünde habe bleiben können. Was aber sagt die Schrift? In Matthäus 1:25 (Al) lesen wir, daß Joseph Maria nicht ‚beiwohnte‘, das heißt keine Beziehungen mit ihr hatte, „bis sie ihren erstgeborenen Sohn gebar“. Es ergibt sich daraus klar, daß Joseph, nachdem Jesus geboren war, tatsächlich Beziehungen mit ihr hatte. Man beachte ferner, daß Lukas Jesus auch Marias „erstgeborenen Sohn“ nennt, was anzeigt, daß sie weitere Söhne hatte. Warum sagte denn Matthäus nicht klipp und klar, daß Joseph nie irgendwelche Beziehungen mit Maria hatte, und warum erklärte Lukas nicht, daß Maria Jesus als ihren einzigen Sohn hervorbrachte? Weil beide wußten, daß Maria andere Kinder hatte, und nicht „immer jungfräulich“ blieb. — Ps. 50:7 [Ps. 51:5 in nichtkath. Übers.]; Luk. 2:7, Al.
Deshalb lesen wir von Bekannten Jesu, die sagten: „Ist dieser nicht des Zimmermanns Sohn? Heißt nicht seine Mutter Maria? und seine Brüder Jakob, Joseph, Simon und Judas? Und sind nicht alle seine Schwestern bei uns?“ Es kann nicht gefolgert werden, daß dies seine geistigen „Geschwister“ waren, denn es wird uns deutlich gesagt, daß diese Geschwister nicht an ihn glaubten. In der Tat zeigte er den Gegensatz zwischen ihnen und seinen wahren Nachfolgern mit den Worten: „Wer immer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, derselbe ist mir Bruder, Schwester und Mutter.“ — Matth. 13:54-56; Joh. 7:3-5; Matth. 12:48-50, Al.
Es kann auch nicht gefolgert werden, daß dies lediglich männliche und weibliche Verwandte gewesen seien, wie etwa Vettern. Warum nicht? Weil in dem Falle, wo eine Base erwähnt wird, z. B. als der Engel Gabriel mit Maria über ihre Base Elisabeth sprach, das griechische Wort syngenés gebraucht wird, während in dem Falle, wo auf Jesu Brüder und Schwestern Bezug genommen wurde, die griechischen Wörter adelphós und adelphé verwendet worden sind. — Luk. 1:36, Storr.
VEREHRTE JESUS SEINE MUTTER?
Gemäß der Enzyklika des Papstes sollten alle Menschen hinsichtlich vieler Dinge zu Maria beten. Gibt es aber irgendeine schriftgemäße Stütze für diese Ermahnung? Haben irgendwelche der ersten Christen, als Maria noch lebte oder nach ihrem Ableben, Bitten an sie gerichtet? Hätte die Urkirche Maria verehrt und Bitten an sie gerichtet, so können wir sicher sein, daß wir darüber eine Aufzeichnung in der Schrift fänden. Nirgends lesen wir, daß man Wallfahrten zu ihr machte, sie verehrte oder Bitten an sie richtete.
Weshalb tat man dies nicht? Weil man verstand, daß Maria an sich nicht wichtig war. Als Magd oder Sklavin hatte sie von Gott die Aufgabe erhalten, für Gottes Sohn einen menschlichen Leib hervorzubringen, und dieser Aufgabe entsprach sie. Dadurch erfüllte sie lediglich ihre Pflicht, und wie die übrigen unvollkommenen Sklaven Gottes war sie dennoch nur eine Frau, die sagen konnte: „Ich bin eine unnütze Sklavin.“ Dies an sich verbürgte ihr keine Rettung, noch machte es sie zu einem geeigneten Gegenstand der Verehrung. — Luk. 17:10, NW.
Wenn irgend jemand ihr für das, was sie getan hatte, hätte Ehre erweisen sollen, wäre es sicherlich ihr Sohn Jesus gewesen. Tat er es aber? Weit entfernt davon! In der Tat, wenn wir die Schrift untersuchen, finden wir, daß in jedem Fall, da Jesus sie anredete, er sie nicht als „heilige Mutter“ oder „liebe Mutter“ oder überhaupt als „Mutter“ anredete, sondern einfach als „Weib“, mit demselben Ausdruck, den er benutzte, als er zu der Sünderin am Brunnen sprach. Sein Umgang mit Maria war objektiv, nicht subjektiv. Als seine Mutter ihn im Alter von zwölf Jahren tadelte, nahm er den Tadel nicht kleinmütig entgegen, sondern korrigierte sie mit den Worten: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich im Hause meines Vaters sein muß?“ — Joh. 4:21; Luk. 2:49, Perk.
Gleich zu Beginn seines Predigtdienstes, als er beim Hochzeitsfest in Kana anwesend war, machte ihn seine Mutter auf die Tatsache aufmerksam, daß der Wein ausgegangen sei. Antwortete er etwa unterwürfig: „Ich danke dir, liebe Mutter, und was heißt dein Wille mich tun?“ Nein, das tat er nicht, sondern die volle Bedeutung seiner Antwort ist aus der Fußnote von Monsignore Knox ersichtlich: „Laß mich, störe mich nicht.“ Und wiederum nannte er sie „Weib“, nicht „Mutter“. — Joh. 2:1-5, Knox, engl.
Bei einer anderen Gelegenheit sagte Jesus: „Niemand ist gut als nur Einer, Gott.“ Und in diesem „niemand“ schloß er auch seine Mutter Maria ein. Als Beweis hierfür beachte man seine Antwort, die er dem Weibe gab, welches seine Mutter durch die Worte zu preisen suchte: „Glücklich der Leib, der dich getragen und die Brüste, die du gesogen!“ Er war damit nicht einverstanden, sondern sagte: „Nein, glücklich vielmehr jene, die das Wort Gottes hören und es bewahren!“ Für Jesus war seine Mutter nicht besser oder gesegneter als irgendeiner seiner anderen treuen Jünger. — Luk. 18:18, 19; 11:27, 28, NW.
Die Erhebung einer Frau wird in der Schrift nirgends gelehrt, findet sich jedoch überall in heidnischen Religionen. Als Christus Jesus auf Erden weilte, pries er den Namen, die Güte und das Königreich seines Vaters, und dasselbe taten seine nächsten Jünger. Er richtete seine Bitten an den Vater und lehrte andere dasselbe tun. Kein einziges Mal lesen wir, daß er besonders über die Güte Marias und über ihr gesegnetes Los gesprochen habe. Er behandelte sie objektiv. Würde also, im Hinblick auf all das Vorerwähnte, Christus Jesus, wenn er heute auf Erden wäre, das Jahr 1954 als ein „Marianisches Jahr“ proklamieren? Er täte es nicht!
Die Römisch-katholische Kirche ist in den Bereich der Kritik des Apostels Paulus getreten, die in Römer 1:25 (NW) zu finden ist: „… die da die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschten und der Schöpfung mehr Verehrung und heiligen Dienst darbrachten als dem Schöpfer, welcher gesegnet ist ewiglich.“