Was ist angewandtes Christentum?
Kann die Anwendung der gesunden psychologischen Grundsätze der Bibel hinsichtlich der Gesundheit und des Erfolges im Geschäftsleben ‚angewandtes Christentum‘ genannt werden? Wie können wir wissen, ob wir uns durch unsere Formen gottgefälliger Ergebenheit selbst täuschen oder nicht? Wenn du die Antworten im Lichte der gegenwärtigen Tatsachen und der Bibel kennen möchtest, so lies diesen und den folgenden Artikel.
„DIESES Buch lehrt, das Christentum anzuwenden.“ Das behauptet man von dem Buch Die Kraft des positiven Denkens [engl.] von Dr. N. V. Peale, Pastor der Marble-Collegiate-Kirche in New York. In den letzten zwei Jahren hat man mehr als 750 000 Exemplare dieses Buches verkauft, und in der Neuyorker Times war es über zwei Jahre lang als der größte Bucherfolg ausgeschrieben.
Im Buch Die Kraft des positiven Denkens wird behauptet, man könne durch das Befolgen seiner Anregungen „Herzensfrieden, bessere Gesundheit und einen nie versiegenden Energievorrat haben“, es sei „Hindernissen nicht gestattet, dir das Glück und Wohlbefinden zu zerstören“, und „deine Beziehungen zu anderen Leuten würden sich verbessern. Du wirst als Individuum populärer, mehr beachtet und beliebter.“ Zur Überwindung deines Minderwertigkeitskomplexes schreibt das Buch vor: „Glaube an dich selbst! Zeige Glauben an dich selbst!“ Wenn du an den Erfolg denkst, wirst du erfolgreich sein. Wende auf deine persönlichen Probleme Bibeltexte an, wie: „Wenn ihr Glauben habt … wird für euch nichts unmöglich sein.“
Dr. Peale sagt uns ferner, man könne Herzensfrieden erlangen, wenn man versuche, Worte zu wiederholen und sich vorzustellen, die auf Frieden hindeuten, wie z. B. „Ruhe“. Auch sei es „hilfreich, Verse aus der Dichtung oder Stellen aus der Bibel zu verwenden“. Bestimmt mögen das Lesen der Bibel und das Gebet für die Nerven gut sein, sie mögen Schlaflosigkeit heilen usw., aber ist das „angewandtes Christentum“ oder nur angewandte Psychologie?
Es wird uns auch zugesichert, daß wir durch das Bibellesen mit einer dynamischen Körperkraft erfüllt werden. Ja, „du brauchst nicht müde zu werden. Gewinne Interesse an einer Sache. Laß dich von einer Sache fesseln. Vertiefe dich in sie und vergiß dich selbst. Gehe aus dir heraus. Sei jemand. Tue etwas.“ Aber was? Soll man für Gott arbeiten oder für sich selbst?
„Die Kraft des Gebets ist eine Kundgebung der Energie“, erklärt uns das Kapitel über das Gebet. Es gäbe wissenschaftliche Methoden für die Auslösung der Gebetskraft, genau wie es auch solche gibt zur Auslösung der Atomenergie. „Die Formel heißt: (1.) Beten, (2.) darstellen, (3.) verwirklichen.“ „Viele namhafte und erfolgreiche Geschäftsleute haben erfahren, daß eine der größten Methoden zur Erreichung der Leistungsfähigkeit die Gebetskraft ist.“ Ist aber Gott daran interessiert, daß die Probleme „berühmter Industrieller“ gelöst werden?
Es werden erfolgreiche Männer aus allen Lebensschichten zitiert, um damit zu zeigen, daß alles möglich ist, wenn wir Glauben haben. Sind aber die Erfolgreichsten dieser Welt diejenigen mit dem größten Glauben? Man sagt uns: „Wenn Gott für mich ist, wer kann gegen mich sein?“ — und so kann ich erfolgreich Staubsauger verkaufen. „Angewandtes Christentum“ macht den gesunkenen Verkäufer „feuriger“. Glaube kann jede Art Krankheit heilen, sogar bösartige Tumore, denn „das Christentum ist eine Botschaft der Gesundheit“, wird dem Leser weiterhin versichert. Religion wird deine Erscheinung verbessern, denn „Gott unterhält einen Schönheitssalon“. „Angewandtes Christentum“ wird dir helfen, länger zu leben.
Die „Kraft des positiven Denkens“ wird nicht in Frage gestellt. Durch eine pessimistische Einstellung, durch Sorgen, durch Minderwertigkeitsgefühle, durch Entrüstung und Ärger, durch Angespanntsein und Nähren von Groll lähmen wir unsere Bemühungen. Gegen all das spricht gute Psychologie, und man findet sie in den Sprüchen des Laotse, der Philosophen des Altertums und der Neuzeit, Psychologen und anderen klugen Männer der Welt, und alle davon zitiert man freimütig. Da der Schöpfer über den Menschen vollkommen unterrichtet ist, kann man erwarten, daß sein Wort ein bemerkenswertes Verständnis darüber vermittelt, was für den Menschen in psychosomatischer Hinsicht am besten ist. Dr. Peale hat aus der Popularität und Weisheit der Bibel Kapital geschlagen und deshalb den Bucherfolg erreicht. Aber seine Philosophie ist kein wahres Christentum.
Zur Veranschaulichung möge folgendes dienen: Viele Gesetze Moses haben gute physische Auswirkungen. Ein Ruhetag innerhalb sieben Tagen ist gut für Mensch und Tier; das Heiratsverbot für nahe Verwandte ist in rassenhygienischer Hinsicht gut; es gibt ein Eßverbot für gewisse Fleischsorten, gute Regeln hinsichtlich der Ernährung usw. Aber diese Regeln wegen des körperlichen Nutzens zu befolgen hätte keine Nation zu Gottes auserwähltem Volk gemacht und hätte ihnen auch nicht Jehovas Schutz gegen ihre Feinde gewährleistet. Solch physischer Nutzen war nur untergeordnet. Somit ist heute die Befolgung gewisser biblischer Grundsätze aus psychologischen Gründen kein Christentum und wird nicht Errettung und ewiges Leben durch die Hand Gottes gewährleisten.
Der Apostel Paulus sprach von Männern, „die an der Gesinnung verderbt und von der Wahrheit entblößt sind, welche meinen, die Gottseligkeit sei ein Mittel zum Gewinn“. Diese Erklärung beschreibt genau die Philosophie des Buches Die Kraft des positiven Denkens, denn es enthält mit Anerkennung die Worte: „Die Erhaltung eines gesunden geistigen Lebens ist wichtig, damit man sich der Energie und der Persönlichkeitskraft erfreue.“ Diese ganze Schlußfolgerung ist selbstsüchtig bis zum Kern und genau das Gegenteil von wahrem Christentum, das die Summe der Selbstlosigkeit ist. Anstatt Gott zu unserem Partner zu machen und ihn zu veranlassen, für uns zu arbeiten, wie es das Buch andeutet, sagt uns sein Wort, daß wir seine Sklaven sein sollen und daß wir „Gottes Mitarbeiter“ sind. — 1. Tim. 6:5; 1. Kor. 3:9, NW.
Der Zweck des Christentums besteht nicht darin, daß wir uns der Energie und der Persönlichkeitskraft erfreuen. Wahre Anbetung Gottes, wie sie durch Christus gelehrt wurde, legt nicht Nachdruck auf einen persönlichen Nutzen, den wir haben können, sondern auf die Rechtfertigung des Namens Jehovas, auf die richtige Handlungsweise und Liebe gegenüber dem Nächsten. Jesus sagte von sich selbst: „Beglückender ist Geben als Empfangen.“ — Apg. 20:35, NW.
Alle weltlichen Religionen, alle Philosophien und die Psychologie befassen sich in erster Linie mit Dingen der Jetztzeit, mit dem, was für das Fleisch, die Gesundheit, die Wohlfahrt, den Erfolg, die Popularität usw. wünschenswert ist. Aber wahres Christentum richtet seinen Sinn auf höhere Dinge. Es trachtet in erster Linie nach Gottes Anerkennung und sucht daher sein Königreich und seine Gerechtigkeit im Vertrauen, daß alle anderen notwendigen Dinge hinzugefügt werden. Jesus stellte nicht den reichen jungen Herrscher als Symbol des Erfolges hin, sondern sagte: „Wie schwerlich werden die, welche Güter haben, in das Reich Gottes eingehen!“ Anstatt uns zu zeigen, wie wir an Gütern dieser Welt reich werden können, zeigte Jesus, wie wir bei Gott reich werden können. — Luk. 18:24; 12:21.
Statt auf Erden Reichtümer zu sammeln, sollten Christen im Himmel Schätze sammeln. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden. Denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewönne, aber seine Seele einbüßte?“ — Matth. 16:24-26.
Diese Worte Jesu müssen für viele befremdend klingen, die vorgeben, Christen zu sein, wenn sie auf ihre religiösen Führer sehen, die sie genau das Gegenteil lehren, nämlich, daß wir durch Anwendung der Grundsätze des Christentums in persönlichen Problemen erwarten können, materielle Dinge dieses Lebens zu erhalten.
Im Hinblick auf die Tatsache, daß wir gemäß Jesu großer Prophezeiung in Matthäus 24 in den letzten Tagen leben, die mit den Tagen Noahs vergleichbar sind, erfordert angewandtes Christentum schließlich, seine Anweisungen bezüglich einer plötzlichen Flucht aus diesem alten System der Dinge in die Berge, Gottes neugeborenes „Land“, zu beachten. Es erfordert, daß wir in der neuzeitlichen „Arche“, im neuen System der Dinge, Zuflucht nehmen und uns mit den Insassen, der Neuen-Welt-Gesellschaft, verbinden. Welche Torheit ist es also für Christen, um Volkstümlichkeit und Erfolg in einer von Gott zur Vernichtung verurteilten Welt besorgt zu sein!